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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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Utidtllmtgr Ititullg.

N; 127


Mittwsch, 3. Zunt


1863.

Auf die „Heidelberger
Zeitunq" kann man sich
«W» —noch fiir den Monat
Iuni mit 18 Kreuzern abonniren bei allen Post-
anstalten, den Boten und Trägern, sowie der
Erpedition (Schiffgaffe Nr. 4).

* Politische Umschau.

Aus Berlin schreibt u. A. die „N. Z. F.":
Auf Kvnig Wilhelm I. übt den größten Ein-
fluß der Prinz Carl — cin entschiedencr Ab-
solutist — einst der blindeste Verehrer des
Kaisers NicolauS und des Kosackenthums, jctzt
als Spitze des Jvhanniterordens in Verbin-
dung mit den reactionärsten Junkern von
Pommern und der Mark. Dieser Prinz er-
innert sei'nen königl. Bruder beständig an das
Jahr 1848 — schreckt ihn mit dem Bilde
seincr Flucht und wie der Kvnig öfter mit
vem Schaffote Carl I. sich beunruhigt — so
werden diesc Schreckbilder absichtlich genährt
— um den König ganz in Verbindung mit
den Absölutisten deS Herrenhauses zu erhalten,
welche direct mit dem Prinzen Carl wie der
Gras Stolberg verkehren. Die Generalad-
jutanten, Wrangel, Hosmarschälle mit einigen
Einfluß besttzenden Ministern, bilden die wei-
tere absoluiistische Staffage, — die Königin
als liberal verdächtigt, hat gar keinen Einfluß
mehr auf ihren Gemahl. Preußen ist augen«
blicklich in höchster Aufregung — wvllte man
die wirklichen Anhänger des Königs zählen,
welche ihn ohne Eigennutz lieben — so würde
der Statistiker bald zu eiuer nichts jagenden
Ziffer komiucn. Dcm haude ist kine verhaßte
kostspiclige Militärorganisalion octrvyirt —
es wird ohne Budgct rcgiert, dic Minister
können ausgeben was sie wollen — ein Zu«
stand, der viel schlechter ist, als vor 1848,
wo das Land doch mit der Poffe eines con-
stitutioneüen Lazzaretes nicht behelligt wurde.

Jn einigen Tagen wird die Welt wiffen,
wie Frankreich über seine Regierung denkt,
venn trotz der ungeheueren Macht der Prä-
srcten, trvtz aller erdenklichen Mittel, die dic
Rcgierung aufbietet, nun ihre Deputirlen er-
wählen z» laffen, werden unstreitig in PariS,
Lyon, Marscille und Straßbnrg die Männer
der Opposition den Sieg crlangen, und jeden-
falls die altbekannten Nan»en, Thiers, Odilon
Barrot, Dufaure, Berryer, Marie u. Renne-
sat wieder im Palast Bourbon Sitz u. Stimme
nehmen.

Der Wiener „Prcffe" wird von Paris ans
folgende Enthüllung mitgetheilt. Ein schr ge-

achtcter Diplomat, welcher in früheren Jahren
persönlich mik Napolcon III. viel verkehrt hat,
und ven ich neulich besuchle, machte mir einc
Enthüllung, von dcr ich verfichern kann, daß
sie nicht einer mvmentancn Anschauung, son-
dern einem tieferen Einblickc in die Lage ent-
spricht. Mein Diplomat sieht dic Situation
beiweitem nicht als so geklärt an, wie ste zu
sein den Anschein hat — er findet „den po-
litischen Horizont zwar momentan ohne schwarzc
Wolken, dafür aber mit einem dichten, dunkeln
Schleier verhüllt, hinter welchem gewiffe ge-
heime Absichten Napoleons vcrborgen find».
Für Polen werde, wie die Sachen liegen, und
wie man sie durch die bisherigen diplomati-
schen Schritte der drei Mächte zurechtgelcgt
hat, nur wenig geschehen; allein für Napo-
leon's gehcimc Plane wird Polen immcrhin
eine erwünschle Handhabe bleiben. „England",
sagt mein Diplvmat weiter, „habc zwar im
Beginne der poluischen Frage geschickl operirt,
um Napoleon für den Augenblick so zusagen
daS Gras unter den Füßen wegzumähen; al-
lein das Ende vom Liede wrrd sein — daß
Napoleon eine preußische Provinz schluckefl
wird, ohne daß es Rußland wird hindcrn
könne» — ohne daß es Rußland wird hindern
wollen; denn lief im Herzeiisgrundc wird Na-
polcon mit Rußland bereits einvcrstanden sein,
und wedcr der Kaiser Alerander noch der Fürft
Gortschakoff wcrden dem König Wilhelm bei-
stehcn. Diese Lection werdc aber Prcußen,
nach all dem, was eS unternommen, und wie
eS sich benommen hat, vollkommen verbicnt
habe». — Napoleon warte nur das Ergebniß
von Merico ab, um hervorzutreten und seine
Anklagcschrift zu formuliren — und vielleicht
ist dieser Zeitpunkt näher als man glaubt."
(Von einem andern Correspondenten erhielt
dic „Preffe" neulich eine Mittheilung, welche
mit Obigcm insofern stimmt, alS aus allem
hervorgeht, daß Napoleon nicht nur eine preu-
ßische Provinz, sondkrn auch Belgien jchlucken
würde, wcnn es eben anginge.

Mit dem Resultat dcr bcvorstehenden Wah-
len ist sichcrlich Persigny's Ministerium eng
Verknüpft. Gehen die Koriphäen der Oppo-
sition durch, so wird wahrschcinlich Perstgny
sein Portefeuille geschickteren Händcn abtreten
müffen. Nur dadurch kann Napoleon zeigen
wollen, daß er die Wahlen gegen seine Räthc
eher alS gegen stch betrachtet. Das Land aber
wird man nicht täuschen.

Die französischen Blätter stnd mit Wahl-
circnlaren angcfüllt, die Zeiten sind stiüer gc-
worden und so bleibt manchen deutschen Blät-

tern nichts übrig als ihrc Spalten mtt Kriegs-
gerüchten zu füllcn; viejenigen, welche vor
drci Monaten den Krteg für wahrscheinlich
hielten, halten ihn zwar heute noch für mög-
lich, bcuten aber dieseS Thcma wacker aus;
englische, franzöfische und belgische Blätter,
vvn denen bei den letzteren durch die Wahlen
im Lande es an Stoff nicht fehlt, enthalren
auch kein Wort über Kriegseventualitäten,
wiffen sich den bellicosen Ton deutscher Blätter
um so weniger zu erklären, als nirgendwo
ein Schiff vder cin Bataillon gerüstet wird.
Der Prophet gilt bekanntlich nicht im Vater-
lande, in der Ferne aber, wo man Menfchen
und Dinge durch ein Prisma sieht, legt man
solchen Zeitungsmähren, dic nur Parteizwecken
dienen sollen, ost einigen Werth bei, obglcich
man doch gerade durch die in letzter Zeit zur
Gewohnheit gewordenen Erdichtuagen belehrt
worden sein sollte.

Der londoner Punsch enthält ein Gedicht auf
den Hut des Herrn v. Bockum-Dolffs, welchcS
schwerlich in die Lesebücher für preußische
Cadettenhäuser aufgenommen wird.

Deutschland

Karlsruhe, 30. Mai. (93. öffentliche
Sitzung dcr II. Kammer.) Vorsitz: Hildebraiidt.
Am Regierungstische: Minister Atabel und
Ministerialrath Amman. Das Secretariat
zeigt dcn Einlauf einer Petition des Amtsbe-
zirks Kvrk an, um Aushebung des Rhein-
brückenzolls bei Kehl. Das Präsidium zcigt
an, daß Geh. Rath Dr. Mittermaier in Hei»
delberg ein Eremplar seiner Schrift über vie
Todesstrafe eingesendet habe. Die Tagesord-
»ung führt zur Beraihung der Strafprozeß-
ordnung 8. 202. Meyr fragt an, ob bei
alleii Kreisgerichten Naths- und Anklagekam-
mcr errichtet werden sollen, odcr blos an den
Schwurgerichtssitzen? Die Strafrechtspflege
werde unverhältnißmäßig vertheucrt unv es
stehe zu'erwartcn, vaß man die Krcisgerichte
vermindern werde. Das Richtcrpersonal wcrde
in außerordentlicher Wcise vermehrl, wie in
wcnig andern Staaten. Redner ist gegen die
Raths- und Anklagekammern unb glaubt, sie
werde in mehreren Jahrcn dem österreichifchen
Systeme unterlegen sein. Minister Stabel:
Es handle stch um das Rechi der Angeklagten
und um das öffeniliche Zntereffe. LetztereS
werde mehr gcwahrt, wenn blos der Staats-
anwalt dic Anklage in Händen habc; in etwas
zweifelhaftem Falle werde aber der Slaats-
anwali nicht leicht zu ciner Anklage schreiten.

Znm festlichen Grntz!

Am 3. Iuni 1863.

Gott zum Gruß Euch! Theurc Kreunde!

Jn der alten Neckarstadt,

Wo ein schönes Fest Euch einte,

DaS die Zcit geweihet hat.

Hciltge Erinnerungen
Haben ticf Euch heut' durchdrungcn,
Wunderbar fic Ench durchwehn;
Viclc, die tn Zugcudjahrcn
Froh und glücklich cinst hicr waren,
Werden hcut' fich wicderschn.

Zn dte Kirche zu St. Pcter

Zieht Ihr heut' rn hehrer Wcih'; —
Gernc grüßet fie cin Zrdcr,

Daß cr fich dcs Tempels frcu':

Wo er ja fo oft gewescn,

Drtn der Geist zum Hcil gcwesen,

Drin er seine Heimath fand; —

Wo er etnst »ernahm dte Lehren,

Dic ihn jetzt alS Meister ehren
Zn dcm licben Badnerland.

Don dcn altcn Trauerwetden
Werdet Jhr noch manche sehn,

Die alS traute alte Frcunde

Euch mit FrühlingSluft umwehn,

Die sich an den Tcmpel ranken,

Wte in fciernden Gedanken

Still Euch flüsternd GcisteSgruß; —

Und aus grauem Alterthume
Zeugt der Bau von heil'gem Ruhme,

Der einst sah HteronymuS.

Tief beseclt von GotteS Frteden,

Trctet Zhr zur Tempelhall',

Andacht ist Euch hicr beschicden,

Herrlich tönt Posaunenschall.
llnd an GotteS hcil'ger Stätte
Grüßt mit innigstcm Gebcte

Rothc Euch mit trcucm Getft, —

Der Euch tnntg stets umfangen,

An Dem liebend Alle hangen, !

Den mit Dank die Nachwelt pretst. l

Noch der edlen Männer viele

Grüßen «ir im ernstrn KreiS; —
Dte zu wahrem Christenziele
Wohl geübet ihren Flctß.

Hetl'gen Geistes Grund erneucn,
Drin die Jugendkraft zu wcihen,

War stets thrcs WirkenS Plan.
Frei und getstig fie bclebcnd,

Nach dem höchsten Segen strebend,
Gteng ihr Schenkel stets voran.

Viele heut' gcwiß fich finden,

Die von fcrn sich nur gekannt,
llnd in Liebe stch verbinden
Am geliebten Neckarstrand.
Wahrheit wird heut' Viele cinen
Trotz verschi-d-nem Denken, Meinen,
Kuß und Handschlag fehlen nicht.
Freudc, Kreiheit, Lieb' und Friedcn
Einen Euch noch oft hienicden
Zn dcm geist'gen Sonnenltcht.

Heidelbcrg.
 
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