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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Mai
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Zr 118


Freitag, 22 Mai


L8«L3

^ Ueber Gewerbefreiheit, Capitai
irnd Arbeit.

Man hört immer »och hte und da die Mei-
nnng aussprcchen, daß mit dem Ausblühen der
Zndustrie und der Capitalswirthschaft der
Unterschied zwischcn Reichthum und Arbeit
greller hervortrete. Diese Ansicht ist jedoch
ein Vorurtheil. De»n die Ersahrung lehrt,
daß die Clafse des mäßig begütcrten Mlttel-
standes, die cinen kleinen Schatz von Erspar-
niffen übcr das zum steben Ersorderliche hin-
aus crworben hat, immer zahlreicher wird u.
es wächst diese aus dem sog. Proletariat heran.
Man durchwaiidere beispielsweisc cine große
Maschinenaiistalt, und man wird hier viele
Personen sindcii, die ursprünglich Handwerks-
gesellen waren, aber durch Glück, Fleiß und
Geschicklichkcit stch über ihre Genossen ausge-
schwungen haben, die ein größeres Einkommen
erwerben und sich mehr Kenntniffe verschafft
haben, als ihncn möglich gewesen wäre, wenn
sie beim Mangel eineS soschen Etabliffements
ihr Leben als Geselle eines obscuren Schlosser«
meisteis beschließen mußten. Je höher der
Ansschwung des Capitals, desto geringer wird
daher die Zahl des Proletariats.

Die Blüthe dcs iudustriellen Lebens erzeugt
aber eine immcr größcre Menge vvn Bedürfi
niffen und macht immer mehr Bedürsnisse, die
bisher sür entbehrlich galten, zu unerläßlichen
und nolhwendigen. Die Ansprüchc, die der
Mensch an die Güte seiner Nahrung, Woh-
nung und Kleidung macht, steigen beständig.
Der Arbeitslohn kann hintcr der zur Befriedi-
gung der Bedürsniffe nothwciidigen Summe
nicht zurückbleiben; er reicht daher bei Stei-
gung ver Verkehrsthätigkeit aus, immer mehr
unv mehr Bedürfniffe zu befriedigen, u. macht
so die Lage des Arbeiters immer günstiger.
Ze höher der Aufschwung bes Capitals, desto
uiciischenwürdiger wird daher bie Lage des
Proletarsats.

Das Capital soll und darf kein Feind der
Arbeit sein; es soll sie nicht ausbeuten, son-
dern belvhnen. Arbcit und Capital sind daher
unzertrennliche Begriffe: Das Capital ist er-
sparte Arbeit, also das Resultat der Arbeit;
die Arbeit ist die Voraussetzung des CapitolS.
Ze mehr Capital !n einem Lande vorhanden
ist, desto sruchtbringendcr ist unter jener Vor-
aussetzung die Arbeit. Zn dem inbustriereich-
sten Lande, in England, 'ist bie Zahl ter bem
Mittelstande angehörigen Personcn am größ-
ten. — Der Vortheil der Capitalisten kommt
ben Arbeitern zu gut. Je mehr das Absatz-
gebiet unserer Jndustrieerzeugnisse sich vergrö-
ßert, je größeren Vortheil unsere Prvducenten
erringen, desto mehr kommt dies auch dcn
Arbeitern zu Statten. Nicht im Kampse gegen
seiuen Arbeitgeber, sondern im gemcinschaftli-
chen Kampfe mit ihm, verbeffert der Arbeiler
seine Lage.

Die Bedeutung der Vcreinigung auf dem
wirthschastlichen Gi^biete beruht auf der Vcr«
einigung gleichartiger Kräfte zu densclben
Zwecken. Man mag eine einsache Handelsge-
sellschaft, eine Darlehnscaffe, eincn Rohstoff-
verein, eine Versicherungsgesellschaft, eine
Eisenbahngesellschaft betrachten, übcrall finden
wir, daß mehrcre Personen ihrcn gemeinschaft-
lichen Besitz an Capitalien und Kenntnissen
miteinander verbinden, um durch vereiNte Macht
ein Ziel zu erreichcn, welches dem Einzelnen
zu erreichen nicht möglich oder zu schwierig
ist. Dieses gilt anch für das Vcrhältniß des
^Arbeiters gegenüber seinem Arbeitgebcr, und
das Wohl des Arbeiters beruht daher schließ-
lich auf dem Aufschwung ves Handels und
der Gewerbe, dieser zum großen Theil auf
der allgemeinen Bildung, der Gesetzlichkeit und

Freiheit des Staatslebcns. Der Arbeiter, der
nach seinen Kräften sich um die Erreichung
dieses Gutes bemühi, befördert sein eigenes
Wohl am Bcsten. — Besonders auch im Ge-
gensatze zu der modernen Laffalle'schen Theo-
rie, die im Grunde genommen nur frühcr schon
fruchtlos Angeregtes aufzufrischen bemüht war,
sind die oben aufgestellten Grundsätze von
Bedeutung. — Auf diescs Letztere werden wir
noch näher zurückkommen.

* Polttische Umschau.

Die Berliner feudale Corresxondenz kündigt
den Kammerschiuß mit folgenden Worten an;
„Wie wir hören, wird der Sache am Don-
ncrstag ein Enbc gemacht werden."

Das im Laufe dieses Frühjahrcs in Gotha
gegrünbkte Organ der FortfchrittSparlei in
Thüringen, „Dcr Volkstribun", sieht sich ver-
hindert, fortzuerscheinen, da die preußischen
Postanstalten ihm die Versendung verweigern.

Die officiöse „Donauzeitung" sagt in einem
Artikel über dic polnische Frage: „Das euro-
päische Rccht in der Sache ist festzuhalten,
gewiß aber auch daS unleugbare besondere
Recht Rußlands in gewiffenhafter Weise zu
achten. Die LoSlvsung Polens von Rußland
auf biplomatischem Wege erringen wollen,
wäre nicht weniger chimärisch, als hvffen,
Rußland wrrde etwa die Wiedererrichtung einer
liationalpolnischen Armee bewilligen. Beides
würde die Sicherheit des gegenwärtigen Terri-
lorial-BestandeS in Frage stellcn, und folglich
hat Oesterreich als Besitzer Galizicns, sicher
ein entschiedenes Zutereffe, die Steüung der-
artiger Forberungen zu vermeiden und ver-
Mciden zu machen."

Nach der „France" hat von aüen Groß-
mächten England allein noch nicht die Be-
dingungen, unter welchen es die Conferenz
über Polen beschicken werde, angegeben.

Jn Paris sind die Maueranschläge der Re-
gierung, worin ihre Candibaten empfohlen
werben, Nachls heruntergcriffen worden und
auf den Plätzen selbst allerlei Zeichen der Miß-
achtung dieser Pläne Morgens zu finden ge-
wesen.

Die von Garibaldi und Mazzini veranstal-
tete Franken-Subscription für Polen hat in
ganz Jtalien nur 1629 Franken ergeben.

Deutschland

Psorzheim, 17. Mai. Die bezüglich der
schleswig-holsteinischen Frage in der letzten
Versammlung der hiesigen Nationalvereiiismit^
glieder angeregtc Versammlung hiesigcr Ein-
wohner hat gestern Abend unter schr zahlrei-
cher Betheiligung stattgesunden. Als Haupt-
redner lraten Prof. Provence von hier und
Pros. Dr. Eckardt von Karlsruhe auf. Er-
sterer hatte sich die Darstellung der geschicht-
lichcn Sachlage, sowie des Rechtsstandpunkts
gewähll unb seine Aufgabe in einem sehr gründ-
lichen Vortrage gelöst, während Prof. Dr.
Eckardt in seuriger Ansprache all die Schande
und Schmach aufdeckt, welche, wie der Ver-
lust von Elsaß, Lothringcn rc., so namentlich
auch der Streit wegen dcr nordalbingischen
Herzogthümer uns Deutschen schon brachte.
Derselbe forderte dann zu cinem entfchiedcnen
Aufraffcn beS nationalen Gefühls, sowie ins-
besonderc dazu auf, für unsere an Deutsch-
land festhaltentzen Brüder im Norden Gut u.
und Blut darzubriiige». Schließlich wurde
einstimmig beschloffen, bie kürzlich in der glci-
chen Angelegenheit in Karlsruhe gefaßte Re-
svlution nach einer von Hrn. M. Müüer be-
antragten schärferen Faffung anzunehmen. Eine
für die leidendeii Brnder in Schleswig-Hol-

stein angeordnete Sammlung fiel sehr rcichlich
aus.

Berlin, 18. Mgi. Jm Abgeordiietenhause
waren hrüte die Tribünen lange vor Eröffnung
der Sitzung buchstäblich überfüllt. Jm Saale
herrscht ungemein lebhafte Bewegung. Unter
den Abgeordneten besindet sich heute auch
Waldeck. Jn der Diplomatenloge ist kein Platz
leer, in der Hofloge bemerkt mau einige Kam-
merherren und Adjutanten. Der Ministertisch
bleibt' leer. Präsident Grabow eröfsnet die
Sitzung um 9 Uhr 35 Minuten. Unter den
geschäftlichen Mittheilungen meldet der Präst-
dent den Tod des Abgeordneten Rähn. (Es
verlautet, derselbe habe sich entleibt.) Der
Abg. v. Niegolewski hat bei deM Hause einc
Beschwerde darüber geführt, daß cr in seincin
eigenen Hause verhaftet worden, Auf Antrag
des Abg. v. Hoverbeck wird das Schreiben
verlesen. Auf Vorschlag des Prästdenten wird
daffelbe der Zustizcominission übergeben. —
Bei lautloser Stillc verliest der Präsident das
von dem Präsibium des Hauses vereinbarte
Schreiben an das königliche Staatsministerium,
worin von der Verhandlung und den Bc-
schlüffen der letzten Sitzung Bericht erstattet
wird. Gleichzeitig ist der Kriegsminister durch
dcn Präsibenlen von dem Jnhalte des Forcken-
beck'schen Antrages in Kenntniß gesetzt worden.
Der Präsident fährt fort: Jn dem AugeNblick,
als ich mich zu der heutigen Sitzung begeben
wollte, ging mir auf die beiden Anschreiben
solgenbe Antwort zur

Frhr. v. Hoverbeck beantragt Folgendes:
,,Das Haus wolle beschließen zu erklärcn: das
Haus hat keinc Veranlaffung der in dieser An-
gelegenheit gefaßten Resolution irgend Etwas
hinzuzufügen." — Der Präsidcn.t. Das
Amenbement ist noch nicht unterstüßt, ich frage,
ob daffelbe unterstützt wird. — Das ganze
Haus, uiit Ausnahme der katholischen Fraction
und der Conservativen, erhebt sich. — Man
tritt sofort in die Debatte ein. — Wachs-
muth rechtfcrtigt den Antrag mit wenigen
Worten. Darauf beantragen die Abgg. Beh-
rendt (Danzig) u. Heidenreich den Schluß
der Debatte. Derselbe wirv angenommen.
Herr v. Hoverbcck verzichtet auf das Wort.
Sein Antrag wird darauf mit einer sehr großen
Majorität angenoininen, mit welcher 7 Mit-
glieder der katholischen Fraction stimmen. Da-
gegen sind die übrigen Mitglieder der katho-
lischen Fraction und die Conservativen. Zn-
zwischen ist in der Hofloge der Prinz Friedrich
Wilhelm von Kurheffen erschiene». — v. For-
ckcnbeck beantragt: „Das Haus wolle zu be-
schließeii erklären: Lie Verhandlungen über bas
Militärgesetz so lange nicht fortzusetzen, bis
das königl. Staats-Ministerium seiner ver-
faffungsmäßigen Verpflichtung und der an das-
selbe ergangenen Aufforderung gemäß im Hause
erscheint. 2) Auf die nächste Tagesordnung
den Bericht der Commiffion über cine Adreffe
an Se. Maj. zu setzen." — Gneist erklärt
sich für ben Forckenbeck'schen Antrag. — Sim-
son stellt folgenden Antrag: „Das Haus wvlle
beschließen, unbeirrt durch die Erklärungen des
Staatsministcriums in bic Berathung der heute
auf dic Tagesordnung geseßten Gegcnstände
einzutreten und die Arbeitcn, so viel am Hause
liegt, im Zntereffc des Landes fortzusetzen."
Der Antrag wi>o aiisreichenb unterstüßt. —
Reichenspcrgcr (Geldern) spricht gegen die
Forckenbeck'schen Anlräge, ebensv Gr. Schwe-
— v. Bunsen: Eine Adreffe sei eine
Nothwendigkeit, eS sei nvch nichk Alles gesagt,
was gcsagt werden müffe, namentlich nicht,
daß man mit den Ministern nicht weiter ver-
Handeln könne und diese Situativn jetzt dürch
die Minister selbst bis aüf die Spitzc gctricbcn
sei. Dagegen sei es unmöglich, dic Militär-
 
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