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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0565

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InfertionSgebührea für die Zspalttg'e^Pettt-
zeile werden mit 3 kr. berechnel.

Freitag, 1S. Zuni

^ Die Parreien i« Rußland.

Als Rachtrag zu unserern neuerlichen Auf.
satze diene Folgendes: Jn Rußland herrscht,
wie in Westeuropa, ebenfalls ber Gegensatz
zwischen conservattv und libcral; doch spielt
derselbe etne secundäre Rolle: Dte eigcntliche
Fahiie, um welche sich hter dte Partetgenoffen
schaarcn, ist nicht sowohl dte Beztehung zur
Rcform, als dte zur Nati'onalttK. Dcr Ge-
gensatz zwischen den Anhängern der westcuro-
pätschen Cultur und den slavtschen Rattonali-
tätsschwärmern steht tm Vordergrunde des po-
littschen Lebens; in dem Ankämpfen gegen dcn
vor Kurzem noch bestandencn und theilweise
noch bestehenden militärtsch-burcaukratischen Ab-
soliitismus sind beide Parteien einig; in Be-
zug aus ihre weiteren posttiven Bestrebungen
gehen jedoch bcide auseinandcr. WaS Lie streng
nationaie Partei anbelangt, so ist die ultra-
nationale Richtung derselben, die in Rußland
während der letztcn Jahre einen bedeutenden
Einsiuß und große Auöbrei'kung gefunden hat,
mit der panslavtschcn Partei, welche man iw
gesammten östlichen und südöstlichen Europa,
von Kasan bis nach Prag, von Moskau bis
an die Thore Konstantinopels vertreten findet,
enq verwandt. Aus dieftm weiten Reiche ha-
ben sich mit der Zeit unter andern auch zwei
engere Gruppen herausgebildet, die stch mehr
scherzweise „Franzosen und Dcutschc" nennen,
jc nach ihren auf philosophische und politische
Vtudien gcgründeten Anschauungen dieser beiden
Völker; die „Deutschen" waren oft Anhänger
der Hegel'schen kiiikcn, die „Franzosen" An-
hänger der franzöfischen Socialisten. Ans den
leßtern hat fich jene social-demokratische Rich»
tung herausgebildet, für deren Vorkämpfer
Alerander Herzen angesehen wird. Diese rus-
sischen Socialdemokraten, deren Tcndenzen zum
Theilc jedoch nicht auf abstracten Zbeen, son-
dern auf altrussischen Znstitutioncn, z. B. den
ziemlich demokratischen Gemcindcverfaffungen
fußten, hicßen bis in die 40er Jahrc Sopodni
und Westlinge. Der demokratische Charakter
der altrussischen Staats- und Gesellschafts-
formen schien ihneu cin brauchbares Material
für dic Realisirung ihrer Anschauungen zu
seiii. Der Begriff Sopodni ist hei»t zu Tage
nur weiter gewvrven: Man versteht darunter
ganz allgeinein alle Freunde dcr westlichen
Cultur und Gegner veö ausschließlich russischen
Rationalitätsprincips. Dieselbcn haben sich
in verschiedene Richtungen gespalten. Einzelne
Fractionen hängen theils einem sog. liberalen
oder ausgeklärten Absolutismus unv ver Cen-

. Ein Erdbeben.

Rhodns im Mai. Am 2L. April d. A., um
halb 11 Uhr Abcnds, hat ein heftiger Erdstoß
dicsc Znscl in den bedaucrnswürdigsten Zustand
versetzt. Zwanzig Scknnden sind dte Zeit, welchc
das Erdbebcn gebrauchte, um auS der Jnsel Rho-
dus fast nur einen Trümmcrhausen zu machcn.
Hier sind Häuscr cingestürzt, dort licgen unter dem
Schutt begrabcnc Opscr, überall trifft man die
gleichcn herzzerreißendcn Sccncn. Wclches Ver-
hängniß lastct denn auf dicscr dem Unglück gc-
weihten Jnsel? Wundcn, die noch bluten in Folgc
Ler Erdbebcn, welche in dcn Zahrcn 18b1 und 56
die Ansel verhccrten, «crdcn, größer als je, wiedcr
aufgeriffcn. Seit Menschcngcdenkcn hat kcin größc-
res Erdbeben, als dieses letzte, auf Nhodus statt-
gesunden. Bercits seit einigen Tagen tobtc mit
Lußerster Hcftigkcit ein schneidend kaltcr Nordwind.
Jn der Nacht des 22. April vcrdoppelte fich scine
Heftigkcit, ein wahrer Sturm brach los, und einigc
schwärzliche Wolkcn zcigten sich am Firmament; die
Atmofphäre war drückend, gewitterhaft. Wider
Willcy bcmachtigte fich unserer eine tzewiffc Unruhe,

tralisation an, welche Richtung in dem Mos-
kauer Journale „Unsere Zeit" vertreten ist,
theils der constitutionellen Zdee, der Decen-
tralisation und der Selbstregierung nach eng-
lischem Muster. Die lctztere Richtung ist in
den Zournalcn „Russtschcr Bole", „Zeit",
„Preußische Chronik," „Moskauer Tageblatt"
u. „Moskauer Univerfitätszeitung" vertreten.
Der entschieden politischc oder socialistische Ra-
dicalismus ist durch inländische Organe nicht
vertreten, wird aber durch verschiedcne im
AuSlande, besonders in England und Belgien
gedruckte Blätter vertreten.

* Politische Umschau.

Herzog Ernst von Coburg setzt in Wien
seinc Unterhandlungen fort und zwar betreffen
dieselben, wie dcr „Südd. Zeitung" gemeldet
wird, dr'e dentsche Bundesreform. Von den
zwei vom Herzog gestcllten Bedingungcn: des
Verzichtes von Seiten Oesterreichs auf Ein-
tritt in den Bund mit seiiicin ganzen Länder-
gebiet und ber schleunigsten Durchführung der
cinmal beschloffenen Reformen, soll die erste
ohne Widcrrede zugcstanden sein, die zweite
in Betreff der Modalitätcn der Ausführung
uoch im Stadium der Verhandlung oder doch
der Geheimhaltung sich befinden.

Auch die „Rheinische Ztg." fordert zu einer
lebhaften Betheiligung namentlich des Nordens
an dem eidgenösstschen Schützenfeste auf. „Es
wäre im höchsten Grad zu tadeln (schreibt sie
u. A.), wcnn auf dem großen Feste Rord-
deutschlanb nur durch cinc gcringe Zahl Theil- ^
nehmer vertreten wäre, zumal im nächsten
Zahre das deutsche Bundcsfest in Norddeutsch-
land gefeicrt wird und ohne Zweifel fich die
Schweizer in Bremen sehr zahlreich cinfinden
wcrden. Wir fordcrn daher die Schüßenver-
eine Norddeutschlanvs noch in der letzten
Stunde zu einer zahlreichen Bctheiligung an
dcm Schweizer BundeSfeste auf.«

„France" behauptet, die franzöfischc Regie-
rung habe fich 1861 durch eine Militärcon-
vention verbindlich gemacht, zur Unterdrückung
der Brigandage ml'tzuwlrken, und wünsche eben
so sehnlich als dic italienische, daß ein so trau-
riger Zustand aufhöre.

Zn einem Brief eines in Paris anwesenden
Engländcrs werden die Kosten, die sich die
Pariser bei dem Fall PueblaS gcmacht, auf
60 Centimen tarirt; ein einziger Kornlieferant
habc zwei papierne Lampen ausgchängt! Die
Nachricht habc daS Publikum ganz kalt ge-
lassen.

die wir uns nicht erklären konnten; allein nicht
Einer hättc an dic schrecklichc Katastrophe gedacht,
die uns decimiren solltc. Dcr Tod war da, er
schwcbte über unsern Häuptern, und um halb ll Uhr
Abcnos brach das Erdbeben los. Dem Phänomcn
war cin sehr langcs unterirdisches Geräusch voran-
gcgangen und gefolgt. Beinahe die ganze Bevöl-
kerung lag zu dicfer Stunde der Äacht in tiefem
Schlas, dcr leider für gar Manche ein cwiger sein
solltc. Stille, die Stille der Gräbcr herrschte überall;
fie wurde nur unterbrochen durch das scharfc Pfei-
fcn des Windcs und das dumpse Getöse des auf-
gewühlten Meeres. Ein Stoß, ein einziger, deffen
Dauer20 Sccunden nicht überschritt, hat, «ie ge-
sagt, hingercicht, um aus cincm großen Theil un-
sercr Znsel einen Trümmerhaufen zu machen. Die
Frauen warfen fich nicder auf die Kniee und betc-
ten; anderc verdeckten ihr Gesicht mit dcn Händcn,
um das rasche Herannahen eincs entfetzlichen Todes
nicht sehen zu müffen. Der St. Johannisthurm,
dieses schöne Baudenkmal dcr Johanniterritter, ist
nur noch eine Ruine. Zn einigcn Dörfern war
dte Wuth des Erdbebens so groß, daß dic Zer-
störung dort vollständig ist. Jn einem wurden

„Revue des deur MondcS« sagt, der Fall
Pueblas wcrde Frankrei'ch gestatten, einen
Schri'tt vorwärts i'n der polnischen Frage zu
thun, wenn man hoffen dürfe, daß man sich
nun mit Ehren aus dec unglücklichen meri-
kanischen Affaire ziehen und Frankrekch da-
durch die Freiheit seiner Bewegung wiederge-
gebcn werde, von welchcr es in Europa im
Jntercsse der Ordnung, der Humanitüt und
Gercchtigkeit einen beffercn Gebrauch alS dort
machen könne.

„Times" berichtet über die Unterhandlungen
in Betreff Polens: Oesterreich werdc Ruß-
land rathcn, den Mächten, welche die Wiener
Schlußakte unterzeichnet, zu gestatten, seincn
Streit mi't den Polen auszugleichen; Frank-
reich wollte eine Entscheidung durch die Groß-
mächte, England ging aber darauf nicht ein,
konnte aber auch Oesterreich nicht vermögen,
einen Waffenstillstand zu befürworten.

Das Ausstellungsgebäude in London, deffen
Ankauf das Unterhaus nun gutgeheißen hat,
erfordert für Umbau und Reparatur eine
Summe von L. 281,000.

Die Noth in den Fabrikdistrikten Englands
läßt nach; im Mai wurden 70^138 Personen
weniger unterstüßt, als im Atzrll; viele Fa-
briken arbeiten wleder die gänze Zeit. Die
Unterstüßungsgelder beliefen M im Mai noch
auf L. 71,000. M

Jn London ist aus Deutschen u. Ztalienern,
welche in der englischen Armee gcdicnt, ein
Corps von Cvmmissionären gebildet worden,
welche für 5 Schillinge Frcmbe den Tag über
beglelten und ihnen die Sehenswürdigkeiten
zeigen.

Die aus Spanien verbannten Protestanten
wrirden auf der Reisc nach der Küste in einer
Weise mißhandelt, die, wie ein Augenzeuge
bemerkt, Spanien und dem Zahrhundert zur
Schande gereicht.

Die pcruanische Regiernng hat den bisher
von Lima auS auf den Südsecinseln getriebe-
nen Menschenraub streng verboten.

Deutschland

KarlSruhe, 17. Zuni. Durch Alleihöchst- Ordrc
vom 14. d. crhält Lieulmant Peter W-ber im FestungS-
Artillerieregiment die unterthänigst nachgesuchte Eutlaffung
aus dem großh. Armcecorps.

-f-f Bom Neckar» 16. Juni. Das zu
Fraukfurt a. M. bestehende Comitee für den
dcutschen Schützenzug nach der Schweiz hatte
bekanntlich seinerzeit einc Aufforderung ziir
Theilnahme an dem gemeinschaftlichcn Schüßen-
zuge nach der Schweiz erlaffcn, und sämint-

mehr als 110 Personen untcr dem Schutt hervor-
gezogen, theils todt, theils grauenhaft verfiüm-
melt. Aus dcn von uns cingczogenen Erkundi-
gungen geht hexvor, daß mehr als 300 Personen
das Leben verloren. Eine gleiche Anzahl ifi mchr
oder mindcr schwcr verwundet. Mehr alS 1500
Häuser sind cingcstürzt, und von dcn noch aufrecht
stehendcn find ungefähr 1000 in dem traurigsten
Zustande. Bei jedem Schritte stößt man i» den
Straßen auf blaffe, traurige, abgehärmte Gcsichter.
Hier jammert ein Vater, cine Muiter, dort weint
cin Bruder, cine Schwester, ein Verwandter oder
ein Freund. (Allg. Z.)

Die Savoyischen Prinzen scheinen es nicht zu
»erstehen, dcn lombardischen Adel für sich zu ge-
winncn. Neulich Lußcrte Prinz Humbert gcgen
den Herzog von Litta, er wcrde ihn in deffen Villa
von Lainate (bei Monza) besuchen. Der festgesctzte
Tag des BesucheS kam, aber ftatt des Prinzcn kam
deffen Generaladjutant mit der Frage, ob bei dem
Empfange auch die Herzogin gegenwärtig sein «erde.
(Die Gcmahlin deS Herzogs ist nämlich kcine eben-
bürtige, sonst aber wegen ihrer trefflichen Eigen-
 
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