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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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8.


Samstag, Iv Zanuar


L8S3.

Bestellungen auf die „tzeidelberger
Zeirung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Fau»lienblatter" für -as «it 1.
Zanuar 1883 begonnene 1. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Gxpedition.

Deutfchland und die schleswig-
holsteinifche Frage.

Etn Sendschretben an Herrn Iohn M'Adam tn GlaS-
gow von Karl B ltad.

Herrn Iohn M'Adam in Glasgow.
Geehrter Herr!

Die Theilnahme, die Sie der Sache des
niedergetretenen Schleswig-Holstein gcwidmet,
vnd die Wärme, mit der Sie sich sür die deut-
sche BolkSbewegnng überhaupt interessiren,
ermuthigt mich, über unsere Kämpfe für Frei-
heit und Einheit einige wcitere Bemerkungen
an Sie zu richten.

Der gcgenwärtigc Augenblick ist ohne Zwei-
fel besonders geeignet, die Ausmerksamkeit Zhrer
Landsleutc auf die deutschen Angelegenheiten
zu lenken. Wie verlautet, sind Rußland und
Frankreich cinen Vertrag eingegangen, dcr
eines Tages eine Gefahr für die Sicher-
heit Europa's werden kann, und vielleicht
England bald zwingcn wird, eine Stel-
lung der äußersten Wachsamkeit einzunehmen,
Bei solcher Weltlage tritt die Wichtigkeit^
Deutschlands als des großen Keiles, der die
complottirenden Autokraten des Westens und
des Ostens trennt, in voller Schärfe hervor.
Was England zur See machen kann, das kvn-
nen die 47 Millionen Deutschen zu Land ihun
— vvrausgesetzt, daß ihre Kräfte entsprechend
zusammengefaßt und zum richtigen Ziele ge-
leilet werden vermittelst eincr staatlichen Eini-
gung, die auf dem Grundsatze freier Selbst-
regierung ruht. Es ergibt sich daraus klar
genug, daß die Volksbewegung, die gegenwär-
tig wiever in mcinem Vaterlandc ihren An-
laus nimmt, eine eurvpäische Bedeutung
hat, abgcsehen von drm Zwecke nationaler
Wiedergeburt, den sie sich gcsteckt.

Die Gewaltherrscher von Nußlaud und
Frankreich mögeu ein zerspaltenes Deutschland
wünschen. Stets wird eS ihre Bcmühung
sein, im MittelpUnkte Europa's die polilische

Gegenwärtlgc» Sendschrcibcn wnrde von dem Vcr>
snjser, tn Fnlge clner von GlnSgow aus nn th» ergangcnen
Einlndnng, nn Hrn. Iohn M'Ädnm, den deknnnlen rndi-
knlen Agllnlor ln Schotlland, gcrlchtet, nnd von dtesem ln
der schottlschen nnd englischen Prejse zn anSgedchnier Ver-
breilnng gcbracht.

Schwächc zu verewigen oder den Plan ^iner
Ersten Theilung Deutschlands zu beför-
dern, indcm sie Preußen in einen Pfad zu
treiben suchen, wo cs seinen westlichen und
östlichen Nachbarn auf Gnade oder Ungnade
übergeben wäre. Wcitdenkende Eugländer je-
doch werden einer anderen Politik huldigen.
Englano muß wiffen, daß das Verbleibcn ber
Rheinlande in der Hand ihres rechtmäßigen
Beflßers, nämlich der deulschen Nation, ein
Schutz für jene Niederlande ist, die ihrerseits
ein Bollwerk für die britischen Küsten bilden.
England soüte sich ferner stets erinnern, daß
an dem Tage, wo die Plane reifen, welche
Rußland gegen die deutschen Länder nördlich
dcr Elbe hegt, die mvskowitische Macht in
einc allzu nahe Nachbarschaft mit dieser Jnsel
gcräth.

Mit Recht habcn daher Sie, geehrter Herr,
die Nothwendigkeit cines starkcn, freien und
geeinigte» Dentschlands als einer unerläßli-
chcn Grundlage europäischer Sicherheit und
allgemein menschlichen Fortschrittes hervvrge.
hobcn. Jch weiß, es gibt allerdings welche,
die in ihrer erhabenen Unwiffenheit sogar an
der Eristenz einer deutschen Nation zweifeln.
Diese sprechen von „Preußen", „Oesterreich",
und was ste „die deutschen Slaaten" nennen,
als ob stc es mit Reichen und Nationalitäten
zu thun hätten, die einander völlig fremd siud.
Sie vergeffen, daß von den Alpen bis zur
Nordsee und bis zum baltischea Meer, vom
Rhein bis zur Memcl und March, wir eine
gleichartige Race sind — mit Ausnahme
einiger Bruchstücke fremdsprachischer Bevöl«
kerungen, die auf unsern äußersten Grenzen,
im Osten und Süden, verstreut sind, wie daS
mehr oder weniger fast in jedem aiibera Lande
vorkommt. Sie vergeffen, daß, wenn man
Ztalicn ausnimmt, wir in Stamm u. Sprache
geeinigter sind, als irgend ein anderes euro-
päisches Volk. Sie vergessen, daß sogar gegen«
wärtig der Deutsche Bund, der mehr als 40
Millionen Einwohner in sich schließk, ein zwar
schwaches iind ungenügendes Band, aber doch
immerhin ein Banb, für eine Bevölkerung
bilbet, die während nahezu tausend Jahren
in einem Reiche zusammengefaßt war. Sie
vergeffen, daß die deutsche Natio», die jene
große Sce- und Handelsconföderation, die
Hansa, und jene einflußreicheil Bünde freier
Stäbte im Süben schuf, während der Refor-
mationszeit starke Schritte nach einer politi-
schen Wiedergeburt hin machte, und daß un-
sere gegenwärtige Spaltung ivesentlich die
Folge des UnglückS ist, daS während eines

dreißigjährigen Krieges übcr uns kam, in
welchem unser Land sich für die Erringung
der Gedankenfreiheit opferte und darüber zum
Schlachtfelv sür den Ehrgeiz seiner Nachbarn
wurde. Sie vcrgeffen, daß, gleich esnem Or-
kan, der eine Weile geschwiegen, wir ains mit
Sturmesbrausen gegen den ersten Napoleon
erhoben, um eine nationale Unabhängigkeil
wieder zu gewinnen, die durch unsre verächt-
lichen Fürsten verloren gegangen war. Sie
vergeffen, daß. seit jenen Lagen des Kampfes
die Zdee ber Einheit und Freiheit in der Ein-
bildungskraft unserer Zugend gezündet und
den Geist und die Energie unserer Männer
beschästigt hat; daß dic surchtbarste» Verfol-
gungen, daß dic Ketten, die Marterkamuier,
wie ste einem Weidig zu Theil wurde, und
die zahlreichen Auslreibuiigen von Vatcrlands-
freunden nicht im Stande gewesen sind, die
„demagogische" Prvpaganda der natiönalen Be-
sreiung zu vernichten; daß im Zahre 1830,
und in der darauf folgenden Zeit, der Funke
des Patriotismus plötzlich lohenv empvrschiug;
und daß 1848—1849 die Revolutivn in Ber-
lin und Wien, in Frankfurt, Dresdcn, und
auf den blutgetränkten Feldern Badens, vas
Banner eineS srcieo, einigen Deutschlauds hoch
emporhob, jenes Bauner, das nur durch bie
wüthendsten Anstrengungen zu Boden konnte
geriffen werden.

Lerhärtcle Zweifler sind in der gailzen
Welt zu fiiiLen, Menschen, die nur an dic
voUenLeten Lhatsachen glauben. Sie jeboch,
geehrter Herr, der Sie dic Sache Ztaliens zu
einer Zeit verfochten, als es sowohl gegen
Unlerdruckung, wie gcgen vie öffenlliche Zwei-
felsucht zu kampfen hatte, Sie gehören nicht
zu denen, die übcr eine Bestrebung von dem
nach Ruckwärts gekehrten Standpunkt LeS
bloßen Erfolges uriheilen. Sie sehen auf den
Werlh ver Grunvsätze unb auf den Eifer de-
rer, die dafür ardeiien, unb gewähren Larnach
Zhre Spmpathie und Zhre Mitwirkung, ruhig
ben Erfolg im Laufe der Zeit abwariend.
Darum richte ich gern unb verlrauensvoll diese
Bemerkungen an Sie, als an einen Gestn-
nungsgenoffen, beffen Hoffnungen uud Wünsche
mil einer Sache gehcn, sür welche Millionen
Leutscher Herzen schlagen — einer Sachc, sür
die sich bereinst ein Wald von starken Armen
erheben wirb, die den Urtheilsspruch anjeiien
usurpirenden Macbelhs vollstrecken, uutor de-
ren Händen unsere Freiheil gefallen.

.Doch der Wunsch ist uur auSgesprochen

worben, heute insbesondere die Lage der unter
dänischer Herrschaft likgenben Eldlänber zu

Eine außerordentliche Gefchichte.

Aus dem Ungarischen von S. Z. Huber.

(Fortfttzüng.)

Der Arzt aber schätzte den Werth scincr Dienste
ganz anderS; er wcigcrte sich entschieden, dicTau-
scndguldennote anzunchmcn, «elche noch auf dem
Tischc lag. Der Fremde bestand darauf, fie zurück-
zulaffen, und war bcreitS zur Thür hinauSgegan-
gen, als er, das zunchmende Mißfaücn des Arztes
bemerkcnd, fich umwandte und ihn bat, auf jeden
Fall darein zu «illtgcn, daß ein Theil der Summc
zum Bcstcn irgcnd eincs Spitals gcspendet «erde,
und nahm dann eilig Abschicd.

Doctor N. besuchte seincn Patienten ctliche Tage
in dem Gasthof, wo er sich aufhtclt, bis seine Wunde
vollständig geheilt war. Dies war schncll geschehen.
Währcnd dicser Zeit hatt« dcr Arzt Gelegenheit,
Bcobachtungen anzustellcn, welche mit der kleber-
zeugung endeten, daß er eö mit einem gebildeten,
vvllkommcnen Mann zu thun hatte; mit Einem,
deffen jedeS Wort nicht nur auSgedehnte allgemetne

Kcnntniffe, sondcrn jcnc Weltkenntniß verrieth,
welche, mit Vorzügen des Geistes vereint, so an-
genehm ist.

Der Frcmdc kehrte bald vollständig geheilt auf
seine Güter zurück.

Drci Wochcn waren verstoffen, als der Dtener
«iederum gerufen wurdc, um dem Arzte die
Ankunft seines fonderbarcn Patienten zu melden.
Der Fremdc, augenblicklich vorgelaffen, erschien
abcrmals mit verbundenem Arm; und so groß war
fetn Lctdcn, daß auf den crsten Blick seine Zügc
kaum erkennbar warcn. Zn eincn Stuhl finkend,
ehe der Arzt Zcit hatte, ihm einen Sitz anzubic-
tcn, strecktc er thm die Hand dar, unfähtg, das
Aechzcn längcr zurückzuhalten.

„Was ist geschehcn?" fragtc mitleidig der Arzt.

„Der Einschnitt «ar ntcht tief genug", Lchzte der
Fremde. „Dcr Schmerz ist zurückgekehrt, brennt
heftiger als zuvor. Zch konntc mich anfangs nicht
dazu bewcgen, Sie wieder zu belästigen; ich säumtc,
in dcr Hoffnuntz, der Tvd werdc meiner Eristenz
bald etn Endc machen. Aber, waS ich so schr er-
sehnte, kam nicht. Der Schmerz blieb und ist noch
jetzt auf diese einzige Stelle cvncentrirt. Schen

Sic mich an, und Sie «crden sich »ielleicht etne
Zdce von meincn Leiden machen können."

Das Gcficht des Frcmden «ar wetß vor Schmerz
und kalte Tropfcn bedeckten setnc Stirn. Dcr Arzt
löste den Verband. ,Die Wunde war gcschloffen;
alles an der Hand erjchien gcsund und gut wic zu-
vor, und der Puls schlug gleichmäßig und natür-
lich. —

„Dies grenzt an's Wunderbare!" rief Doctor N.
aus. „Es übertrifft bei weitem Alles aus meiner
srüheren Erfahrung. Wunderbar!"

„Ia, wundcrbar, schrccklich! Forschen Sie jetzt
nicht nach der llrsache, Doctor, sondern bcfreten
Sic mich von diescr Qual. Nehmen Sie Jhr Jn-
strument und fahrcn Sie tiefcr ein, als das erste
Mal. DaS allein «ird mir Linderung verschaffen."

Der Arzt sah etn, daß cr dicse Bitte gewähren
mußte. Zum zweiten Mal vollzog er dic nämliche
Operation; abcrmals bemcrkte er die erstaunlichc
Vcränderung im Gesichte bcS Frcmdcn. AbcrmalS,
als er den Verband wieder anlegte, trat eine frische
Farbe a» die Stelle der Bläffe dcs Patienten,
deffcn Gesicht ausklärend. D»S Lächcln jedoch er-
 
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