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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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Utidtlbtrger Ieilung.

N S«


Samstag, 28. Februar


18«3.

Die neue Berwaltungsorganifa-

tion in Baden.

(Foitsetzung und Schlnß.) .

Zur Abstellung eines alken Mlßstandes,
über ben in Dentschland schon ost geklagt wor-
den ist, des RechtsprechenS der Verwal-
rungsbchvrden und der hierdurch lelcht zu ver-
ursachenden Vermengung der Verwaltung mit
ver Iustiz, soll ein besonderes Recursge-
rrcht geschaffen werden, welches in höherer
oder zweiter Jnstanz die strcitigen Verwal-
tungssachen entscheidet.

Zur Versehung aller übrigen Verwaltuiigs-
geichäske enblich, welche nach Aufhebung der
Kreisregierungen noch übrig bleiben, und an
keine der srüher genannten Behörden verwie-
sen stnd, insbesondere solcher Geschäfte, vie
gewiffe technischc Kenntntffe erfordern, wie die
Prusnng des RcchnungswesenS, die Verwal-
tung gewiffer Staatsanstallen rc., wird ein be-
sonverer Verwaltungshof errichtet werden.
Diese Mittel- oder Ceutralbehörbe, welche
Eigenschaft man derselben immer beilegen will,
steht direct unter dem Mtnisterium des Znnern.
Anstatt aller anderweiter Mittclbehörben, bie
aufgchoben wcrven, nehmen etnige Mitglicder
des Ministeriums (Landescommiffäre) in den
größern Stäbten des Lanbes ihren Wohnsitz,
um ben Gang der Verwaltung hier zu über-
wache».

Durch diese Verwaltungsresormen werden
gewiffe Ansorderungcn, die man neben andern
zeitgemäßen Ansprüchen schon längst an die
staalliche Einrichlung der Neuzeit.stellte, wie
sich nicht verkennen läßt, in zicmlich hohem
Maße befrieblgt. Dic Verwaltung wirb, wie
dies seither schon in manchen anbern Ländern
ber Fall war, hierdurch großentheils dcmokra-
lisirt, d. h. in die Hände beS Volkes gegeben,
unb an diesem ist es nun, zu zeigen, daß es
die zur V-rsehung einer solche» hochwichligen
Oblicgenheil nöihige 'Erfahrung und Würdig-
kcit besißk.

Um auch cinc Schattenseitc der neucn Ver-
waliungsresorm zu berühren, so darf nicht
unerwähnt bleiben^ daß dic in Ausstcht gestell-
ten Bchörden zu viele, und daß dic ganze
Maschinerie elwas zu complicirt ist. Viel
einsacher war ein älreres, bereits zu Anfang
des Zahrcs 1849 unter dem Ministerium Beck
erlaffeneS Gesetz, welches in Folge der bama-
ligen politischen Wirren leider niemals ins
Leben gelreten ist. Es hob dieses die Aemter
ebenso wie dse Kreisregierungen völlig auf,
und ließ nur größere KreiSbezirke nedst Kreis-

versammlungen und Kreisausschüsse bestehen.
Das Fortbestehe» der vielen mit einem einzi-
gen Beamten besetzteN Bezirksätnter ist kost-
spielig, und uiit Bczug auf die ncue Jnstitu-
tion der Volksverwaltung auch unzweckmäßig,
weil in kleinen abgelegenen Bczirken weder
viele Capaciläten zu findcn sind, dic sich zu
Amksrathsmitgliebern eignen, noch üherhaupt
ein großes Felv zür Entsaltung einer admini-
strativen Thätigkeit ssch öffnen kann. Auch ist
die Wahl- und Ernennungsart der feßlgen
Amtsräthe zu verwickclt. Das Gesetz vom
I. 1849 hatte cinfach bestinmtt, daß dic Kreis-
versammlung von den Bewohnern des Krei-
ses mittelst directer Wah! zu wählen sei,
und daß diese wieder den Kreisausschuß zu
wählcn habe.

Man kann schließlich die Frage stellen, ob
nicht der neue Gesetzentwurf, indem er die
thäirge Theilnahme ber Bürger an den öffcnt-
lichen Angklkgenheiten so weit auödchnt, an
den Gemeingeist allzu große Anforderunqen
stellt. Es ist berechnet worden, baß der Ge-
setzentwurs von ctwa 870 Bürgern des Groß-
herzvgihums eine jährlichc Beisteuer von 18,000
bis 19,000 Arbeitsstunben für gcmeinnüKige
Zwecke svrdert, und hierbei sind erst noch die
blos sacultativ einzuführenden sog. Amtsver-
sammlungkn außer Acht gelasscn worden.

Weiin man bedenkt, daß jeßt schon die
Ortsgemcinden, das Schwurgericht und an-
dere öffeniliche Einrichtungen bedeutende Lei-
stungen in Anspruch nehmen, und daß auch
mit ber neuen Pvlizeistrafgesetzgebung ein sog.
Schöffcngericht inS Lebcn treten wird, so fällt
dies Allcs immerhin schwer in die Wagschaale,
und obgleich der neue Entwurf dic Grund-
sätze ber Schadloshaltung für baare Auslagen
und Zcitversäumniß aufgestellt hat, so läßt
sich dvch nicht läugnen, daß bie verfügbaren
Kräfte stark in Anspruch genommen wcrden.
Jnbeffen der demokratische Geist der Zeit und
bas lebhaste Begehren nach Selbstverwaltung
ist ernsthaft beim Wvrte zu nehmen, und es
muß erprobt wcrden, ob die neuen Jdeeu
stark genug sind, um die Staatsordnung auf
sie stützen zu können. U»d baß das babische
Volk diese Probe bestehen wirb, ist wohl nicht
zu bezweiscln. —

* Politische Umschau.

Ein unter der Ueberschrift: „Zur polnischen
Frage" im S. M. mitgctheilter Artikel sagt
am Schluffe: So weit hat Herr v. Bismarck
in den paar Monaten setner Ämtsführung

Preußen gebracht. Nachdem er es durch seine
innere Politik an den Rand der Revvlution
gekrieben, bringt cr es durch seine diploma-
tischcn Sprünge in der auswärtigen Politik
an den Abgrund eines Kricges, dcr die Eri»
stenz bes Staates auf's Spiel seßen müßle.
Wie lange noch, so darf man wohl fragen,
ist es diesem Ministcr erlaubt, den preußischen
Staat zum Gegenstand seiner „genialen" Er-
perimcnte zu machcn? Eine Nieberlage ift
unvermeidlich, andcrs kann sich Preußen aus
der Lage, in die es sich einmal verrannt, nicht
befreien, aber die Riederlage ist zu verschmer-
zcn, wenn sse wcnigstens den Sturz eines Mi»
nistcriums zur Folge hat, das wie mit Ab-
stcht deu Plan zu vcrfolgen schcint, den preu-
ßischen Staal zu verderben. Biclleichl werben
denen, die gegcu die Verfaffungsverletzungen
des Ministeriums blind gewesen sind, doch die
Augen gevffnct werden, wenn sie sehen, wohin
der Drang nach einer Action die heißspornigen
Räthe und burch sie den Staat geführt hat.
Hr. v. Bismarck hat scine Misston erfüüt, er
hat bis zur Evidenz bewiesen, baß ein Kreuz-
zeitungsminifterium den Staat ruinirt, Weitere
Proben seincs TalentS zu verlangen, hießc
die Eristenz des preußischcn Staats mit kaltem
Blut als Einsatz auf cincm Roulettetisch zu
wagen. Die neuc und die neueste Acra, Graf
Schwerin uud Hr. v. Bismarck, haben beide
einen großen Dienst geleistet, sie haben be-
wiesen, daß weder die bloße biedermännische
Ehrlichkcit, noch auch die geistreich spielende
Abenteurersucht das rechte Holz ist, aus wel-
chem stch Staatsmänner für Preußen schnitzen
laffeu: es wäre Zeit, es mit Männern zu ver-
suchen, welche nicht nur die gesetzliche Vertre-
tung des pieußischcn Volkes hintcr sich hälten,
sonbern welche auch das Gesammtvaterland
über vem preußischen Slaat nicht vergeffend,'
zugleich baS Vertrauen der ganzen Nation
genößen.

Bci Ven großen Gefahren, welchc dem Handel
drohen, wenn Prcußen das Princip ber Nicht-
intervention, wie es anscheinend der Fall sein
wird, vcrläßt oder auch nur seine gegenwär-
tige zweifelhafte Haltung länger aufrecht er-
hält, soll an alle Handclskammcrn und kauf-
männische Corporakionen ber Monarchie ein
Circular erlaffen werben, um sie zu geeigneteu
Vorstellungen an die Staalsregierung zu ver-
mögen. Man hofft, auf diese Weise ziemlich
einmüthige Aeußerungen der berufenen Ver-
treter des preußischen Handelsstandes und
seiner Jntereffen zu erzielen.

Ucber die zwischen Rußland und Preußen

Thee und Kaffee.

Molcschvtt sagt in sctnen neuern physiologischen
Studicn:

Dte Bezeichnung desThee's als eines protcstan-
tischen und dcs Kaffec's alS eines katholischen Ge-
tränkes, läßt sich in manchcr Bcziehung rechtferti-
gen. Dte Bezeichnung habe etwas Wahrcs, nicht
bloö «eil Engländer und Holländcr vorzugöweise
Thee, die katholischen Südländer vorzugSweiscKaffce
trinken.

Man könne mehr in den Namen lcgen, wenn
man wiffe, was gcnaue Bcodachtungcn ermittclt
habcn, tmß Thee Urtheil, dte Vernunft
stimme, währcnd dcr Kaffee die Einbildungskraft
besiügelt. — Wenn der fastende Araber in andäch-
tigcn Träumereien lange Nüch'tc durchwacht, so sei
dagegen eine gcwiffe Ferttgkrit im Adspinnen schar-
fcr Gedankcn für nordtschc Theeabcnde characteri-
stisch geworden.

Molcschott bringt sogar die Aufklärung des 18.
Jahrhunderts mtt der Einführung von Thec und
Kaffee, dercn allgemcine Verbreitung crst scit dem
Anfang des 18. Zahrhunderts begonnen, in Ver-

bindung. Wte vollkommen daS gesellige Lcbcn
durch diese Getränke umgestaltct wcrdcn mußte,
das werdc Jcdem klar werdcn, der sich Lhec und
Kaffec auS unscrm täglichcn Lebcn vcrbannt denkt.

Dte sittlichc und geistige Thätigkeit dcS Menschen-
geschlcchts sind in stetem Wachscn begriffen. Zur
Ernährung bedurfte cS dcS Thee'S und Kaffce's
nicht. Eö muß svgar mit Nachdruck crwähnt wer-
den, daß bcide Gctränke nur cinc ganz unbcdcu-
tcnde Mengc Nahrungsstosf cnthalten, daß sie keine
Sparmittcl sind. lliid doch ist in Deutschland dcm
Armen Kaffcc Bedürfniß wie dcm Reichen, und
vor dem 17. Jahrhundert kanntc ihn der Retche alS
regelmäßigeS Bcdürfniß so wcnig wie dcr Armc.
Nun ist cs leicht zu sagen: kaufe dir statt Kaffee
Fletsch. Wir reiben uns ancinandcr, flttlich und
geistig. ES wtrd durch Vcrmittlung dcö Kaffcc'S
lo gut wie durch Dampfschiffe und «lektrifche Telc-
graphcn etne Reihe von Gedankcn in llmlauf gc-
setzt, es entsteht einc Strömung von Ideen, Ein-
fällen und llnternchmungen, die alle mit fich fort-
reißt. Wcr ist als Indtviduum stark genug, wcr
ist als Individuum berechtigt, sich den Rctzmitteln
zu entztehen, die jene Fluth zum Treiben machte.

Man klage daher nicht über ncrvöseS Zeitaltcr,
über die zu große Retzbarkcit dcr Menschcn; sucht
sie zu bcgrcifcn und ihrer Herr zu «erden, und der
Erfvlg wird Euere Bemühungen reichlich lohnen.

* Dichler, Rerensent, Publikum «nd Nachwelt.

(Eine Hcidelberger Anekdote.)

Jcan Paul war im Sommer 1818 in Heidelberg
und ging mit einer Gcsellschaft, worunter auch Stu-
dcnten, tn den Ruinen dcö Hcidclberger Schlvffes
umher. Plötzlich blteb cr gedankenvvll bei einrr
Blume stehcn, dic einc Spinnc mit threm schnell
gefcrttgten Nctzc umspann. Als die Geschäftige
thrc Blumcnfinstcrniß vvllendet hatte und gletch
darauf cinige Flicgen stng, rief der große Humo-
rist lächelno: „Das ist daS lcibhaftige Bild des
Rccenscnten." — Am andern Tagc ging ich, über
dicsc geistrciche Bemerkung nachsinncnd, allctn zu
der reccnsirten Blumc Wohnung. Etn Regcnstrom
— in Heidclberg keine Seltcnheit — hatte daS Ge-
webe gctrcnnt, und die crquickte Rosc strahlte schöner
als geltern. Freilich war die Spinnc etn Recen-
scnt, guter Jcan Paul^ abcr dcr Rcgcn war auch
dcr Strom der Zeit, und der andere Tag bildete
Llc Rachwelt.
 
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