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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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April
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R 93


Mittwvch, 22. Aprtl


L8«3.

* Politische Umschau.

Mittheilungen aus verschieLenen Gegenden
Kurhcssens drückcn entschiedene Mißbilligung
über die Nachgieblgkeit des Landtags, insbe-
sondere bezüglich Les Wahlgesetzes aus.

Der Bischof von Pvitiers hat sich nun in
eilier Abhandlung von 32 Sciten über die
Reliqnie von Charrour ausgesprochen; er er-
klärt darin, da er „icht vöüige Gewißheit habe,
daß sie Fleisch Christi sei, so habe er dersel-
ben ein Stück Holz vom wahren Kreuz, und
andere auf die Geburt u. den Tod des Heilands
bezügliche Reliquien, svwie ein Kleidungsstück
der hciligen Jungfrau beigefügt, damit die
guten Katholiken vo» Charrour sie ruhig vcr-
ehren könncn. Der Maire von Charrour hat
auf diese Erklärung hin vön der Regierung
die Ermächtigung zu einer Lotterie verlangt,
aus deren Ertrag ein Monument zu Ehren
der Rcliquie erbaut werden soll.

Dem Progres von Lpon schreibt ciner seiner
bei den Jnsurgenten dienenden Redacteure:
Langiewicz sei unfähig und treulos gewesen
unb nicht einmal ein geborener Pole, sondern
ein Denlscher, Namens Langer und cin Agent
der aristokratischen Partei. Heil für Polen
sei »ur von der Leitung Miroslawskis zu er-
warte». Dieser aber wird von anderer Scite
als ein Mann ohnc allen Charakter, der im-
mer.viel geprahlt und wenig geleistet habe,
bezeichnet, welcher wie in Sicilien und Baden
die pvlnische Jnsurrcciion bald zu Ende brin-
gen würde.—Polens alter Fluch, Unkinlgkeit
und gegenseitlge Aiifeindung der Führer, be-
währt sich mlthin auch diesmal wieder, jede
Partei will Alles, was sie crstrebt, dnrch Leute
ihrer Wahl ausführcn und arbeitet dem ge-
meinschastlichcn Feind in dic Hände. Das ist
Polens Geschichte seit drei Jahrhunderten, und
was zum Untergang geführt, kann unmöglich
der Wiedergeburt söroerlich sein.

Am Senegal haben die Franzosen, nach dem
officiellen Bericht des Gouverneurs, wicder
76 Dörfer abgebrannt, nm den Rebellen einen
heilsamen Schrecken einzujagkn; der moralische
Eindruck sei ungeheuer gewescn. Wie sich dies
mit der Jndignation der Franzosen gegen ähn-
liche Thaten der Russe» in Polcn verträgt,
lafien die fraiizöstschen Blätter unerörtert.

„Timcs" sagt über das Verfahren der ame.
rikanischen Kreuzer gegen britische Schiffe, jede
Nachsicht habe ihre Grcnze, die Unionsofficiere
übten auf dcn Mceren einc illegale Polizei,
sie blokirten cnglische Häfen und hinderten den
Handel mit ter neutralen Republik Merikv;

wenn Englaud nicht eine feste Haltung zeige,
so sei gar nicht abzuschen, welche Uebergriffe
Amerika sich noch erlaubcn werde.

Die „Morning-Post" erklärt im Widerspruch
mit andern Blättcrn die Nachricht, Prinz
Georg von Dänemark verlange die förmliche
Abdankung des Königs Otto, für falsch. Der
Prinz sei zulrieden, wenn Otto abdanken wolle,
wolle er das nicht, so betrachtc die dänische
Familie den Thron doch als vacant.

Die chinesischen Truppen sind wiedcr von
den Taipings bei Shaousong wegen Mangel
an Belagerungsgeschütz geschlagen wordeu. Die
englische Flotte ist nach Japan abgegangen,
wo Militärunruhen auSgebrochen sein sollen.
Die Stimmung gegen die Engländer ist dort
sehr gereizt und der Ausbruch eineS Krieges
mit England daher wahrscheinlich.

Deutschland

Karlsruhe, 18. Axril. Sc. Königl. Hoh.
dcr Erbgroßhcrzog von Sachscn - Wcimar ist
heute Nachmittag zum Besuch der großh. Fa-
milie dahier eingetrvfsen.

Karlsruhe, 20. April. .73. öffentliche
Sitzlliig ver zweiten Kammer, unter dem Vor-
sttz des Präsiventen Hildebrandt.

Von Seiten der Regierung anwesend: Der
Präsident dcS Zustizministeriums, Staatsmi-
nister Dr. Stabel; der Präsident deS Mini-
steriums des Jnnern, Staatsrath Dr. Lamey;
Ministerialrath Burgcr; Ministerialrath von
Frepdorf.

Nach Eröffnung dcr Sitzung zcigt zunächst
das Secretariat einc Reihe von eingekomme-
ncn Petitioncn an, die wir nachtragcn werden.

Staatsminister Dr. Stabel macht der
Kammer hierauf Vorlage eines Antrags auf
nachträgliche Erhöhung des laufenden Budgets
dcr Hofgerichte um 8500 st. zum Zweck der
Auibefferung der Besoldung der Hofgerichts-
Mitglieder. Diese Aufbefferung ist, wie der
Herr Staatsminister bcmerkt, ein dringendes
Bedürfniß, desse» Erledigung stch nicht länger
hiiiausschieben läßt.

Die Vorlage wird der Budgetcommiffion
überwicsen.

Slaatsrath Lamep legt die Actcn über die
Wahl der Abg. Ziegler und Faller vor, ferner
die Acten, wclche in Bezichung auf die von
der Kammer bcanstandete Wahl des Wahl-
bezirks Offcnburg erwachsen sind. Die Kam-
mer »nterbricht behufs ver sofortigen Prüfung
dieser Actcn auf kurze Zeit die Sitzung. Nach
Wiedereröffittlng derselben berichtet zunächst

Abg. Regenauer über die Wahl des Abg.
Faller. Dieselbc wird vhne Discusfion nach
dcm Commissionsankrag genehmigt, ebenso die
Wahl des Abg. Ziegler, worüber dcr Abg.
Häusser berichtet.

Der Präsident bemerkt, daß über die
Wahl im Aemterwahlbezirk Offenburg die
Cvmmisfion heute noch nicht in der Lage sei,
Bericht erstatten zu können und daß dieser
letztere demnächst schriftlich erstattet werben
würde.

Die Abgg. Dicz, Achenbach u. Kamm
haben um kurzen Ürlaub gebeten, der ihnen
bewilligt wird.

Abg. Häüsser kündigt eine Jnterpeüation
an bezüglich dcr schleswig-holstetnischcn Frage
und der Stellung des deutschcn Bundes gegen-
übcr dcn dänischen Maßregeln vom 30. v. M.

Der Präsident des Mlni'steriums des Aus-
wärtigcn, Frhr. v. Roggenbach, erklärt,
daß er bereit sei, die Ansrage zu beantworten,
worauf die Angelegenheit auf die nächste Ta-
gesordnung gesctzt wird.

Der heutigen Tagesordnung gemäß geht
nunmehr die Kammer über zur Berathung
der Berichte der Abgg. Walli und Eckhard
über den Entwurf des Polizei-Strafgesetzbuchs.

Staatsminister Dr. Stabel: Die beiden
vorliegenden Cvmmisfioiisberichte sind eben so
gründliche, wie dankenswerthe Arbeiten; sie
enthalten nicht blos eine Kritik, sondcrn auch
eine Erläuterung deS Entwurfes. Derartige
Arbeiten haben für die künftige Anwendung
deS Gcsetzes in der Praris Bedeutung, welche
um so größer ist und glcichsam eine authen»
tische Jnterpretation wird, wenn die Regic-
rung gegen den Jnhalt derartiger Erläute«
rungen keine Einwendungcn macht. Deßhalb
mußtc die großh. Regierung genau prüfen;
hierbei aber 'ergaben sich einigc Differenzpunkte,
worüber fich die Regierung bei Gelegenhkit
der spcciellen Berathung erklären wird.

Abg. Prestinari schlicßt sich der vön dem
Vorredner ausgedrückten Anerkennung an und
spricht auch der Regierung den Dank für die
Vorlage des Geseßentwurfs aus, der dem bis-
her bestandenen chaotischen Zustand ein Ende
mache. Jn mancher Beziehung seien freilich
seine eigenen Wünsche durch den Entwurf nicht
erfüüt worden. So hätte er namentlich ge-
wünscht, daß gewifse bürgerliche Vergehen,
z. B. die kleinen Diebstähle, die noch in das
Polizei-Strafgesetzbuch Ausnahme gcfunden, in
das Strafgesetzbuch, wohin sie eigenllich ge-
hören, vcrwiesen worden wärcn. Ein wei-
terer unerfüllter Wunsch betrifft die Nicht-

* Der alte Pole und seine Kinder.

Jezioranski schlägt fich
Bei Busk «oll Tapferkcit;

Für'S Vatcrland zu sterben
Zst freudigcr bcreit.

Jn Wäldern und au Flüffen
Rtngt man mit Moskowiten;
Bci Zlok auch an der Wcichscl
Hartnäckig ward gestritten.

Dort an dem Köhrcnwalde
Fiel mancher im Gcfcchte
Von des SarmatcnvolkeS
Kampflustigem Geschlcchte.

Wic mit Gestränch und Büschen
Die FrühlingSlüfte kosen!

O Lcnz, für Polen's Söhnc
Bringst blutbcspritzte Rosest!

Vor sciner nicdern Hütte
Sitzt müd' ein Polengreis,

Das Auge blind vom Wcincn,

Das Haar wie Schnee so weiß.

Die Hände faltend, betct
Er für den theuern Sohn,

Dcn einzigcn, dcn letzten,

Dcnn viere fielen schon.

Da tritt die Lochter wetnend
Zum altcn Vater hin
Mit aufgelösten Locken
Und mit verstörtem Sinn.

Run brtngt man auch den jüngsten
Avf etner Tragebahr;

Noch lebt er und berichtet
Wie auch gefaücn «ar

Der Bräutigam der Schwester
Bei Busk — er sagt's und finkt,
Berührt vom Todescngcl,

Der ihm hinüber winkt.

Da wird Lte rothe Rose
Zur weißen; über ihn

Sinkt auch die Schwester nieder
Und ihre Sinne fiieh'n.

Der Altc kann nicht weinen,

Er kann nicht bcten mehr;

„So macht Polonia's HLuser
Der-Tod, dcr Würgcr, leer!"

O jammervoller Anbltck!

Brandstätten und Einöden!

Des Vatcrlandes Elend
Wird noch gar manchen tödten!"

„UnS trifft ein hart Geschicke!

Rtngs Schreckcn, Brand und Mord!"
So seufzt der alte Pole,

Es war sein letztes Wort.

X Theater m Maimheim.

Mannheim. Es ist erfreulich, daß gegenüber
der immer mehr um fich grcifenden Verflachung
auf dem drauiatischen Gcbtete unsere Stadt, die
Wiege der Schtller'schen Muse, ihrer großen Ver-
 
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