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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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N» «Z7. Sonntag. 8. März

Auf die ,/Heidelberger
Zeitung" kann man stch
dW^ noch sür den Monat

März mit 19 Krcuzern abonniren bei allen
Postanstaltcn, den Boten nnd Trägern, sowie
der Erpedition (Schiffgaffe Nr. 4).

Die neuen badischen Gesetz-
Entwürfe.

(Schluß.)

Der Entwurf der neuen Anwaltsordnung
l'st jedenfasts als ein bebeutender Fortschritt
unserer Gcsetzgebung anzusehen. Die srühere
Theorie, daß Änwälte so vlel als möglich von
den Gcrichien sern zu halten seien, ist hier-
durch verlaffen. Besonders zweekmäßig er-
schcint die Bestimmnng, daß aüe Anwälie am
' Sitze des KreiSgerichles zu wohnen haben, wo-
durch die Mißstände beseitigl werden, die bis-
her daburch bewirkt wurben, daß an kleineren
Ämtsgeiichtsorten flch einzelne Anwälte nieder-
ließen, deren Thätigkeit, wie bie Ersahrung
zeigte, häufig keine ersprießliche sein kvnnte.
Durch die Placirung ber Anwälte bei den
Collegialgerichten, in deren Bersahren unbe-
dingte Oeffentlichkeit und Münblichkeit herrscht,
wird der Stand sicher nur gehobcn werden,
und ist alle Aussicht vorhandcn, baß so manche
seilher gegen ihn mit ober ohne tristigen Ärunv
gehegteu Boruriheile endlich hinwegsaUen. Zu>
gleich wird hierdurch dem wahreu Talente eine
ehrenhaste Bah« der Entwicklung und Entsal-
tung geboren, die rabulistischen Schwäßer mehr
und mehr in den Hinkergrund gevrängt, und
überhaupt so maucher, bisher mehr ooer we-
niger gerügte Mißstanb beseiligt wcrde«, ver
in dem schristlichen und gehelmen, ober ost nur
dem Namen nach öffentlichen Verfahcen seinen
letzten Grund hatte.

Desgieichen wird der weittre Umstand, daß
den Anwälten in den Anwallkauimern eine
Art von Selbstverwaltung und Disciplinarge-
walt übertragen ist, ebensaUS viel zur Beffer-
stellung des Standes beltragen. Ans vöüige
Freigebung-der Advocaten in dem Entwurfe
einzugehen, jah sich die Regierung nichl ver-
anlaßt, vielmehr wird die Anzahl der Anwälte
nach wie vvr eine beschränkte dleiben. Abge-
sehen von den pecunlären Jnlereffen des Stan-
des — die hier nicht cininai in Anschlag kom-
men sollen — ist übrigens 'eine splche Frci.
gedung schvn aus Nückfichtcn aus daö mora-
lische Ansehen bes Standes nnd das Jntercffe
des Publikums nicht zu befürworten.

Was enblich den weitcrn Geseßentwurf über
die Berwaltung der Rcchispolizei batrifft, so
hat berselbe diesen Geschaslszwcig den Gerich-
ten, Gelichtsiiotareii unb Listiicssnvtaren zu-
gewiesen, unb speciell bemeikl, welche ber ein-
schlägigen Geschasle von jeder bieser drei Ka-
tegorien zu besorgen find. Nu» ist vor Allem
anjiierkennen, daß ver eigentlichen Berwaltung
die Zustandigkeit über so manche Zweige der
Rechispolizei vber sreiwiUigen Gerichtsdarkeit,
welche ste bisher zu vcrsehen hatte, entzogen,
und — wie das in andern Landcrn längst ver

Fall ist — den Gerichlen zugeiviesen siuo_

Zm Uedrigkii verdienl jedoch das neue Nota-
riatsgesktz wcniger cineu Beisall als die an.
der» Grsexeiitwurse. Zm Princip enthält bas-
selbe keinc wcitere wesentliche Aenderung des
bisherigeii ZustandcS, vielleichl einsach Nur dem
Name» nach. Die AmtSrevisorale sollen in
Zukunst Gerichtsiioiaiialc heißen, und die Gc-
schästc des Bczirks- unb Districtö-NotarS sollen
ungcsähr bieselbkn bleiben, wie bisher. Es ist
hierdurch de» vieisach gehcgten Wünschen Sach-
verstänviger nichl entspi vchcn. Nur durch eine
principielle Uuigestaltung des ganzen Znsti.

tuts hätte den bisberigen Mängeln desselben
abgeholfen werden können, wie dies auch ein
älterer Entwurf vom Jahre 1848, der jedoch
nicht zur Durchführung kam, bezweckte, und
nur durch die Errichtung eines selbststänbigen,
unabhängigen Notariats, beffen Mitglieder gc-
prüste Rechtsgelehrte stnd, kann eine durchgrei-
fende Befferstellung dieses StandeS und der ihm
anvertrauten Jntcreffen erzielt werden.

* Polittsche Umschau. .

Ans der Bundestagssttzung vom 5. d. M.
ist als das Wichtigste dic Mittheilung zu be-
zeichnen, daß Hr. v. Bülow, der Gesandte
Mecklenburgs, erkrankt sei; an seiner Stelle
fungirte der hannover'sche Gesandte, Hr. p.
Heimbruch.

Curiose Geschichten curstren in Paris von
Rom her. Zn einigen Tagen wirb man klar
darin sehen. Dort gährt es gewaltig, der
Frühliug kann wohl noch andcre Knospen
treiben als die Blülhc Polens.—Wenn Pius IX.
stirbt, oder Antonelli zurücktritt, ist weder das
Papstthum noch der feine Jesuitismus besei»
tigl; die Entscheibung von Roms Schicksal
liegt im Volke der ewigen Stadt, im Eifer
der italienischen Nation für ihr guteS Recht,
und Thaten reifen schnell! —

Die „France" versichert, es sei an das rus-
sische Cabinet eine Dcpesche ergangen, in wel-
cher ausgesprochen wird, baß Frankreich von
der Gerechtigkeit des Kaisers Alerander die
Beruhigung Polens durch den Berträgen ent-
sprechende Garaiitikn verlange. Die Antwort
des Kaisers wcrde für morgen erwartet. Das
„Pays" wiü wiffen, daß ein demnächst er-
scheinendcr Ukas die Wiederherstellung des
Königreichs mit dcm Großfürsten Cvnstantin
als König (sonverain) prvclamiren werbe.

Deutschland

— A»s Baden, 23. Febr. Zn Frank-
reich gerieth der Minister der geistlichen An-
gelegenheiten in kcinc geringe Verlegenheit.
Der Bischof von Pviticrs hat, wie uns die
Zeitungen berichteten, ein Bischen Haut ent-
deckt, bie, wie er glaubt, von der Beschnei'.
dung des Kindcs Zesu herrührt. Diese Haut
ist ihm sclbstvcrständlich ein großes Heilig-
thum, größer als der ungenähte Rock zu Trier,
und er beabstchtigt dasür eine Kapelle zu
bauen, dcren Kosten in Ermangelung anderer
Fonds durch eine Lottkrie anfgebracht werden
sollen. Hlczu ist aber die Erlaubniß bes Mi-
nisters ersorderlich, dem es eine höchst fatale
Sache ist, weil er wohl einsieht, daß bie Welt
über die Geschlchte lachen wirv. Der fromme
Bischof kann dies aber nicht begreifen, benn
er kann stch in die neuc, auf vie Reliquien
gar nicht verseffene Zeit ebenso wenig fiuben,
als der h. Vater zu Rom, welcher vor Kur-
zem ausrief: „Blicket, Gläubige, auf die Fluth
der Leiden unb Frevel, welchc bleseö bevor.
zugte Schifflein, unser Rom, umgibt; schlechte
unb gottlose Bücher, welche viele Städke Eu-
ropa's verberben, woraus die Uuiwälzung ver
öffentlichen unb privaten Vcreine flch herlei-
tet, vorgebliche Gesetzgeber der Menschllchkeit,
deren verkehrles Talent sür bcn Ruin unscres
JahrhunbertS arbeltet, vhnc zu wiffen, was
sie sagen u. s. w." — Da sieht es dvch jen-
scits des atlantischen Oceans bcffer aus, bort
in Sübamerika, wo die Clvllisalion durch
spanische Jesul'ten uud Mönche gcgründet wurde.
Zn dem bestregierten ber dortigen ehemals
spanischen Staaten, üämlich in bcr jetzigen
Siepubllk Ehili, ist daS Wahlrecht der Burger
an die Bedingung der Fähigkeit beS LesenS

ZusertionSgebühren für die Sspaltige^Petit- M ^ F» LH
jeile werven mit 3 kr. berechner. U^RV^D»

und Schreibens geknüpft. Aus der Untersu-
chung ergab stch nun, daß in der Hauptstadt
St. Zago unter 140,000 Eiuwohnern nur
1858, in Valparaiso unter 65,000 nur 707
Wähler stnd, also Leute, welche lesen u. schrei-
ben können. Ader Prlester gibt es dort gc-
»ug und an Gottesdienst und Meffen sehlt es
nicht. O glückliche Zeit, könntest du überall
wiederkehren! Zetzt verstehen wir auch, was
die uitramontanen Zeitungen sagen: „Die
Statthalter Christi scien stets die besten Vcr-
walter der Volksangelegenheiten gewcsen und
würven es immer sein, weil ein mehr oder
weniger leuchtender Strahl des göttlichen Ver-
standes ste nothwendig in der Führung der
welllichen Angelegenheiten erhelle." Wer an
d§r Richtigkeit dieser Behauptung noch zwei-
feln sollte, darf nur einen Blick auf das be-
zaubernde Glück bes KirchenstaateS wersen!

Lirkburg, 2. März. Gestern fand hier
eine Vcrsammlilng von 500 MlHliedern ber
naffauischen Fortschrittspartei statk. Man be-
schloß, für die bevorstehenven Landtagswahlen
nur Wahlmänner zu wählen, welche sür ein
Miiiisterverantwortlichkcilsgescß, sür Trennung
der Schule von ber Kirche und der Justiz
von dcr Verwaltung, für Neviston der Ge-
meindeordnung auf freieren Grundlagen; für
unbedingte Preßsreiheit, Annahme des Han-
belsvertrags, sowie enblich Wieberherstellung
der Versaffungsgesetze von 1849 mik alien ge-
setzmäßlgen Mltieln eiutrekeii wollen. Am
Schluffe wurde ein Telegramm nach Berlin
an Prästbent Grabow gesendet, worin dic
Vrrsamiiilung ber Haltung bes preußischen
Adgevrdiietknhauses lhre Anerkenaung und
Spmpathien ausbrückte.

Berlin, 3. März. Jn der heutigen Si-
tzung des Abgeordneienhauses überreichte der
Zustizminister zwei Gesetzentivürfe: 1) Auf
Adänderung ber Allgemelnen deutschen Wechsel-
Ordnung aus Grund ber betreffenden Anträge
der Commiffivn, welche zu Nürnberg sich dcr
Beralhung bes AUgemeinen dcutschen Handels-
gesetzbucheS unterzogen hatte. 2) Ein Gesctz
wegen Erhebung von Gebühren in Nachlaß-
Angelegenheiten. — Dle TageS-Ordnung suhrt
zur Berathung einer Relhe vvn Berlchten der
Bubgkt-Commiffion. Zum Eiat sür baS Bu-
reau des Staalsministeriums wird aus An-
trag des Abg. Virchow bas Gehalt für den
Direclor der literarischen Bureaur mil 1200
Thlr. jährllch abgesetzt und das Gehall beö
Kanzleisecretgrs mit 600 Thlr. aus Antrag
der Commifflon alS „künstig wegfallenb" cr-
klärt. Bei Berathung dcSsclben Ekats spricht
der Minlster ves Znnern sür bie Nothwcndlg-
keit elner Regierungspreffe. AUe dcueschcn
Regierungcn hätten einen drei- obcr viersach
größeren Fond basür zur Dlspositlon als die
preußische. Man möge daher dle Fonbs nicht
kürzen und die Reglerung der opposillonellen
Presse gegenüber nicht lahm legen. Dr.
Frese t.Minden): Eiiiem Mlnisterium wic
dem gegenwärtlgen gcgciiüber hätte das Haus
ble Pflicht, jcdes Mittel zn versagen und ganz
besonbers für eine Preffc, welche ledigllch die
Ausgabe hat, das Mmisterium zu unterstutzen
in seineii Angrlffen ans dle Versaffung und
seinen Angrlffen aus dieses Haus; nkle wcit
man in letztercr Bezlchung gegangen sei in
den Organen der feudalcn Preffe, barüber
werbc man bei anberer Gelegenheit sprechen;
aber Untcrstützung für solche Zwecke von die-
sem Hause zu verlangen, das sei nur von
Seiteii eines Mitgliebes dieses Minlstcriums
möglich. Redner spricht selne Vermuthung
über die Vcrwenbung 'des Regierungssonvs
für die Preffe dahin aus, daß die Gelder sür
die hiestge „Norddeutsche Allgemeine Zeltung"
 
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