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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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N LS. Sonntag. 22. Fcbruar

ZnsertionSgebühren für die Zspaltige Petit-
;eile werden init 3 kr. berechnei^

18«3.

^ Die Badifche Landeszeitung «nd
die Commnnalschnle.

(Fo-tsetzung.)

Die B. L.-Z. motivirt aber ihrc Abneigung
gegen die Coinmiinal-Volksschule endlich mit
dem Grunde, daß der Schullehrer wenigstens
einen Theil des in der Schule zn ertheilenden
Religionsunterrichtes übernehmen mnffe, da
die Zumuthung, daß die Pfarrer den gesamm-
ten Religionsunterricht übcrnehmen sollen,
„doch nur im Scherz ausgesprochen werden
könne; daß aber der gute Rath, der Lehrcr
sollc Kinder vcrschiedener Conseffion nur „den
allgcmeinen Religionsunterricht" ertheilen,
„vollends aus dem reinen Unverstande" komme.
— Eine solche hochmüthige Abfertigung scheint
nün freilich geeignet odcr wenigstens darauf
berechuet zu sein, jeden, der sich zu wider-
sprechen versucht sühlen sollte, zum VorauS
abzuschikcken. Allein „bange machen gilt nicht,"
nnd wir wollen's denuvch wagen.

Was das Erste betrifft, daß nämlich den
Geistlichen der gesamuile Rkligionsunterricht
zugewlesen werden soll, so sagen wir dies
eurchaus utcht im blvßen Scherze, svndern es
ist uns voller Ernst damlt. Der ReligionS-
unterricht ist nun einmal begriffs- und natur-
gemäß Sache der Kirchc und nicht der Volks«
schule, kommt inithin den Geistlichen zu ; was
aber geschkhen svll und Mllß, das kann
am Ende auch geschehen. Ucbrigens ist die
Bürde, die wir auf die Schultern der Geist-
lichen wälzen wollen, nicht so entsetzlich und
haarsträubend, als es im ersten Aiigenblicke
»ach einer angewöhnten Anschauungswcise zu
scin schcint. Wir verzichtcn darauf, dcnjeni-
gen gegenüber, die von der Geschäftsüberhäu-
sung der Geistlichen sprecheu, an di'e sreie Zeit
zu erinnern, welche viele Pfarrer in Landorten
auf Oekvnomie, Jagd, Gesellschaft, Neisen u.
sonstigc Bergnügen, oder auch auf Privatun-
terricht und nicht zu ihrem Amte gehörige
Privatstudien, auf Schriftstellerei und Kunst-
erzeugniffe verwcuden; auch wollen wir nicht
von vem Religionsuiiterricht sprechen, welchen
Stadtgeistliche an Privat-Erziehungsanstalten
gegen Honorar ertheilen. Wir gebcn vielniehr
zu und wiffen es sogar, daß pflichttreue Geist-
lichc, vie ihr Amt nicht handwerksmäßig be-
treiben und stch nicht aizf das streng Gebotene
beschränken, ihre volle Zcit schr nützlich ver-
wenben können. Aber cin paar Stunden in
der Woche für den zn ihren AmtSpflichten ge-
hörigen Religionsunterricht in der Volksschule
werdcn in der Rcgel alle erübrigen können;
für seltene Ausnahmen läßt sich aber Rath
schaffen. Dazu kommt aber — und das ist
Hauptsache: ei'n guter Schulplan wird und
muß den Religivnsunterricht auf ein beschei-
bencres Maß rebuciren; wenn aber die „Re.
ligionsquälerei", wie ein greiser Lehrer sich
mit Bezug auf die Gedächtnißübungen mit
Recht ausdrückt, in den Schulen abnimmt, u.
andererseits die Herren Geistlichen etwas mchr,
als bis jetzt, für die Schule lhun, so wird
sich der „Spaß" lcicht in „Ernst" verwandeln
laffen. BiS dato verhielt sich die Sache frei-
l>ch umgekehrt: Die Geistlichen wollten die
Schulen beherrschen oder doch beeinflnffen,
aber wenig für sie thun, svndern dcn Reli-
gionsunterricht seinem größeren Theile nach
den Lehrern aufbürden. Sv soll es aber nicht
bleiben, denn das wäre nicht gut, weder sür
die Schule noch für die Kirche. (Schluß f.)

* Politische Umschau.

Die „Norddeutschc Allgemeine Zeitung" ver-
öffentlicht nachstehende Noke: Dic „Europe"
wiü vvn dem Znhalt einer zwischen Preußen

und Rußland abgeschloffenen Convention un-
tcrrichtet sein. Wer den Charakter jenes
BlatteS keunt, wird von vornherein geneigt
sein, die Richtigkeit der Mitkheilung zu be-
zweifeln. Jedcnfaüs ist die Angabe, daß Lord
Rnffeü und Hcrr Drouyn sich mißbiüigend
über das Vcrhalte» Preußens geäußert, schon
durch die Erklärung des Ministerpräsidenten
in der Sitzung dcS Abgeordnetenhauses vom
18. d. M. genügend widerlegt.

„Times" bemerken über Preußens Einmi-
schung in Polen, oft schon hätten Fürsten die
Blicke ihrer Unterthanen von Regicrungsmiß-
griffcn im Jnnern durch glänzende Unterneh-
mungen im AuSlande abgelenkt: das sei ein
gar alter Witz, allein zn seiner Ausführung
gehöre ein fähiger und cntschloffener Monarch
und eine rivalistrende Nation, gegen die ei'n
Krieg populär sei. Dem König von Preußen
werde es inithin nicht gelingen, den Verfas-
sungsbruch durch einen polnischen Krieg in
Vergefsenheit zu bringen. Das preußische
Volk wird stch die Frage stellen, was der
Aufruhr in Polen eS angehc, und ob die Kräfte
eines der civilisirtesten Völker der Welt zur
Vernichtung eines unglücklichen Volkes, das
für die letzte Freiheit des Menschen kämpft,
vcrwendet wcrden sollen? Das aufgeklärte
Deutschland soll für eine Tprannei aufgeboten
werden, di'c so unerträglich geworden, daß
Tausende junger Leute in Wäldern nnd Mo«
rästen dagegen Schutz suchen. Eine edle Auf-
gabe in der That für die preußische Armee!
Soll sie dic Recruten für Rußland einfangen?
Es ist unmögli'ch zu glaüben, daß auch nur
ein einziger Deutscher einen so schmählichen
Angriff auf National- und Menschenrechte bil-
ligeii werde. Diese Jntervenlion hat jeder
Spmpathic zwischen dem König und dem eng-
lischen Volkc ein Ende gemacht; Engländer
werden von nun an theilnahmlos jedem Un-
glück, daS die prkußische Monarchie trifft,
ruhig zusehen. Wir halten eine solche Jntcr-
vention noch immer für unglaublich, denn
Deutsche wie Polen müffen stch diescr Ertra-
vaganz widersetzen.

Fröbel's „Botschafter" enthält einen offi-
ciösen Artikel, der die Politik Oeflerreichs in
der polnischen Frage darlcgt. Der Hauptin-
halt ist folgender: „Es ist lächerlich anzuneh-
men oder sich den Schein zu geben, als ob
man annehme, daß Oesterreich — selbst das
jctzige liberale Oesterreich — für die Revolu-
tion, wo es auch sei, in der Nähe ober Ferne,
Parkei nehme. . . . Abcr nachdem an allen
Orten und Enden die Revolution aufgestachelt
wordcn ist, nachdem Rußland und Preußen
sich beeilen, das durch den Raub österreichi-
scher Gebietstheile entstandene Königreich Jta-
lien anzuerkennen; nachdem Preußen, seiner
klgenen Zusammensetzung zum Hohn, das Na-
tionalitälsprincip gegen Oesterreich zu kehren
gesucht, ,'ndem es die erstc deuische Macht als
einc undeutsche aus Deutschland hinaus zu
doctriniren und intriguiren bcmüht gewesen
ist, nachdem Rußland bis auf die allerletzten
Tage Alle« gethan, um an der untern Donau
Aufstände zu bcwirken, welche voraussichtlich
durch ihre Rückwirkung auf die benachbarten
östcrreichischen Ländcr den inneren Frieden un-
scres Staats auf die ernsteste Weise bedrvhen
mußten — nach allem dem und viclem andern
anzunehmcn, Oestcrreich werde sich bereit fin-
den, den Wächter russischer Macht abzugeben,
vhne dabei seine eigenen Cvnvenicnzcn zu be-
rücksichtigen, ist der Gipfcl pvlitischer LScher-
lichkeit!"

Zm UnterhauS crklärte Palmerston, die
Regierung wiffe oichls von der Aufhebung dcr
Blokade vvn Charlcston und könne sich daher
nicht darüber Sußern. Ueber die Abtretung

der Jonischen Jnseln habe keine Regierung
der englischen Vorstellungen gemacht.

Nachrichten aus Konstantinopel melden, daß
der Sultan Truppen gegen Serbien abgesandk
hat. Man versichert, daß Ordres, welche der
Gouverneur von Salonich erhielt, demselben
vorschrciben, in Albanien 30,000 Mann zu
concentriren. Prinz Gortschakoff hat der Pforte
ciiie Notc gesandt, rn der er sie anklagt, im
Geheimen Waffen in den Kaukasus zu senden.

Die Secessionisten haben die in dem See-
gefecht bei Charleston gefangenen Neger, die
auf den Schiffen der Union dienten, erschoffen;
zwei Negern, die sich durch Schwimmen z«
retten suchten, wurden Bootc nachgesandt,
welche sie im Waffer niederschoffen.

DeutschlanV

Karlsruhe, 19. Februar. 72. öffentliche
Sitzung der II. Kammer. (Forts.) Der Abg.
v. Roggenbach, durch welchen noch einc be-
zügliche Petition eingekommen ist, spricht für
Lörrach. Von den obern 60,000 Bewohnern
des Bezirks müßte der größte Theil, um'nach
Müllhetm zu kommen, über Lörrach reisen.
Müllheim habe eine so solide und feste Grund-
lage des Wohlstandes nnd Gedeihens, daß
es der künstlichen Förderungsmittel nicht mehr
bedürfe. Allein eine städtische Zukunft habe
es nicht, wohl abcr habe diese die Stadt Lör-
rach, während in Müllheim das ländliche Ele-
ment immer vorherrschend bleiben werde;
Müüheim habe überdies ein Pädagogiuin; die
Bewohner könnten an ei» und demselben Tage
dcn Sitz Lörrach errcichen, dort ihre Geschäfte
abmachen und wieder nach Hause zurückkom-
mcn. Heidcnrcich spricht für Müllheim;
da sei das Kreisgerichtsgebäüde schon vorhan-
den; eS werde zwar jetzt durch daS Amtsge-
richt und Amtsrevisorat beuützt, allein die
Gemeinde MüUhcim sei erbötig, ein seit 30
Jahren leer fiehendes ärarisches (Speicher)
Gebäude auf ihrc Kosten zum Amtsgerichts-
gebäude herrichtcn zu laffen; hieraus werde
eine bedeutende Ersparniß gemacht (über
70,000 fl.). Müllheim besitze eincn starken
Wochenmarkt, eine höhere Bürgerschulc; es
sei da billig zu leben, der Aufenthalt daselbst
sei sehr angenehm, insbesondere durch die Nähe
von Badenweiler. Dagcgen seien in Lörrach
große Bauten nothwendig, es sei dort theuer
zu leben, die Richter würden Wohnungen nicht
finden, bald Besoldungszulagen verlangm und
der Mehraufwand würde sich mit ter Zeit
n»ch viel mehr erhöhen. Er stiMw mit ber
Majvrität der Commi'ffion für Müüheii^,
Bär kennt die Verhältniffe de- betreffe»»en
Gegend durch und durch und stimmt daher
mit v. Roggenbach für Lörr>ck>. Man dürfe
die zahlreichen Bewohner gewerbreichen
Wiesenthales nicht eiuer stadt zuweisen, wo
ste sonst gar nie etwas i»
ganze Thal sei nach /örrach (Bascl) ange-
wi'esen. Zudem sei ib'en dcr Weg nach Mull-
heim durch die Nat>e selbst verschloffen. Wenn
man daher nach Müllheim e.n Kre.sgericht
leac, so werde dadurch erreichte Erspar-
niß bald wied-e durch die Nothwendigkeit des
Neubaues je-er Straße aufgehoben werdcn;
denn das -ange Eisenbahnfahren liebe dcr

sparsame Schwarzwäldcr nicht. Eine Orga-

niiatioo soll von Dauer fein und diese Regel
sprcche gegen Müllheim, dessen Wahl keinen
BestMd haben könne. Auf die Lage der Rich-
txr habe der Staat bei einer Organisakion
k:-^ie Rücksicht zu nehmen, ebenso nicht allzu«
sehr auf den Kvstenbetrag; was recht gemacht
wird, sei nicht zu Iheuer. Staatsrath Dr.
Lamey spricht für Lörrach. Anfänglich sei
zwar die großh. Regierung sür Müllheim ge«
 
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