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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Mai
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N» 116. Mittwoch, 20. Mai AAAA,

* Politische Umschau.

Man wlll wiffen, daß sämmtliche Kron-
Spndici nach Berlin deordert worden seien,
um bei dem Principienstreit, der zwischen der
VolkSvertretnng und dem Ministerium ob-
waltet, ihr Gutachten abzugeben.

Die „Karlsr. Ztg." äußert sich gegen die
„Scheinthat" einer Beseßnng Holsteins. Sie
fürchtct einen daraus entspringenden Krieg,
der „unter den gegcnwärtigen Vcrhältniffen
Gksainintdeutschlands und bei dcr gegenwärti-
gen Lage Prcußens" „das Grab unscrer Na«
tionalität" werden könnte.

Der von Oesterreich beabsichtigte Antrag auf
Jnpfandnahme Holsteins ist, wie auch die Ge«
neralcorresponbenz bestätigt, in Folge des
Widerstandes Preußens gefallcn. Das Wiener
Cabinek hat sich dem preußischen Wunsche ge-
fügt und die in Berliii beliebte Faffung eincs
am Bunde zu steüenden Antrages angenom-
men, wekche der Maßreges den Charakter einer
eigentlichen Pfandnahme vollständig abstreift
und sie lediglich als cine beschleunigtc und ab-
gekürzte Bundes-Erecution erscheinen läßt.

„Francc" meldet aus Wien, es sei zwar
noch kein Einvcrständniß über die Rußland vor-
zuschlagenden Rcformen erzielt, allein Oester-
reich stimme ciner Autonomie auf breiter Grund-
lage zu und verlange vollkommene Religions-
frerheit für die Katholiken in Polen; weiter
woüe Oesterreich nicht gehen.

Der Tessiner Ofsiciersvercin hat in seiner
Versammlung vom 10. mit allen gegen cine
Stimme für Abschaffung der Todesstrafe zu
petitioniren beschloffen.

Jn Bczug auf den Besuch der schmedischcn
Flotte, welche zwischen dem 25. und 31. Mai
in Cherbourg erwartet und mit großem Pomp
empfangen werden wird, schreibt det' Corre-
spondent der Dailp News aus Paris: „Wenn
die Verhandlungen mit Rußland im Laufe deS
Monats keine günstige Wcnduug nchmen^oll«
ten, so gibt es viel unmöglichere Dinge, als
Laß diese Flotte in Begleiiung einer fran-
zösischen , gerade zur Zeit der Wahlen, mit
dcm Kern einer zur Befreiung Polens be-
stimmten Armee zurückkehren würde."

„Constitutionnel" gesteht zu, d'aß die Be-
lagerung von Puebla ganz ungewöhnltchc
Schwierigkeiten biete: Klöster, Kirchen und
vielc Häuscr seien zu wahren Redoutcn um-
gestaltct worden; man müsse ein Haus nach
dem andern nehmen und stoße bei jedem Schritt
auf Widerstand; tausend kleine Belagerungen

seien vorzunehmen, der Enthusiasmus der
Truppen dadurch aber noch gestiegen.

D e « tsch la n d

Karlsruhe, 15. Moi. 91. öffentl. Sitzung
der II. Kammer. Vorsiß: Hildebrandt. Am
Regierungstische: Staatsrath Dr. Vogelmann
und Ministerialrath Walli. Das Secretariat
macht den Einlauf einer Petition bekannt.
Kirsner zeigt dcn druckfertigen Bericht über
den Gesetzentwurf, die Rechtsverhältniffc der
Collegialrichter betr., an. Das Prästdium
macht bekannt, daß in den Abtheilungen fol-
gende Abgeordnete in die Commisston für den
Gcsetzesentwurf, die Einzelhaft iu» Arbeits-
hause betr., gewählt wurdcn: Allmang, Beck,
Poppen, Schaaff und Mepr. Die Kammer
schreitet zur Berathung des Berichts des Abg.
Muth über den Gesetzesentwurf bezüglich der
Gewährung einigcr Accisbefreiungen und die
Abänderungeu des §. 92 der Accisordnung.
Jn der allgemcinen Discussion bespricht Herth
die Ungerechtlgkeit der Likgenschaftsaccisc und
wünscht deren gänzlichc Abschaffung, namentlich
im Jniereffe des mittleren Guksbesißers.
Staatsraih Vogclmann bemerkt dem Red-
ner, baß all dies der Regierung und der Kam-
mer wohl bekannt sei, beive seien auch darüber
einig, daß die Accise wegfallen sollte, nur wisse
man nicht, durch was man sie ersetzen solle
und doch könne der Staat zur Zeit dic frag-
lichen Einkünfte noch nicht entbehren. Die
großh. Regierung wolle deshalb nach u. nach
Ermäßigungen eintrcten laffen, bis man einen
Ersatz findc oder desscu nicht mehr bedürfc.
Wir haben das aus zwei Artikeln bestehende
Gesetz nach dem Regierungsentwurfe bereitS
mitgeiheilt. Sie werdcn beide nach kurzer
Besprechung angenommen, worin namentlich
die Regierungscommisston erklärte, daß blos
die Fahrniffe einer gewerblichen Einrichtung
mit Accis belegt werden, uicht aber auch die
Fahrniffe des LRS. 524; wenn in der Praris
andcrs geschehen, so werdc dic Regierung im
Wege der Erläuterung einschreiten müssen.
Die frühere Vcrordnung bezüglich der Accise
für Brandentschädigungsgelver sci allerdings
aufgehvben, allein es sei einc Jnstruction er-
gangen, woruach diesc Gelder accisfrei sind;
die Sleuerdirection habe diese Jnstruction zu
veröffentlichen gehabt. Das Gesttz wird bei
Namensaufrus cinstimmig angenömmen. Hier-
auf stcllt Friedcrich eine Anfrage an den
Prästdenten des Fiuanzministeriums, die Accis-
freiheil beschädigten oder erkrankten Schlacht-

viehes lletr. StaatSrath Vogelmann ver-
spricht gründliche Untersuchung der Fragc «nd
nöthigenfalls Regelung derselben durch Mini-
sterial-Verfügung. Nachdem nvch die Abgg.
Regenauer und Fischler gesprochcn, wird
die Sitzung gcschlossen. Nächste Sitzung am
28. Mai. (K. A.)

Karlöruhe, 16. Mai. Wie wir verneh-
mcn, ist das Handelsministerium aus Anlaß
eines ihm vorliegendcn Konzesstonsgesuches um
Errichtung einer Notenbank durch allerhöchste
Entschließung aus dem Staatsministerium er-
mächtigk worden, auf ergehcndc Anfragen aus-
zusprechen, daß dic gr. Regierung bereit sei,
eine solche Konzesfion zu ertheilen und dafür
die erforderliche ständische Zustimmung zu er-
wirken, wenn das Statut der nachsuchendcn
Gesellschaft den Bedingungen enisprechen würde,
welche die Regierung im Zntereffe der Soli-
bität deS Unternehmens, der Sicherheit deS
Publikums wie der bei demselben in Frage
kommenden Staatsintereffen festhalten ;u
müssen glaubt. (Karlsr. Z.)

Karlöruhe, 18. Mai. Dcr so eben
im Druck erschienene, von Stadtdirektor Graf
Hennin erstättetc Kommissionsbericht der
crsten Kammer über das Notariatsgesetz
stimmt dem Entwurfe der Regierung mit AuS-
nahme einiger Modification, auf die wir zurück-
kommen werden, bei, und beantragt schließlich
folgende Wünsche zu Protokoll auszusprechen:

„Großh. Regierung wolle 1) womöglich auf
dem nächsten Landtag ein Gesetz über Regelung
des Ansatzes und der Erhcbung deS Gcbühren-
cinkvmmens der Notare vorlegen;

2) in dcr im § 64 des GesetzentwurfS an-
gekündigten Verordnung über dic StaatSprü-
fung der Notare aussprechen, daß von den
Notaren künftighin diejenigen Kenntniffe ver-
langt werden, welche die Rechtskandidaten in
Ler ersten juristischen Prüfung nachzuweisen
haben; — oder daß die NotariatSkandidaten
wenigstens zu den bisher vorgcschriebenea
Fächern sich noch über den Besuch der Vor-
lesungen uber Pandekten, sowie über dcutscheS
Privatrecht einschließlich des Handelsrechts
und Wechselrcchts auf einer Hochschule aus-
zuweisen und eine Prüsung hierübcr zu be-
stehcn haben sollen."

o Äus dem Seekreise, 8. Mai. Ueber
den Entwurf eineö Gesetzes, im Betreff deS
Vollzugs der Arbeitshausstrafc in Einzelhaft,
hat die Commisston der hohen !. Kammer einen
Bericht erstatlet, in welchcm die Aufmerksam-
keit auf zwei Punkte gelcnkt wird, die mit
Stiüschweigen nicht übcrgangen werden können.

' Bcethoven uud Cataluni.

Ein Capriccio von Friedrich Steinebach.

(Schluß.)

„Die Stunde des Concertes ist da, Caffarelli
kommt nicht. Der Lardinal schickt, man findet ihn
in Pantoffeln und Schlafrock."

„Wie? Jhre Eminenz uno die erstcn Familien
Roms crwarten Sic!" sagte der Bote staunend.

„v oke üisgraria!" erwiderte der Virtuose, „ich
habc ,vergcffen. Sagcn Sie Sr. Eminenz, er möge
mich cntschuldigen, ich singc schon ein andermal.
Ach bin nicht aufgclegt, und che ich meinc Totlctte
gemacht, ,«äre auch dcr Abend dahin. Wic gesagt,
ein anderinal."

Die versammelten Eminenzen gcricthcn in nicht
geringcn Alarm uber diesc Antwort. Albani nahm
seine Maßregcln angenblickltch. Der Haushofmeister
mußte tn ctne Kutsche steigen, vier handfcste Reit-
knechtc mußten ihm folgcn. .Mcin Herr", begann
jener, als fie bei Eaffarellt angckommen waren.
„Sic folgen mir zum Cardinal, wic Sie sind!"
Laffarelli machte Umstände, die Handfesten machten
etne gewiffe leichtc Bewegung und der Haushof-

mcistcr wicdcrholte kali fcine Forderung. Laffa-
relli verblüfft, steigt ein und kommt an. Er tritt
im Putz von Schlafrock und Pantoffeln in den
glänzendcn Saal; jcne handfeste Bcgleitung bleibt
ihm zur Seite. Er versucht es, sich durch Gesten
und abgcbrochcne Worte zu entschuldigcn; kein
Mcnsch äntwortet oder macht eine Bewegung. Dtc
fürchtcrliche Begleitung macht links um. Laffarellt
muß mtt ihr, und kommt ins Orchester. Auch hier
herrscht Todtenstillc. Er findet nur scin Pult mit
der aufgeschlagenen Seite scincr Arie, nicht einmal
cinen Stuhl, viel weniger cincn Ehrenstuhl, in
welchen er sich sonst oou srsma zu werfen gcwohnt
war."

„Sobald er an daS Pult kommt, fängt das Or-
chcster an, und zwar zu seinem Entsetzen das Ritor-
ncll jencr Aric. Er muß ja wohl singcn, und im
Trotz singt cr wirklich unübertrcffltch. Man ap-
! plaizdirt laüt, man ruft: „Bravo, Laffarelli!" —
Aetzt wird alle« stille, und die vier furchtbaren Ge-
fichter stehen «teder da und nöthigen ihn, ins Vor-
s ztinmer zu gehcn! Hicr überrcicht ihm dcr Haus-
! hofmeister einc prächtigc Dose »oll Zechinen und
! sagt: „Empfangen Ste hier von Sr. Emiirenz di-se

, Belöhnung für Jhre Taleute."

„Und nun", sällt das handfeftc Quartett cin,
„empfangen Sie hier von Sr. Eminenz die Be-
lohnung sür Zhre Ungezogenheit." Lamit verab-
reichtc ihm jcdcr einige tüchtige Hicbe mit seiner
Peitsche."

Als Beethoven geendet hattc, wcchselten der Fürst
und die Latalani mit ihm rasche, sprechcndc Blicke,
beinahc schien es, alö wollte die Gesellschaft die Be-
ziehung dicser Satyre ahncn, wclchc dic Atalienerin
innerlich wüthend machte. Doch ehe man noch
darübcr nachsinncn konnte, hatte der fchlaue Beet-
hoven das Ritornell zu der Arie dct Jtalienerin
gcspiclt, die cntwcder — um ihrer drückenden Ver-
legenheit etn Ende, oder um threr niühsam gezü-
geltcn Leidcnschaft wenigftcns in LSncn Luft zu
machcn, bczaubcrnd sang, so daß alle Anwefenden
entziickt waren. Dcr Anekdotenfreund hatte gesiegt,

^ dcr Fürst dankte ihm tm Gehcimen durch einen herz-
^ lichen Händedruck. Jedcrmann war zufriede» und
! die SSngertn soll nie mchr in Eaffarellische Um-
! stände gekommen scin. Acethovcn hatte keine Er-
! findung, sondern eine verbürgte Thatsache aus Laffa-
! rellt's Leben erzählt.
 
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