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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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Utidelbtrgtr Itilung.

M 2S


Freitag, 3«. Zanuar

ZnsertionSgebährru für die Ispaltige Petit-
zeile werdea mit 3 kr. berrchnel.

L8S3.

Die Ereigniffe in Polen.

Wean i» den Spalten dieses Blattes im
Laufe des vorigen Sommers, bei Gelegenheit
der Ucbernahme der Statthalterschaft Polens
w>n Seiten deS Großfürsten Constantm und
Ausstellung deffen anscheinend sehr wohlwollcn-
den Programms, bescheidene Zweifel ausge-
sprochen wurden, ob es demfelben gelingcn
wnrde, in jenem zerriffenen und neuerdings
durch ertreme Factionen aufgeregten Lande
großen Bodcn zu gewinnen, so hat stch diese
geäußerte Befürchtung nur allzusehr bewahr-
heitet. Abermals warv der alten Königsstadt
Warschau, dem wichtigen Herrschersthc der
Ruffen, in ähnlicher Weise, wie in den Zahren
1794 und 1830, das traurige Schauspiel eines
blutigen AusstandeS wider dic ruffische Ober-
herrschaft beschieden. Abcrmals ward Pvlens
Haupkstadt in ein Schlachtscld verwandelt,
auf wclches, um mit PlatcnS Worlen zu spre-
chen, die „Sterne blutigroth flimmern." Zwar
stehen uns bis jetzt nur vcreinzelte und zum
Theil verworrene unv ungenaue Nachrichten
über die stattgchabten Ereigniffe zu Gebot.
AuS dem, wenn auch beschränkten Grade von
Durchsichtigkeit, den dieselben gewähren, ist
jedoch soviel zu entnehmen, daß die ertrem-
nationale oder Aciionspartei in Polen, nach-
dem sie seit Monaten durch eine geschürte,
ernstliche Aufregung und einen ausgeübtcn
Terrorismus svnver gleichen, Alles unternom-
men, um den revolutionären Gedanken im
Volke wach zu erhalten und zugleich jede Aus-
svhnung mit der ruffischen Oberherrschaft zu
vereiteln und unmöglich zu machen — mit
klugcr Berechnung eincn nicht unpaffcnden
Moment zu der lange vorbercileten allgcmei-
nen Schilderhebung auserschen hat. Es war
dieses der Zeitpunkt der allgemeinen Recruten-
aushebung im Königreiche Polen, die dieses-
mal mit auffallender Härte und Strenge im
Lanbc vorgenommen wurde, uud von Seiten
der ruffischcn Regierung mit solchen rigorosen
Maßregeln begleitct war, daß ste auf die son-
stigen wohlwollenden und humanen Abstchten
des Kaisers Alerander und seines Bruders
Constantin, und auf bie von Seiten dieser
angebahnten Reformepoche einen trüben Schat-
ten wirft. Es flndet diese auffallendc Regic-
rungSmaßregel nur'dadurch eine Erklärung,
daß cs den ruffischen Gewalthabern nicht so-
wohl um die Aushebung einiger tausend Ne-
cruten zu thun war, daß vielmehr ihre eigenk-
lichc Absichk die war, bas Land von cinem
großcn Theile scineS revolutionärkn Elemenks,

und zwar vor Aüem von einer eraltirten Ju-
gend, welche den geheimen Comite'S unbedingt
zur Verfügung stand, durch eine Verbringung
uach dem Znnern von Rußland zu befreien.
Trotz dcs gewähltcn günstigen Moments hatte
jedoch — wie jcder Besonneue und Uubefan-
gene leicht vorhersehen konntc — die veran-
stalkete Erhebung keinen Erfolg. Die ruffische
Uebermacht im Lande war zu bedeutend, und
es fehlte der polnischen Erhebung, um eö mil
einem wohlgerüsteten, zahlreichen Feinde auf-
zunehmen, diesmal das nöthigste Element, ein
geordnetes, nationales Heer, wie ein svlches
itl ben Zahren 1794 und 1830 vorhanden
war. Untcr völlig veränderten Umstänven war
in jenen Jahrgängen die Kriegsführung der
Polen wenigstens auf eine Zeitlang eine glüek-
liche. Die Erhcbung der ncunziger Jahre,
welche unS unser deutscher Seume (deffen Zu-
bilarfest demnächst begangen werden soll) ein-
gehend schilbert, erzeugke einen Kvsziusko,
einen der bedcutendsten Männer seincr Zeit;
in dem Feldzuge von 1830/31 aber war die
polnische Armee von fähigen und kriegstüch-
tigen Generalen aus der napoleonischen Schule
besehligt. Wer von unseren Zeikgcnvssen, der
jene denkwürdige Epoche noch miterlebt, ge-
denkt nicht der glänzenden Namen eines CHIo-
picki, Dwernicki, Skrzpuecki, Dembinski, und
wie die glorreichen Führer deS damaligen Un-
abhängigkeitskampfcs alle hießen! Mit innerm
Bangen, mil der gespanntcstcu Aufmerksamkcit
versolgte das wcstliche Europa ben äußern
Verlauf und die wechselnben Erfolge diescs
heroischen Kampfcs gegen die moskowitische
Uebermacht, da es deffen Ausgang als ein
GotteSurtheil für daS verjüngke Auserstehen
der Freiheit in unserm Welttheile überhaupt
ansah, und die gegen einen an Zahl wcit über-
legenen Feind schwcr ringenben Polen alS Vor-
kämpfcr dieser Frcihcit betrachtete. Es war
AlleS cin Traum/ und im Buche des Schick-
sals auders beschlvffen. Die Polen erlagen
bei allem Heldenmnrhe der feindlichen Ueber-
macht und ihrer eigcnen Uneinigkeit, während-
vem, bei herrschenber Eintracht und kluger
Benützung der Fehler der Kriegsführung des
Feindes, ihre Sache damals eine gute Wendung
hätte nehmen können. Die Einschließung der
Hauptstadt Warschau durch die ruffische Ar-
mer, und die blutige Erstürmung ihrer Fcstung
und ihres Fvrts Praga beendigte im Jahre
1831, in ähnlichcr Weise wie einige Dezennien
vorher, die weltgeschichtliche Catastrophe.

Zn ganz anderer Weise als damals, wird
bie Mitwelr und stcher auch die Nachwelt den

soeben wiederholken Aufstand der Polen beur-
theilen. Von besondcren Spmpathien für die-
seS Bolk findet sich in Deuischla'nd kaum noch
eine Spur, waS dasselbc durch sein gehäffigeS
Auftreten gegen daS deutsche Element, wo es
mit diesem zusammentritt, selbst am meisten
verschulbet hat. Die inneren socialen Gebre-
chen in Polen, deren Abstellung vvr AUem
nöihig wäre, sind die Unmöglichkeit der Wic-
derherstellung bes alten Polenreiches in seine
frühern Grenzen, ohne einen eurvpäischen Krirg
und den theilweisen Umsturz der jetzigen staat-
lichen Verhältniffe, — alle diese Umstände ha-
ben schon längst eincr kühlern Bctrachtung der
Dinge ben Platz eingeräumt. Hierzu kommt,
baß in Rußlanb nicht mehr der Despotismus
eines Nikolaus, sonbern dic milden, zeitgemä-
ßen Reformen auch sür Polcn nicht abgeneigte
Regierungsmarime eines Alerander 1l. maß-
gebend ist, und daß der besonnrne und gemä-
ßigte Theil bcr polnischen Nation selbst sür
ein Entgegenkommen war. Wenn nun trotz-
dem eine ertreme, fanatische Partei die Ober«
hand gewinnen und stch lcichtfertiger Weise
zum sosortigen Gebrauchc dcr Mittel bes äußer-
sten polilischen NorhstandeS enischließen konnte,
so wird ein solcheS Uiiterfangcn die Herzen
ber Zeitgenvffen um so weniger zu gewinnen im
Stanbe sein, als selbst die Grenzen einer po-
litischen Nothwehr burch den Gebrauch von
Meuchelmord und andere verwerfliche Mittel
weit überschritten wurden, unb der ganze
neuerliche Ausstand lediglich Las Gepräge eines
aus Mazzini'sche Manier angezettelten verzwri-
felten llnternehmens an sich trägt.

* Politische Umschau.

Zn München verlautet von einer ncuen
Candidatur für den griechischen Thron. Das
engliichc Cabinet nämlich beabsichtige nunmchr
den Fürsten von Leiningen für denselben in
Vorschlag zu bringen.

Der Siaatsminister v. d. Hepdt ist tn den
Freiherrnstand erhoben worden.

Für bie in ber Provinz Posen und in den
an Polen grenzenden Theilen WestprcußenS
garnisonirenbcn Truppen sind die Reserven
einberufen.

Die in Frankfurt erscheinende „Europa"
will aus „authentischer Quelle" wiffen, der
Kaiser Napvleon stelle in scinen'Weisungen
an den General Forep als erste Friedensbe-
dingung für Meriko die Abtrriung der gold-
und filberreichen Provinz Souora mit Guap-
mas, Meriko's bestem Hasen, auf.

Eine Spazierfahrt nach der neuen Welt.

(Schluß.)

„DaS stcht man, Sic stnd ein ehrlicher Mann,
dcr Andere ist cin Hundsfott!" sagte ein Bauer,
klopfte dem braven Mann auf dic Schulter und
— kaufte fich ein Ticket. Dcr Kleine bezcichncte
ihm hicrauf ein Wirthshaus am Strand, wclches
man vom Bvrd aus sehen konntc, wo cr die Leute
erwartcn wollte, und nachdem er nvch einige Tickcts
loSgewordcn war, schiffte er sich schnell ein. — Daß
er vcrschwunden war, vcrsteht stch von sclbst. Jch
bin ihm einige Tage später bei City-Hall begcg-
net, wo er gcmüthlich Arm in Arm mit seincm
Antagonisten bummelte.

Die Oastom-llouav-okLcers waren inzwischcn an
Bord gekoininen, das Gepäck wurde aus deM Raum
gewnnden und durchsucht. AUmächtiger Gott! waS
für Dingc kamen da zum Vorschcin! Der Einc
hatte lcere Eigarrenkistcn, dcr Andere lecrc Sel-
terswafferkrukcn mitgenommcn; hicr tauchte ein
alter wurmstichiger Sticselknccht, dort cin zerbro-
chcucs Nachtgcschirr aus. Armc Teufel, welche viel-

leicht kctne zehn Dollars in der Tasche hatten, le-
gitimirtcn sich als Bcsitzer von Kistcn »on 2'/-
Tonnenmaß. Gclegentlich sticß man beim Durch-
sucheu der altcn Schartekcn auch «ohl auf das
Wocheubett ciner Schiffsratte, «elche, drohend
quikend, Bcweise ihrer Mutterliebc ablcgte. Da-
bei das Gcdränge vvn zwcihundert Paffagiercn,
mindcstcnS fünfzig Bummlern vom Lande, dercn
Dienstbereitwilligkeit unS den Rock vom Lcibc Zu
reißen drohte, eine Nachmittagssonnc vonLO Grad
Reaumur und jctzt noch ein Flußstcamcr, aufwcl-
chen daS Gepäck dcr Reisenden übergcladen wurde,
um nach dem Zollhausc gebracht zu werden.

Un'terdcffen heultcn Und weinten die Zwischen-
deckspaffagierc, alS ste vom Borb gingen, und ich
glaube, mehr alS die Hälste wäre wieber umge-
kehrt, wenn män fie umsonst HLtte mitnchmcn wol-
lrn. — DaS fühltc ein Zeder, daß es aus sei mit
dcr deutschen Gcmüthlichkcit, daß er in die mitthei-
lungslecrste Wirklichkeit einer neuen Laufbahn
hincingestoßcn werbe. Fremd dcr Sprache, tau-
sende von Meilen von der Heimath eutfcrnt, AlleS
ncu, etne große Wcltstadt, wo dic Herzen der Men-
schcn nvch Härter find, ats bic Pflasterstcine auf

ihren Straßen, fürwahr, es muß wohl für man-
chen armen Schlucker cin sürchterliches Gcfühl sein,
wcnn alle die tausend vagen und confusen Illusio-
nen von Amertca an dcr ricfenhaftcn Prosa eineS
mit ciner Million Mcnschen bevölkcrten Steinhau-
fcns zcrbrechen und zersplittcrn, und cin Weltmeer
dcn Rückzug abschneidct. — —

Wir vcrlaffen hier unscrn Autor; vtelleicht be»
gegncn wir ihm später cinmal wieder in irgenv
einem Thcile der ungehcuren tranSatlantischen Erd-
HLlfte. _

Hinrichtung von Jndianrrn in Minnefata.

Bon dcn drcihunbcrt gefangen genoininencn Jn-
diancrn, welchc vor eintger Zeit ein Blutbad untcr
den Weißen in Minncsota angcrichtet hattcn, stnd
sicbenunddrcißig, dencn man Mord oder Nothzucht
nachwcisen konnte, zum Tode durch den Strang
verurtheiit worden. Dic Mcistcn »on ihnen be-
kannten offen, an mchrercn Gcfcchtcn Theil ge-
nommen zu haben, läugncten jcdoch die „grund-
losc und böswillige" Ermordung von «eißcn Ein-
wohnern. Ileber ihre Hinrichtung berichtet ein
Blatt aus Minncsvta: Am Morgcn des TageS,
 
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