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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0098

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Auf der Eisenbahn bei Lyo» ist ein achtzehn-
jähriges Mädchen gekmbelt, genothzüchrigt n,
beraubt gefunden worven jbeinahe wie es gestcrn
aus unserer Eisenbahn zugegange», s. Heivelb.
28. Jan.); der Thäter entkam in der Finster-
niß, invem er, alS der Zug langsam suhr,
denselben verließ. Der Fall erregt großes
Aufsehen und dik Regierung wird aufgkfor-
dert, die Coinpagnien anzuhalten, besondere
Wagen sür Frauen einzurichten.

„Morning-Post" ineldet, die holsteinische
Frage sei nun definitiv geordnkt, da Däne-
mark bas Recht des Bundks anerkannt habc.

Die zur Untersuchung des Brigantcnwesens
eruaante Comuiiffion hat ermittelt, daß bereits
700t) Briganten geblieben oder hingerichtet
worden sind,

Eine Depesche der „Patrie" hellt das Dun-
kel der ersten telegraphischen Nächrichten aus
Polen auf. Recruten und Arbeiter hatlen sich
in die Wälder um Warschau geworsen uizd
Nachts isolirke Häuser, in welchen Soldaten
einquartiert waren, überfallen und >n Brand
gesteckt; in der Stadt selbst ist nichts vorgc-
fallen. Auf dem Lande haben die Truppen
Vcrluste crlittcn, allein das schlecht bewaffnete
Bolk konnte den Truppen keinen dauerndeu
Widerstand leisten.

Die Nachrichten aus Polen lauten bei der
theilweise unterbrochenen Verbindung sehr ver-
worre». Die „Kreuzzeitung" meldet nun auch,
daß die Mordscenen in der Umgegend von
Warschau, nicht in der Stadt selbst, vorge-
fallen sind. Wie auf ein gegebenes Signal
wurde in der Nacht vom 22. auf den 23.
das Militär an den verschiedcnen Orten über-
fallen; Lberst Kozliaminoff wurde, als er sich
der Besreiung eines Recrutentransports bei
Pozk widcrsetzte, durch cinen Pistolenschuß ge-
tödtel. Jn Puliusk nahmen die Znsurgenten
einen Artillericpark, doch nicht die Geschütze.
Die Truppen haben an den meisten Oricn
sich schwach gezeigt. Jn Warschau dauern
die Bälle fort; man tanzl aus dem Vulkan,
wie die „Kreuzzeitung" bemcrkt. Die Jnsur-
gentkii sind schlccht, meist nur mit Revolvers
bewaffnet. Cin Placat des Revolutions-Co-
mitees macht bekannt, daß Frankreich die Er-
wartungen getäuschl und die bestellten Waffen
nicht über dic Grenzc gelaffen habe, und cr-
klärt die Grasen Wielopolski, Vater u. Sohn
für vogclsrei. Die Jnsurrcction tritt am kräs-
tigsten im Kreise Gootpnin auf, wo Zucker-
sabrikcn über 20,000 Arbeiter beschäftigen.
Wiener Blätter halten die russische Version
der Vorfälle füc übertrieben, die Eisenbahn
nach Warschau könne nicht zerstört sein, da
die Post regelmäßig angekvmmen ist; der Wi°
dcrstand, ben bie Recrutirung finde, suchc die
russtsche Regierung zu einem früher vft ange-
wanbten Manöver zu benutzen. „Czas" gibt
die Stärkc der Znsurgenten auf dem linken
Weichselufer auf nur 500 Mann an, die ge-
gen Modlin gedrängt werden.

Jn der Türkei sind nun auch Postmarken
eingesßhrt wordeu, sie tragen aber das Fac-
simile der Unterschrift des Sultans, weil der
Koran die Abbildung von Personen verbietet. I

welchcr der lctzte sür sie sein sollte, schüttclten sie
den Osfizieren, drc za ihnen hinetn kamen, die
Hand und sagtcn thnen Lcbewohl, alS ob fie sich
zu einer langen und sröhlichen Reisc rüstcten. Sic
hattcn ihr Angcsicht, seder nach seincm Geschmacke,
mit einigen frlschcn Streisen ZinnoberS und Ultra-
marinS gefärbt, augenschcinlich in dcr Absicht, sich
so munter und geschmückt wie möglich zu zeigen.
Ste begannen dann ihrcn Todtensang. Der „weißc
Hund" bat, ihm keine Feffeln anzulegen, er wcrde
ohne diese scine Hände ruhig nicder halten, doch
konnte diescm Wunschc natürltch nicht willfahrt wcr-
dcn. Nachdem alle gefeffclt «aren, standen sie in
dcm Zimmer in etner Reihe auf und sangenctnen
zweiten crrcgenden Todtcngesang. Pater Ravour
trat ein und kniete nach cincr kurzen Ansprache
zum Gebete nicder, tndem cr auS eincm Andachts-
buchc in der Dakotasprache vorlaS und cinige der
Vcrurtheilten seine Worte wicdcrholtcn. Drauf
wurden thnen die Kopfbrdcckungcn aufgesetzt, welche
nur bis über die Stirn gingcn und ihr bemaltcS
Gcsicht noch zum Vorschcin kommcn lteßen. Sie
trugen dicselben mrt ersichtlichrr linzufriedenhcit
und Bcschämung. Strickc und Ketten hatten nicht

Deutschland

Bom Oberrhein, 2ä. Zan. Nachstehend
thcilru wir das Botum Badens bci ber Ab-
stiinuiung üder daS Delegirtcnproject in der
ietzten BundeStagSsitzung mit. Daffelde laukct:

Dle großherzogl. Regierung hat berettS ta ihrer, tn der
zwetten dteSjährigen Siyung abgegebenen antictpirten Ab-
stimmung erklärt, daß jie dem von der Mehrheit des AuSschuffeS
empfohienen Antrage beizustimmea nicht vermöge; und fie
wtederholt hiermtt dtese Ablehuung. WaS den von thr
gemachten VermittlungSvorfchlag betrtfft, so find dte betden
Bedtngungea, unter welchen sit lienselben verfolgt hätte, —
nämltch die förmltche Aufnahme als Antrag von etner der
zuvor iu Kenntniß gesetzten höchsten und hohen Regterun-
gen, sowte dte Auffchiebung der Abstimmung über daS
Delegtrtenproject bis nach erstattetem AuSschußberichte über
den genannten BermtttlungSvorschlag, ntcht etngetreten.
Die großh. Rcgteruug sieht also dtesen Versuch als ge-
scheitert an unb wtrd thn ihrersettS nicht selbstständtg wetter
verfolgen. Sollte der Gedanke übrigenS dennoch jetzt noch
von anderrr Sette aufgegriffen werden und er zu buudeS-
geschäftltcher Behandlung kommen, so ist die großherzogl.
Regierung bereit, sich nach Maßgabe ihrer Erklärung an
der wetteren Erörteruug zu bethetligen. (Kln. Z.)

Berlin, 27, Januar. Abgeordnctenhaus.
Dcr Miaistcrpräsident verliest elne Allerhöchste
Botschast zur Elnleitung des Gesetzenlwurses
wcgen der Feier des 17. März und der Un-
terstützung der Kämpfer aus bcn Jahren 1813
bis 1815, serner ben Gesetz - Entwurf wcge»
Pensionirung der Znvaliden von 1806, 1807
und 1812. Der Präsident Grabow bcstimmt
die Abgeordneten Stavcnhagen »nd v. Vacrst
zu mündlichen Referenten. Daraus nimmt
die Adreßdebattc ihren Anfang. Zchn Redner
stnd für und ebensoviel bagcgen cingeschrie-
be». Der Referent v. Spbei weist die Zden-
tificirung S. M. des Königs mit bem Mini-
sterium als eine Ehrfurchtsverletzung gegcn
den König znrück. (Beisaü.) Die Avreffe
sei durchaus desenfiv, sie verlange keine neuen
Rechte, fie schütze nur die alten und sei eine
RechtSverwahrung. Die Nichiannahme ber
Adreffe würdc das verfaffungsmäßige Recht
des Hauses verletzen. Vcnda spricht gegen
Paffns 6 und 7, wird aber eventuell dafür
stimmen. Waldeck. Die Adreffe sei eine Con-
sequenz der Beschlüffe des HauseS vom 17.
September, vom 7. und 13. October v. Z.
Das Land seufze unter einem budgetlosen Re-
giment, die Basis dcr Verfaffung sci erschüt-
tert, und wie das Lanb dies fühle, das habe
sich i» der Eröffnungssttzung gezeigt. Denn
waS in ciner Adrcffe gesagt werden könne,
das habe dcr würdige Präsident schvn in der
ersten Sitzung gesagt. Die ncuc Geschästs-
Ordiimig beseitige den AlterS-Präsidenten und
damit auch den Dank an diesen für die Er-
öffnung der Verhandlung. Der Rebner glaube
im Sinnc des ganzen Hauses zu handeln, wcnn
er jetzt ausspreche, daß dic Schmähungen,
wclche der Piäsibent dasür gcerntcl, ihm znr
höchsten Ehrc gereichen, daß sich ber Präsidcnt
um kas Land verdsent gemacht habe (bie Linke,
das linke Cenirum, die Polen erheben sich vyn
lhren Plätzen). Der Redner habe gemeinl,
eiiie Adrcffe sei hiernach überflüffig; wenn die
Majocität anderer Meinung sci, so könne man
nnr einc Adreffe billigen, wie die, welche die
Majorität wolle. Wenn die Abgeordneten
> b-riifen seien, die Wahrheit zu sagen, so müß-

ihr Gefühl so berührt — fie wurden nicht sür ent-
rhrcnd angeschen; aber diese weiße Mütze auf ihrcm
Haupte war ihnen demüthigend. Der Gesang pcr-
stummte, nnd nur wcnig wurdc geredct uud ge-
raucht. Alle faßc» in der Rundc, die mcisten mit
gckreuzten Beincn; ruhig erwartetcn sie ihr Schtck-
fal oder horchten auf dic Wortc des PaterS Ra-
vour. Dann und wann holten sic thre kleincn
Spicgel hervor, um nachzuscben, ob ihrc Zügc noch
die rechte FLrbung und Verzicrung trügen. Punct
10 Uhr «urden sie in Reihen grstcllt und marschir-
ten ühcr die Straße dnrch cin Spalicr von Sol-
daten zum Richtplatze. Sic gingcn rasch und mun-
ter, drängten und stteßen sich sogar, um an der
Spitzc zu schrctten. Bcim Bctretcn deS RichtplatzcS
beganncn sic wtcderum thr Todtcnlicd, und alS ste
alle auf dem Schaffot versammelt warcn, war der
Lärm, welchcn sie machtcn, ein gräßlicher. Es schicn,
als seien alle Geister der Uiiterwelt loSgelaffen.
3hr Muth war ungebrochen.

Ein junger Bursche, der gerade vor ihrcm Ab-
marsche eine Cigarre crhalten hattc, rauchtc ruhig
wciter dort oben, sehr kalt während der Pauscn
des schrecklichen „Hi-yi-yi, Ht-yt°yi" Rauchwolken

ten sie di'es gewiß dem Könkge gegenüber.
Der Redner hatte vurch den Entwurf die Ehr-
furcht nicht verletzt. Dic Auslaffungen des
Ministerpräsidenten in der Commission änder«
ten darin Nichts; wenn sein Ministerium an-
geklagt wcrde. könne der Ministervrästdent kein
kompetenter Richter sein. Die Verschmelzung
des Köiiigs mlt seinen Ministern sci uncon-
stilutionell. Die Verfaffung erklärc nichk nmsonst
den König für unverletzll'ch, die Minister für
verantwortlich. Dics Allcs kßniic nicht gegen
ei'ne Adreffe sprechen, wie die des Majoritäts-
Entwurfes. Die übrigen Eiilwürse blieben
hinter ihren Aufgaben zurück. Der des Abg.
v. Biiicke stäude auf dem Nivcau eiuer Ant
wort aus dic Thronrede iind enthalte doch nur
banalc Phrasen, wenn er auf der ei'nen Seite
bic Minister des Verfaffungsbruches zeihe u.
andererseits Hoffnungen auf Lösung deS Con-
flicts vvn benselben Ministern auSspreche.
Der Reichenspergerschen Entwurs sci gleichsalls
nicht ausreichend snr die cnistc Lage des Lan«
des. Diese Lage sei furchtbar ernst, man denke
nur an den Ministerwechsel. Seit 10 Moua-
ten sei fast jedes Portefeuille von drei oder
zwei Miiiistern übcrnommen worden, nur der
eine Kriegsminister sei unversehrt stehen ge-
blieben. (Heiterkeit.) Und wohiu seicn die
Minister gekommen, welche Maßregeln hättcn
stc erlassen? Kein Erlaß hätte den Redner mlt
so großem Schmerz, mit solcher Scham erfüllt„
als der Erlaß des Justizmiiiisters an den
Präsident der Obergerichte. Wie müßte der
Verfaffer der Gerichtsordiiung, Suarez, er»
röthen, wenn er diese Aiislcgniig ftines Wer-
kes zu Gesichte bekäme. Die Bcautten hätte
der Erlaß ruhig gclaffen, abcr welch eine Zeit,
in welcher svlchc Erlaffe möglich seien! Viel
ließe sich über die Lage des Landes nicht hin-
zufügen, alle Welt sühlc sie zu schwer. Nie-
mals hätte die Voiksvertrctung mehr die
Pflicht gehabt, dem Königc zn zeigen, hier dcn
einzigen Weg durch Ausrechthaltung der Ver-
faffung zur Macht nach Znnen, zur Geltung
nach Außen, dort den Abgrund der Verfaffuugs-
verletzung, der mit Füßen getrclenen beschwo-
renen Verfaffung. Thun wir (schließt dcr
Redner) unsere Psticht, stehen wir treu zum
Lande, wie bas Land zu uns steht. (Beifall
Iliiks.) Gras Beth»sp-Hnc (auf ber Journal-
tribüne kaum verständlich) spricht gegen die
Abrcffc, für dsc Armce-Orgaiiisakion «nb Be-
rücksichtigung des Herrenhauses als eines
Theiles der Landesvertrctung. (Forts. f.)

Berli«, 27. Za». Dcr „Staatsanzkiger"
enthält einc, nicht weniger a>S acht Spaltcn
füllende Liste von Ordensverleihungcu.
— Dic „Volksztg." sagt, das Aiissehe» des
Köntgs sei leibend. — I» Gardelegen wurde
für den ausgeschikdenen StaatSanwalt Lcue
der Candibal der Fvrtschritks-Partei, Herr
Paul v. Sepdlitz, in Dresden wohnend, den
bekanntlich scin Verwanbker, dcr Vorsttzende
der Militär-Commission, Baron von Vaerst,
aus daS Wärmste cmpsohleu hatte, mit 238
von 252 Skimmen gewählt. Der Gegen-Can-
didat, Hcrr Graf v. Schulenburg-Betzendorf,
erhielt 12 Stimmen.

ausstoßend; und sclbst, nrchdem die Mütze über
scin Gesicht gezogen worden, wußte er seinen Mnnd
srci zu machen und rauchte fort. Andere hatten
ihre brennenden Pfcifen im Munde. Dic Galgen
hattcn 24 Fuß im Geviert und warcn so eingerich-
tet, daß jedersettS Raum für zchn Verurthcilte war.
Drei abgemeffene und deutlichc Trommelschläge —
und cin Seil war dnrchtzcschiittten, daS Schaffot
gefallen und siebcniinddreißig leblose Körper schwcb-
! tcn zwischcn Himmel und Erdc. Einer der Strickc
«ar geriffcn und dcr Körper deS „Raffclndcn Ren-
nerS" zu Boden gcfallcn. DaS Genick war ver-
muthlich gcbrochen, da ader schwache LebcuSzeichen
zu bcmcrken waren, so wurdc er alsbald wieder
aufgehängt. Als dic Stgnalschläge ertönten, hattc
man viele sick die Hände reichen sehen, die bci man-
chcn tneinander vcxschlungen bltebcn, bis dic Leich-
name hcrabgenommen wurden. Bcim Fallen dcs
Schaffots vernahm man einen nicht lauten, aber
anhaltcnden BcifallSruf dcr Soldaten nnd Bür-
ger; darauf waren alle wiedcr ernste und stille Zcu-
gen bei der Sccne. Allc siebenunddreißig Jndianer
wurdcn tn ein Grab von 30 Fuß Länge und 12
Fuß Breite gelegt, in zwei Reihcn gcordnet und
mit dcn Füßen aneinander stoßend, mit den Kö-
pfen nach Außen. Sic wurden cinfach mit ihren
weißen Tüchern bedeckt und Lte Erdc über ihnen
zugeworfcn.
 
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