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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0586
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regi'ere und das Wohl deS Staates ni'cht be«
rücksrchti'ge, — lafiVn dentllch die Abficht er-
kennen, nnter dem Schcine einer Definition
des DespotiSmas in, Afigemeinen den Träger
der preußischen Krone alS dcspotisch zu charac-
terifiren nnd dadurch die Ehrfurcht und Treue
gcgen deS Königs Majestät zu untergraben."
Dicser Regierungspräfidcnt ist übrigens der
nämliche, welcher den Bürgermeistcr von Gum-
binnen um zwanzig Thaler strafte, wcil der-
selbe nicht die Absendung einer Petition an
drn König verhindert habe.

Die Redacteure der politischen Blätter in
PcterSburg haben nach des Südd. Ztg. ein
Circular unterschrciben müssen, worin fie stch
vcrpflichten, in ihren Mittheilungen über
Preußen fich auf daS Thatsächliche zu be-
schränken und jede für das Ministerium un-
gnnstige Kritik zu unterlaffen.

Der „Jnd^iend." meldet im Widerspruch
mit andern Nachrichtcn aus Paris, daß ein
Ministerwechsel statifinden werde, und zwar
würden dic Herren Baroche, Walewski, Per-
figny und Hausmann ausscheiden. Gerüchts-
wcisc verlautet, daß Perfignp WalewSkp'S
Stcüe crhalten werde.

Jn PariS glaubt man allgemein, daß dic
franzöfische Regierung fich in Petersburg keine
ausweichende Antwort gefallen lassen wird.
Dcr Hcrzvg von Montebello wirv, wie man
versichert, im Falle ciner unbefriedigenden Ant-
wort von Seiten deS russischen Cabincts un-
verzüglich Petcrsburg verlaffen, und diese Rcise
würde dann mehr zu bedcuten habcn, alS die
vvn dem Heczog schon längst beabsichtigte Ur-
laubsreise.

Jm „Constitutionnel" verbreitet fich Paulin
Limaprac wicder über die polnische Angelegen-
hit. Dicsmal sagt er u. A.: Es wird be-
bauptet, England beabflchtige nicht, über eine
viplomatische Action hinauszugeheo. Wenn in
dem unglücklichen Falle, wo die Jntervention
der drci MSchte ohne Nesultat bleibe, England
das Weitergehen mit den beiden anderen ab-
lehnen würde, so müßte man das Lob mäßi-
gen, das eincm lediglich die Unglücklichen in
dcn Tod hetzendcn falschen EnthusiasmuS er-
thcilt wurde. Wir find aber überzeugt, daß
England jeder Zweideutigkeit auS dcm Wege
gehen wird; seine Ehre wie das Jnteresse
Emopas und der Menschheit fordern^s!

„Dailp News" bri'ngt die sechS zwischen
den drei Mächten vercinbarten Forderungen
an Rußland: auSgedchnte Amnestie, National-
vertretung, Besetzung der Stellen durch Per-
sonen, die das allgemeine Vertrauen genießen,
Glaubcnssreihcit, ein Necrutl'rungSgcsetz und
Anerkennung der polnischen als officiellen
Spraibe. Wciter wolle dic Diplvmatie nicht
gehen; sie habe die Fragc nicht erörtern kön-
ncn, was das Beste und Klügstc wäre, son-
dern was fie in ihrer Lage vorschlagen könnte.
Der Gedanke, daß England für die sechs
Punkte in den Kampf gehe, oder daß es Ruß-
land thun werde, um fich ihnen zu widcrsetzen,
sei der citelste aller eiteln Träume.

Di« „Times" sagt, England werde in der
polnischen Angclegenheit nicht übcr die Grenze
diplomatischer Vorstellung hinausgehen.

Die Engländer haben den Japanesen zur
Beantwortung des UltimatiimS eine zwei«
wöchcntliche Frist gestellt.

Deutschlan-

StUttgart, 21. Juni. Gestern geschah
dahier die Grundstcinlegung der Liederhalle
unter entsprechenden Feierlichkeitcn.

Leipzig, 20. Zuni. Gestern Vormittag
trafen auj der Berliner Bahn zwei Personcn
verschiedenstcr Richtung ein: König Wilhelm
von Preußen und -- Gustav S truv e. Struve
ist am 2. d. M. in Hamburg gelandet und
gestern direct von dvrt hier eingctroffen. Er
reist morgen nach Cvburg, um seinern Studicn-
freund Streit einen Besuch abzustatten. Als-
dann geht er erst nach Mannheim. Sein Ge-
sicht ist noch frisch uud blühcnd wie vor 15
Jahren im Vorparlament, jedoch ,'st Kopf und
Bart wie Schnee so weiß geworden. — Ueber
die ameri'kanische Krisis theilte er mit, daß

! der Norden schwerlich den Süden bewältigen
! werde, und es handle sich jetzt lkdi'glich um
die Gränzen, d. h. der Nordcn möchte in
Vl'rginien seine Gränze möglichst weit hinaus
schirben. Hat er dieß erlangt, so wird er
von selbst Frieden machen. Leider ist durch
Schurz, gegenüber Oberst Blenker, ein voll-
ständigeS Zerwürfniß unter den Deutschen ent-
standen. Die Deputatr'on an Hecker Wird
vermuthlich tvcnig ausrichten, da derselbe, ob-
gleich schwer verwundet, sich in Amerika sehr

Berlin» 21. Iuni. Die „Heitere Welt«
erklärt in der heute ausgegebenen Nummer,
daß ste zum letzten Mal erscheine und es vor-
ziehe, nachdem ihr zwci Verwarnungen er-
theilt wvrden, vor dem Gesetze vom 1. Juni
die Scgel zu streichen.

Königsberg, 16. Zrini. Die heutige
Stadtverordnetenversammlung hatte große Er-
wartungen erregt, die sie nur zum Theil er-
fülltc. Eine meisterhast abgefaßte Rcchtsvcr-
wahrung gegen die Eingriffe der Regierung
in die Freiheit städtischer Berathungen wurde
cinstimmig angenommen; der Magistrat war
ihr ebenfallS beigetreten. Diese RechtSver-
wahrung soll der NeLi'erung eingereicht und
ihr dabei erklgrt werden, daß man von einer
Beschwcrdc bei der vorgesetzten Jnstanz, dem
Oberpräfideilten der Provinz, Abstand nehme,
da sie unter den gegcnwärtigen Verhältinssen
keincn Erfolg vcrspreche, daß man sich aber
weitere Schritte bei günstigerer Gelegenheit
vorbehalte. Auf dcn Antrag eineS Mitglie-
deS soll diesc Rechtsverwahrung, da sie der-
malen in keinc preußische Zeitung aufgenom-
men werden würde, in 1—3000 Eremplaren
gedruckt und vertheilt wcrden. Dem Antrag
selbst, der ebcn das Jnhjbitorium der Regie»
rung, gegen welches sich Vvrstehendc RechtS-
vcrwahrung richtet, hcrvorgerufen hatte, ist
dagegen ein weniger erwünschteS Schicksal zu
Theil geworden. Er war vor 4 Tagen, vvn
28 Stadtverordneten unterzcichnet, neuerdingS
eingereicht worden. Jn Folge deS seitdem zur
Kennriiiß gekommenen Schicksals der BrcSlauer
Deputation hieltcn die Unterzeichner heute eine
Vorberathung, in der große MeinungSverschie-
dcnheiten über die Art des weiteren VorgehenS
hervortratcn. Fast kl'nstimmig war man zu-
nächst darin, daß die Berathung über eine
Adreffe nunmehr zwecklos sei; jedoch wollten
die Einen, daß die Versammlung selbst cine
motivirte Tagcsordnung in dieser Angelegen-
heit annehme, die Anderen, daß die Unter-
zeichner, um der Regierung jeden Vorwand
zu weiteren Eingriffen zu nehmen, ihren An-
trag motivl'rt zurückzögen. Die letztcre vor-
sichtigere Ansicht drang durch. Hiemit ist diese
Acra der Adreffe der Stadtverordneten ge-
schlossen nnd es wird vorausstchtlich einc lange
Sommerruhe eintreten.

Wien, 23. Juni. Der Adreßentwurf deS
HerrcnhauseS soll bei Bcrührung der Polen-
frage die Hoffnung ausdrücken, eS werde dem
Vorgehen Oesterreichs gelingen, den Frieden
zu erhalten und zugleich, mit Wahrung der
ReichSintegrität, den gerechten nationalen und
kirchlichcn Ansprüchen der Polen Geltung zu
vcrschaffen.

England

London, 22. Juni, AbendS 10 Uhr. Un-
terhaus. Lapard theilt mit, Rußland stclle
daS vom Gerücht erwähnte Knutenedict Mu-
rawieffs in Abrede, Gesandtschastsberichte aber
bestätigen dic russischen Gransamkciten. Hen-
neffp's Andreßantrag wird auf Kinglake's und
Anderer Antrag bis nach Eintreffen dcr russt-
schen Antwort verschoben. Palmerstvn crklärt,
daß dic drei Noten, welche nngefähr gleich-
zeitig in Petcrsburg eintreffen, sechs Punkte
enthalten: 1) vollständige allgemeine Amnestie;
2) Nationalvertretung ähnlich der 1815 be-
willigten; 3) gesonderte Landesverwaltung;
4) volle Gewiffknsfreiheit und Aufhebung der
^ Bcschränkungen der katholischen Kirchc; 5)
s Einsührung der Landcssprache in Vcrwaltung,
i Gerichten und Schulen; 6) gesetzliches Re-
crutirlingsspstkm und Sinstellung deS Kampfes

alS Unterhandlun-Sbafis. Den zweiten Punct
habe Oesterreich modificirt. Fitzgerald glaubt,
daß Oesterreich eine der galizische» Shnliche
Verfaffung und für die Polen nicht ein Mo-
nopcl, aber doch einen großen Antheil an der
Administration befürworten dürfte. Disraeli
bezweifelt dic Möglichkeit eincr Kampfesein-
stellung und nennt die Jdee eincr derartigen
Wiedcrherstellung PolenS ein friedenbedrohen-
deS Phantom.

S ch w e i z.

Bern, 20. Juni'. Wicder einmal l'st ein
Recurs wegen einer gemischten Ehe an den
Bundesrath gelangt. Der Fall betrifft einen
kathol. Solothurner, Alois Leu von WitterS-
wpl, der stch mit einer reformirten Aargauerin
verehelichen möchtc, zu welcher Verbindung
aber die Gemeindebehörde von Witterswpl,
unterstüßt von der Regierung zu Solothurn,
die Erlaubniß verweigert. Der BundeSrath
hat den RecurS deS Leu für begründet er«
achtct.

T ü r k e i.

Konstantinopel, 21. Juni. Die Regt«.
rung wird nvch cin Supplementaranlchcn von
zwei Millionen Pfund Sterlkng machen, um
daS schlecht ausgeprägte Geld außer Umlauf
zu setzen.

A merika

New-Nork, 9. Juni. Die Redactenre
der New-Uorker Zeitungen hielten gestern eine
Berathung, bei welcher die Organe der ver-
schiedensten politlschen Parteicn vertrete» wa-
ren. Es wurde einstiinmig beschloffen, daß
jeder Journalist das Recht besitze, dic Hand-
lungen von Regierungsbeamten zu beurthcilen,
zu tadeln und zu verdammeii, damit beffere
Männer an ihre Skellc gesetzt werden; ferner,
daß kein Officier berechtigt sei, irgend ein
ferne vom KricgSschaupIatz veröffentlichteS
Blatt zu untcrdrückcn; und schließlich, daß
des Verraths bezüchtigtc Redacteurc nur vvn
den Civilgcrichte» zur Verantworlung gezogen
werden können.

Machrtchten über Polen

Der revolutionäre Stabtchef von Warschau
hat an die Juden in Warschau eine Procla-
mation crlassen, in der er die Zudcn wegen
ihrer Anhänglichkeit an dic nationale Sache
belobt und ihnen vollständige Gleichberechtigung
mit Allen vcrheißt. Gleichzkitlg theklt cr ihnen
aber mit, daß fünf ihrer Glaubcnsgenossen
wegen Spionendienst zum Tvde vcrurtheilt
scicn, -daß daS Urtheil unnachsichtlich werdc
vollstreckt werden und daß Gcbet und Traucr
um die Hingerichteten auf daS Strengste hier-
mit untersagt werdc, indcm ihr Andcnken auch
über das Grab hinaus verflucht sci.

Uebcr dcn Tod des Grafen Leon Plater wird
dem „Czas" von einem Augcnzeugcn gemeldet:
Derselbe wurdc, kaum 26 Jahre alt, den 8.
Morgens auf dem Festungsplatz von Düna-
burg erschoffcn. Er starb ruhig und gefaßt,
nachdcm er noch seinen Beichvater umarmt
und in einem letzten Gebet seine Seele dem
Allmächtigen empfohlen hatte. Der Bericht-
erstatter fand bei der Rückkehr die trauernden
Schwestern des Gemordeten, deffen Familic
und Freunde in einer Kirche versammelt und
dcn Gott der Barmherzigkeit in ihrem namcn-
losen Schmerz um Trost anrufend. Die be«
jahrte Muitcr des Grafen tröstete die in
Thränen gebadcte Umgebung mit folgenden
Worten: „Weinet nichk, theure Freunbe, Jpr
seht ja, daß ich nicht weine! Zch hätle nur
Thräncn gcfunden, wcnn mein Sohn vor dem
moskowitischen Todesurtheil Fnrcht gezeigt
hätte; ich hade ih» heute noch gesegnct unb
zum Allmächtigea für ihn und mit ihm ge.
betet." Die Starostei Dünaburg war seit
Jahrhundcrten bis zur Theilung Polens Eigen-
thum der Familie Plater.

Warschau, 21. Juni. Nach einer Be-
kanntmachung des Stadthauptmanus vom 19.
dS. ist die veröffentlichte Liste der Pfandbriese
uilvollsläue g uud falsch. — 20,000 Mr.ischen
 
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