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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2801#0510
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Deutschland

— Mannheim, 24 Nvv. Die wegen
der schleswig - hoijieinischkn Angelegenheit
gestern Abend abgehaltene Bersammlung war
so zahlreich wie vielleicht noch keine andere
besucht. Der Aula-Saal, nebst den anstoßen-
den Locall'täten und Gängen, war gevrückl
voll, und noch eiue Menge der herbei geström«
ten Zuhörer mußte umkchren, weil kein Raum
mehr da war. Bei solchen Veranlaffungen
fühlt man hier schmerzlich den Mangel an
einer größeren Räumlichkeit, wic man sie z. B.
zu Franksurt hat. Herr Hofralh Häuffer von
Heidelberg, der hierher berufen war, hielt
eineii beinahe anderthalbstündigen, von öfteren
Beifallsbezeugungen unterbrochenen Vortrag,
worin er einen Ueberblick über die Geschichtc
der Herzogthümer gab ünd den jetzigen burch
den Lod des Königs von Dänemark herbei-
gcführten Stand der Sache darlegtc. Sein
Vortrag endete mit folgenden drei Resolutio-
nen, die er der Versammlung zur Genehmigung
vorlegte. Rach der erfien Resolution belrachtet
es die Versammlung als eine heilige Pstichr
des gesammten deutschen Volkes, der dänischen
Usurpation in Holstein und Schleswig mit
allen Mitteln ungcsäumt entgegenzutreten und
den Erbanspruch des Herzogs Friedrich von
Schleswig-Holstein, wie es in der Legitimität
der Eibfolge und den verbrieften nationalen
Rechten der Herzogthüm^r begründet ist, so-
sort zur thatsächlichen Gellung zu bringen.

Die Versammlung beschließt ferner, in einer
Adreffe an S. K. H. den Großherzvg den ehrer-
bietigen Da»k für die bcreits begonnene Wahrung
jener Rechte u. zugleich die Bitte auszuspreche»,
baß S. K. H. dcr Großherzog auch fernerhin
mit allen Jhnen zu Gebote stehenden Mitteln
sür einc Angelegenheit eintreten möge, die in
gleichem Maße die Fürsten wie das Voik in
ihren innerstcn Jnteressen bcrührt.

2. Die Versanimlung spricht die Erwartung
aus, daß diesem Beispiele die deutschen Re-
gierungen sämmtlich solgen, und insbesondere
der deutsche Bund nichts verabsäumen werdc,
um auss Rascheste die uülitärischcn Mitlel zu
ergreise», welche die bedrohten Gebiete vvr
dänischer Gcwaltthat schützen und den recht-
mäßigen Fürsten in den Befitz der Regierung
setzen können.

3. Die Versammlung erklärt sich aber auch
bereit, nach ihren Kräften für Beiträge an
Geld, Waffen und Mannschaft zu sorgen und
dicselbeii dem Herzog von Schleswig-Holstein,
sobaid er dcrselben bedars, zur Verfügung zu
stellen; überhaupt im Bewußtsein guten deut-
schen Rechts jegliches Opfer zu bringen, das
die Wahrung deutscher Ehre und Jntegrität
gebieten wird.

4. Der von der Versammlung zu wählende
Ausschuß wird mit dem Vollzug dieser Be-
schlüffe, insbesondere dcs Art. 3, bcauftragt.

Darmstadt, 22. Nov. Heute überreichte
der fraiizösische Gesandte am großhcrzoglichen
Hvse, Gras von Reiset, dem Großherzog sein
Abbcrufungsschreiben. S. K. H. geruhte, die-
scm Diplomaten nicht allein das Großkreuz >

thn und brauche ihn, wenn der Versucher tommt;
— daS rst etn sicheres Heilmittel gegen das Böse."
Sie ergrrsf ihn mit krampfhafter Heftigkcit.

Und nun gingen sie «ieder Arm tn Arm dic
Straße hinauf.

Einige Monate nachher saßen alle Drei in der ?
Wohnstube. Dic Muttcr war so sanft gewordcn, ?
so sreundltch, seit dem Bcsuchc in dcm verschloffe- ^
nen Hause, daß sie nickt wicder zu erkennen war. '
Das Antlttz des VaterS strahlte von Zufriedenheit !
und Ruhe. Mrikc war bleich, abcr fromm und ?
frcundlich, «ie immer.

Dcr Vater laS in eiucr Zeitung. Plötzlich fiel
ihm daS Blait auS der Hand; mit einem unbe- !
schrcibltchen Ausdruck erbob cr den Blick zum Him- '
mel und faltete seine Händc zu eincm stillen, in-
nerlichen Gebct.

Dtc Muttcr ergriff hastig das Blatt und las —
aber ließ cS dann mit eincm Ausdruck gcmischter
Freude, Kummer und Scham auS dcn Händcn
fallcn.

Auch Ulrike ergriff es, laS, erblaßtc, las wieder
nnd sah auf zum Himmel.

des Philippsordens. sondern auch die „goldene
Medaillc für das Verdrenst" zu verleihcn!

Frankfurt, 22. Nov. Die Wehrriegen
der hiesigen und der Hanauer Turner haben
sich bereit erklärt, auf den ersten Ruf auszu-
ziehen. — Die heutige großc VolkSversamm-
lung beschlvß: die Herzogthümer haben mit
dem Tode des Königs von DSncmark ihre
Unabhängigkeit erlangt. Friedrich von Augusten-
burg ist berechtigter Herzog von Schleswig-
Holstein. Die fernere Ausüdung irgend einer
Regierungsgewalt in den Hcrzogthümern ist
offene Gewalt gegen einen deutschen Bruder«
stamm uud durch die Regierungen des deut-
schcn Bundes ohnc Weiteres mit Gewalt ab-
zuwehren. Die Einmischung dcs Auslandes
ist als Angriff auf deutsche Ehre und Recht
entschieden und wenn es sein muß mit Waffen-
gcwalt zurückzuweisen. Das Londoner Pro-
tocoll ist ohnc Wirkung gcgen das Recht des
deutschei; Volkes. Die Wahrung des dcutschen
Nechts und dentscher Ehrc in Schleswig-Hol-
stein ist Sacho des gesammten Volkes. Jeder
Zwicspalt muß schweigeu. Die Versaminlung
bcauftragt das Comitc einen AuSschuß zu er-
nennen und mit der Aufgabe zu betrauen, dahin
zu wirken, daß dieses deutsche Rech! durch
Volk und Regierungen thatkräftig und ernst
gewahrt werde.

Frankfurt, 23. Novbr. Heute Morgen
M/, Uhr faud hier im Englischen Hof bci dem
preußischen Generalstabsches, Generalmajvr v.
Moltke, eine militärische Conferenz statt, wel-
cher außcr dessen Adjutanten Major v. War-
kensleben, ver österreichische Generalmajor
v. RzikowSkp und ber Hauptmann Hill, dann
der hannover'sche Gencral Schultz und dcr
sächsische Major v. Brandenstein beiwohnten.

Berlin, 22. Nov. Die gemeinsame Com-
mission der beiden liberalen Fractionen hat
sich >über die schleswig-holsteinische Angelegen-
heit gceinigt. Der Wortlaut der Virchow-
schcn Resolution ist geblicben. Zu den Er-
wägungsgründen: Ungültigkeit der Verträge
von 1832 wegen dänischer Vcrgcwaltigung
unv Unbestreitbarkeit der Augustenburg'schen
Erbansprüche ist brittens hinzugefügt: dic An«
wesenheit dänischcr Truppe» in dem Bundes-
landc Hvlstein.

Berlin, 23. Nov. Gestern (Sonntag
Mittag) wurde eine Versammlung unter Vor-
sitz des Hcrrn Laffalle in außerordenllich Icb-
hafter Weise gcschlossen. Eine längere Rede
des Borsitzenden haite fehr stürmische Debat-
ten hervorgerufen, bei denen besonders der
Protest deS Aubitoriums gegen vas Verfahren
des Herrn Laffalle, „stets nur von sich zu
zu reden und nicht zur Sache zu kommen",
wiedcrholt und in hestiger Weise laut wurde.
Eben theille Herr Laffale mit, baß am Mor-
gen wegen eincr Anklage aus Hochverrath
ün Berhastungsbefehl gcgen ihn erlassen sci;
als plötzlich eine große Anzahl Schutzleuie
erschien, das Lokal besctzte und sich der Person
des Herrn Laffale in AuSführung des erwähn-
ten Verhaftsbcfehles bemächtigte. Jetzt erhob
sich ein wahrer Sturm in der Versammlung.

„Sum, sum!" sagte daS. „Sum, sum!" ,

Ste nickte stumm, trocknete ihre hervorquellcnden
Thränen und wandte dankbar den Blick zu dem '
Vater. Dte Mutter that nun auch daffelbe.

Er sah sic Beidc an, sah sie mit einem unbe-
schreiblichen Blickc an, sagte nichts, aber öffnete '
seinc Arme.

Am Blatte stand:

„Jn dicsen Tagen ist Graf B. wegen falscher ?
Wechsel gefangen gcsetzt worden."

Nun ift die Geschichte dcS kletnen HauseS aus, ?
und der Erzähler wünscht, daß jedcr Leser an die
Fliege denke, wcnn es glänzt und lockt in der
falschen Weit da draußcn, daß Jcdcr sich ein klei-
nes HauS baucn möchtc, einen Tempel der Demuth
tm eigenen Herzcn, wo cr sich einschließen kann, '
wenn der Versucher klopft. ,

(Eines großen Dichters erstes Werk.) Der
Pfarrer Lambeau bcfand sich cineS Tages zum Be-
suche aiü einem Schloffe, das rine der ausgezciche
netsten Frauen Frankreichs bewohnte. Lambeau
wolltc sich ungcwöhnlich früh cntfernen; man fragte
nach der Ursache. — „Jch muß meine Predlgt für

Eknige Anhängee des Herrn Laffalle machtcn
den vergeblichen Versuch, einc Bewegung zu
seinen Guusten hervorzurusen; dcr größere
Theil der Anwesenden gab aber seine Zustim-
mung zu der polizeilichen Maßregel ia so
energischcr Weise kund, daß fast der AuSbruch
vo» Thätlichkeiten drohte. So wurde Hcrr
Laffalle zum. Arrest gesührt und die Versamm-
lunq ging bewegt auseinander.

Wien, 22. Nov. Man fchreibt der „Frkf.
Pvstztg.": Die mehrbesprochcne Zusammen-
kunst österreichischer und teutscher Landtags-
Mitglieder wird definitiv am 6. Dezember,
und zwar in Nürnberg stattfindcn. Oesterreich
sendet die HH. Rechbauer, Brinz, Berger,
Mühlfeld, Hann, Fleckh und Groß. Von
deutscher Seite kündigt man, neben den Ab-
geordneten aus Schwaben und Sachsen, namenk-
lich das Erscheinen der HH. Häuffer und v.
Unruh an.

Wien, 23. Novbr. Die „Wiener Abend-
post" bringt einen Artikel über die schleswig-
holsteinische Frage, in welchem bemerkt wird:
Oesterreich und Prcußen könnten sich ohne
vertragsbrüchig zu werben, über die Londoner
Acte nicht hinwegsetzen; dieser Vertrag sei
allseitig abgeschlossen, und seine Kündigung
müßte nicht an Dänemark allein, sondcrn an
sämmkliche Contrahenten erfülgen. Der Artikel
sagt dann: „Die Gesammtheit der curopäi-
schen Verträge, bildet ein Gcfüge, auf dem,
möge sein Werlh auch da und dort verkannt
unb bezweifelt werden, die Rechtsordnung un-
seres Wclttheils immerhr'n beruht. Ein Stein,
auS diesem Gefüge herauSgeriffc», kann den
ganzen Bau zum Wanken bringen. Die Rcchte
der Herzvgthümer stnd in der Londoner Ueber-
einkunft nicht in Frage gestellt; ihre Aner-
kennung ist danials von allen europäischen
Mächten gleichsam erneuert worden, und es
liegi daher in dercn Jnteresse, daß die Ver-
faffungSfrage in einer Deutschlands Ehre und
Würdc und unleugbaren Berechtigung zusagen-
den Weise erledigt werde. Die Mächte sind
durch den Gcist und Bnchstaben der betreffen-
den Stipulalionen gebunden, unv es bietet sich
ihnen durchaus kein Rechlsvorwand, hindernd
dazwischcn zu trcten, falls Deulschland ge«
nölhigl wäre, sein gutes Recht zu erzwingen.
Es ist nolhwendiq, dic Versaffungsfrage von
der SucccssionSjragc getrennt zu halten. Das
unzweisclhaste Rechl fordert gebieterisch seinc
Ersüllung, das zweifelhafte mag gründliche
Untersuchung crheischen. Action und Unter-
suchung mögen zwar parallel laufcn, bürfen
aber nicht vermengt werden." Die „Äbend-
pvst" schließt iyren Artikel mit den Worten:
„Wir haben Herz und Sin» für DeutschlandS
Ehre und Größe unb sind überzeugt, Oester«
reich werde ungeachtet mancher ihm durch die
inncre und bie äußerc Lage auferlegten Rück-
sichten keine Gefahr und kein Opfer scheuen,
das Recht Deulschlands auf die Herzoglhümer
zu schützen, wünschen aber selbstverftändlich,
daß die natürlichen Schwierigkeiten der Frage
nicht durch neue größere potencirt werden,
und daß jeder entscheidende Schritt, der ge-
schieht, das Kriterium dcs vollcn RechteS für

> morgen noch anfertigen." — „Eine Predigt?" ficl
? ihm cin zwölfjährigcr Knabe in's Wort, „eine
? Predtgt? — Sagen Sie mir den Tert, und ich will
? sie für Sie schreiben." Jedcrmann lachte über diese

Aeußerung. — „Run, vcrsuchcn wir's," sagte Lam-
bxau scherzhaft, und gab dem Knaben daS Thema.

? „Jch «ill noch etnigc Stunden warten, ich werde
' mcine Predigt doch noch vollendcn könncn." — Der
Knabc machtc sich soglcich an dic Arbeit, während
° dic Gesellschaft, die Sachc als einen Schcrz neh-
mend, sich lcbhast um ihn herum unterhielt. Als
Lambeau gegen Abend aufbrechen wöllte, gab thm
der Knabc ein Papier mit den Worten: „Da ist
Zhre Prcdigt." Lächclnd nahm Lambcau das Ma-
nuscript und sagte: „Sö, nun da wollen wir doch
gleich cinen Vcrsuch mit der schöncn Rcdc machen,"

, und las dic crsten Zetlen mit pathetischcm Tonc;

> bald ward cr jedoch ernster und gleich allen Zu-
hörern von Erstaunen und Bcwunderung crgriffen;

' er konnte es nickt faffen, wic ctn zwvlfjährigcr
Knabc so tiefc Gedankcn haben könne. — Dicser
' Knabe war AlphonS Lamartine, und dre Predigt,
welche dcr Getstlichc wtrklich deS andern TageS
hiclt, sein erstes Wcrk.
 
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