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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 283-308 December
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0580
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Ueidelbergtr Ieilung.

Rk 2SK. Kreitag, 18. December -"«rxLr.WL.'^- L8S4.

* Poiitische ttmschau.

Die osficiöse „Bayer. Ztg." nimvtt aus deu
Wvrten deS ncuen Miuislcrs der answLrtigen
Angclegenheitcn in Wien: „Selbstcrniedrigung
hat noch nie beigetragen zur Erhaltnng und
Kräsligung eincs StaateS", Vcranlassung, be-
znglich des dcutjchen Bundcs zn dcmcrken: ES
geht ein Gefnhl durch die Mittclstaaten Dentsch-
lands u»d ihrc Bcdblkcrnngen, als jeien sie
bedroht in ihrer Existcnz, als jei dcr Bnnd
dem Verfalle nahe, und thcils mit Hoffnung,
thcils mit Furcht sieht iiian diesem Ereignissc
enlgcgen. Wcr die Geschichte der deutjchen
Nalion im Herzeu trägt und anf sie scine
Bcstrcbungen für die Zilkuiift baut, der wiro
nicht im Zwcifcl sein könncn, bie Erhattung
deS Bnudes zu wnnschcn, bis eine lcbensdoUcre
Gestaltung der gesainiiilen Nation möglich sein
wiib; cr wird abcr auch nicht im Zweiscl scin,
dcm Bunde unv fcincn Gliedcrn mit dcm Gra-
fen Nlensdorff znznrufcn, daß ste durch Selbst-
erniedrigung sich weder erhalten, nvch krästigen
können. — Baycrn möge nur zeigen, daß cs in
rechtcr Weijc zu handeln verstchll

Der Kladderadatsch zeigt a», daß sctn Re-
dactcur Dohm wegen der Einzugsfeier freige-
lasscn wurde. Uebrigens ist «laoderadatsch dcr
eiitjchiedenstc Gegner des ParticnlariSmus ge-
wordcn, denn, so raisonirt er, gäb es dreißig
Majestätcn in Deutschland weniger, jo gäb cs
auch dreißigmal wenigcr Gelegenheit zu Äiaje-
stätsbcleidigungcn uno er hätte um jo viel we-
niger AuSsicht, eingespcrrt zu werden.

Die „Hamburger Nachrichlen" enthalten cin
Pariser Telcgramni, wonach Spanicn cnkschlos-
sen jei, auf daS Entschiedcnfte gegcn Pcru vor-
zugehen. Der Ausstand in St. Doiningo jci
ncijcrdingS gcwachjrn. Die Nachricht von einer
Reise oes RiltcrS von Nigra nach Jtalirn sei
unbcgrnndet. Dic neuen handclspolitijchcn Ab-
machungen zwijchcn Preußcn und Frankrcich
enthiclten keine ZugcstLndnisse an Oesterrcich.

Die „Frkf. Postztg." meldet tclegraphisch,
daß das preußijch sranzösische Protocoll bczüg-
lich dcs Handelsvcrtrago von Hrn. v. Bismarck
und dem sranzösischen Botjchastcr, Hrn. Bcne-
delli, unterzcichnct wuroe. Die klcinen Wünjche
der jüddeutschcn Regicrungen seicn größtcn-
thcils crfnllt worden; bczüglich deS Art. 31
dcS Vcrtrags habe abcr Frankreich »icht nach-
gegeben.

Die Gcrichtskosten dcs Pölcn-Processes in
Berlin, einschlicßlich dcr Rcijegeldcr unc Diä-
ten snr die vernommenen Zengen, belaufen sich,

wie die „B. u. H.-Z." wissen will, jetzt schon
aus nahe an 300,000 Thlr.

Nach der „Mvrniug Poft" wird das cng>
lijche Parlament am 7. Februar 18KS zusain-
mcntrelen.

Der Czar ivollte die lürzlich ansgesundene
colossalc HcrculeSstatne nin 370,MO KrancS
kaufen. Der Eigenthümer zog eS vor, iie dem
Papste nm die Hälfte dicses Preijcs zu über-
lasjcn. Zur Belohnung scincs „Patriolismns"
erhielt cr daun noch de» Adclstitcl.

Die Mönche dcr von dcr rujjischcn Rcgie-
rung ansgehobenen polnischcn Klöster sind zum
Theil gleichzeitig dcs Landes vcrwiesen worben.
Die preußuche Regicrung soll Vorkchrungcn
getroffen haben, daß dieselbcn bci eincin eiwai-
geu Ucbertritt auf diesjeitiges Gebiet nicht
scsten Kuß fafscn und jo Gclcgenheit zu agi-
talorischcm Treibcn auf preußijchem Bvden
finden.

Der amerikanijche Staatsjccretär Seward
hat es abgetehitt, die Friedensadresse des eng-
lijchen Volkcs dcni Präsidenten zu überreichen.
Andererjeits hat dcr Congrcß der Südstaalcn
einen aus Herdeisührung dcs FriedcnS gerich-
tete» Antrag verworfen. Die Dinge sind in
Amerika s» weit gekommen, daß nnr die
Wasscn eine dcfinitivc Wjung dcs ConflictS
herbeisühren können.

Z»r Lchlesivig-Hoistciii'scheii
Eache.

Altona, 14. Dcc. Nach der „Schlesw.-
Holst. Ztg." gab die UniversitLt Kiel den Ci-
vileoiiliiufsären Oesterrcichs nnb PrenßenS die
motivirte Gejammterklärung ab, daß stc dic
provisorische Landcsrcgiernng anerkcnne, jedoch
vorbehaltlich dcs Rcchtes, sich gcgen eine An-
nexion, gegcn die Erbansprüche des Oldciibur-
gcrs und sür die Rcchtc dcs legitimen Landes-
fürsten Friedrich Vlli. frei ausznsprechcn.

Äiet, 14. Dec. Prinz Christian von Au-
gustcnbnrg, preußischer Garoerittmcistcr, Bru-
der des „Prälendentcn", erhielt cincn einjäh-
gen Urlaub.

Berlin, 14. Dec. Die „Provinzialcorre-
jpvndenz" jagt, es jei noch nichl endgiltig cnt-
jchieden, ob dcr Sitz der Rcgierung dcr Her-
zogthümcr in Kiel oder in Schlcswig aufge-
jchlagen werde. Die Anerkcnnungscrklärung
der Bcamten der Hcrzoglhümer ist noch nicht
alljeitig eingegangen; aber es ist unzwciselhaft,
daß dieselbc alsbald eingchen wird. Etwa sich
ergcbenbcSchwierigkeiten werden jcdcnsalls rasch
Beseitigung stnbcn. DaS Obcrcoinmando dcr

Herzogthümer wird seinen Sitz in Kiel nehmen.
Die weitere Erledigung der Herzogthümersrage
ijt zunächst Gcgenstand vertraulichcr Vcrhand-
lnngcn zwischen Preußcu uud Ocsterrcich. Ge-
gcnüber den Gcrüchten über eine Ablrelnng
Nord-SchleswigS bemerkt dic Provinzialcorrc-
spondcnz: Man darf überzeugt sein, daß Preu-
ßcn nicht dic Hano dazu bieken wird, die Lö-
snng dcr Herzogthümcrfrage in Fragc stellen
zu laffen, nachdcin dic Rcgieruiig diejckbc jcit
dem Schcitern der Loudoner Confcrenz auf
Grund dcr Zusamineiigchörigkeit dcr unge-
thrilten Herzogthüiner mtt Eiiisetzuug aller
Energie anslrcvte. Nnumehr wird baldigst an
cine crnstc Prüfung der mchrfach erhodencn
Erbaiijprüche gegangen werdcn. Wenn auch
nicht aiizunehmen ist, daß die prcnßiiäie Re-
gierung auf ihre cig'enen, bcrcils 1846 vcr-
öffcittlichtcn Erbanjprüchc znr Begründung ihrcr
weitcren Stcllnng zur Herzoglhümerfrage jich
bcjonderS stützen wcroe, so muß doch, injofcrn
Erbanjprüchc überhaupl iuS Gcwicht fallen,
auch für bie prenßijchen Anjprüche eine gründ-
liche Prüsung bcansprucht werden.

D e n t s ch l a n d.

* Heidelberg, 13. Dec. Jn dem Rund-
schreiben, welches Herr Rreisschulrath Leutz
an die OrtSschulrälhe des BezirkS Mannheim-
Heidelberg bei seinem Amtsanlritt erlasseu hat,
äußert derselbe u. A. solgende beherzigenswerthe
Worte:

„Das Ziel, das unsere hohe Regieruug bci
der A.enderung unserer Schulgesetzgebung ver-
solgt, ist mehrsach bei der Verküudigung deS
GesetzeS über die Aussichtsbehürden, sowie vom
hohen Oberschulrathe an die neu erwählten
Ortsschulrälhe selbst klar dargelegt worden;
wie könnte eS auch ein anderes sein, als das:
das sittliche, geislige und leibliche Wohl Ler
heranwachsenden Landesjugend nach Krästen zn
sördern, sie auf den besten und sicherstcn Wegen
zu rechschaffenen Menschen, tüchtigen Bürgern
und Gliedern der Kirche, des Slaals und der
Gemeinde heranzubilden. Den Männern, die
bisher mit Liebe und Treue unsere Schulen
beaussichtigt haben, die in unseren eigenen
Jugendjahren durch ihr mahnendes Wort,
ihPN Rath und ihre liebevolle Aufsicht Schüler
und Lehrer ersreut haben, sind wir gewiß zu
allem Dank verpflichtet und unsere Oberschul-
behörde hat dieseu Dank ausdrücklich durch <Lr-
laß vom 29. Oclober d. I. auSgesprochen. Doch
die Entwicklnng unseres Schulwesens ersorderte
eine einheitliche Leitung, ein engeres Zusammcn-

öur Charakteristik Franz Müller's.

Von etnem Mann, der durch seine Stellung und
langjährigen Aufenthalt am Geburtsorte Franz
MüUer'ö Gelegenheit gehabt hat, die Entwicklung
und den Lharakter vesselben genau kennen zu ler-
nen, erhält die „Weimar. Ztg/' folgende Mitthei-
lung, die die Leser gewiß mit Jnteresse lesen wcr-
den, zumal die Persönlichkett des Herrn Verfaffers
für die voUsländige Wahrhaftigkeit voUkommene
Bürgschaft leistet.

„Zch habe Franz Müller von frühester Kindheit
an gekannt und beobachtet, seit seinem 17. und
18. Lebensjahre ihn abcr k«um einmal wicder von
fern gesehe». Er war ein Knabe von ziemlich
hübschem Aeußcren und recht guten geistigen An-
lagen. Selne Erziehung war ebenso, wie leider die
drr meisten Mcnschen ist, ntcht nach Grundsätzen
geordnet, sondern von augenblicklichen Launen be.
herrscht. Die GemülhSart und dle Verhältnisse
seiner Eltern machten allerdings eine solche Er-
ziehung sehr verderblich. Franz wurde zuweilcn
mit Strenge, ja geradezu mit HLrte behandelt,

noch öfter aber geschah wo möglich Alles nach sei-
nem WiUen. Er blicb die meistc Zeit ganz sich
selbst überlaffen. Wenn er nur dsi ihm aufgetra-
genen Arbeiten, Holzholen oder aufbereiten, Bee-
ren suchen u. dergl. verrichtete, so fragte selten

Frühzeitig entwickelte sich in ihm eine außcr-
grwöhnliche Energte. Was er sich einmal vorge-
nommen hatte, davon lteß er sich selten abbringen,
eS mußtc rrreicht werden. Daß er aber als Mittel
dazu je „Gewalt" gebraucht habe, ist mtr nicht
bekannt; eine gcwisse Scklauheit und Ausdauer
führten thn meift zum gewünschten Ziele. Ebenso
cnlwickelt, wie die Energie, war aber letder tn
ihm auch die Neigung zum Lügen. Er redete nicht
grrn dte Wahrheit. Seine Energie war auch hierin
rrkennbar. Hatte cr irgend einen Fehler begangen,
so war nie ein Geständniß von ihm zu erhalten,
auch nicht durch die stärksten Züchtigungen. Hatte
er einmal geleugnet, so dlteb cr consequent bet
dem Leugnen. Glücklicherweise war seine Gemüths-
art durchauS nicht bösartig und schien zu der Hoff-
nung zu berechtigen, daß er sctnen festen Wtllen
noch zum Guten anwrnden werde.

Müller'S Benehmen, als er heranwuchs, war
von der Art, daß er sich bei vielen Menschcn be-
liebt machte, freundlich, gefällig, zuvorkommend.
Sein Gesicht schien auf große Gutmüthigkeit, Offen-
heit, Treuherzigkett schließen zu lassen; nur der ge-
naue Beobachtcr sah zuweilen aus seinen Augen
Blicke hervorleuchren, die ntchts weniger als Gut-
müthigkeit und Offenheit, sondcrn eher Htnterlist,
— vielleicht ist es nicht zu viel, wenn icb sage
Tücke — vcrriethen. Doch ist mir durchauö. kein
einzelner Fall bekannt, tn welchem er sich tückisch
gezeigt hätte.

Nach beendeter Lehrzeit hat Müller seineu Hei-
mathsort vcrlasscn. Auch dabei zeigte er sich ener-
gisck. Die meisten jungen Leute seines GeburtsorteS
vcrlassen denselben nur uugern, halten eS seltcn
lange tn der Fremde aus, kehren, wenn eS irgend
sein kann, immer bald in die Heimath zurück.
Das lange, schmale Thal mit seinen waldgekrönten
Bergen, seinen frischen Wiesengründen, seinem
klaren Bache, seinen zerstreuten Menschenwohnun-
gen übt eine wunderbare Gewalt über seine Ein-
geborenen aus, so daß sie, obwohl daheim alle
Arbeiten recht mühselig und beschwerllch find, doch
 
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