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Heidelberger Volksblatt (2) — 1869

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Nr. 2 - Nr. 9 (6. Januar - 30. Januar)
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Von Hilda keine Spuurr.
Ihre Munterkeit wurde immer natürlicher, unge-
zwungener.,
verſchleierte ſich ihr Auge, ſchwand die faſt fieberhafte
Röthe von den Wangen, hob ſich ihre Bruſt in ſo

Nur als ſie an dem Dom vorüber kamen,

ſchwerem Athemzuge, »daß es ein erſtickter Seufzer zu-

ſein ſchien.

Es war, als vermöge ſie den Blick nicht

abzuwenden, müſſe ſich gewaltſam zuſammenraffen, um

die Unterhaͤltung fortzuſetzen.
thiſche Bau kann allerdings, ſelbſt ohne Reminiscenzen,
die ſich an ihn knüpfen, den Blick feſſeln, mancherlei
Gedanken anregen, auch Seufzer entlocken. Sechs Jahr-
hunderte gingen vorüber, ſeitdem er Aftond. Nicht
ſpurlos. Er wurde zur halben Ruine,
Thürme. Das winzige Glockenthürmchen müßte auf
einer Dorſkirche klein erſcheinen und bildet einen auf-
fallenden Gegenſatz zu den koloſſalen Mauern, dem ge-

waltigen Dach. Wie ein Rieſendenkmal der großen
Vergangenheit ragt das alte Gebäude in die Gegen-
deren enge Beſchränkung repräſentirt

wart hinein,
wird durch die freundlichen kleinen Häuſer, welche die

überaus ſtillen Gaſſen der faſt tauſendjährigen Stadt

einfaſſen.
Aber heute waren ſie nicht öde und todt wie ſonſt,
die Straßen Schleswigs, vielmehr ungewöhnlich belebt.
Namentlich von der halberwachſenen Jugend, welche ſich
in einem Tempo bewegte, als ſei Feuer ausgebrochen
oder der Feind in Anmarſch. Auf dem Holm unten

drängten ſich die Leute und dech erblickte man auf der.

Schlei eine ganze Flotille menſchengeſüllter Boote, wäh-
rend eine Anzahl derſelben ſchon die kleine Inſel, den
Möwenberg, umgab.
„So ſpät, Herr che ſin “ rief ihm ſaſt vorwurſs-
voll ein junger Burſche, ſein Auſwärter, entgegen; er
erwartete ihn längſt mit einer Flinte nebſt Zubehör.
Raſch waffnete er. ſich mit den Jagdutenſilien.
„Deine Frau iſt ja wie ausgetauſcht; ſie wird meiner
Werbung ſicherlich nichis entgegenſetzen,“ flüſterte er

Ellſtädt zu.
„Ich finde ſie nicht

Helene hatte ſich umgeſehen.
unter der Menge!?“
„Ich auch nicht. Sie werden doch nicht etwa ſchon
voran gefahren — Die roſenfarbene Laune des
Magiſters ſchwand. Verſtimmt bemühte er ſich, die
Perſonen zu unterſcheiden, welche ſich in den Oooten
befanden.
„Sehen Sie das blaue Band dort; ob es —“
„Ja, ja, es iſt Hilda's!“ unterbrach er ſie and rief
den Fiſchernachen an, der eben im Begriff war, abzu-
ſtoßen. Die darin befindlichen ar ur ube hielten ihn
zwar für gefüllt und Helene ſogar für überfüllt, allein
der Fiſcher verſicherte: es fänden noch mehr als drei
Perſonen darin Platz.
Und die Drei fanden wirklich Platz. Als bebten
ſie vor der Berührung mit den Einſteigenden zurück,
ſo ſchnell rückten die erſten Paſſagiere zuſammen. Der
ſtattliche Herr mittlern Alters im Vordertheil wandte
ſich haſtig ab, wie um einer Erkennung vorzubeugen.
Helene vermied es, nach ihm hinzuſehen. ö

Und der mächtige go-
ſich im Boote befanden und dieſes ſchoß, trotz ſeiner

verlor beide

ö
*

blieben wir nicht lieber zu H

Ellſtädt 30g die Brauen zuſammen. „Der alte

Thomſen ſcheint Dich nicht mehr zu kennen, 5 flüſterte

er ihr zu.
Ihre Lippen zuckten in tiefem Weh.
auſe!?
„Erſt recht nichttl Ich glaube, Du beugſt Dich vor
dem hochmüthigen Volk? Kopf inzdie Höhe!“ Dabei
warf er den ſeinigen herausfordernd zurückk.
„Man to — man to!“ ſchrien die Lehrjungen, welche

„Warum

Ueberladung, ſo raſch auf die Inſel zu, daß Uleſen
nicht ohne Furcht vor einem Unfall war, zumal meh-
rere ebenſo dicht bevölkerte Fahrzeuge mit der glei-
chen Eile demſelben Ziele zuſtrebten.
(Fortſezung folgt.)

Lady Pool bei Waterloo.

Vekanntlich waren in der Schlacht bei Waterloo
die wüthenſten Angriffe der Franzöſiſchen Armee auf

das Dorf Mont⸗Saint⸗Jean gerichtet, nach welchem

auch die Franzoſen die Schlacht nennen. Hier in dem

Erdgeſchoſſe des einzigen Wirthsheuſes befand ſich wäh-
rend des ganzen Kampfes eine junge Engländerin, die

Braut eines Lfficiers im Corps des General Picton,
die ihrem Geliebte bis zu dieſem gefährlichen Punkt

gefolgt war. Unter ſtrömendem Regen, und unter dem

Donner und Blitz der Geſchütze, von Blut und Tod
von Morgens bis zum Abend umringt, ſah ſie ihre

Landsleute vor dem ſtürmenden Andrang der Fran-

zoſen mit dem Schreckensrufe: „Die Schlacht iſt ver-
loren!“ zurückweichen, ſah ſie dieſelben einige Stunden
ſpäter unter dem fürchterlichen Kanonendonner der
Feinde wieder muthig vordringen. Durch die zertrüm⸗—
merten Fenſter des Gaſthofes wurden Haufen Ver-
wundeter in das Zimmer des Erdgeſchoſſes geworfen.
Die Unglückliche, bis an die Knöchel in Blut watend,
muſterte ängſtlich die Geſichtszüge Aller. Stöhnen,
Schmerzruf umgiebt ſie erſt, dann Röcheln, dann Stille
des Todes. So bleibt ſie, bis die Sonne ſinkt und
der Sieg ſich für ihre Landsleute entſchieden hat. Da
ſpringt ein junger Officier äber Leichen in den Saal
in ihre Arme. Feſt halten ſich Braut und Bräutigam
umſchlungen im Uebermaß des ſeligſten Entzückens. Aus
dem blutigen Gemetzel hat der junge Held ſich das
Leben gerettet, a ber ach! die Geliebte hat unter den
Schreckniſſen jenes ſurchtbaren Tages — die Sprache
verloren. Die engliſchen Aerzte hofften Geneſung
von ruhigeren Tagen und beſonders von der ehelichen ö
Verbindung, die eine ſo treue Liebe krönen ſollte. Nach
beendigtem Feldzuge heirathete Lady Pool den Gelieb-
ten, Kinder umſpielten ihre Kniee, aber ihre Sprache —
war und vlieb unwiederbringlich verloren.
 
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