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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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lich, Sonntags

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Mit Familien-
tern viertel-
Ran⸗ch 2.44 60.
100. Poſtauf-
9 u. Träger-

tige Petitzeile oder
deren Raum.
Für hieſ. Geſchäft-
18 n. Privatanzeigen
bedeut. ermäßigt.
N aui
* ratis⸗Aufuahme

Tagblatt und Verkündiger der Stadt Heidelberg.

Iuſertiansgrbüähr
15. für die Iſpal-

der Inſerate in den
Placat⸗Anzeiger.

Samstag, den 24. Zuli

886

Auf die „Heidelberger Zeitung“, — Haupt-
lokal- und Kreisverkündigungsblatt
für den Kreis Heidelberg — werden für die
i. Monate Auguſt und September
. „Alen Poſtanſtalten, den Briefträgern, bei den Trägern
Wtrer Stadt, ſowie bei der Expedition, Untere Neckar-
üabe Nr. 21, Beſtellungen angenommen.
. en eintretende Abonnenten erhalten das Blatt bis
e Juli gratis.

* Politiſche Wochenſchau.
Heidelberg, 24. Juli 1886.
f keiner ſeiner Reiſen, welche Kaiſer Wilhelm in
Um n., Jahren auf demſelben Wege nach Gaſtein unter-
ian iſt er in dem Maße gefeiert worden, wie auf ſeiner
ährigen. Bayern fehlte in der Reihe der huldigenden
Wierestaaten bislang ſo gut wie ganz, aber auch der
1 dar thalt des greiſen Monarchen auf der Inſel Mainau
Doattdch wohl ſelten von ſo glänzenden patriotiſchen
uonen begleitet, wie diesmal. Beſonders inſofern
dies, als ſich für die Theilnehmer des badiſchen Landes-
erfeſtes in Konſtanz Gelegenheit bot, den oberſten
herrn in corpore zu begrüßen und ihn durch den
ud ihres Verbandspräſidenten, des Herrn General
genfeld, ihrer Treue und Anhänglichkeit zu verſichern.
was nun die Fahrt des Kaiſers durch Bayern und
durch Oeſterreich betrifft, ſo glich ſte einem Triumph-
UR, Ueberall wurden dem greiſen Herrſcher die be-
A ſhettſten Maſſenhuldigungen dargebracht. In München

e der Kaiſer vom Prinzregenten, ſämmtlichen Mit-

Air
ern des königlichen Hauſes ꝛc. empfangen und war
ürterübung eine ungemein herzliche. Aus naheliegenden
ue war das Verweilen des deutſchen Reichsober-
unn die wenigen Augenblicke des Beſuches und der Zu-

Wonalunft mit dem Prinzregenten ſchloſſen eine große
utung in ſich. Es wurde damit ein Bann gebrochen,
10 mehr als ein Jahrzehnt in Folge der Menſchenſcheu und
aſamung des verewigten Königs Ludwig die perſönlichen
ehungen der Häuſer Hohenzollern und Wittelsbach belaſtet
War auch die alte Freundſchaft zwiſchen dem Kaiſer und
Priuzen Luitpold nie gelockert, ſo iſt es doch von
em Werthe, daß auch durch äußere Zeichen die innigen
chungen der beiden Häuſer zum Ausdruck gelangen.
ehen von der Wirkung auf das Ausland, wo immer
geſchäftige Gegner und Neider auf innern Zwieſpalt
Hoffnungen ſetzen, macht die eigenthümliche Verfaſſungs-
des Deutſchen Reiches, in welchem zum erſten Male
undesſtaat von faſt lauter Monarchen gegründet
en iſt, das gute Einvernehmen der fürſtlichen Fami-
ſtt a einem nicht zu unterſchätzenden Faktor, und dies
e bei dem nach Preußen größten Einzelſtaat ganz be-
hſ 3 zu. In Summa: in der Aufnahme, welche der
2 im Bayerlande und bei der bahriſchen Königsfa-
efunden, hat der deutſche Einheitsgedanke einen gro-
Ind erhebenden Ausdruck erhalten.
a Deutſchland die führende Rolle in der europäiſchen
Aezmatie hat, ſo iſt Kiſſingen jetzt als das Hauptquar-
ö wuht letztern anzuſehen. Dort weilt zwar Fürſt Bismarck
ſt um Stärkung und Erholung zu ſuchen, aber über-

in der bayriſchen Reſidenzſtadt nur ein kurzes,

all, wo ſich der Kanzler auch befinden mag, iſt er in
Aktion, hält er Rundſchan vom diplomatiſchen Obſervatorium,
um gerüſtet und gewappnet zu ſein, wenn ſich etwa die
berüchtigten „dunklen Punkte“ am Horizont zeigen. Ge-
genwärtig liegt das diplomatiſche Schwergewicht Europas
umſomehr in Kiſſingen, als dort der öſterreichiſche Mini-
ſter Kal noly anweſend iſt, um mit dem Kanzler zu kon-
feriren. Bezüglich dieſer Zuſammenkunft iſt ſchon mehr-
fach hervorgehoben, daß ſie in erſter Linie eine Kräfti-
gung des deutſch⸗öſterreichiſchen Friedensbundes involvirt.
Welche ſonſtigen beſonderen Abmachungen noch aus ihrem
Schooße hervorgehen ſollten, iſt der Oeffentlichkeit einſtwei-
len noch vorenthalten.
Nach einer nur kurzen Seſſion wurde die bad iſche
Generalſynode geſchloſſen. In zwölf öffentlichen
Sitzungen wurde das geſammte Arbeitsmaterial bewältigt.
Das war nur möglich, weil in den Ausſchußſitzungen ſo
fleißig gearbeitet wurde und die Vorlägen hier eine ſo
gründliche und ſachkundige Vorbereitung für den Zweck der
allgemeinen Discuſſion erfuhren. Von den Vorlagen, mit
denen ſich die Generalſynode beſchäftigte, wurden nur drei
endgiltig fertiggeſtellt; ſie betrafen das Geſetz über die Dienſt-
verhältniſſe der Geiſtlichen, die Behandlung von gemiſchten
Ehen und die Einführung des neuen Geſangbuchs. Eine
große Anzahl von Beſchlüſſen wurde dem Oberkirchenrath
zur weiteren Veranlaſſung überwieſen, außerdem be-
ſchäftigte man ſich mit einer Reihe von Gegenſtänden er-
örternd und discutirend, um gewiſſermaßen nur ein
Spiegelbild der Anſichten u. Stimmungen wiederzugeben.
Die Verhandlungen nahmen im Ganzen einen ruhigen und
leidenſchaftsloſen Verlauf, nur verurſachte das Vorgehen
der Orthodoxen reſp. ihre Erklärung bezüglich der Be-
rufung des Profeſſor Wendt in die Heidelberger theolo-
giſche Fakultät einige Erregung. Selbſtverſtändlich endete
die orthodoxe Offenſive mit einer Niederlage, man ging
über die Erklärung gebührender Weiſe zur Tagesordnung
über.
In den politiſchen Kreiſen Oeſterreich⸗Ungarns
brachte der Rücktritt des Commandirenden von Ungarn,
Freiherrn v. Edelsheim⸗Gyulay, große Bewegung
hervor. Man war in Ungorn hierüber deswegen ſo em-
pfindlich, weil man in der Berabſchiedung des Comman-
direnden eine Verurtheilung ſeiner Haltung in der Ange-

legenheit des Generals Janski erblickte. Daß die maßgeben-

den militäriſchen Kreiſe dieſe damit auch ausdrücken wollten,
iſt ſicher. ‚
Die militäriſche Schauſtellung bei Ge-
legenheit des Nationalfeſtes und der
Zweikampf zwiſchen Boulanger und Lareinty nehmen Herz
und Sinn der ſenſationsdurſtigen Pariſer immer noch ge-
fangen, vor ihnen treten ſogar die den ganzen Ernſt des
Politikers herausfordernden Betrachtungen darüber, daß
binnen kurzem in den Generalrathswahlen die Be-
völkerung Frankreichs ihr Für oder Wider die Republik
auszuſprechen haben wird, ganz in den Hintergrund.
Thatſächlich wird der politiſche Schwerpunct für einige
Zeit von Paris in die Provinz verlegt werden und da
ſelbſt hier der früher ſo beliebte Köder, daß die General-
rathswahlen ſich vollſtändig außerhalb des Rahmens
der höheren Politik vollzögen, nicht mehr verfängt, ſo wer-
den ſich all die Parteikämpfe, welche in letzter Zeit die

ſchreckliche

Hauptſtadt und das Parlament bewegt haben, in der Pro-
vinz wiederholen, auch hier werden die Monarchie und die
Republik als Ringer im Wahlkampfe gegenſeitig in die
Schranken treten. Die Erſatzwahlen für die Hälfte der
Generalräthe, welche verfaſſungsmäßig alle drei Jahre ſtatt-
zufinden haben, find auf den 1. Auguſt feſtgeſetzt und ſie
werden nicht nur einen Prüfſtein dafür geben, daß ſich die
politiſche Anſicht des Landes ſeit den denkwürdigen Wah-
len vom 4. Oktober noch weiter nach rechts verſchoben
hat, ſondern ſie werden auch ein Urtheil ausſprechen über
die augenblicklich leitenden Perſonen, da fünf Mitglieder
der Regierung auf der Abgeordnetenliſte ſtehen.
Zwiſchen Italien und Frankreich iſt wegen der
Verwerfung des italieniſch⸗franzöſiſchen Schifffahrtsvertrages
durch die franzöſiſche Kammer eine arge Verſtimmung ein-
getreten. Graf Robilant hielt es für überflüſſig, den
poſthumen Entſchuldigungen der franzöſiſchen Regierung
über den unliebſamen Zwiſchenfall gegenüber ein Wort zu
verlieren. Er begnügte ſich damit, den Antrag der er-
wähnten Regierung, neue Unterhandlungen einzuleiten und
zu dieſem Behufe den beſtehenden Schifffahrtsvertrag für
weitere 6 Monate zu verlängern, zurückzuweiſen und die
weitere Forderung der franzöſiſchen Regierung, einem Ad-
ditional⸗Artikel zuzuſtimmen, in Folge deſſen Frankreich be-
treffs der Schifffahrt in den italieniſchen Gewäſſern das
Recht der meiſtbegünſtigten Staaten eingeräumt wird, mit
einem kurzen aber energiſchen Nein zu beantworten. In
franzöſiſchen Regierungskrei ſen bedauert man das Vorgehen

der Kammer ungemein und gibt ſich der Hoffnung hin, die

Sache noch zum Ausgleich zu bringen.
Der Rücktritt des engliſchen Cabinets hat ſtattgefunden.
Lord Salisbury als Haupt der Tories wird ſeinen Ein-
zug in die von Gladſtone geräumten Stellungen halten.
Ein bedeutſamer Wendepunkt im politiſchen Leben Englands
ſteht unmittelbar bevor. Es wird ein friſcher Zug in ge-
wiſſe, der Verſumpfung verfallen geweſene politiſche Un-
ternehmungen kommen, von dem man nur wünſchen mag,
daß er ſich nicht unverſehens zu einem Sturm verſtärke,
der mehr Wirrwarr als Nutzen ſtiftet.
König Milan von Serbien eröffnete mit einer
Thronrede die Skuptſchina. Daß er nicht in beſon-
ders freundlicher Weife der Bulgaren gedachte, läßt ſich
denken. Der verunglückte Spaziergang nach Sofia bietet
für die Serben eben keine angenehmen Erinnerungen.

Deutſches Reich.
Berlin, 22. Juli. Es beſteht die Abſicht die Ge-
werbeordnung betreffs der §§ 106 und 126 der erſten
Faſſung vom 21. Juni 1869 einer Abänderung inſofern
zu unterziehen, daß die jetzt durch den § 154 ausgeſchloſſene
Möglichkeit, auch die Kauf mannslehrlinge durch den
Erlaß eines Ortsſtatuts zum Beſuch einer Fortbil dungs-
ſchule anzuhalten, wieder verwirklicht werden kann. Zu
dieſem Zweck iſt ſeitens des zuſtändigen Miniſters Auskunft
verlangt worden, welche Fortbildungsſchulen für Kaufleute
überhaupt beſtehen, von wie viel Schülern ſie beſucht
werden, wie viel dieſer Schüler noch nicht 18 Jahr alt
ſind, ob der Beſuch der einzelnen Anſtalten am Schluſſe
des Halbjahres annähernd derſelbe wie zu deſſen Anfang
iſt und ob bei denſelben der zum Beſuche des Unterrichts
fehlende geſetzliche Zwang ſich ſichtbar gemacht hat, endlich



Verlorene Ehre.
Roman von W. Höffer.
(Fortſetzung.)

Epilog.
Drei Jahre ſpäter.
a Rieder brauſte der Novemberſturm und ſchüttelte von

aumen die letzten welken Blätter. An dem Fenſter
Nin uehm ausſehenden Hauſes Unter den Linden in
ſtand ein junges Mädchen, deſſen Madonnenantlitz
unen und das während der inzwiſchen verfloſſenen
Re, n ſeinem Liebrein nicht nur nichts verloren, ſondern
Wanprale Schönheit gewonnen zu haben ſchien. Vielleicht
a der hohen Stirn jetzt ein Schatten größeren Ernſtes,
te Ot war die Knospe ganz zur Blüthe entfaltet, aber
Ie dwendige Folge der verlebten Jahre hatte doch
ein kindlich⸗offenen Blick, aus ihrem gewinnenden
Aer G. Nichts zu ſtehlen vermocht — ſie waren trotz
ſlchen vere der Verhältniſſe auch heute noch dieſelben
S .

hi Iſt ein Wagen vorüberfuhr, ſah das junge Mäd

ahb auf die Straße, und wenn wieder die ſchnell
lbig ene Hoffnung zur Täuſchung geworden war, unge-
Wohnf die Uhr im Gürtel.
4 viel zu früh! Noch viel zu früh! — Erſt in
7 bud nde kann er hier ſein!
en Anna ſeufzte. Dieſer Vormittag war endlos!
dere Kopf in die Hand geſtützt, ließ ſie ſinnend die Bilder
Agangenheit langſam an ihrer Seele vorüberziehen. Sie

und Julius hatten einander nach jenem plötzlichen, beinahe

herben Abſchied in der Schützenſtraße nicht wiedergeſehen.

Es vergingen Wochen, ehe überhaupt irgend ein Lebens-
zeichen zu ihr nach Berlin gelangte, einſame, traurige Wochen,

in denen oft die Bürde bis zur Unerträglichkeit zu drücken

ſchien. Dann kam Eliſabeth's erſter, demüthig bittender
Brief und im Angeſichte dieſes unſäglich größeren Unglückes
hatte ſich Anna wiedergefunden.
Sie wurde die Freundin und Tröſterin der Einſamen;
ſie, die Beraubte war es, die der Verbrecherin aus der
Fülle ihres ſanften, liebevollen Herzens nicht nur verzieh,
ſondern die der irrenden Seele zeigte, wo auch die Ver-
laſſenſten immer eine Heimath, eine Zuflucht finden.
Sie verſchwiegen ſich Nichts, die beiden räumlich ſo
weit getrennten Frauen; ſie hatten einander liebgewonnen,
als der Tod das innige Freundſchaftsband zerriß, und nun
wieder in dem Leben des jungen Mädchens eine Lücke ent-
ſtand. Julius hatte alle Briefe geleſen, aber erſt nach
Monaten entſchloß er ſich, der Vertrauten ſeiner heim-
gegangenen Frau ſelbſt zu ſchreiben.
Es war am Beerdigungstage der geliebten Mutter, als
ihm das Herz zu ſchwer wurde und er ſie bat, die
Freundſchaft, welche früher Eliſabeth's Eigenthum ge-
weſen, jetzt auch auf ihn zu übertragen — nur die Freund-
ſchaft, weiter Nichts.
„Mama iſt todt,“ ſagte er am Schluſſe ſeines Briefes,
„ſie ſtarb ruhig und freundlich, wie ſie gelebt, bereit, das
müde Haupt zur Ruhe zu legen, nachdem ihr die arme

Eliſabeth vorangegangen war und es nun Niemand mehr

gab, der ihrer bedurfte, für den ſie ſorgen und den ſie be-

ſchützen konnte. Ihre letzten Worte enthielten für Sie,

liebe Anna, einen herzlichen Gruß!“

Er hatte ihr Alles erzählt, was zwiſchen ihm und
Eliſabeth in der Todesſtunde geſprochen worden war, und
daß er wie ſeinen theuerſten Schatz die Briefe von ihrer
Hand mit ſich hinausnehmen werde in die ungewiſſe Zu-
kunft; er hatte ſie gebeten, mit ihm fortdauernd correſpon-
diren zu wollen, und hatte ihr nicht verſchwiegen, daß er
Deutſchland zu verlaſſen gedenke.
Dann kam nach dieſem erſten Brief ein zweiter, ein
Abſchied für längere Zeit. Julius begleitete eine wiſſen-
ſchaftliche Expedition auf ihrer Tour um den Erdball, und
mehr als je war das Wiederſehen in unbeſtimmte Ferne
entrückt, mehr als je fühlte die Einſame den ganzen
Schmerz des Alleinſeins. Heute noch erinnerte ſie ſich voll
innerlichen Grauens jener Tage.
Aber ihre Briefe an den heimlich Geliebten verriethen
davon Nichts, ſie begleitete ihn geiſtig durch Länder und
Meere, ſie theilte ſeine Intereſſen, und war ihm ganz die
treue, hingebende Freundin früherer glücklicherer Stunden,
obwohl doch auch jetzt von Liebe nicht geſprochen wurde.
Zwei lange Jahre vergingen. Julius hatte aus den Wild-
niſſen Afrikas und Braſiliens ſeine Tagebücher in die
Heimath geſchickt, und ſo von jedem Erlebniß, jeder Stunde
ſogar der Freundin ſeiner Seele Kenntniß gegeben. Er er-
ſtarkte und geſundete unter dem Einfluß des Reiſens, er
gewann neuen Lebensmuth und ſchmiedete jetzt ſchon Pläne
für die Zukunft. ö
Sein Brief aus Rio ſagte ihr, daß er im Begriff
ſei, nach Hamburg unter Segel zu gehen, daß er
 
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