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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0565
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Crſhreint
täglich Sonntags
ausgenommen.

Prreis
mit Familien-
blättern viertel-
lährlich 24 60½
ausſchl. Poſtauf-
ſchlag u. Träger-
Lohn.

Heidelberger Zeitung.

Dagblatt und Verſtündiger für die Stadt Heidelberg.

Iuſerliensgebähr
15.½ für die Iſpal-

tige Petitzeile oder
deren Raum. Für
hieſ. Geſchäfts-
u. Privatanzeigen

d. Inſerate in den
Placat⸗Anzeiger.

Nr. .

Freitag, den 19. Rauemher

1886

Politiſche Umſchau.
Heidelberg, 19. November.
Gar poſſirlich iſt's zu ſehen, wie die Neue Badiſche

Landeszeitung nach einem „Karnikel“ ſucht, das die traurige

kraten gegenwärtig ſpielen.

Rolle zu verantworten hat, welche die Mannheimer Demo-
Sie ſtößt und ſtochert mit

ihrer verroſteten Lanze blindlings nach allen Richtungen der

Windroſe und ſetzt ſich mit ihren demokratiſchen Partei-
freunden auf Kriegsfuß. Sogar hat ſie es jetzt fertig ge-

bracht, auch Hrn. v. Feder aus der verdienten Ruhe auf-

zuſchrecken. Vor einigen Tagen ſagte die N. Bad. Ldsztg.
nämlich: „In Mannheim ſei niemand daran ſchuld, daß
Hr. v. Feder die Kandidatur abgelehnt habe, wohl aber
ſei der Schuldige außerhalb zu ſuchen.“ Herr v. Feder
ſendet dem Blatte darauf eine Berichtigung, in der es

u. A. heißt:

„In dem Schlußſatze der politiſchen Ueberſicht Nr. 579 der N.

.L. wird angedeutet, „daß irgend Jemand außerhalb

MNannheim die Hauptſchuld an der von mir ausgeſprochenen

Ablehnung der Reichstagskandidatur in dem Wahlkreiſe Mann-
deim⸗Weinheim⸗Schwetzingen trage.“ Jene Schlußbemerkung in
Nr. 579 beruht aber auf einer ſo vollkommenen Verkennung meiner
Verſon und meines Charakters, und droht beide in den Augen

daß ich nothgedrungen mein Schweigen unterbrechen muß. Die
Gründe der von mir ausgeſprochenen Ablehnung der Reichstags-
„andidatur liegen, wie ich wiederhole, lediglich in mir ſelbſt,
und ich kenne keine Perſönlichkeit weder inuerhalb noch außerhalb
NMannheims, welche einen maßgebenden Einfluß auf das, was ich
thue oder nicht thue, beſäße, oder es verfucht hätte, einen ſolchen
leltend zu machen.“
Alſo ſo weit hat es die „Tonangebende“ gebracht, daß

ſich ihre Freunde gegen Charakterverdächtigung verwahren
müſſen. Geradezu kindiſch iſt dazu noch, wie ſich die
N. B. L. jetzt herauszureden ſucht. Sie erklärt, daß ſie

unter der Bezeichnung „irgend Jemand“ keine Perſon, ſon-
ern „nackte Thatſachen“ gemeint habe.
„Die kritiſche Beleuchtung der Kalnoky'ſchen Orient-
litik, welche der frühere öſterreichiſch⸗ungariſche Miniſter
5 Auswärtigen, Graf Andraſſy, in der ungariſchen
Delegation gab, hat ziemliches Aufſehen erregt. Na-
mentlich concentrirt ſich das Intereſſe auf ſeine Ausfüh-
ungen über das deutſch⸗öſterreichiſche Bündniß. Graf
Andraſſy iſt der einzige Mann in der ungariſchen Delega-
ion, der in der Lage iſt, über dieſes die Grundlage der
8swärtigen Politik Oeſterreichs wie Deutſchlands bildende

dingungen betrifft, da er es ſelbſt hat mit ſchaffen helfen.
kunter dieſen Umſtänden den Grafen Andraſſy an der Spitze
der Kritiker des Grafen Kalnoky zu ſehen, genügt, um ſeinen
Auslaſſungen und ſeinem Urtheil eine hohe Bedeutung bei-
zulegen. Andraſſy hat ſich mit dem von Tisza aufge-
giellten und von Kalnoky ausdrücklich ratificirten Programm
zer Orientpolitik Oeſterreich⸗Ungarns einverſtanden erklärt,
wabei aber unzweideutig zu erkennen gegeben, daß er mit
ger bisherigen Methode, dieſes Programm zur Ausfüh-
ung zu bringen, nicht einverſtanden ſei Den Stützpunkt
3 ür dieſe Unzufriedenheit ſucht Andraſſy in einer unge-
ügenden, unrichtigen Ausnutzung des deutſch⸗öſterrei-
ggiſchen Bündniſſes, oder vielmehr in einer Verſchie-
ung des Verhältniſſes zwiſchen Deutſchland und
Deſterreich⸗Ungarn durch den Hinzutritt Rußlands.
as Schweigen Kalnokys über die Bemerkungen Andraſſys
dem deutſch⸗öſterreichiſchen Bündniſſe bildete neben der
ede des letzteren die auffälligſte Thatſache in jener Sitzung

des zeitungleſenden Publikums in ein ſo ſchiefes Licht zu ſtellen,

ndniß genau unterrichtet zu ſein, was die Ziele und Be-

Bert, große Sorge.

des Delegationsausſchuſſes, und es kann nicht ausbleiben,
daß nach den Gründen desſelben geforſcht und die Frage
aufgeworfen wird: Iſt thatſächlich der Inhalt des dentſch-
öſterreichiſchen Bündniſſes von 1879 ein anderer geworden?
Graf Andraſſy bejaht dieſe Frage und wälzt die Schuld
für dieſe Veränderung und alle ihre Konſequenzen auf Kal-
noky, um ſich dann doch mit ſich ſelbſt in Widerſpruch zu
ſetzen, indem er ſich mit der Politik des jetzigen Miniſters
einverſtanden erklärt und, obſchon der Miniſter nicht mit
einer Silbe ſeine Behauptungen geſtreift hat, zugeſteht, daß
„alle ſeine Skrupel zerſtreut“ ſeien. Dieſer Widerſpruch in
der Haltung des Grafen Andraſſy iſt ein augenſcheinlicher
und ſchwerwiegender; er benimnit der Kritik des früheren
Miniſters den allerweſentlichſten Theil ihrer Schärfe.
Dem franzöſiſchen Miniſterpräſidenten Frey-
cinet macht zur Zeit die Gewinnung eines Nachfolgers
für den verſtorbenen Generalreſidenten von Tonkin, Paul
Nach allen Richtungen wirft er die
mit Lockſpeiſe wohlverſehene Angel aus, aber Niemand
beißt an. Den Gegnern der Tonkinpolitik, insbeſondere
den Radikalen, iſt dies Dilemma der Regierung ein will-
kommener Anlaß, ihren Spott zu üben. So ſchreibt der
ſatiriſche Rochefort in ſeinem Blatte über die Verlegen-
heit Freycinets: „Geſtern nahm Herr Taylor eine Perſon
feſt, auf die ſeit geraumer Zeit wegen dreier Mordthaten,
acht Schändungen und fünfzehn Fälle von Mißbrauch des
Vertrauens gefahndet wurde. Das Fallbeil war für einen
ſolchen Schuft zu mild; ſein Prozeß würde überdies zu
lange gedauert haben. Mit einem ſo gefährlichen Men-
ſchen mußte ſofort aufgeräumt werden. „Machen Sie ſich
reiſefertig!“ rief ihm ſtreng das Haupt der Polizei zu,
„Sie ſind zum Generalreſidenten in Tonkin ernannt.“ Der
Verurtheilte krümmte ſich zu Füßen der Behörden und bat
um Schonung: „Man ſtelle mich vor die Geſchworenen!“
rief er. „Sollte ich die Todesſtrafe ſchnappen, ſo wird
mich Herr Grevy wahrſcheinlich begnadigen, aber die Cho-
lera begnadigt nicht!“ So ſchuldig er war, dieſer Ver-
brecher hatte recht. Der Beweis, daß Tonkin unbewohn-
bar iſt, wird dadurch erbracht, daß Niemand hingehen will,
um dort zu wohnen.“ Warum wird dem allezeit reiſe-
luſtigen Paul Déroulsde die Würde eines Generalreſiden-
ten in Tonkin nicht angeboten? Wahrlich, dort hätte der
Herr Gelegenheit, ſeinen vorgeblich ſo heiß⸗ und weiß-
glühenden Patriotismus zu bethätigen.
Ueber die Grundlage des preußiſch⸗päpſtlichen
Abkommens meldet die Wiener Neue Freie Preſſe aus
Rom: „Die Verhandlungen zwiſchen Preußen und dem
Vatican ſind mit Bezug auf die Anzeigepflicht beinahe ab-
geſchloſſen. Die für jeden Pfarrer insbeſondere zu er-
füllende Anzeigepflicht wird von dem Vatican nicht allein
für die Dekanatspfarrer, ſondern für alle und auch für
jene Succurſalpfarrer des linken Rheinufers zugeſtanden,
wo bis zur Veröffentlichung der Maigeſetze das aus den
Napoleoniſchen Zeiten überkommene franzöſiſche Recht fort-
dauert. Preußen wird ſeinerſeits das Einſpruchsrecht gegen
biſchöfliche Ernennungen nur auf jene Fälle beſchränken, in
denen der Candidat ſich politiſcher Umtriebe gegen
den Staat ſchuldig gemacht hat. Dieſe zwei Punkte find
geregelt. Die Schlichtung zwiſchen den Oberpräſidenten
und den Biſchöfen entſtehender Streitigkeiten iſt der höhern
Inſtanz überlaſſen. Dieſe wird entweder aus dem preußi-
ſchen Cultusminiſter und dem Münchener Nuntius oder

aus dem Biſchof der nächſten Diöceſe und einem höheren
Richter beſtehen. Letztere Form ſcheint von Preußen vor-
gezogen zu werden. Bezüglich der geiſtlichen Orden iſt
noch alles in der Schwebe. Der Schluß der Verhand-
lungen erſolgt wahrſcheinlich Ende November.“ Die Mel-
dung iſt aus innern Gründen glaubwürdig, bemerkt hierzu
die Köln. Ztg., wenn auch in dieſer beſtimmten Form
wohl noch etwas verfrüht.

Deutſches Reich.
Karlsruhe, 18. Novbr. (Amtlich.) Se. Kgl. Hoheit
der Großherzog haben den Oberförſter Richard Wänker
von Dankenſchweil in Donaueſchingen zum Kammer-
junker ernannt.
Karlsruhe, 18. Novbr. Der Staatsanzeiger für das
Großherzogthum Baden Nr. 40 vom heutigen Tage enthält:
a) Unmittelbare Allerhöchſte Entſchließungen Sr.
Königl. Hoheit des Großherzogs, Ordensverleihungen,
Erlaubniß zur Annahme fremder Orden und Ehrenzeichen, Dienſt-
nachrichten betreffend; b) Nachrichten über das Poſt-
und Telegraphenweſen; „. Verfügungen und Be-
kanntmaͤchungen der Staatsbehörden, und zwar: des
Miniſteriums der Juſtiz, des Kultus und Unterrichts über die
Anſtellung der Notare, die Gerichtsſchreiberprüfung für das Jahr

1886, die Wahl eines Dekans für die Diözeſe Neckarbiſchofsheim:

des Miniſteriums des Innern betreffend die Tabellen über die
Ortsentfernungen im Großherzogthum Baden, die Beſetzung der
Schiedsgerichte in Unfallverſicherungsſachen und die ſtaatsärztliche
Prüfung; d. die Anzeige einer Dieuſterledigung. Der
Notariatsdiſtrikt Neunkirchen wird dem Referendär Dr. Karl
Edmund Bolze in Ladenburg unter Ernennung deſſelben zum
Notar übertragen. — Referendär Hubert Feederle iſt beim Land-
gericht Freiburg als Rechtsanwalt zugelaſſen. — Aus der Ernſt
Maler'ſchen Familien⸗Stipendienſtiftung iſt ein Stipendium
mit jährlich w150 % zu vergeben. Zur Bewerbung berechtigt ſind
Diejenigen, welche den Namen „Maler“ führen und von Peter
Maler, ehemaligem Bürgermeiſter in Pforzheim, abſtammen, im
Großherzogthum Baden die Heimath haben, eine Univerſität be-
ſuchen, ſei es im Inlaud oder Ausland, und der evangeliſchen
Religion angehören. — Von der evangeliſchen Diöceſanſynode
Neckarbiſchofsheim wurde Stadtpfarrer Gräbener in Neckar-
biſchofsheim zum Dekan der Diözeſe auf weitere ſechs Jahre
gewählt und die Wahl von dem Evangeliſchen Oberkirchenrath
beſtätigt. — Die Gemeinde Münſterthal, Bezirksamt Ettenheim,
hat künftig den Namen „Ettenheimmünſter“ zu führen.
Berlin, 17. Nov. Die Schulfrage für Kamerun,
welche wegen der an die Lehrer ergangenen Aufforderung
zur Meldung die Zeitungen öfter beſchäftigte, iſt, wie die
Krzzig. mittheilt, nunmehr ſoweit erledigt, daß am Montag
der württembergiſche Lehrer Chriſtaller, nachdem er vom
Auswärtigen Amte dafür angenommen war, mit einem
Woermann⸗Dampfer dahin⸗ abgereist iſt. Die Einrich-
tung einer Schule zu Kamerun iſt an ſich nichts Neues;
es beſtand ſchon eine ſolche zur Zeit, als die engliſche
Baptiſtenmiſſion ſich noch auf der Anhöhe über den Facto-
reien befand. Die Schule wurde (nach Zöller) von einer
Lehrerin geleitet. Seit dem Kampfe der Deutſchen gegen
die Dualla am 20. Dezember 1884 hatten die engliſchen
Baptiſten bekanntlich Kamerun verlaſſen und ihre Schule.
ging damit ein. — Prinz Ludwig von Bayern kehrt
heute Abend nach München zurück.
München, 18. Novbr. Die deut ſche Kronprin-
zeſſin iſt heute Abend um 5⅛ Uhr nach Berlin abge-
reiſt. Am Bahnhof waren der Prinzregent Luitpold und
Prinz Arnulf in der Uniform ihrer prenßiſchen Regimenter

und mit der Kette des Schwarzen Adlerordens geſchmückt,

anweſend.
Stuttgart, 18. Nov. Wie das Neue Tagblatt heute
——:

Seemannsblut.
Aus Briefen und Mittheilungen eines jungen Seemanns.
Von Balduin Möllhauſen.
(Fortſetzung.)
„Billy Raily,“ antwortete ich, „ein guter Rath iſt
ar immer dankenswerth, allein in dieſem Falle möchte
mir doch erlauben“ — der alte Burſche war nämlich
tzückt über jede an ihn gerichtete höfliche Redeform ́ —
ezu fragen, was Dich zu demſelben veranlaßt.“
. „Maat,“ hieß es ſehr herablaſſend auf die Höflichkeit
rück, lug mal hier an der Schiffswand vorbei gegen
üden; was bemerkſt Du da.“
4. „Nun, Billy Raily, weiter nichts Beſonderes, als das
uchtende Kielwaſſer..
„Jetzt, Dick, richte Deine Vortoplichter gegen Südoſten,
as machſt Du da aus?“
„Eine Schule Delphine — bei Gott, Billy, ſieh doch,
ie ſie ſpringen. Es müſſen fixe Burſchen ſein, die ſo
el Feuer aufwühlen.“
0 „Richtig, Dick. Die Geſellſchaft zieht hinter uns vor-
Wer, und was macht ſie da?“
„Ich denke, ſie ſchwimmt aus Leibeskräften.
„Unſinn, Dick, ich meine, was ſie macht, wenn ſie unſer
lelwaſſer kreuzt?“ „
iß'Sie ſchickt uns vielleicht einen Gruß zu,“ antwortete
0 ſcherzhaft.
C. Unſinn, Dick. Du kannſt leſen und ſchreiben, wie'n
Safffstaplan, und da hätte ich vrauf geſchworen, Ou
Wüßteſt es. Doch ich will Dir's ſagen: Ein Kreuz macht

ſie, und wenn Du ein paar Ellen in die Wanten hinauf-
ſpringſt, kannſt Du's deutlich erkennen. Das Kielwaſſer
der Tummler und das der Mary bilden ein Kreuz ſo
reg'lär, wie nur je eins über 'nem Altar aufgehißt wurde.
Wo das aber geſchieht, da muß von demſelben Schiff ein
Jan Maat heran. Das iſt ein ſicheres Zeichen. Hab's oft
genug erlebt; und wenn ich das Zeichen ſah, ging's mir
lange nachher im Kopf herum, und vorſichtig war ich, wie'n
Pilotfiſch, bis der Zauber gelöſt war.“
„Das heißt, Billy Raily, bis einer über Bord ge-
gangen ?“
„Korrekt, Dick, bis Einer über Bord gegangen war auf
die eine oder die andere Art, gleichviel, ob in 'nen Fetzen
Bramtuch eingenäht und mit 'nem Vaterunſer, oder jählings.
Du verſtehſt jetzt, was ich mit dem feſt Anpacken meine.“
„Das verſtehe ich allerdings, und ich danke Dir noch
einmal für den guten Willen, ſoll ich aber die Wahr-
heit eingeſtehen, ſo erſcheint mir ſolcher Glaube etwas
wunderlich.“
„Wirſt's nicht lange mehr wunderlich finden, Dick.
Einer von unſerm Krew muß über Bord, und da ſollt's
mir leid thun, träf's Dich. Gilt's mir, ſo iſt's kein Un-
glück; einmal muß es ohnehin kommen, und etwas Beſſeres
erwarte ich nicht. Verdammt! In der Erde von häß-
lichem Gewürm gefreſſen zu werden, iſt kein korrekter Ge-
danke, Dick, dagegen tief unten in 'nem Korallenhain zu
ſchlafen und eingeſalzen, wie man iſt, nach tauſend Jahren
noch mit geſunden Gliedermaßen dazuliegen — fteilich,
das Auge gibt mir Keiner zurück — das iſt 'ne comfor-
table Ausſicht. Nebenbei wäre an mir nichts gelegen —

gehe ſtark auf die Sechzig los — allein ſolch' junges
Blut, wie Du — bei Gott, 's wär ſchade d'rum. Magſt
noch Eltern haben und Geſchwiſter, die um Dich ſorgen,
wohl gar 'nen Schatz, trotz Deiner neunzehn Jahre; wo-
gegen ich, brächten ſie mich eines Tages in's Spital, nicht
mehr ſoviel beſäße, um die Raubluſt einer Aufwartehexe
anzuregen, was freilich noch 'n Troſt wäre. Alſo, Dick,
folge meinem Rath und halte feſt, was Du einmal anpackſt.“
Da ich merkte, daß mein Zweifeln den alten Theer ver-
droß, antwortete ich zuvorkommend:
„Liegt die Sache ſo, dann muß allerdings etwas daran
ſein. Es wäre ja undenkbar, daß ein Salzwaſſermann in
Deinen Jahren und mit Deinen Erfahrungen ſich in ſol-
chen Dingen irrte.“
„Korrekt gedacht, Dick,“ hieß es ſelbſtzufrieden zurück,
„es gibt Nüſſe zwiſchen Himmel und Waſſer, an welchen
alle lateiniſchen Gelehrten ſich die letzten Zahnſtumpfen aus-
knacken würden, bevor man herausſpeilte, daß nicht alle
Stunden gleich ſind. In Dir aber ſteckt richtiges Blut,
und iſt Dein Alter nicht Seemann geworden, ſo hat er
'nen Mißgriff gemacht. Denn im Grunde gehören alle
vernünftigen Menſchen auf's Waſſer, und wären ſie d'rauf,
hätte die Sündfluth ſich nicht zu früh verlaufen.“
Billy Raily erſchien mir mittheilſamer, als gewöhnlich.
Dies und ſein unzweideutiges Wohlwollen für mich berück-
ſichtigend, entſchloß ich mich daher ſchnell zu der Frage, bei
welcher Gelegenheit er ſein Auge verloren habe. Er ant-
wortete nicht, ſondern klopfte die Aſche aus ſeiner Pfeife.
Bevor er in ſeine Taſche griff, reichte ich ihm meinen
Tabaksbeutel. (Fartf. folgt.)
 
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