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Heidelberger Zeitung — 1887 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.70374#0709
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HagölatL und Merkündiger für die Stadt Keidelöerg

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d. Inserate in den
Placat-Anzeiger.

sHMbcrgtr Zeitung
Lohn.

Sir. 215

Miltwoch, -en 14. September

1887

* Politische Umschau.
Heidelberg, 14. September.
Endlich hat man in Rußland auch ein Wort der
Anerkennung für die freundnachbarliche und friedfertige
Politik Deutschlands. Der bekannte Disput der Nordd.
Allgem. Ztg. und der Köln. Ztg. über die Stellung Deutsch-
lands zu Rußland in der bulgarischen Frage giebt dem
offiziösen Journal de St. Petersburg Veranlassung, ein
solches auszusprechen. Das Petersburger amtliche Blatt
nimmt mit Befriedigung von den freimüthigen Erklärungen
der Nordd. Allgem. Ztg. Akt und meint: „Daraus, daß
bei einer so wichtigen Frage sich zwei Mächte, deren Politik
nicht von einem Tage zum andern lebt, in ihren Urtheilen
Und Handlungen begegnen, folgt weder, daß die eine Macht
der Hülfe der andern mißtrauen muß, noch daß letztere sich
im Schlepptau der ersten befindet. Was würde aus dem
Frieden in der Welt werden, wenn dieses Mißtrauen das
höchste und alleinige Gesetz jeglicher Politik wäre?" Die
Bemühungen des Deutschen Kanzlers, die deutsch-russischen
Beziehungen im Interesse des europäischen Friedens wieder
M die alten Bahnen zu leiten, scheinen nach dieser Stim-
Mungsäußerung also nicht ganz aussichtslose zu sein.
Ferdinand der Kühne hat an einen Pariser Freund
ein Schreiben gerichtet, welches der „Figaro" als politi-
sches Manifest veröffentlicht. Daraus geht zunächst her-
vor, daß Fürst Ferdinand gar nicht daran denkt, Bulgarien
zu verlassen. Er sieht nicht ein, wieso er Recht und Ver-
träge verletzt haben solle, betrachtet vielmehr seine Fürsten-
schaft als eine göttliche Aufgabe. Zum Schluß heißt es:
Nach den Umwälzungen und dem Kriege braucht Bulgarien
vor allem Ruhe und den Frieden. Warum sollte ich nicht
der Souverän sein, der ihm diese Wohlthaten sicherte? Ich
i begreife in Wahrheit nicht, welches Interesse die Mächte
daran haben können, die Handlung zu verhindern, die ich
so glücklich wäre, in diesem Lande durchzuführen. Ein
klug verwaltetes Bulgarien, das sich lediglich mit seiner
inneren Reorganisation, der Entwicklung seiner natürlichen
Reichthümer beschäftigt, daS ist die Ruhe im Orient und
das einzige Heilmittel gegen die unausgesetzten Wühlereien,
die auf dieser Seite den europäischen Frieden bedrohen. So
erblicke ich die Zukunft für das gute Volk, das mich er-
wählt hat. Möge Gott dieses Programm segnen und mich
in der schwierigen Aufgabe unterstützen, der ich mich hin-
gegeben. Ich werde ihr alle meine Aufmerksamkeit, meine
ganze Thätigkeit und Hingebung widmen. Wie auch die
Zukunft sich gestalten mag, ich werde meine Pflicht erfüllt
und die alte Devise: »ItHis oo yus äois, aävwniw gus
pourrul" zu der meinigen gemacht haben.

Staat hat der römische» Kirche die erweiterte» Rechte nicht un-
entgeltlich eingeräumt; wogegen das Verhalten des erzbischöfliche»
Stuhles den badischen Staat als solchen durchaus nicht zu über-
eilte» Coucessione» zu bewegen Veranlassung bietet. Die Zu-
kunft wird er st zeigen, ob Preußen, das was es vom
Papst erreicht hat, nicht vielleicht doch zu theuer be-
zahlt hat. Auf zwei, drei Jahre kommt es ja bei solch' hoch-
wichtigen Fragen nicht an. Baden ist bisher vielfach in der Ge-
setzgebung Bahn brechend vorgegangen; warte es jetzt die Erfolge
in Preußen ab. Es kann dies um so mehr, als diese zuwartende
Stellung in keiner Weise mit Benachtheiligung des religiösen
Lebens seiner katholischen Bevölkerung verbunden ist; denn es
handelt sich nicht um religiöse, sondern um kirchenpolitische Fragen.

Dann kommt ein kerniger Schlußsatz, welcher lautet:
„Vormarsch auf allen Linien" lautet das Feldgeschrei
im römisch-katholischen Heerlager und hallt aus dem Wahlaufruf
der katholischen Volkspartei wieder. Als letztes Ziel für diese
kühne Vorwärtsbewegung schwebt ihren thatkräftigen und aus-
dauernden Führern kein anderes vor, als die vollständige Wieder-
eroberung Deutschlands bis hinan auf den kaiserlichen Thron.
In diesem neuen Kulturkampf können nach meinem Dafürhalten
konservative und evangelische Männer nur dort stehen, wo es gilt
den deutschen Staat, wie er aus den Kämpfen der Reformation
hervorgegangen ist, zu vertheidigen gegen die überspannten An-
forderungen der römischen Kirche, so gern sie im übrigen im kon-
fessionellen Frieden mit den katholischen Mitbürgern leben möchten.
Der moderne Kulturkampf ringt um keine reli-
giösen, um keine geistlichen Güter, er i st eineMacht-
frage zwischen der deutschen Staatsidee und den
Gelüsten der römischen Priesterherrschaft; wir wollen
aber Weltliches und Geistliches nicht vermengen. Von meinem
evangelischen, von meinem deutschen und konservativen Stand-
punkte aus muß ich deshalb den Wahlaufruf der katholischen
Volksprrtei in seiner kirchenpolitischeu Unterlage und in seinen
sachlichen Forderungen als eine den konfessionellen Frieden unseres
Landes bedrohende Verirrung beklagen.
* Heidelberg, 14. Septbr. Herr Dekan Förderer
meint in seinem Lahrer Anzeiger in Bezug auf die
Forderung des Pfälzer und Badischen Boten, daß die ba-
dische Verfassung abgeschafft werden müsse: „Für dieses
dumm-dreiste Geschreibsel sei die ultramontane Partei nicht
verantwortlich zu machen." Demgegenüber ist darauf hin-
zuweisen, daß dgs Hanvtorgan der ultramontanen Partei,
der Badische Beobachter, dieses dumm-dreiste Geschreibsel
unter seinen besondere Schutz genommen hat.
Berlin, 13. Septbr. Fürst Bismarck ist Nach-
mittags 5'/§ Uhr mit der Fürstin nach Friedrichsruh ab-
gereist.
Der Pariser Correspondent des Londoner „Standard"
meldet, der Czar hätte den Wunsch ausgedrückt, den

Kaiser Wilhelm noch einmal zu sehen; sollte letzterer
nach Stettin reisen, so werde der Czar ihn dort höchst
wahrscheinlich besuchen.
Der preußische Gesandte beim Vatikan, Wirklicher Ge-

heimrath v. Schlözer, hat heute Vormittag Berlin ver-

Deutsches Reich.
* Heidelberg, 14. Sept. Der Wahlaufruf der
katholischen Volkspartei wird von dem der con-
fer vativen Partei angehörigen Freih. E. A. v. Göler,
Mitglied des deutschen Reichstages und der badischen ersten
Kammer, einer eingehenden kritischen Beleuchtung unter-
zogen. Die sehr beachtenswerthen Ausführungen des con-
servattven Parteimanns, welche in einem besonder» Bei-
öltllt del LtUldpöft rnovkon n-»knitorr in
Weise gegen die Ull^
die Verhältnisse in
den badischen sagt
Die Lage Preußen
diesem Jahre ist ein

lassen, um auf seinen Posten zurückzukehren.
Das Offiziercorps des zu Cassel garnisonirendcn 2.
Hessischen Husarenregiments Nr. 14 hat von dem Chef des
Regiments, Herzog von Aosta, ein prachtvolles Trinkservice
'»zum Geschenk erhalten. Dasselbe besitzt einen Werth von
15 000 Frcs.
Am hiesigen Hofe sind mit aufrichtiger Freude die Be-
richte verfolgt worden, die hier über das große Interesse
eingelaufen sind, das der Prinz Ludwig von Baiern
bei seiner Theilnahme an den diesjährigen Seemanövern
sder Entwicklung der kaiserlichen Marine entgegengebracht
hat. Der bairische Thronfolger hat es verstanden, sich rasch
die Sympathieen unserer Marinekreise zu erwerben.
Am 23. September feiert Fürst Bismarck sein 25-
jähriges Jubiläum als Staatsminister. Nach

123) DMDv
Ein Original-Roman
Trotz aller Vors - o
nicht, irgend eine St-
einern glücklichen Er
Zeit viel zu wenig r
und dieser hatte Zeit
überlegen und die
Es lag ihm für den t_S
näher, nämlich die lt,
Buchmann erhobene
angezeigt, und wenn^—
an diesem Tage nick t.
mußte er von Buchr t <o
ten, wenn er am ft^
nicht zahlte. S-
Der einzige Wes t_ll?
bis dahin zu erlange
wandte. Dieser kon
dem Vorgefallenen
einem Vorwande,
es ihm bei ernstliches
gen baute er sicher, t""
Der Abend war
Hause zurückkehrte.
nur den Buchführer t
denn erst jetzt kam er-
weisen.
Er nahm das Et,
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— o

I setzte sich damit an einen Schreibtisch. Anfangs blätterte
Der darin unregelmäßig umher, es fehlte ihm an der er-
W forderlichen Ruhe, aber bald wurde seine Aufmerksamkeit
W nur zu sehr gefesselt. Er sah die bedeutenden Wechsel,
D welche Kleuser ausgestellt hatte, offenbar schon von vorn-
W herein in der Absicht, welche er jetzt auSgeführt hatte.
WEs standen da bedeutende Waarenposten, welche noch nicht
W bezahlt und zum Theil sogar zu einem geringeren, als dem
D Einkaufspreise, wieder verkauft worden waren. Sie waren
»verschleudert, nur um Geld zu machen. Und wo war all'
Ivies Geld geblieben? Wo war es?
Es standen zwar vielfache Verluste in Papieren und
D Börsengeschäften ausgezeichnet, konnte er aber diesen Angaben
I trauen? Waren sie wahr? War nicht vielleicht ein großer
D Theil derselben fälschlich niedergeschrieben, um Summen zu
« verdecken, welche Kleuser bereits vor Monaten und Wochen
veruntreut und heimlich in Sicherheit gebracht hatte! Er

WZ s. rante ihm jetzt eine solche Thal zu, denn er halte ja noch
:ine scblimmere vollbracht.
ö Auf Damken's Gesicht wechselte die Nöthe des hestig-
sien Unwillens mit der Blässe des Schreckens. Mehr und
mehr vertiefte er sich in das für ihn verhängnißvolle Buch,
mehr und mehr sah er die Hoffnung auf mögliche Rettung
schwinden und dennoch saß er regungslos da und seine
Augen irrten mit wilder Leidenschaftlichkeit zwischen den
Zahlen.
Es war spät geworden. — Lange Zeit hatte der Buch-
halter unruhig und ungeduldig gewartet, bis sein Herr die
Durchsicht des Geheimbuches vollendet habe. Ec war in
)em anstoßenden Nebenzimmer auf- und abgegangen, hatte
vurch die Glasthüre des kleinen Zimmers geblickt, und da


altem Gebrauche werden im preußischen Staatsdienste
25jährige Dienstjubiläen amtlich nicht gefeiert. Immerhin
aber gehe, wie die Kölnische Zeitung schreibt, aus zahl-
reichen ihr bekannt gewordenen Vorbereitungen hervor, daß
in weiten Kreisen des deutschen Volkes dieser für die Ent-
wicklung der deutschen Geschicke hochbedeutungsvolle Tag in
würdiger Weise gefeiert werden wird. Auch das preußische
Staatsministerium als solches wird sich an der Feier die-
ses Tages in besonderer Weise bethätigen.
Gegenüber einer Behauptung, die Wind thorst auf
dem Katholikentag in Trier aufgestellt hat, als ob erst
durch das Gesetz vom 11. März 1872 die Schulauf-
sicht auf den Staat übergegangen, erinnern die Berliner
Pol. Nachr. an die W 1 und 9 des zwölften Titels des
zweiten Theils des allgemeinen Landrechts, welcher
alle öffentlichen Schulen der Aufsicht des Staates unter-
stellt, und an andere ältere und neue Gesetze, wie die
preußische Schulordnung von 1845. Durch das Schulauf-
sichtsgesetz von 1872 sei nur der organische Zusammenhang
der Schule mit dem geistlichen Amte gelöst. Der Kampf
gegen dieses Gesetz greife also einen der Fundamental-
sätze des preußischen Schulrechts an. Man werde sich
diese Thatsache gewärtig halten müssen, um die Tragweite
des von Windthorst angekündigten Kampfes in vollem Um-
fange würdigen zu können.
Stettin, 13. Septbr. Die heutige Parade nahm den
besten Verlauf. Kaiser Wilhelm erschien Punkt 11
Uhr und nahm zwei Vorbeimärsche ab. Während des
ersten Vorbeimarsches, der eine Stunde und 35 Minuten
dauerte, stand der Kaiser ohne Unterbrechung im Wagen,
während des zweiten ebenfalls sehr lange; als die Königin-
Kürassiere anrückien, stieg der Kaiser aus dem Wagen und
trat salutirend an die Kaiserin heran. Prinz Wilhelm
führte das 2., Graf Moltke das 9. Regiment. Der Kaiser
besichtigte die Kriegervereine, die 10 000 Mann hoch er-
schienen waren. Um 1 Uhr 40 Minuten erfolgte dann die
Rückfahrt ohne Unfall. Das militärische Schauspiel hatte
zahllose Zuschauer herbeigezogen.
München, 13. Sept. Bayerns Nntheilnahme an dem
Branntweinsteucrgesetz ist in das Donnerstag der
Kammer vorzulegende Budget schon eingestellt. Der Ge-
setzentwurf über den Anschluß Bayerns enthält nur einen
Artikel. Die Centrumsfraktion hat morgen eine Vorbe-
sprechung. Die Kammer wäre schon morgen beschlußfähig,
die erste Sitzung findet aber erst Donnerstag statt.
Stuttgart, 13. Sept. Heute begannen in der Kammer
die Berathungen über die Branntweinsteuer-Vorlage. Nach-
dem der Berichterstatter den Antrag auf Eintritt in die
Steucrgemeinschaft begründet hatte, wurde die Sitzung ver-
tagt, damit den Fraktionen Gelegenheit gegeben ist zu Vor-
besprechungen für die morgen im Plenum fortzusetzenden
Berathungen. Morgen dürfte ein Beschluß gefaßt werden.
Stratzburg, 13. Sept. Die Straßb. Post meldet,
daß der Unterstaatssekretär Back in den einstweiligen Ruhe-
stand versetzt worden ist, sodaß ihm nichts mehr im Wege
steht, sein Amt als Bürgermeister von Straßburg zu be-
halten.
«österreichische Monarchie.
Wien, 13. Sept. Ein Besuch des Grafen Kalnoky
bei Fürst Bismarck ist nunmehr festgesetzt; er findet
nächster Tage statt. — Ein Brief der „Polit. Korrespon-
denz" aus Petersburg drückt das Befremden der russischen
Regierungskreise aus, daß die angebliche Kais er-

saß der Handelsherr immer noch, wie er bereits stunden-
lang dagesesscn, mit bleichen Wangen, finsterer Stirn und
die Augen unablässig auf das Buch geheftet.
Ermüdet hatte der Buchhalter sich dann niedergesetzt und
war, den Kopf auf den Arm gelegt, eingeschlafen. Dam-
ken hörte und sah von dem Allem nichts. Er war jetzt
das einzige Wesen in dem großen Hause, welches wachte,
welches durch finstere Gedanken gebannt dasaß. Er, der
stolze Herr des alten Hauses, der sich nie um das Geschäft
ernstlich gekümmert hatte.
Wie aus einem schweren Traume erwachend, fuhr
Damken in die Höhe. Seine Hand ruhte noch auf dem
Buche, in dem sein Unglück deutlich geschrieben stand. Sein
Auge blickte starr und unbeweglich auf die Zahlen und die
Buchstaben hüpften und sprangen wie Kobolde wild und
wirr durcheinander. Sie blickten ihn an mit verzerrten
Gesichtern und grinsendem Lachen und riefen ihm höhnisch
entgegen:
„Ha, Du stolzer und lustiger Damken, bist Du nun
endlich gekommen, um einen Blick in das Buch zu thun?
Ha, ha, es ist ein Geheimnißbuch und es stehen geheime
Dinge darin, so geheim, daß Du nicht einmal eine Ahnung
davon gehabt hast! Ha, ha, was starrst Du uns so finster
und verzweiflungsvoll an, was ruht Dein Blick so starr auf
uns? Wir sind lustige und unschuldige Zahlen. Ha, lustig,
weil wir mit Dir nichts gemein haben. Denn Deine Hand
har uns nicht geschrieben, Dein Auge ruht heute zum ersten
Male auf uns. Ha, das ist eine lustige Geschichte für
uns, daß uns der Herr des Hauses nicht kennt, ja, das ist
lustig für uns, und Du kümmerst uns nicht?"
(Forts, folgt.)
 
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