E >rfchri < I
täglich Srnxtagi
ausgenommen.
Krei,
mit Familien-
Nattern »iettek
jährlich 2 ^.60^
«uSschl. Pofians-
«chlag u. Träger-
Lohn.
idelberger Zcitniig.
-»sttSimsrthtzr
IL^für'sirlspÄ«
tige Petitzeileoder
deren Rau». Air
hies. GesLäftS-
u.Prioat» Zeigen
bedeut, ermähigt.
Gratis-Anfaatznir
d. Inserate in d«n
Placat-Anzeig«.
Hagklatt und Merkündiger für die Stadt Keidetberg.
Montag, dru 19. Dtttmbkk
«r. 287.
1887
* Politische Umschau.
Heidelberg, 19. Dezember.
Der Reichstag ist in die Weih nach tsfcri en ge-
gangen; er hat sich am Samstag nach Erledigung der
Getceidezollvorlage in dritter Lesung bis zum 17. Januar
vertagt. Von Wichtigkeit ist, daß der Reichstag vor
Antritt der Ferien noch Stellung zu der neuen Wehr-
vorlage genommen hat. Die am Freitag stattgehabte
erste Berathung über diese Vorlage nahm in ihren großen
Zügen einen der Bedeutung der Sache würdigen Verlauf.
Schon die einleitende Rede des Kriegsministcrs, in welcher
aus dem Munde des Vertreters der bestorganisirten Heeres-
macht der Welt die volle Werthschätzung der Güter des
Friedens, aber auch die Entschlossenheit Deutschlands, alle
Zeit gegen jeden Angriff gerüstet zu sein, zum Ausdrucke
kam, ließ den vollen Ernst der Frage erkennen. Insofern
darin wie in der ganzen Vorlage ein Appell an die gleiche
Gesinnung und den Patriotismus des deutschen Volkes
und seiner Vertretung lug, konnte die Antwort von keinem
bessern und nicht besser gegeben werden, als es Herr v.
Bennigsen that, welcher der großen Mehrheit des Hau-
ses in diesem Augenblicke nicht als der Führer einer ein-
zelnen Partei, sondern als Organ und Vertreter des ganzen
Reichstags — ja, des deutschen Volkes — erschien. Auch
die folgenden Redner, der sozialdemokratische natürlich aus-
genommen, erklärten ihre Bereitwilligkeit, zur Erreichung
der in der Vorlage erstrebten Ziele milzuwirkeu. Diese
Verhandlung des Reichstages ist wohl dazu geeignet, unsere
feindlichen Nachbarn, die so lange schon mit dem Feuer
spielen, auf friedliche Bahnen zurückzuführen. Deutschland
ist einig und wird mit Zuhilfenahme seiner ausgedienten
Soldaten in Kurzem so stark sein, daß es als ein ver-
zweifeltes Wagniß erscheinen muß, seine Offeusivkraft her-
auszufordern. Auch unsere Verbündeten zur Aufrechterhal-
tung des europäischen Friedens mögen sich ein Beispiel
daran nehmen, was Deutschland für die gemeinsame Sache
zu leisten sich anschickt, und auch ihre Leistungsfähigkeit
nach Möglichkeit anspannen. Je stärker der Friedensbund
ist, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, daß ein
Krieg noch verhindert oder schlimmstenfalls doch der Frie-
densstörer niedergeschlagen werden kann, ohne daß ganz
Europa in Brand gcräth. x
In der Wahlprüfunyscommission des Reichs-
tags ist bekanntlich die Wahl des Abgeordneten
Richter-Hagen für ungültig erklärt worden. Wie
erinnerlich, gab diese Angelegenheit bereits im Sommer
Veranlassung zu einer Debatte im Plenum. Sie wurde
dann aber von der Commission bis nach dem Eintreffen
der angeordneten Erhebungen zurückgestcllt. Der Thatbcstand
ist folgender. Während der letztabgelaufenen Wahlperiode
wurde in dem Kreise Hagen ein socialdemokratisches
Wahlcomitö durch Verfügung der Regierung zu Arns-
berg aufgelöst. Der Minister hob diese Verfügung
später wieder auf. Die Wahl des Abgeordneten Richter
fand mit knapper Mehrheit von einigen Hundert Stimmen
statt. Aus dem Kreise wurde Protest gegen dieselbe er-
hoben. Nun hatten grade die Fortschrittspartei, ferner aber
auch das Centrum in den letzten Jahren den Grundsatz
ausgestellt, daß bei solchen Vorgängen die betreffende Wahl,
selbst wenn eine weit größere Mehrheit vorhanden war, als
der Abgeordnete Richter sie auf sich vereinigte, für ungültig
zu erklären sei. Die übrigen Parteien haben dieser Auf-
fassnng stets widersprochen, indem sic die Ansicht vertraten,
daß bei Protesten der obigen Art jeder einzelne Fall für
sich zu behandeln sei. Bei der Abstimmung der Wahl-
prüfungscommission enthielten sich die Conservativen der
Abstimmung und überließen es dem Centrum, auch in diesem
Falle die Konsequenz aus dem an sich falschen Prinzip zu
ziehen. Die Folge war, daß die Fortschrittler nicht gut
anders konnten als ihren Führer fallen zu lassen u. dessen
Wahl für ungültig zu erklären. Ob auch das Plenum so
wie die Commission entscheiden wird, muß sich erst zeigen.
Die Verhandlung über den Fall Richter wird vermuthlich
in einer der ersten Sitzungen nach Wiederzusammentritt des
Reichstages im Januar auf die Tagesordnung gestellt
werden.
Der Artikel des Russischen Invaliden soll selbst
in Petersburg durch seine Schärfe überrascht haben;
der Petersburger Berichterstatter der Times schildert den
Eindruck, welchen derselbe auf die Petersburger politischen
Kreise gemacht hat, folgendermaßen: „Der Artikel, welcher,
wie berichtet wird, unter der Aufsicht des Generals Kuro-
patkine vom Generalstab verfaßt wurde, ist nicht geeignet,
die Gefühle der Beunruhigung und des Mißtrauens in den
beiden Nachbarländern zu mildern. Der Ton desselben setzt
die hiesige politische Welt in Erstaunen und hat im allge-
meinen einen sehr schlechten Eindruck gemacht. Dagegen
bejubeln die russischen Chauvinisten denselben als ein sicheres
Zeichen, daß früher oder später ihr Haß gegen Oesterreich
und Deutschland triumphiren werde." In Wien hat die
russische Kundgebung durch ihre rücksichtslose Offenheit nach
allen Richtungen hin klärend gewirkt. Von erheblichen
österreichischen Gegenmaßregeln hört man bisher, daß der
Militäretat den Barackcnbau in Galizien, wozu schon im
vorigen Jahre Vorbereitungen getroffen wurden, jetzt
wirklich beschlossen hat.
Die französische Regierung scheint bemüht zu
sein, ihr Verhältniß zu Deutschland zu einem leidlichen
zu gestalten, da, wie die „Nationalztg." erfährt, der fran-
zösische Botschafter in Berlin, Herr Herbette, bei der
deutschen Regierung Namens Herrn Carnots die fried-
lichsten Versicherungen abgegeben hat und dieser die Her-
stellung möglichst guter Beziehungen zu Deutschland wünscht.
Deutsches Reich
Karlsruhe, 17. Decbr. Der Großherzog und
die Großherzogin treffen Montag nach zwölftägiger
Abwesenheit wieder hier ein. Auf Weihnachten erwartet
man die Ankunft des erbgroßherzoglichen Paares
und des Prinzen Ludwig Wilhelm von Freiburg. Mit
Beginn des Januar gewärtigt man sodann die Abreise
des erbgroßherzoglichen Paares nach dem
Süden. Darauf beruht wohl die jüngst durch die Zei-
tungen gegangene Meldung, der Erbgroßherzog werde zu
Weihnachten in San Remo eintreffen.
Karlsruhe, 17. Decbr. Wie mitgetheilt wird, hat
der bisherige Vertreter des 13. badischen Reichstagswahl-
kreises, Freiherr E. A. v. Göler, im Auftrage der kon-
servativen Parteileitung in Berlin dem nat.-lib. Landes-
ausschuß den GrafenWilh.Douglas-Langenstein als
Reichstagskandidaten für den vorgenannten Wahlbezirk in Vor-
schlag gebracht und sei dieser Vorschlag liberaler Seits für
annehmbar erklärt worden. Bei dieser Gelegenheit bemerkt
die Bad. LandeSztg., daß die Kartellabmachung doch nur
so verstanden werden kann, daß die Kartell-Parteien zwar
einen Anhänger einer bestimmten Richtung zu wählen haben,
daß aber die Personensrage stets Sache der Vereinbarung sei.
Berlin, 17. Decbr. Der Reichsanzcigcr schreibt:
San Remo, 17. December, 11/° Uhr Vorm.
Es zeigt sich jetzt in der linken Kehlkopfhälfte Seiner
Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen
eine kleine Wucherung, welche etwas höher aufwärts liegt,
als die Ende October ausgetretene Schwellung. Diese
letztere ist zum Theil vernarbt und hat sich verkleinert. Das
Befinden ist andauernd recht gut.
Morell Mackenzie, Schrader, Krause,
Marc Hovel.
Berlin, 17. Decbr. Der Reichstag trat heute in
die dritte Lesung der Getreidezollvorlage ein. An
der allgemeinen Besprechung nehmen Magdzinski,
Lauschner, Metzner und v. Hammerstein für,
Bebel gegen die Vorlage das Wort. Minister Lucius
erklärt, er könne von allen vorliegenden Anträgen nur
diejenigen Diff en es auf 10 M. Zoll für Speiseöle
und 4 M. Zoll für Leinöl in Fässern, sowie diejenigen
Mirbachs uud Klemms betreffend Erweiterung
der Nachversteucrungsbedingungen befürworten.
In der Spezialdebatte wird der Zoll auf Weizen, Roggen,
Buchweizen, Hülsenfrüchte und Gerste nach den Beschlüssen
der zweiten Lesung genehmigt, für Hafer eine Erhöhung
des Zolls auf 4 M. beschlossen. Der Reichstag geneh-
migte ferner, alle Aenderungsanträge ablehnend, die Zoll-
sätze für Mais, Dari, Malz, Hefe, Kraftmehl, Nudeln,
Mühlenfabrikate nach den Beschlüssen der zweiten Lesung,
ebenso die Sperrbestimmungen mit dem Zusatz, daß alle
Ansprüche auf Anwendung der bisherigen Zollsätze für
Gegenstände, welche infolge vor dem 26. November abge-
schlossener Verträge bis 15. Januar eingeführt waren,
binnen vier Wochen bei Verlust des Rechts anzumelden und
für den Fall der Erhöhung der getroffenen Vereinbarungen
schriftlich vorhanden sein müssen. Das ganze Gesetz
wird in der Endabstimmung mit 203 gegen
116 Stimmen angenommen. Das Haus ver-
tagte sich darauf bis zum 17. Januar.
Man wird wohl nicht fehlgreifen, schreibt die Köln.
Ztg., wenn man annimmt, daß die heutige militärische
Berathung, welche Kaiser Wilhelm mit dem Prinzen
Wilhelm, dem Feldmarschall Grafen Moltke, dem General-
Quartiermcister Grafen Waldersee, dem Kriegsminister und
dem General v. Albedyll gehabt hat, wesentlich bedingt
worden ist durch die Mittheilungen, welche der russische
„Invalide" über die Verhältnisse Deutschlands, Oesterreichs
und Rußlands zu einander veröffentlicht hat, Mittheilungcn,
die nach hiesigen allgemeinen Annahmen das wirkliche Sachoer-
hältniß geradezu auf den Kopf stellen. Soweit aus Peters-
burg verlautet, ist der Bericht des „Invaliden" wahrschein-
lich ein Auszug aus einem dem Czaren vom Chef hes
russischen Generalstabes, General Obrutschew, erstatteten
amtlichen Berichte. Es muß also in Rußland schon sehr
weit gekommen sein, daß man es wagt, dem Czaren, der
sich belehren lassen will, solche falsche Zusammenstellungen
und Angaben amtlich zu machen, wie sie aus dem Aufsatz
des „Invaliden" sich verrathen. Auch das ist wieder ein
2) Frau Malwine.
Novelle von Julie Werner.
X (Fortsetzung.)
Die kleine Lampe, bei welcher sie sonst zu nähen pflegte,
genügte heute nicht, es mußten Kerzen dabei sein, denn Al-
bert hatte ein Helles Zimmer, Helle Farben geliebt, und vor
dem Spiegel stehend, hatte die junge Einsame, das lichte,
graue Gewand bald angelegt, das letzte, welches er ihr vor
seiner Krankheit, die ihn so rasch dahin gerafft, ausgesucht
hatte. Es war ihr zu weit geworden. Die blauen Schleifen,
welche es zierten, waren verblichen, aber sein Blick hatte
doch darauf geruht, und sie mußte sich gestehen, daß sie
immer noch gut darin aussah. Ihre Wangen waren ge-
röthet, ihre braunen Augen, die er so gerne geküßt, hatten
einen Glanz, der sie überraschte, ja, sic war noch jung und
schön und trotz ihrer achlundzwanzig Jahre, noch fähig,
Bewunderung, ja Liebe einzuflößen, oder vielleicht gar selber
zu liebens Wie eine Versuchung tauchre dieser Gedanke in
der erregten Frau auf, um mit Thräuen des Schmerzes
sogleich wieder gesühnt zu werden. Dann wandte sie sich
zum Klavier zurück und begann von Neuem zu singen, als
plötzlich an die Thür gepocht, diese geöffnet wurde uud
Kerzenglanz und Lampenlicht die Gestalt eines Mannes er-
hellten, der, eine Erscheinung besserer Tage, den Thür-
rahmen einnahm. Malwine stieß einen Schrei aus, da sie
ihn sah, seine Arme, die er ihr entgegenbreitete, umfingen
sie, hoben sie wie ein Kind, ein verirrtes Vöglein zu sich
empor und zwischen Küssen und Liebkosungen, die sie in einen
Taumel seltsamen Geborgenseins versetzten, sprach sie ihm
die Versicherung aus, daß nur Gott ihn in dieser Stunde
zu ihr gesandt haben könne. Lächelnd stellte er sie auf den
Boden, kreuzte die Arme über der Brust, strich sich den
grauen martialischen Schnurrbart und schaute ihr mit einem
eigenthümlich sinnenden Blick in die Augen. Sie erröthete
und ward sich jetzt erst wieder des Hellen Kleides, des fest-
lichen Lichterglanzes bewußt. Sie stotterte etwas von alten
lieben Erinnerungen, die sie überkommen hätten, blies mit
hausmütterlicher Sorgfalt die überflüssigen Kerzen aus und
huschte davon, um ihr langgewohntes Wittwengewand wieder
anzulegen. In ruhigerem Lampenlicht trat Malwine Esch-
born alsdann Oberst Straubitz, dem Onkel ihres Mannes,
gegenüber. Die Erregung des Moments hatte einer freudi-
gen Besonnenheit Platz gemacht. Lange saß sie an ihn ge-
schmiegt und erzählte ihm alles, was ihr Herz in den letz-
ten Jahren, den letzten Wochen durchlitten, bis zu dem
Entschluß, den sie eben zur Stunde gefaßt, ihr stilles Heim
aufzugeben. Ohne sie zu unterbrechen, hatte der kluge
Mann ihr zugehört. „Mein Kind", sagte er, da sie ge-
endet, „dein Herz ist dir immer noch ein Räthsel, und ich
bedauere von Neuem, daß ich dir in diesen Jahren der
Trübsal nicht beistehen konnte. Aber es war' ja nicht
möglich bei meiner Frau, deren krankes Gemülh selbst dein
liebes Gesicht nicht im Hause ertragen hätte."
„Guter Onkel", versetzte sie zagend und ergriff theil-
nahmsvoll seine Hand, „deinem Hause wäre der Tod ein
erlösender Freund, der mir solche Wunden geschlagen."
„Meine Frau leidet in letzter Zeit weniger", versetzte
er ruhig. „Es ist seit Jahren das erste Mal, daß ich mich,
abgesehen von meinem Dienst, von ihr zu entfernen ge-
wagt. Dir den Trotzkopf mündlich zurecht zu setzen bin
ich gekommen, — nun, mußt nicht auffahren, Liebe, trauert
und freut sich doch Jeder auf eigene Weise, und daß du
vernünftig geworden, habe ich zu meiner Genugthuung ja
eben wahrgenommen, aber — —"
„Aber?" fragte Malwine halb schmollend,halb versöhnt.
Der Oberst erhob sich und ging im Zimmer auf und
ab. „Du bist hübsch, kleine Malve", meinte er, ihren er-
wartungsvollen Blick mit einem Anflug von Schelmerei er-
widernd.
Sie hatte schon den Divan verlassen und war mit einem
Sprung an der Thür. „Entschuldige einen Augenblick,
Onkel ? Ich muß in die Küche, dir ein Abendbrod zuzurichten.
Du mußt mein Gast sein für diese Nacht, für morgen, so
lange du willst, oder ich zürne dir ernstlich."
„Gott sei Dank", flüsterte der stattliche Herr, als sich
die Thür hinter ihr geschlossen, „daß die Kleine ihr stim-
mungsvolles Naturell nicht über ihren großen Verlust ein-
gebüßt hat. Sie muß wieder heirathen. Albert, der heitere
Junge, der ihr warmes Herz kannte, würde ihr, wenn er
es nur vermöchte, selbst dazu rathen. Zärtlich, treu, wahr-
haft und hübsch — Gott, welche Gaben in dieser kaltherzi-
gen und doch so liebebedürftigen Welt! Es wäre sündhaft»
sie ihr zu entziehen! Ein unverantwortlicher Verrath an sich
selbst, wollte Malwine den reichen Born ihrer Liebeskraft
anders als an dem eigenen Mann, den eigenen Kindern
verwerthen. Doch sieh, da kommt sie schon wieder mit.
Tellern und allen Delikatessen beladen, welche ihre niedliche
Frauenwirtschaft für meinen verwöhnten Gaumen in aller
Eile zu beschaffen gewußt." (Forschung folgt.)
täglich Srnxtagi
ausgenommen.
Krei,
mit Familien-
Nattern »iettek
jährlich 2 ^.60^
«uSschl. Pofians-
«chlag u. Träger-
Lohn.
idelberger Zcitniig.
-»sttSimsrthtzr
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deren Rau». Air
hies. GesLäftS-
u.Prioat» Zeigen
bedeut, ermähigt.
Gratis-Anfaatznir
d. Inserate in d«n
Placat-Anzeig«.
Hagklatt und Merkündiger für die Stadt Keidetberg.
Montag, dru 19. Dtttmbkk
«r. 287.
1887
* Politische Umschau.
Heidelberg, 19. Dezember.
Der Reichstag ist in die Weih nach tsfcri en ge-
gangen; er hat sich am Samstag nach Erledigung der
Getceidezollvorlage in dritter Lesung bis zum 17. Januar
vertagt. Von Wichtigkeit ist, daß der Reichstag vor
Antritt der Ferien noch Stellung zu der neuen Wehr-
vorlage genommen hat. Die am Freitag stattgehabte
erste Berathung über diese Vorlage nahm in ihren großen
Zügen einen der Bedeutung der Sache würdigen Verlauf.
Schon die einleitende Rede des Kriegsministcrs, in welcher
aus dem Munde des Vertreters der bestorganisirten Heeres-
macht der Welt die volle Werthschätzung der Güter des
Friedens, aber auch die Entschlossenheit Deutschlands, alle
Zeit gegen jeden Angriff gerüstet zu sein, zum Ausdrucke
kam, ließ den vollen Ernst der Frage erkennen. Insofern
darin wie in der ganzen Vorlage ein Appell an die gleiche
Gesinnung und den Patriotismus des deutschen Volkes
und seiner Vertretung lug, konnte die Antwort von keinem
bessern und nicht besser gegeben werden, als es Herr v.
Bennigsen that, welcher der großen Mehrheit des Hau-
ses in diesem Augenblicke nicht als der Führer einer ein-
zelnen Partei, sondern als Organ und Vertreter des ganzen
Reichstags — ja, des deutschen Volkes — erschien. Auch
die folgenden Redner, der sozialdemokratische natürlich aus-
genommen, erklärten ihre Bereitwilligkeit, zur Erreichung
der in der Vorlage erstrebten Ziele milzuwirkeu. Diese
Verhandlung des Reichstages ist wohl dazu geeignet, unsere
feindlichen Nachbarn, die so lange schon mit dem Feuer
spielen, auf friedliche Bahnen zurückzuführen. Deutschland
ist einig und wird mit Zuhilfenahme seiner ausgedienten
Soldaten in Kurzem so stark sein, daß es als ein ver-
zweifeltes Wagniß erscheinen muß, seine Offeusivkraft her-
auszufordern. Auch unsere Verbündeten zur Aufrechterhal-
tung des europäischen Friedens mögen sich ein Beispiel
daran nehmen, was Deutschland für die gemeinsame Sache
zu leisten sich anschickt, und auch ihre Leistungsfähigkeit
nach Möglichkeit anspannen. Je stärker der Friedensbund
ist, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, daß ein
Krieg noch verhindert oder schlimmstenfalls doch der Frie-
densstörer niedergeschlagen werden kann, ohne daß ganz
Europa in Brand gcräth. x
In der Wahlprüfunyscommission des Reichs-
tags ist bekanntlich die Wahl des Abgeordneten
Richter-Hagen für ungültig erklärt worden. Wie
erinnerlich, gab diese Angelegenheit bereits im Sommer
Veranlassung zu einer Debatte im Plenum. Sie wurde
dann aber von der Commission bis nach dem Eintreffen
der angeordneten Erhebungen zurückgestcllt. Der Thatbcstand
ist folgender. Während der letztabgelaufenen Wahlperiode
wurde in dem Kreise Hagen ein socialdemokratisches
Wahlcomitö durch Verfügung der Regierung zu Arns-
berg aufgelöst. Der Minister hob diese Verfügung
später wieder auf. Die Wahl des Abgeordneten Richter
fand mit knapper Mehrheit von einigen Hundert Stimmen
statt. Aus dem Kreise wurde Protest gegen dieselbe er-
hoben. Nun hatten grade die Fortschrittspartei, ferner aber
auch das Centrum in den letzten Jahren den Grundsatz
ausgestellt, daß bei solchen Vorgängen die betreffende Wahl,
selbst wenn eine weit größere Mehrheit vorhanden war, als
der Abgeordnete Richter sie auf sich vereinigte, für ungültig
zu erklären sei. Die übrigen Parteien haben dieser Auf-
fassnng stets widersprochen, indem sic die Ansicht vertraten,
daß bei Protesten der obigen Art jeder einzelne Fall für
sich zu behandeln sei. Bei der Abstimmung der Wahl-
prüfungscommission enthielten sich die Conservativen der
Abstimmung und überließen es dem Centrum, auch in diesem
Falle die Konsequenz aus dem an sich falschen Prinzip zu
ziehen. Die Folge war, daß die Fortschrittler nicht gut
anders konnten als ihren Führer fallen zu lassen u. dessen
Wahl für ungültig zu erklären. Ob auch das Plenum so
wie die Commission entscheiden wird, muß sich erst zeigen.
Die Verhandlung über den Fall Richter wird vermuthlich
in einer der ersten Sitzungen nach Wiederzusammentritt des
Reichstages im Januar auf die Tagesordnung gestellt
werden.
Der Artikel des Russischen Invaliden soll selbst
in Petersburg durch seine Schärfe überrascht haben;
der Petersburger Berichterstatter der Times schildert den
Eindruck, welchen derselbe auf die Petersburger politischen
Kreise gemacht hat, folgendermaßen: „Der Artikel, welcher,
wie berichtet wird, unter der Aufsicht des Generals Kuro-
patkine vom Generalstab verfaßt wurde, ist nicht geeignet,
die Gefühle der Beunruhigung und des Mißtrauens in den
beiden Nachbarländern zu mildern. Der Ton desselben setzt
die hiesige politische Welt in Erstaunen und hat im allge-
meinen einen sehr schlechten Eindruck gemacht. Dagegen
bejubeln die russischen Chauvinisten denselben als ein sicheres
Zeichen, daß früher oder später ihr Haß gegen Oesterreich
und Deutschland triumphiren werde." In Wien hat die
russische Kundgebung durch ihre rücksichtslose Offenheit nach
allen Richtungen hin klärend gewirkt. Von erheblichen
österreichischen Gegenmaßregeln hört man bisher, daß der
Militäretat den Barackcnbau in Galizien, wozu schon im
vorigen Jahre Vorbereitungen getroffen wurden, jetzt
wirklich beschlossen hat.
Die französische Regierung scheint bemüht zu
sein, ihr Verhältniß zu Deutschland zu einem leidlichen
zu gestalten, da, wie die „Nationalztg." erfährt, der fran-
zösische Botschafter in Berlin, Herr Herbette, bei der
deutschen Regierung Namens Herrn Carnots die fried-
lichsten Versicherungen abgegeben hat und dieser die Her-
stellung möglichst guter Beziehungen zu Deutschland wünscht.
Deutsches Reich
Karlsruhe, 17. Decbr. Der Großherzog und
die Großherzogin treffen Montag nach zwölftägiger
Abwesenheit wieder hier ein. Auf Weihnachten erwartet
man die Ankunft des erbgroßherzoglichen Paares
und des Prinzen Ludwig Wilhelm von Freiburg. Mit
Beginn des Januar gewärtigt man sodann die Abreise
des erbgroßherzoglichen Paares nach dem
Süden. Darauf beruht wohl die jüngst durch die Zei-
tungen gegangene Meldung, der Erbgroßherzog werde zu
Weihnachten in San Remo eintreffen.
Karlsruhe, 17. Decbr. Wie mitgetheilt wird, hat
der bisherige Vertreter des 13. badischen Reichstagswahl-
kreises, Freiherr E. A. v. Göler, im Auftrage der kon-
servativen Parteileitung in Berlin dem nat.-lib. Landes-
ausschuß den GrafenWilh.Douglas-Langenstein als
Reichstagskandidaten für den vorgenannten Wahlbezirk in Vor-
schlag gebracht und sei dieser Vorschlag liberaler Seits für
annehmbar erklärt worden. Bei dieser Gelegenheit bemerkt
die Bad. LandeSztg., daß die Kartellabmachung doch nur
so verstanden werden kann, daß die Kartell-Parteien zwar
einen Anhänger einer bestimmten Richtung zu wählen haben,
daß aber die Personensrage stets Sache der Vereinbarung sei.
Berlin, 17. Decbr. Der Reichsanzcigcr schreibt:
San Remo, 17. December, 11/° Uhr Vorm.
Es zeigt sich jetzt in der linken Kehlkopfhälfte Seiner
Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen
eine kleine Wucherung, welche etwas höher aufwärts liegt,
als die Ende October ausgetretene Schwellung. Diese
letztere ist zum Theil vernarbt und hat sich verkleinert. Das
Befinden ist andauernd recht gut.
Morell Mackenzie, Schrader, Krause,
Marc Hovel.
Berlin, 17. Decbr. Der Reichstag trat heute in
die dritte Lesung der Getreidezollvorlage ein. An
der allgemeinen Besprechung nehmen Magdzinski,
Lauschner, Metzner und v. Hammerstein für,
Bebel gegen die Vorlage das Wort. Minister Lucius
erklärt, er könne von allen vorliegenden Anträgen nur
diejenigen Diff en es auf 10 M. Zoll für Speiseöle
und 4 M. Zoll für Leinöl in Fässern, sowie diejenigen
Mirbachs uud Klemms betreffend Erweiterung
der Nachversteucrungsbedingungen befürworten.
In der Spezialdebatte wird der Zoll auf Weizen, Roggen,
Buchweizen, Hülsenfrüchte und Gerste nach den Beschlüssen
der zweiten Lesung genehmigt, für Hafer eine Erhöhung
des Zolls auf 4 M. beschlossen. Der Reichstag geneh-
migte ferner, alle Aenderungsanträge ablehnend, die Zoll-
sätze für Mais, Dari, Malz, Hefe, Kraftmehl, Nudeln,
Mühlenfabrikate nach den Beschlüssen der zweiten Lesung,
ebenso die Sperrbestimmungen mit dem Zusatz, daß alle
Ansprüche auf Anwendung der bisherigen Zollsätze für
Gegenstände, welche infolge vor dem 26. November abge-
schlossener Verträge bis 15. Januar eingeführt waren,
binnen vier Wochen bei Verlust des Rechts anzumelden und
für den Fall der Erhöhung der getroffenen Vereinbarungen
schriftlich vorhanden sein müssen. Das ganze Gesetz
wird in der Endabstimmung mit 203 gegen
116 Stimmen angenommen. Das Haus ver-
tagte sich darauf bis zum 17. Januar.
Man wird wohl nicht fehlgreifen, schreibt die Köln.
Ztg., wenn man annimmt, daß die heutige militärische
Berathung, welche Kaiser Wilhelm mit dem Prinzen
Wilhelm, dem Feldmarschall Grafen Moltke, dem General-
Quartiermcister Grafen Waldersee, dem Kriegsminister und
dem General v. Albedyll gehabt hat, wesentlich bedingt
worden ist durch die Mittheilungen, welche der russische
„Invalide" über die Verhältnisse Deutschlands, Oesterreichs
und Rußlands zu einander veröffentlicht hat, Mittheilungcn,
die nach hiesigen allgemeinen Annahmen das wirkliche Sachoer-
hältniß geradezu auf den Kopf stellen. Soweit aus Peters-
burg verlautet, ist der Bericht des „Invaliden" wahrschein-
lich ein Auszug aus einem dem Czaren vom Chef hes
russischen Generalstabes, General Obrutschew, erstatteten
amtlichen Berichte. Es muß also in Rußland schon sehr
weit gekommen sein, daß man es wagt, dem Czaren, der
sich belehren lassen will, solche falsche Zusammenstellungen
und Angaben amtlich zu machen, wie sie aus dem Aufsatz
des „Invaliden" sich verrathen. Auch das ist wieder ein
2) Frau Malwine.
Novelle von Julie Werner.
X (Fortsetzung.)
Die kleine Lampe, bei welcher sie sonst zu nähen pflegte,
genügte heute nicht, es mußten Kerzen dabei sein, denn Al-
bert hatte ein Helles Zimmer, Helle Farben geliebt, und vor
dem Spiegel stehend, hatte die junge Einsame, das lichte,
graue Gewand bald angelegt, das letzte, welches er ihr vor
seiner Krankheit, die ihn so rasch dahin gerafft, ausgesucht
hatte. Es war ihr zu weit geworden. Die blauen Schleifen,
welche es zierten, waren verblichen, aber sein Blick hatte
doch darauf geruht, und sie mußte sich gestehen, daß sie
immer noch gut darin aussah. Ihre Wangen waren ge-
röthet, ihre braunen Augen, die er so gerne geküßt, hatten
einen Glanz, der sie überraschte, ja, sic war noch jung und
schön und trotz ihrer achlundzwanzig Jahre, noch fähig,
Bewunderung, ja Liebe einzuflößen, oder vielleicht gar selber
zu liebens Wie eine Versuchung tauchre dieser Gedanke in
der erregten Frau auf, um mit Thräuen des Schmerzes
sogleich wieder gesühnt zu werden. Dann wandte sie sich
zum Klavier zurück und begann von Neuem zu singen, als
plötzlich an die Thür gepocht, diese geöffnet wurde uud
Kerzenglanz und Lampenlicht die Gestalt eines Mannes er-
hellten, der, eine Erscheinung besserer Tage, den Thür-
rahmen einnahm. Malwine stieß einen Schrei aus, da sie
ihn sah, seine Arme, die er ihr entgegenbreitete, umfingen
sie, hoben sie wie ein Kind, ein verirrtes Vöglein zu sich
empor und zwischen Küssen und Liebkosungen, die sie in einen
Taumel seltsamen Geborgenseins versetzten, sprach sie ihm
die Versicherung aus, daß nur Gott ihn in dieser Stunde
zu ihr gesandt haben könne. Lächelnd stellte er sie auf den
Boden, kreuzte die Arme über der Brust, strich sich den
grauen martialischen Schnurrbart und schaute ihr mit einem
eigenthümlich sinnenden Blick in die Augen. Sie erröthete
und ward sich jetzt erst wieder des Hellen Kleides, des fest-
lichen Lichterglanzes bewußt. Sie stotterte etwas von alten
lieben Erinnerungen, die sie überkommen hätten, blies mit
hausmütterlicher Sorgfalt die überflüssigen Kerzen aus und
huschte davon, um ihr langgewohntes Wittwengewand wieder
anzulegen. In ruhigerem Lampenlicht trat Malwine Esch-
born alsdann Oberst Straubitz, dem Onkel ihres Mannes,
gegenüber. Die Erregung des Moments hatte einer freudi-
gen Besonnenheit Platz gemacht. Lange saß sie an ihn ge-
schmiegt und erzählte ihm alles, was ihr Herz in den letz-
ten Jahren, den letzten Wochen durchlitten, bis zu dem
Entschluß, den sie eben zur Stunde gefaßt, ihr stilles Heim
aufzugeben. Ohne sie zu unterbrechen, hatte der kluge
Mann ihr zugehört. „Mein Kind", sagte er, da sie ge-
endet, „dein Herz ist dir immer noch ein Räthsel, und ich
bedauere von Neuem, daß ich dir in diesen Jahren der
Trübsal nicht beistehen konnte. Aber es war' ja nicht
möglich bei meiner Frau, deren krankes Gemülh selbst dein
liebes Gesicht nicht im Hause ertragen hätte."
„Guter Onkel", versetzte sie zagend und ergriff theil-
nahmsvoll seine Hand, „deinem Hause wäre der Tod ein
erlösender Freund, der mir solche Wunden geschlagen."
„Meine Frau leidet in letzter Zeit weniger", versetzte
er ruhig. „Es ist seit Jahren das erste Mal, daß ich mich,
abgesehen von meinem Dienst, von ihr zu entfernen ge-
wagt. Dir den Trotzkopf mündlich zurecht zu setzen bin
ich gekommen, — nun, mußt nicht auffahren, Liebe, trauert
und freut sich doch Jeder auf eigene Weise, und daß du
vernünftig geworden, habe ich zu meiner Genugthuung ja
eben wahrgenommen, aber — —"
„Aber?" fragte Malwine halb schmollend,halb versöhnt.
Der Oberst erhob sich und ging im Zimmer auf und
ab. „Du bist hübsch, kleine Malve", meinte er, ihren er-
wartungsvollen Blick mit einem Anflug von Schelmerei er-
widernd.
Sie hatte schon den Divan verlassen und war mit einem
Sprung an der Thür. „Entschuldige einen Augenblick,
Onkel ? Ich muß in die Küche, dir ein Abendbrod zuzurichten.
Du mußt mein Gast sein für diese Nacht, für morgen, so
lange du willst, oder ich zürne dir ernstlich."
„Gott sei Dank", flüsterte der stattliche Herr, als sich
die Thür hinter ihr geschlossen, „daß die Kleine ihr stim-
mungsvolles Naturell nicht über ihren großen Verlust ein-
gebüßt hat. Sie muß wieder heirathen. Albert, der heitere
Junge, der ihr warmes Herz kannte, würde ihr, wenn er
es nur vermöchte, selbst dazu rathen. Zärtlich, treu, wahr-
haft und hübsch — Gott, welche Gaben in dieser kaltherzi-
gen und doch so liebebedürftigen Welt! Es wäre sündhaft»
sie ihr zu entziehen! Ein unverantwortlicher Verrath an sich
selbst, wollte Malwine den reichen Born ihrer Liebeskraft
anders als an dem eigenen Mann, den eigenen Kindern
verwerthen. Doch sieh, da kommt sie schon wieder mit.
Tellern und allen Delikatessen beladen, welche ihre niedliche
Frauenwirtschaft für meinen verwöhnten Gaumen in aller
Eile zu beschaffen gewußt." (Forschung folgt.)