Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0058
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
eine Unterstützung zu gewähren, was Legationsrath Kuhn für
den Fall einer nachgewiesenen Bedürftigkeit in Aussicht stellt.
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Die Sitzung wird um 2V? Uhr abgebrochen.
Nächste Sitzung Freitag Vorm. 9 Uhr.
Württemberg. Nach 204 Sitzungen hat sich der
Landl ag zur Ruhe gesetzt. Und das Resultat der langen
Tagung? In allen wichtigen Fragen ist es gleich Null,
voran bezüglich der wichtigen Reformen der Verfassung
und des Steuerwesens. Da wurde gar nichts erreicht,
und auch für die Zukunft sieht die Sache sehr trüb aus.
Das Centrum, das in Württemberg ganz energisch von
der Demokratie abgerückt ist, ließ zuletzt durch seiueu
Führer Gröber erklären, das Schicksal der Verfassungs-
reform sei ihm sehr gleichgültig. Das ist eine sehr un-
günstige Perspektive.
Heilbronn, 12. Juli. Ter Untersuchungs-
richter in der Angelegenheit der W ah l u n ruh en, Land-
gerichtsrath Miller, veröffentlicht eine Bekanntmachung, wor-
nach die Zahl der wegen der bekannten Vorgänge am 24.
und 25. v. M. in Untersuchung gezogenen Personen 26
beträgt. Dieselben, unter denen 8 Verheirathete, u. a. auch
der als Gegner Hegelmaiers bekannte Kommissionär Wachter,
sich befinden, sind zum größten Theil noch in Haft. In
der Bekanntmachung wird ausdrücklich hervorgehoben, daß
aus der soz.-dem. Wirthschaft „zur Rose" heraus Steine
geworfen worden sind und daß nach den vorliegenden An-
zeichen der Auftritt am 1. Abend, insbesondere der Angriff
auf den Rathskeller, förmlich geplant gewesen zu sein
scheine. Gegen Wachter ist angczeigt, daß er durch maß-
loses Schimpfen über das Eingreifen der Feuerwehr und
durch Rufe wie: „Das Rathhaus sollte man in die Luft
sprengen, das Rathhaus sollte man stürmen", die Massen
noch aufgereizt habe.
Preußen. Bestem Vernehmen nach sind seitens aller
preußischen Ressorts sehr energische Erlasse an die Be-
amten geplant, um sie vor der Sozialdemokratie
zu warnen, besonders auch was das Halten sozialdemo-
kratischer Zeitungen betrifft. Gegen die vergeblich ge-
warnten Beamten wird man sehr energisch vorgehen,
eventuell mit sofortiger Dienstentlassung.
Sachsen. Dresden, 14. Juli. Das Dresd.Journ.
meldet: Wie uns mitgetheilt wird, ist bei dem König
wieder Blasenbluten eingetreten. Infolge dessen ist der
König genöthigt, sich einige Schonung aufzuerlegen. Die
für Freitag und Samstag angesetzten Audienzen sind für
eine spätere Zeit in Aussicht genommen.

Aus der Karlsruher Heilung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben dem
Gerichtsvollzieher Johann Janda in Heidelberg die kleine gol-
dene Verdienstmedaille, dem Untererheber Martin Ehrly in
Schwabhausen die silberne Verdienstmedaille verliehen und den
Oberbuchhalter der Bezirksfinanzverwaltuug Sebastian Schütz! er
landesherrlich angestellt.

Ausland.
Türkei. Konstantinopel, 13. Juli. Ein kaiser-
liches Jrade ordnet der Franks. Ztg. zufolge an, daß
das berühmte Leibgarde.Kavallerie-Regiment
„Erthogrul", das im Mdiz-Kiosk garnisonirt und aus
1 Divisions-General, 1 Brigade-General, 2 Obersten, 40
Offizieren und 600 Mann besteht, sich nach Palästina be-
gibt, um während des ganzen Aufenthaltes des Kaisers
Wilhelm daselbst diesem als Ehreneskorte zu dienen.
Afrika. Die dem Verkehr übergebene Kongoeisen-
bahn wird in den nach Brüssel gelangten Berichten als
ein vorzüglich gelungenes Unternehmen gerühmt. Die Be-
fahrung der ganzen Strecke hin und zurück, nimmt 4 Tage
in Anspruch, bei einer Fahrgeschwindigkeit von stündlich
25 Kilometern und bei pünktlicher Einhaltung des Fahr-
planes. Der Reisende nimmt aus seiner Befahrung der
Bahn den Eindruck mit sich hinweg, daß ungeheuere
Schwierigkeiten zu überwinden waren, aber auch in technisch
gelungener Weise überwunden sind, daß die Bahn solide
gebaut ist und eine bedeutende Zukunft hat; letzteres gilt
besonders auch von dem Hafen bei Stanley Pool.

Aus Studt und Lund.
Heidelberg, 15. Juli.
O Schöffengerichtssitzung vom 14. Juli. 1) Knecht Georg
Adam Kuntz, z. Zt. in Haft, erhielt wegen Diebstahls 14 Tage

Gefängniß, 2) Knecht Ludwig Düster, z. Zt. in Haft, Wege«
Unterschlagung 14 Tage Gefängniß, 3) Sebastian Adethelm hier
wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt eine Geldstrafe von
3 u. 7 4) Goldarbeiter Heinrich Sauter hier wegen Körper-
verletzung 5 Tage Gefängniß, 5) Heizer Michael Gerlach in
Rheinau wegen Verstrickungsbruchs 1 Tag Gefängniß, 6) Kauf-
mann Karl Hutmacher, z. Zt. in Haft, wegen Widerstands,
Betrugs re. 5 Wochen und 5 Tage Gefängniß, 7) Steinbrecher
Hermann Josef Fischer und Rudolf Weitzel! in Dilsberg er-
hielten wegen Körperverletzung eine Geldstrafe von je 40
event. je 10 Tage Gefängniß, 8) Taglöhner Gustav Steinle,
z. Zt. in Haft, wegen Diebstahls 1 Woche Gefängniß, 9) Knecht
Philipp Kropp gen. Mitterle, z. Zt. in Haft, wegen Körper-
verletzung 5 Wochen Gefängniß. 10) Landwirth Daniel Streik
in Leimen erhielt wegen Diebstahls einen Verweis. 11) Johann
Jakob Andreas Wolf in Ziegelhausen wurde von der Anklage
wegen Diebstahls freigesprochen.
— Polizeibericht. Eine Frauensperson wurde wegen Umher-
ziehens verhaftet.
O Mosbach, 14. Juli. Die Jdiotenanstalt hier gedenkt
am Mittwoch den 20. Juli, Nachmittags halb 3 Uhr ihr
18. Jahresfest zu feiern und ladet hierzu ihre Freunde und
Freundinnen herzlich ein.
ch Mannheim, 14. Juli. Die hiesige Gewerbeschule soll
abermals eine sehr weittragende Vergrößerung erfahren,
und zwar durch Errichtung einer Vorbildungsschule für Werk-
führer, sowie durch Errichtung und Angliederung eines Kurses
für Figuren- und Aktzeichnen, welchen Hr. Kunstmaler Fehr da-
hier übernehmen wird. — Der Stadtrath hat in seiner letzten
Sitzung beschlossen, die Erbauung des Elektricitätswerkes
der Firma Brown, Boveri u. Co. in Frankfurt in Gesammt-
unternehmuug zu übertragen. Der Strompreis für elektrische
Motoren, Heizung und Elektrochemie wird per Kilowattstunde
auf 15 Pfg. für das Stadtgebiet und auf 12 Pfg. für das
Hafengebiet, der Tarifsatz für die Straßenbeleuchtung bei einer
Brenndauer von mehr als 1500 Stunden auf 25 Pfg. festgesetzt.
st Mannheim, 14. Juli. Eigenthümliche Verhältnisse in Be-
zug auf die Konfession unserer 4 Bü r gern, eist er be-
stehen in unserer Stadt, und werden in protestantischen Kreisen
viel besprochen. Nach der Anfang nächster Woche erfolgenden
Wahl des Herrn Amtsrichter von Holländer in Donaueschingen
zum vierten Bürgermeister sind von den an der Spitze unserer
Gemeindeverwaltung stehenden 4 Bürgermeister einschließlich des
Oberbürgermeisters 3 katholisch und 1 protestantisch. Wir er-
achten dies nicht für einen Nachtheil, da nach unserer Ansicht
bei der Besetzung von Bürgermeisterstellen nicht die Konfession,
sondern die Tüchtigkeit und Befähigung der Betreffenden in
Frage kommt. Bei der durch das Eentrum in die Bevölkerung
getragenen Zuspitzung der konfessionellen Verhältnisse und bei
den von ultramontaner Seite wieder mit Vorliebe angesttmmten
Klagen über mangelnde Parität bei der Besetzung öffentlicher
Aemter ist es aber nicht uninteressant, auf diese Verhältnisse in
Mannheim, wo die protestantische Bevölkerung überwiegend ist,
hinzuweisen. Wir gehen sicher nicht fehl mit der Aufstellung der
Behauptung, daß, wenn die Dinge umgekehrt liegen würden, die
Centrumspresse angefüllt wäre mit beweglichen Klagen über die
Zurücksetzung der Katholiken.
Karlsruhe, 14. Juli. Die Strafkammer verurtheilte den
21jähngen Studenten Philipp Schröder aus Darmstadt wegen
einer Pistolenmensur zu zwei Monaten Festung. Sein
Gegner von Räuber untersteht der Militärgerichtsbarkeit.
Baden, 12. Juli. Verflossenen Sonntag. Nachmittags 2
Uhr, sand im hiesigen Schützenbause die 1. Badische Landes-
Verbands-Versammlung des im Mai d. I. neugegründeten
„Badischen Kaninchenzucht-Verbandes" untersehr
zahlreicher Betheiligung der badischen Kaninchenzüchter-Ver-
eine statt. Die entworfenen Statuten wurden mit einer kleinen
Abänderung gut geheißen, genehmigt und beschlossen, dieselben
sofort in Druck zu geben. Aus denselben ist zu entnehmen,
daß die badischen Kaninchenzüchter-Vereine und an Orten,
wo keine solchen bestehen, auch Einzelzüchter, ebenso die land-
Wirthschaftlichen Bezirksvereine als Mitglieder des Vereins
ausgenommen werden können. Als Verbandsorgane wurden
der Kaninchenzüchter in Leipzig und das Landwirthschaftliche
Wochenblatt in Karlsrube bestimmt. Bei der hierauf vorge-
nommenen Wahl des Verbandsvorstandes wurden folgende
Herren auf ein Jahr gewählt: Als 1. Vorsitzender: Herr
Hermann Kah, Baden-Baden; als 2. Vorsitzender: Herr
Heinrich Blatt, Lahr; als Kassier: Herr Friedrich Reinmuth,
Baden-Baden; als Schriftführer: Herr Leopold Braun,
Baden-Baden; außerdem die ersten Vorstände der Verbands-
vereine als Beiräihe, und zwar für Bruchsal: Herr A-
Philipp; für Freiburg i- Br: Herr O. Lei; für Furtwangen:
i Herr G. A. Müllinger; für Kenzingen: Herr Gustav Lösch;
für Lahr: Herr Fr. Eichacker; für Waldshut: Herr R. Eisele;
für Weinheim: Herr Axter. Ferner wurde beschlossen, an-
läßlich der vom 13. bis 17- August d. I. hier statifindenden
Ersten Badischen Landes-Verbands-Kaninchen-Ausstellung die
nächste Verbandsversammlung hier abzuhalten.
Waldkirch, 13. Juli. Alle 29 Schüler der obersten Klasse
des Plähn'schen E rz i eh un gs in st i tu t s bestanden die
E inj äh rig-Fr eiw illi g en-P rüfung , welche unter
dem Vorsitz des Großh. Oberschulraths Oster vorgenommen
wurde.
— (D i e n stu a ch r i ch t e n.) Wilhelm Winkler, Schutz-
mann beim Amt Heidelberg, wurde zum etatsmäßigeu Amts-
diener beim Amt Lörrach ernannt.

nisationen anlebnen und das Gewerbegericht als Einigungs-
amt in Anspruch nehmen.
Abg. Heimburger (Dem.) empfiehlt den Kommissions-
antrag zu verschärfen, indem man empfehlende Ueberweisung be-
schließt.
Es ist ein dahin zielender Antrag der soz.-dem. Fraktion und
der Abgg. Heimburger und Bleß eingelaufen.
Geh. Oberfinanzrath Göller erklärt, daß die Regierung
der Beschwerdeführung gerne alle Erleichterungen zu Theil werden
lasse. Was die Concurrenz mit Ludwigshafen anlange, so sei die
Eifenbahnverwaltung anderer Ansicht als die Abgg. Hug und
Heimburger. Die Regierung habe den Bestrebungen, denen die
Kommission durch ihren Beschluß zu Hilfe kommen wolle, von
Anfang an das größte Wohlwollen entgegengebracht.
Abg. Pfisterer (Antis) empfiehlt den Antrag Dreesbach.
Abg. Wittum (ntl.) gibt zugleich im Einverständniß mit
seiner Partei die Erklärung ab, daß er den Bestrebungen der
Gesuchsteller durchaus freundlich gegenübersteyt. Er halte es für
unbedingt nothwendig, Unfälle durch Schutzvorrichtungen nach
Möglichkeit zu verhüten. Tie hiesige Patronenfabrik habe die
Unfallverhütungseinrichtungen geradezu mit Rasfinement geschaffen.
Die Ausdehnung der Hafenarbeiten auf das geschilderte Maß
halte er für inhuman. Er wundere sich, daß dies bisher noch
möglich war. Aus der heutigen Debatte habe man gesehen, daß
berechtigte Beschwerden der Arbeiter bei der Kommission und auch
bei der Regierung Gehör finden. Also sei es auch innerhalb der
heutigen Staatsordnung schon möglich, den Arbeitern zu helfen.
Nach den Erklärungen der Kommission halte er die empfehlende
Ueberweisung nicht mehr für nöthig.
Abg. Arm b r u ster (Ctr.) ist für den Kommissionsantrag.
Abg. Dreesbach (Soz) begründet seinen Antrag.
Abg. Hug (Ctr.) ist nur für empfehlende Ueberweisung be-
züglich der Unfallverhütung und der Ueberarbeit.
Rach einem Schlußwort des Berichterstatters wird der An-
trag der Abgg. Dreesbach und Gen. mit 28 gegen 22 Stimmen
angenommen.
Abg. Leimbach (ntl.) berichtet über die Petition des prakt.
Arztes und außerord. Prof. Dr. A. Riffel in Karlsruhe betr.
die hygienische Forschung, worin er um Einstellung eines Aus-
gabepostens von 7000 M. ersucht, mit denen er seine Forschung
über die Vererbung und Verbreitung der tuberkulösen Krankheiten
fortsetzen könne. Es wird beantragt, über das Gesuch zur Tages-
ordnung überzugehen, soweit es sich auf Einstellung einer be-
stimmten Summe bezieht, aber in dem Sinne der Regierung em-
pfehlend zu überweisen, ob sie nicht fernerhin die Untersuchungen
durch Geldmittel unterstützen wolle.
Geh. Ober-Reg.-Rath Hübsch erklärt, daß das Kultus-
ministerium mit dem Antrag einverstanden sei.
Der Kommissionsantrag wird nach kurzer Debatte einstimmig
angenommen.
Abg. Greiff (natl.) berichtet über die Bitte betr. die Er-
bauung einer Nebenbahn von Mosbach nach Mudau
und die Petition um Erbauung einer normalspurigen Staatsbahn
von Mosbach nach Mudau. Die Kommission hat die Petition mit
Wohlwollen ausgenommen und beantragt, dieselbe in dem Sinne
der Regierung zur Kenntnißnahme zu überweisen, daß möglichst
viele Ortschaften der Wohlthaten der Eisenbahn theilhaftig werden,
wenn die Erhebungen dazu führen, daß die Bahn als Staatsbahn
gebaut werde.
Abg. Schmid fnatlib.) ist kein Gegner der Bahn Mosbach-
Mudau, aber er würde eine Durchquerung des Odenwaldes für
vortheilhafter halten. Er habe die Hoffnung, daß die Regierung
das Richtige treffen werde. Sie möge die Erbauung einer Oden-
waldbahn ernstlich in's Auge fassen und die betriebsame Be-
völkerung in den Weltverkehr hereinziehen.
Die Abgg. Breitner, Köhler, Werr, Reichert (Ctr.),
Eder (Dem.) befürworten den Antrag, Eder empfiehlt wiederum
die Bahn Hockenheim.
Abg. Schmid (natl.) beschränkt sich auf den Kommissions-
Antrag.
Abg. Klein (natl.) stellt fest, daß jeder Redner den Kom-
missions-Antrag empfohlen habe, jeder aber mit einer besonderen
Richtung.
Nach einen: Schlußwort des Berichterstatters wird der Kom-
missionsantrag angenommen.
Abg. Keller (natl.) berichtet über die Bitte des Gemeinde-
raths, des Realschulcollegiums und des Gewerbevereins von Ken-
zingen und des Gemeinderaths von Herbolzheim um Weiter-
führung der Lokalzüge bis Herbolzheim und Kenzingen und
beantragt Ueberweisung an die Regierung zur Kenntnißnahme, die
von den Abgg. Armbruster (Ctr.) und Pfefferte (natl.),
der öffentlich feststellt, daß er jederzeit für die Fortsetzung des
Lokalzugverkehrs bis Herbolzheim eingetreten sei, empfohlen wird.
Geh. Rath Zittel hält die Wünsche für berechtigt; aber die
Lolkalzüge auf einer so stark mit Schnellzügen belegten Strecke
einzurichten sei sehr schwer und die Schwierigkeiten wachsen mit
den zimehmenden Entfernungen. Die Frage werde nochmals ge-
prüft werden. Die Generaldirektion aber werde wahrscheinlich eher
zur Einlegimg eines weiteren Kurszuges kommen.
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Abg. Kramer (Soz.) berichtet über die Bitte der Bahn-
wärterwittwe Wilhelm Fleig um Erhöhung der Wittwenpension
bezw. Gewährung einer Unterstützung und beantragt, über den
ersten Theil der Petition zur Tagesordnung überzugehen, den
zweiten der Regierung zur Kenntnißnahme zu überweisen, was
einstimmig beschlossen wird.
Abg- Werr (Ctr.) berichtet über die Bitte des Eisenbahn-
arbeiters Ednard Hauser in Villingen um Wiederverwendung
im Eisenbahndienste und beantragt Uebergang zur Tagesordnung.
Abg. Grüninger (Ctr.) empfiehlt, dem Arbeiter zuweilen

hat, weniger Anziehungskraft auf die Musensöhue ausüben, als
die munteren Pfälzerinnen am Neckar. Aber vielleicht haben
wir hier den Schlüssel des Ziffernräthsels. In Heidelberg ent-
wickelt sich der Verkehr zwangloser und den Schönen wird es
dort leichter, sich einen der bunten Schmetterlinge einzufangen
als in Freiburg. Eine wesentliche Heirathslust mit 12 Proz.
und 10 Proz. zeigt sich auch in den beiden Industriestädten
Mannheim und Pforzheim. Es ist hier deutlich zu
spüren, daß das frühere Eintreten in feste Existenzverhältnisfe,
wie sie im Wesen der Industrie liegt, die Neigung, einen festen
Haushalt zu gründen, erhöht.
Von den heirathsfrohen Schönen Hit im Jahre 1896 da-
sogen. Mittelalter die besten Chancen gehabt. Damen im Alter
bis zu 30 Jahren beeinflussen die Eheschließungsstatistik mit
78 Proz., im Alter von 30 bis zu 40 Jahren traten 14,4 Proz.
in den Ehestand ein und Damen über 40 Jahre, die noch in den
Hafen der Ehe eingelanfen sind, erschienen mit einem Aufgebot
von 7,6 Proz. Aehnlich verhält es sich so bei der letzten Alters-
kategorie der Männer. Nur 8,4 Proz. waren über 40 Jahre
alt. Starke Abweichungen von der Frauenstatistik weist das
männliche Ehekontingent bei den voraufgehenden Lebensaltern
auf. 64,7 Proz. der neugebackenen Ehemänner waren unter
30 Jahre alt und 26,9 Proz. standen im Alter zwischen 30 und
40 Jahren. Wie wenig die gleichstufigen Lebensalter hier und
da zusammengefallen sind, zeigt ein kurzer Blick über die Lebens-
alter der Ehegatten. 665 Männer im jugendlichen Alter von
20—30 Jahren haben sich Lebensgefährtinnen im gesetzten
Alter von 30—40, 45 im Alter von 40—50 und 4 im Alter
von 50 bis 60 geholt, dagegen 7672 haben auf möglichst gleich-
altrige Gattinnen Werth gelegt. Rur eine Dame unter 20 Jahren
hat sich dazu entschlossen, einen Mann im Alter zwischen 50 bis
60 Jahren zu heirathen, während, wie die Ziffern 99 und 7
Zeigen, die Männer im Alter von 30—40 und 40—50 Jahren
besser im Kurs standen. Dagegen sind Männer über 60 Jahren
nicht so nnbegehrt gewesen von den allerjüngsten Ehekandidalinnen,
denn 8 Damen unter 20 Jahren haben sich von Männern, denen
bereits das Alter Schnee auf das Haupt gestreut hat, den
Myrthenkranz aufsetzen lassen. Am wenigsten wählerisch in Bezug

auf das Alter der Gatten waren Damen im Alter zwischen 30
und 40 Jahren, denn 305 haben Männer bis zu 50, 105 haben
solche im Alter bis zu 60 und 35 haben noch Männer über 60
Jahre genommen.
Blutjunge Männer unter 20 Jahren, die noch Heiraths-
Dispens haben mußten, hat cs im Jahre 1896 nur 6 gegeben,
von denen nur 2 sich ziemlich gleichaltrige Frauen genommen
haben, während 4 ihre Wahl in dem Lebensalter zwischen der
bekannten zweiten und dritten Null getroffen haben. Dagegen
sind 221 Damen im Tanzstundcnalter in den Hafen der Ehe
eingelaufen. 104 Männer über 60 Jahren haben noch einen
Lebensbund geschlossen, aber nur 19 Frauen im gleichen Alter
wurden noch heimgeführt, von denen eine sich einem Mann unter
40 und 4 einem Manne unter 30 zu eigen gegeben haben.
Zweite Ehen wurden einzegangen von 1402 Männern und 781
Frauen, dritte von 100 Männern und 19 Frauen und sogar zu
einer vierten Ehe entschlossen sich 2 Männer und 3 Frauen.
In den weitaus meisten Fällen waren die Ehe schließenden
Theile beiderseits ledig. Daß unter den neuen Ehepaaren des
Jahres 1896 die Ehegatten in 3 Fällen beiderseits geschieden
waren, läßt mit positiver Sicherheit darauf schließen, daß hier
moderne Romane nach dem Muster Berlin IV. ihren Abschluß
gefunden haben.
Im Uebrigen ist nicht alles Poesie in diesem Ziffernbilde. Die
Verschiedenartigkeit der Lebensalter läßt den Schluß zu, daß hier
sehr materielle Fragen ins Spiel kamen.

Kleine Zeitung.
— Wien, 12. Juli. Am Wiener Mädchengymnasium
ist gestern das erste Abiturientenexamen abgeschlossen
worden. Von 18 Abiturientinnen erhielten, wie das N. Wiener
Tagbl. berichtet, 2 das Zeugniß der Reife mit Auszeichnung, 9
das Zeugniß der Reise, 4 haben sich im Herbste einer Nach-
prüfung zu unterziehen. 2 Abiturientinnen wurden auf ein Jahr
j zurückgestellt, eine Kandidatin ist krankheitshalber von der Prü-
s fung zurückgetreten und hat sich zur Ablegung derselben im Sep-
tember angemeldet.

— Paris, 13. Juli. Die Blätter erzählen, daß der aus
Mannheim gebürtige Kaufmann Adolf Wolff die zwei minder-
jährigen Knaben seines hier lebenden Bruders entführt
habe, damit dieselben nicht gleich ihrem Vater Franzosen würden-
Die Staatsanwaltschaft hat die Untersuchung eiugeleitet.
— Sofia, 14. Juli. Die Neue Freie Presse meldet: Der
frühere Rittmeister Boitschew und Polizeipräfekt Nowelitsch, die
Mörder der Anna Simon, wurden gestern früh in Philippopel
durch den Strang hingerichtet.

Vermischtes.
— In Potsdam ist z. Zt. ein Major a. D. als Refe-
rendar thätig, ein Sohn des Berliner Großindustriellen Schwarz-
kopf. Er hat, nachdem er als Major seinen Abschied genommen
hatte, die Rechte studirt und erstrebt einen Posten im Justizdienst.
— Die bei Neu-Albe nreuth (nahe bei der Station
Waldsassen an der Eisenbahn von Regensburg nach Eger) unter-
nommenen Versuche, den früheren Goldbergbau wieder ins
Leben zu rufen, haben den zunächst verfolgten Zweck, die alten
Bergwerke aus dem 16. Jahrhundert wieder aufzudecksn, völlig
erreicht. Als es unter Benutzung der in den Archiven enthalte-
nen Aufzeichnungen gelungen war, das gänzlich verfchüttete
Mundloch des Hauptstollens bei der Troglauer Mühle ausfindig
zu machen, hatte man mit der Räumung und dem Ausputzen
dieses Stollens begonnen, der zu den Goldbergwerken im Burg-
holze gehörte, wo schon von dem nun verstorbenen Münchener
Geologen v. Gümbel das Goldvorkommen festgestellt wurde.
Man ist jetzt bereits 50 Mtr. weit in dem alten Gang vorge-
drungen. Die in dem alten Bergbau angesammelten Bergwafftr
und die durch eingefallene Schächte hervorgerufenen Verschüt-
tungen, die erst unterbaut werden müssen, verhindern ein rafche-
res Vordringen. Das bisher Vorgefundene stimmt genau mit
den Berichten der Archive überein und man hofft nach Aufstellung
kräftiger Pumpwerke und weiterm Eindringen in die Tiefe auf
die ehedem wegen Wasserandrangs verlassene goldreiche Quarz-
ader zu stoßen. Der erwähnte Stollen ist 120 Meter lang, und
man glaubt, bald bis in den Hauptschacht zu gelangen.
 
Annotationen