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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0057

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xr. 182.

Freitag, den 15. Juli

1898.

Die Wandlungen in der Dreyfus-
Angelegenheit.
Vor sechs Monaten wurde Major Esterhazy, als
rr, freigesprochen, das Militärgefängniß in der Rue
Cherche-Midi verließ, von den im Hofe versammelten zahl-
reichen Offizieren mit einem wahren Jubel begrüßt, um-
armt und geküßt, und auf der Straße umringte ihn eine
begeisterte Volksmenge. Man brachte Hochrufe auf ihn
aus, man schrie: „Es lebe Esterhazy! Es lebe das Opfer
des Syndikats! Es lebe der Märtyrer!" Auch von Seite
seiner höchsten Vorgesetzten erhielt Esterhazy mancherlei
Sympathie-Bezeugungen. General de Pellieux z. B.
schrieb ihm einen freundschaftlichen Brief, in welchem er
ihn seinen „lieben Major" nannte und ihm gleichzeitig die
Erlaubniß erthcilte, alle Diejenigen, die ihn wegen des
„Ulan-Briefs" angreifen sollten, gerichtlich zu belangen,
da dieser Brief von den Schreibverständigen als eine Fäl-
schung erklärt worden sei. Und welche Ereignisse haben
sich seither vollzogen, die fast alle einen Triumph Ester-
hazy's zu bedeuten schienen: Zola würde vor die Ge-
schworenen gestellt und verurtheilt; Oberstlieutcnant Pic-
yuart wurde aus der Armee gestoßen, der frühere
Deputirte Reinach seiner Charge als Landwehr-Ritt-
meister verlustig erklärt, die Schuld des Ex-Hauptmanns
Dreyfus von verschiedenen Ministerien wiederholt feierlich
bekräftigt — kurz der endgiltige Sieg Esterhazy's schien
unzweifelhaft. Aber das Wort Zola's bewahrheitete sich.
Die Wahrheit schritt vorwärts und nichts konnte sie mehr
aufhalten. Der Kriegsminister Cavaignac sah sich gc-
uäthigt, gegen Esterhazy die Disziplinar-Untersuchung wegen
des „Ulan-Briefs" anzuorduen, dessen Echtheit inzwischen
gerichtlich festgestellt worden war. Und ein paar Tage
später wurde Major Esterhazy mit seiner Geliebten, Mar-
gueritte Pays, „wegen Herstellung und Gebrauches von
salschen Papieren" in Haft genommen. Wohl wird von
den dem Generalstab nahestehenden Blättern behauptet, daß
diese Verhaftung nichts mit der Dreyfus-Affaire zu thun
habe; aber diese Behauptung wird von gut informirter
Seite als unrichtig bezeichnet. Man versichert im Gegen-
teil, daß die gegen Esterhazy getroffene Maßnahme in
tuem ganz direkten Zusammenhang mit der Dreyfus-Affaire
steht. Der Untersuchungsrichter Bertulus soll nämlich fest-
gestellt haben, daß Esterhazy der Urheber jener „Speranza"-
Telcgramme und Briese ist, welche den Zweck hatten, den
Oberst Picquart einzuschüchtcrn und ihn zu verhindern,
seine Aktion für die Rehabilitirung des Ex-Hauptmanns
Dreyfus fortzusetzeu. Wenn man erwägt, daß diese Briefe
und Telegramme zu einer Zeit geschrieben wurden, da der
Name Esterhazy's in der Oeffcntlichkeit noch gar nicht ge-
uannt worden war, dann wird man begreifen, daß gerade
dieser Verhaftungsgrund von der größten Bedeutung für
die weitere Entwicklung der Dreyfus-Affaire werden kann.
Von den Freunden des Oberst Picquart wird ver-
sichert, daß derselbe der wider ihn eingeleiteten Verfolgung
Ulit großer Seelenruhe entgegensehe. Er sei sich dessen
bewußt, daß er sich niemals die geringste Pflichtverletzung
habe zu Schulden kommen lassen, und die Unterredung,
die er mit Leblois in seinem Bureau im Kriegsministerium
gehabt, habe sich durchaus nicht auf die Dreyfus-Affaire
bezogen. Leblois sei von ihm lediglich als Advokat in
einer Spionage-Angelegenheit konsultirt worden, die sich in
Nancy zugetragen hatte. Die Wahrheit dieser Angabe
nndet übrigens auch eine Bestätigung in der Entscheidung
des Disziplinar-Raths der Advokatcnkammer, laut welcher
Herr Leblois für ein halbes Jahr suspendirt wurde, weil
A den geltenden Vorschriften entgegen, außerhalb seines
Domizils eine Konsultation ertheilt hatte.

4)

Sklaverei der Schönheit.
Novelle von M. Jmmisch.
(Fortsetzung.)
-- Auch die beiden Menschenkinder schritten eilig weiter.
Mnes sprach. Im Herzen des Mannes mischte sich mit dem
wtzen Glück der Gegenwart schon wieder der Gedanke an
M unvermeidliche Trennung. Dieses Mädchen sollte seine
Auw sein. Ach ja, aber seine Muse besitzt man nicht. Der
Gedanke an sie kann begeistern, erheben, aber sie kann immer
nur Ideal" bleiben.
Gr seufzte resignirt.
Ganz anders das Mädchen. In ihr sang und klang es
uud eine fromme Dankbarkeit erfüllte ihre Seele- Sie fühlte
su.wts mxhr von dxn Beschwerden des Weges. Ihr war so
Schi und froh zu Muth, als hätte sie Flügel, und die zehn
Amuten, ehe sie ihre Bekannten wieder erreichten, verflogen
wie wie ein einziger süßer Augenblick.
m Als sie Abends nach Hause kamen, war die ersehnte
AAhricht betreffs des Bildes eingetroffen. Professor D - .
veyen besonderer Schützling Fritz war, hatte mehrere Zei-
Mgen beigesügt, die eine glänzende Kritik enthielten. Das
-fud war für einen verhältnißmäßig hohen Preis verkauft,
Bahn des Erfolges war siegreich erschlossen- Nun gab
kein Zögern, kein Wanken mehr. Wo der Ehrgeiz herrscht,
wird die Liebe zur Magd. Sie vertragen sich schlecht, die
sT; wen, und Fritz war keinen Augenblick im Zweifel über
wkne Wahl.
- - Mit seinem Gewissen wurde er leicht fertig; sie hatten ja
win Wort von Liebe gesprochen.
Und jener Kuß im heimlichen Waldesdunkel? Wohl durch-
wnn ,hn ein Schauer, wenn er sich den Augenblick vergegen-
wurngle; aber so eine kleine Vergessenheit schien ihm ver-
°"Mlch, und Hedwig war ein kluges und tapferes Mädchen.
Sie war so jung und würde ihn schnell vergessen und
auyerdem war sie reich und schön und würbe viel begehrt

Deutsches Reich.
Berlin, 14. Juli.
— Der Kaiser hat der Sammlung, welche der Rothe
Kreuz-Verein zu Gunsten der Verwundeten und Kranken
im spanisch-amerikanischen Krieg veranstaltet hat, 10 000
Mark überweisen lassen.
— Die Associated Preß verbreitet aus Manila vom
9. dS. ein Telegramm, demzufolge das deutsche Kriegs-
schiff „Irene" die Aufständischen durch Gewalt verhindert
haben soll, die Spanier anzugreifen. Der amerikanische
Admiral Dewey habe hierauf zwei Kriegsschiffe geschickt,
bei deren Erscheinen die „Irene" sich zurückgezogen habe.
Später habe die „Irene" in Manila noch einmal Ein-
mischungsgelüste gezeigt, die aber von Dewey zurückge-
wiesen worden seien. Die ganze Nachricht trägt den
Stempel der Erfindung an der Stirn und gehört offen-
bar zu den schon wiederholt gekennzeichneten Meldungen,
durch die eine Verhetzung zwischen Amerika und
Deutschland herbeigeführt werden soll. In Berlin ist
über einen solchen oder ähnlichen Vorfall nichts bekannt,
und das allein würde schon ausreichen, um die Nachricht
zu widerlegen.
— Im Monat Juni wurden 30 sozialdemokra-
tische Führer zu insgesammt 5 Jahren 10 Monaten
3 Wochen und 5 Tagen Gefängniß und 850 Mark Geld-
strafen verurtheilt. Von den Verurtheilungen entfallen
auf Beleidigung höherer Justiz- uud Polizeibeamter und
Geistlichen 18, auf Uebertretungen 3, auf groben Unfug 3,
auf Verrufserklärung und Mißhandlung Nichtstreikender 5
und auf Hausfriedensbruch und Körperverletzung 2.
— Energisch Front gegen die Sozialdemokratie
hat der Militärverein „Germania" in Ob er-Rain-
stadt gemacht, indem er zwölf Mitglieder wegen ihres
Verhaltens bei der Reichstagswahl ausgeschlossen hat. Der
erste Vorsitzende knüpfte hieran etwa folgende Bemerkung:
„Wenn -auch im Allgemeinen den Kriegervereinen satzungs-
gemäß Politik zu treiben nicht erlaubt ist, so ist doch die
Politik, die wir für Kaiser und Reich treiben, unbedingt
geboten. Die Aufgabe der Kriegervereine ist heute eine
andere geworden, als wie lediglich zusammen zu kommen
und Erinnerungen u. s. w. wachzurufen; die Elemente, die
gegen Fürst und Vaterland sind, gehören nicht in die
Kriegervereine, diese müssen wir bekämpfen, wir müssen von
unseren Mitgliedern verlangen, daß sie keinem Sozial-
demokraten ihre Stimme geben."
Baden. Karlsruhe, 14. Juli. Als Vertreter des
Ministeriums wohnte Minister v. Brauer in Auggen
der Beerdigung des Geh. Kommerzienraths Krafft an.
DeM Minister wurde, wohl in Folge früher Abfahrt von
hier und weil er nichts zu sich genommen hatte, übel.
Das Unwohlsein, in einem Freiburger Blatt eine schwere
Ohnmacht genannt, ist aber schon wieder behoben und
Minister von Brauer sitzt heute auf seinem Bureau und
erledigt seine Arbeiten wie zuvor. Die vielen einlaufenden
Anfragen kann er erfreulicher Weise alle in befriedigender
Weise beantworten.
Badischer Landtag. Karlsruhe, 14. Juli. Erste
Kammer.
Der Präsident Prinz Carl eröffnet die Sitzung um
9 Uhr und widmet dem kürzlich verstorbenen früheren
Mitgliede des Hohen Hauses, Herrn Geh. Krmmerzienrath
Krafft in St. Blasien, einen warm empfundenen Nachruf.
Frhr. v. Göler erstattet den Bericht der Budgetkommission
über die Nachträge zum Staatsvoranschlag für 1898/99 und über
den Gesetzentwurf, Nachtrag zum Gesetze, die Feststellung des
Staatsvoranschlags für 1898 und 1899 betr._

werden. Wenn sie sich einmal wieder sahen, würden sie
Beide lächeln über ihre kurze, thörichte Jugendschwärmerei.
Vorläufig ahnte Hedwig nicht, was der Abschied von
Fritz diesmal für sie bedeute. Es gab mancherlei zu thun
in den nächsten vierzehn Tagen, und sie half dabei mit Feuer-
eifer. Das alte Lied: „Himmelhoch jauchzend, zum Tode
betrübt" fand auch auf sie Anwendung. Die strahlenden
braunen Augen waren merkwürdig ernst und nachdenklich
geworden und doch konnten sie auch wieder so lachend
glückselig blicken.
So kam der Tag der Abreise heran.
Fritz hatte jede Gelegenheit zu einer Aussprache mit
Hedwig vermieden, aber als er ihr die Hand zum Abschied
reichte und das vom Weinen geröthete Gesichtchen sich
fassungslos an seine Schulter lehnte, da zog er sie doch fest
und heiß an sein Herz und ihm war, als ließe er all sein
Glück mit ihr zurück. Aber nur einen Augenblick kämpfte er
mit sich, dann riß er sich los — das erste Opfer für den un-
ersättlichen Götzen, dem er rettungslos verfallen.
Zwanzig Jahre später.
Fritz Delling an Hedwig von Senken.
Wien, im Mai 189.
Wie lange ist es her. daß ich nichts mehr von Dir hörte.
Ich bin ein schlechter Briefschreiber und Du bist noch karger
in der Beantwortung. Sollte man es glauben, daß Jahre
vergeben, ehe man sich zu ein paar Zeilen aufraffen kann?
Und dabei kann nicht einmal gleichgültiges Vergessen als
Entschuldigung angeführt werden, Im Gegentheil! So frisch
und lebensvoll stehst Du in meiner Erinnerung, als wären
nicht zwanzig Jahre, sondern kaum so viele Tage verflossen,
seit wir uns zum letzten Male gesehen. Sehe ich mich dann
im Spiegel, dann schwindet freilich die Illusion. Bronce-
farben und müde, von einer netten Anzahl Fältchen durch-
zogen, starrt mir mein Antlitz entgegen, die Zahl der Jahre
nur allzu deutlich verrathend.

Der Kommissionsantrag findet nach kurzer Debatte einstimmige
Annahme.
Namens der Budgetkommission erstattet Geh. Rath Dr.
Engler den Bericht über den Gesetzentwurf, die Ergänzung der
Gehaltsordnung betr.
Der Gesetzentwurf wird, nachdem an der Diskussion die HH.
Geh. Hofrath Dr. Meyer, Geh. Hofrath Dr. Rümelin, Geh. Rath
Dr. Engler und Staatsmiuister Dr. Nokk theilgenommcn hatten,
einstimmig angenommen.
Das gleiche geschieht ohne Debatte hinsichtlich des Gesetzent-
wurfs, Aenderungen des Gesetzes über den Elementarunter-
richt betr. (Berichterstatter: Geh. Rath Joos.)
Geh. Hofrath Dr. Meyer erstattet den Bericht der Kommis-
sion für Justiz und Verwaltung über den Entwurf eines Ent-
cignungsgesetzes.
Der Gesetzentwurf wird nach einigen Bemerkungen der
Herren Ministerialpräsident Geh. Rath Dr. Eisenlohr, Kommer-
zienrath Scipio und Geh. Hofrath Dr. Rümelin einstimmig an-
genommen.
Der Gesetzentwurf, die Ausübung der Realge Werbe-
berechtigungen betreffend, findet in der von der Zweiten
Kammer beschlossenen Fassung einstimmige Annahme (Bericht-
erstatter Geh. Hofrath Dr. Meyer), nachdem sich der Präsident
des Ministeriums des Innern, Geh. Rath Dr. Eisenlohr, hierzu
geäußert hatte.
Geh. Rath Joos berichtet Namens der Kommission für
Justiz und Verwaltung über den Gesetzentwurf, die Vereinigung
der Gemeinde Neckarau mit der Stadtgemeinde Mannheim
betreffend.
Der Gesetzentwurf wird nach einigen Bemerkungen des Kom-
merzienraths Scipio einstimmig angenommen.
Ebenso findet einstimmige Annahme der Gesetzentwurf, den
Besuch des gewerblichen und des kaufmännischen Fort-
bildungsunterrichts betreffend. (Berichterstatter: Geh.
Rath Joos.)
Bei der Wahl des Ständischen Ausschusses werden
die früheren Mitglieder wieder gewählt.
Nächste Sitzung morgen.
L. 6. Karlsruhe, 14. Juli. 114. öffentliche Sitzung
der Zweiten Kammer.
Präsident Gönner eröffnete um 9Uhr die Sitzung.
Abg. Schuler (Ctr.) berichtet über die Bitte der Hafen-
arbeiter in Mannheim, worin gebeten wird, den Betrieb im
Mannheimer Hafen eineny besonderen Inspektor zu unter-
stellen, oder der bestehenden Gewerbeinspektion — damit die
mangelhaften Schutzvorrichtungen verbessert und die häufige
Heranziehung zu Ueberstunden eingeschränkt wird und bean-
tragt üeberwcisung an die Regierung zurKenntnißnahme im
Sinne einer Prüfung.
Abg- Dreesbach (Soz.) und Geiß (Soz.) äußern sich
über den Inhalt der Beschwerden.
Abg. Hug (Ctr.) hält die Organisation der Hafenpolizei
für ausreichend, zumal sie auch Executivgewalt habe. Für
Unsallverhütungsvorschriften seien die Berufsgenosseuschafieu
zur Einreichung von Vorschlägen kompetent.. Dagegen ist er
für Verschärfung der Vorschriften über die Ueberstunden.
Wenn man sich hierzu mit Rücksicht auf Ludwigshafen schwer
entschließe, so sei zu berücksichtigen, daß ein Erfolg der Arbeiter
in Mannheim aneifernd auf die Arbeiter in Ludwigshafen
wirken werde, das Gleiche zu erstreben.
Geh. Oberfinanzrath Göller weist die Darstellung der
Sozialisten Dreesbach und Geiß, als ob er die Angaben der
Arbeiter über vorgekommene Unfälle in der Kommission für
unwahr erklärt habe, zurück; er habe lediglich mikgetheilt, er
könne sich über den Thatbestand nicht äußern, weil die Er-
hebungen noch zu keinem Ergebniß geführt haben. Die
früheren Wünsche bezüglich der Getreidearbeiter seien durch
eine Neurcdaktion der Polizeivorschriften erfüllt worden.
Auch die Angaben über die Ausdehnung der Arbeitsverlänge-
rung über IV, Stunden treffen nicht zu. Die Angaben über
die Üeberarbeit seien im Wesentlichen richtig. Die Regierung
werde der Regelung der Arbeitszeit auch fernerhin die größte
Aufmerksamkeit zuwenden. Wenn Dreesbach die Mannheimer
Hafenverwaltung abfällig beurtheilt have, so sei zu bemerken»
daß sie bisher die Unfallverhütungsvorschristen nicht zu über-
wachen hatte. Da sie jetzt hierzu Anweisung erhalte, so sei
dies doch gewiß genug Entgegenkommen. Ueber die Zu-
sammensetzung der Tarifkommission könne man verschiedener
Meinung sein, aber bei ihrer Einrichtung im Jahre 1894 er-
hoben die Arbeiter keine Einwendung. Da sie nur bis zum
Jahre 1899 besteht und lonach der Erneuerung bedarf, so
könne man ja Aenderungen vorsehen. Vielleicht solle sich die
Hafenarbeiterschaft aber bei Lohnfraaen an bestehende Orga-

Natürlich, wer wie ich Jahre lang ununterbrochen vor-
wärts hastet, von dem Sporn eines zur Manie gewordenen
Ehrgeizes getrieben, bei dem sind solche Merkmale selbstver-
ständlich. Aber Dich, deren Leben so glatt und ruhig ver-
laufen, Dich könnte ich mir nicht anders vorstellen, als die
Hedwig von einst, mit den schlanken, mädchenhaften Formen
und den lachlustigen Augen.
Plötzlich kommt mir der Gedanke, daß Du sckon seit
fünf Jahren Wittwe bist, und daß Deine Tochter fünfzehn
Jahre zählt.
Ein Schauer überläuft mich. Ist es möglich, bist auch
Du alt geworden? Und bist Du gelb und hager, oder rosig
und wohlgenährt?
Gleichviel, in jedem Falle wirst Du interessant sein. Die
Hedwig von einst kann sich nicht ganz verleugnen.
(Fortsetzung folgt.)
Liebespoesie in Ziffern.
LO. Karlsruhe, 13. Juli.
In der „Presse" ist soeben eine Statistik über die im Jahre
1896 in Baden geschloffenen Ehen erschienen, die für unsere
schönen Leserinnen eine angenehme Lektüre bilden wird, wenn
man die tobten Ziffern ein wenig durch einen Schimmer von
Poesie verklärt. Vor allem erfahren wir aus dem Zahlenbilde,
daß die Heirathslust in dem romantischen Heidelberg am
größten ist. Dort entfallen auf 1000 Einwohner 13,7 Proz.
Eheschließungen, während Freiburg mit 8,9 Proz. am tiefsten
steht. Dem Zeichendeuter wird es gerade durch diesen Gegensatz
zwischen den beiden Musensitzen schwer, den Grund für diese
heirathsfrohe Stimmung in Alt-Heidelberg, der feinen, heraus-
zufinden. Denn die Vermuthung, daß mancher Musensohn treue
Liebe im Herzen hegend, ins Philisterland zieht, um nach Jahren
sich die Lebensgenossin hetmzuholeu in das neuerbaute Nest, wird
beseitigt durch den Widerspruch, den Freiburg dagegen erhebt.
Man wird kaum annehmen können, daß die holden Freiburgerinnen,
die Hebel als Heinrich Frauenlob des Breisgaus verherrlicht
 
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