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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0261

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^sichließlich Zustellgebühr.
^Vhon-Unschluß Nr. 82.
211

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SmsiW, den 10. September

1898.

Zur Koalitionsfreiheit.
. Eine achtungsvolle Leistung ist die unerhörte Heuchelei
sozialdemokratischen Zentralorgans, das einen „sensatio-
"Een Leitartikel auf die Rede des Kaisers" in den Straßen
Berlins ausschreien läßt, worin gesagt ist:
»Die Arbeiter müssen sofort klar zum Gefecht machen,
S"m Schutz des Restes, der von der deutschen Koalrtions-
srecheit geblieben und nun auf das allerernstlichste be-
droht ist."
Nun? Nein, das freie Koalitionsrccht steht schon
langer Zeit für einen großen Theil Deutschlands auf
Papier und dieser Bereich ist genau zu umgrenzen.
.. gehl, soweit die Macht der sozialdemokra-
' sch en Partei reicht, er geht in zahlreiche Werkstätten,
nur der Arbeiter von sozialdemokratischen Mitarbeitern
^duldet wird, der zu sozialdemokratischen Parteizwccken
mehr Steuern in einem Monat bezahlt als für Staat
Und Gemeinde in Jahren. Er geht in jene Werkstatt,
der Betriebsinhaber nicht mehr Herr im Hause ist, weil
'hin der Betrieb unmöglich gemacht wird, sobald er nur
^uen Unbotmäßigen, der allerdings Genosse sein muß,
Eutfernen will. Dieses Reich des Terrorismus erstreckt sich
uf jeden Neubau, bei welchem Arbeitern, die arbeiten wollen,
.^.Streitfall „zufällig" Ziegel auf den Kopf fallen. Es
Webt sich bis in denFriedcn der Familie, und auf der „Ehren-
?sel", auf der der Vorwärts allmonatlich die Märtyrer
Partei verzeichnet, prangt es „Unter dem neuesten
urs" mit Hausfriedensbruch und schwerer Körperverletzung
Ernährers der Familie, die hungern muß, wenn der
Hunsvater nicht arbeiten kann. Im Hamburger Hafen-
usstand, der über tausende von Familien schwere Noth
suchte, kamen mehr als 300 Fälle von Bedrohungen,
Körperverletzungen, Sachbeschädigungen u. s. w. zur gericht-
chen Aburtheilung. Zum Theil wurden sie nachher für
'E sozialdemokratische Partei vom Vorwärts beansprucht,
w erheblich größerer Theil kam aber gar nicht zur Kennt-
ch. der Gerichte. Und so kommt auch bei weitem der
»rotzte Theil der Fälle, in denen die gewerblichen Betriebe,
"d um so schwerer, je kleiner sie sind, unter Mißbrauch
yEs Koalitionsrechts beunruhigt und Betriebsleiter und
«tarbeiter terrorisirt werden, kaum zur öffentlichen Kennt-
^°'„weil eher die Betheiligtcn schweigen, um nicht größere
chädigungen zu erleiden. Das gilt inbesondere von dem
rbener, der vor niemand schutzloser dasteht als vor Mit-
Wiiern, die ihm übel gesinnt sind.
Und darin liegt, wie die Nat.-lib. Korrespondenz be-
die Hauptschwierigkeit. So lange Gerichte nicht be-
Wprucht werden, helfen auch die geltenden Gesetze nicht
ud auch njchr ihre Verschärfung. Darum wäre
/Zsehr wünschenswerth, daß, wenn seinerzeit die Ergeb-
che der Rundfrage des Grafen Posadowsky mitgetheilt
rrdeu sollten, auch alle von diesem Terrorismus unmittel-
?r betroffenen Arbeitgeber nach Möglichkeit dazu beitrügen,
s'c Oeffentlichkeit, besonders die Arbeiterschaft, auch ihrer-
i us aufzuklären, um mit dem Vorwärts zu reden, „so daß
E deutsche Arbeiterklasse weiß, woran sie ist." Weiter
er märe zu einer erfolgreichen Abwehr unbedingt erfor-
Eruch, daß die Arbeitgeber unter einander sich über
. s ganze Reich solidarisch gegen den Terrorismus
Sozialdemokratie fühlten, so daß auch jeder Arbeiter
"bedingt sich sicher fühlt, wenn er sich muthig dagegen
l^Ehnt, während jetzt der Einzelne herausgegriffen und
>cht erdrückt wird. Dann würden auch die geltenden
^rrafgesetzc eine Wirksamkeit erhalten, die sie leider jetzt
nicht haben, und das Recht der freien Koalition wirk-
Ner schützen gegen seinen wirklichen Feind, die Umsturz-
ZWgung.

Deutsches Reich.
BerNn, 9. September.
— Die römische Tribuna erhält aus Paris von einer
angeblich autorisirten Seite die Nachricht, Graf Münster
habe dem Minister des Aeußern im Auftrage Kaiser Wil-
helms erklärt, die Briefe des Kaisers an ihn und
Dreyfus seien falsch, und er sei beauftragt, die Pässe zu
fordern (!), falls die französische Regierung sich dieser
Briefe in dem zu erwartenden Prozesse bedienen wollte.
Hierzu wird in der Köln. Ztg. aus Berlin bemerkt: Die
Tribuna thäte gut, sich diese angeblich autorisirte Stelle
genauer anzusehen, ehe sie solche Alarmnachrichten in die
Welt setzt. Deutschland denkt nicht daran, sich in den
Dreyfushandel in irgend einer Weise einzumischen und dem
Werke ungeschickter Fälscher die Ehre anzuthun, sie
zum Gegenstände einer diplomatischen Aktion zu machen.
— Der Reichsanzeiger meldet: Prinz August Wil-
helm, der vierte, 11 Jahre alte Sohn unseres Kaiser-
paares, ist an einer Halsentzündung erkrankt. Der Prinz
ist fieberfrei, die Entzündung verlauft normal.
— Nach einer durch die Zeitungen gehenden Nachricht
werden 130 Vertreter von Kirchenregierungcn, kirchlichen
Vereinen u. s. w. die Palästinafahrt des deutschen Kaisers
mitmachen. Auffallenderweise werden sie die Seereise auf
einem englischen Schiffe, des Midnightsun, machen. Dieses
Schiff ist kein anderes, als der vor einigen Jahren vom
Norddeutschen Llyod ausrangirte und nach England ver-
kaufte „General Werder", der vom Lloyd zum Fracht- und
Zwischendecker-Transport benutzt, schließlich aber auch dazu
nicht mehr für ausreichend erachtet wurde. Jetzt fährt der
alte Kahn stolz unter englischer Flagge Deutschlands hohe
Geistlichkeit!
— Das Militärwochenblatt meldet: General der
Infanterie, von Holleben, Gouverneur von Metz, ist
in Genehmigung seines Abschiedsgesuches mit Pension zur
Disposition gestellt worden.
— Bei der Verpflegung der Truppen spielen jetzt die
Conserven eine große Rolle; die Truppen erhalten schmackhafte
Gemüse- und Fleischconserven, die von den staatlichen Fabriken
in Mainz und Spandau hergestellt werden. Daß nur beste Roh-
materialien zur Verwendung gelangen, ist bei der eingehenden
Fürsorge, welche die betreffenden Organe der Truppenkost widmen,
und bei der strengen und dauernden Controle seitens der hygieinisch-
chemischen Untersnchungsämter der einzelnen Armeecorp« selbst-
verständlich. Die Vorzüge der Verpflegung großer Massen mit
Conserven haben sich bereits im deutsch-französischen Kriege ge-
zeigt; man braucht nur an die vielgelobte, berühmt gewordene
Erbswurst zu erinnern, die allerdings damals fast die einzige
Conserve war. Heute ist man in Folge der großen Fortschritte
auf dem Gebiete der Eonservirung in der Lage, dem Soldaten
auch im Kriege und im Manöver eine willkommene Abwechslung
zu vielen. Man wird dadurch im Frieden unabhängiger von
dem materiellen Zustande der betreffenden zum Manöver auSzu-
wählenden Gegend und ist auch im Felde gesichert gegen Er-
nähruugssorgen. Der Viehstand ist ja gar schnell aufgebraucht;
wie ein Heuschreckenschwarm fallen die Erstankommenden darüber
her und die andern haben dann das Nachsehen. Wie bequem
lassen sich dagegen Conserven nachführen und immer wieder er-
gänzen! Wie sehr aber die Leistungsfähigkeit der Truppe in
Krieg und Frieden von der Verpflegung abhängig ist, bedarf
kaum weiterer Ausführung; der wohlgenährte Mann ist nicht nur
physisch, sondern ebenso moralisch in ganz anderm Maße leistungs-
fähig; der satte Manu geht mit ganz anderm Muthe ins Gefecht
und erträgt Strapazen viel leichter als der schlcchtgenährte. Sehr
weise ist es, daß man Henle dem Soldaten das zum Kochen
nöthige Holz mitgibt, denn es gibt ein Maß von Ermüdung,
das sich gegen die leichteste Anstrengung sträubt. Man konnte
es ost genug beobachte«, das der Soldat im Biwak die geliefer-
ten Lebensmittel unbenutzt ließ, weil ihm die Mühe, sie zuzube-
rciten, zuviel wurde. Das fällt heute vollständig fort, da die
Zubereitung oder richtiger das Aufwärmen überaus einfach und
bequem gemacht ist. Da es der chemischen Technik schon geglückt
ist, den Spiritus für Kochzwecke in feste Form zu bringen, wird
der Soldat voraussichtlich in kommender Zeit auch Brennstoff-

tabletten, die mir der Auflösung mit wenig Wasser bedürfen, mit
sich führen; eine Steigerung der Leichtigkeit in der Verpflegung
wird dann kaum noch ein treten können. Schnell ist ein für uns
neues Produkt, die verschiedenen Kola-Präparade, zur Beliebtheit
gelangt. Man kann es leicht an sich selbst erproben, daß die
aus Kola bereiteten Hunger- und Durststiller ihren Zweck in
hohem Maße erfüllen und daß auch der Kolazusatz in flüssiger
Form dem Körper wohlthut und ihn neu belebt. Vielleicht wer-
den sich, wenn die Vorzüge der Kolanuß erst bekannter geworden
sind, die Colonialfreunde es angelegen sein lassen, den Kolabaum,
der unserer Roßkastanie ähneln soll, in Massen anzupflanzen; in
den deutschen Colonieen in Togo soll bereits ein Anfang damit
gemacht sein.
Baden. L. 0. Karlsruhe, 9. Sept. In der Resi-
denz wurde der Geburtstag des Landesfürsten
in der herkömmlichen Weise begangen. Beim Festmahl
der Beamten im Museum brachte Staatsminister Dr. Nokk
folgenden Toast aus:
Weiser Männer, die uns Wohlthaten spenden, sollen wir an
jedem Tag in dankbarer Verehrung gedenken! Heule feiern wir
einmüthigen Sinns das Geburtsfest des Fürsten, der nach dem
schönen Wort des amerikanischen Denkers die edelste Weisheit in
sich trägt: die Weisheit der Menschenliebe. Ein langes köstliches
Leben liegt hinter unserm erhabenen Landesherrn. Er hat in
der That das Dichterwort wahr gemacht „von einer Arbeit dient
die andere zum Erholen." Für das deutsche Vaterland und die
schöne Heimath hat Großherzog Friedrich allzeit die höchsten
Kräfte eingesetzt, selbstlos und in jener Zuversicht, „die Gott zum
Begleiter hat." In einem solchen Leben werden wir nicht alt,
sondern jung. Gewaltiges hat der königliche Herr wirken sehen
und hiebei Treue gehalten in deutschem Sinne. Heute, da auch
der machtvolle Geist, der unserm großen Kaiser geholfen hat, das
Reich zu gründen, von uns gegangen ist, der Heros, dessen
Namen nicht untergehen wird, so lange ein deutscher Laut auf
Erden erklingt, heute schaaren wir uns noch fester um den Reichs-
fürsten, der zu aller Zeit, in Wort und That, um des Vater-
landes Größe und Wohlfahrt sich gemüht hat und sich mühen wird
mit der ganzen Kraft seiner reichen Seele und seines von allem
Kleinlichen abgewandten, durch die Fülle der Erfahrung getragenen
ernsten Denkens. Die Zett hat uns das Höchste gebracht: das
geeinte Vaterland und d-e eine neue Epoche einleitenden großen
Gedanken der sozialen Reform. Aber die schweren Kämpfe auf
allen Gebieten warfen auch tiefe Schatten und schienen manch-
mal die Freude an der großen Zeit völlig zu trüben. Nicht
unserm allgelieblen Landesfürsten, der stets das edle Wort
„ich vergesse so gern" im Herzen getragen. Er hat
nie aufgchört, an sein Volk zu glauben und nie geschwankt in
dem Vertrauen auf die herrlichste und schönste Entfaltung der
zusammengefaßten deutschen Kräfte. Möge der Fürst, den ein
ganzes Volk verehrt, noch lange Jahre mit der Hohen Kraft seiner
Menschenliebe des Guten Fülle verbreiten, beglücken, trösten»
schirmen, uns allen ein hehres Vorbild sein! Zu ihm wollen
wir aufschauen im Kampfe des deutschen Lebens und auf fein
geheiligtes Haupt herabflehen allen Segen, den der allmächtige
Gott den Menschen gewähren kann. Rufen Sie mit mir: Der
hochsinntge Fürst, von fruchtbarem Schaffen für sein Land, der
mildeste, gütigste Herrscher, der deutsche Reichsfürst ohne Wanken,
der Vater seines dankbaren Volkes, Se. Kgl. Hoheit Großherzog
Friedrich von Baden lebe hoch! hoch! hoch!

Ausland.
Frankreich. Paris, 9. Sept. Im Kricgsministerimn
werden alle Gerüchte von einer Entscheidung des Kriegs-
ministers in der D re y fns a ng el e g enhei t als ver-
früht bezeichnet. General Zurlinden setzt die Prüfung der
Aktenstücke fort und trifft die Entscheidung nach der Rück-
kehr von den großen Manövern, zu denen er den Präsidenten
der Republik begleiten wird.
Rußland. Petersburg, 9. Septbr. Die hiesigen
Blätter beschäftigen sich mit der Rede des deutschen
Kaisers. Während einige derselben an einen plötzlichen
Gesinnungsumschlag glauben wollen, hebt die Nowoje
Wremja hervor, daß die Armee erhalten noch keineswegs
bedeute, daß man dieselbe verstärken wolle. Es handle
sich bei dem russischen Vorschläge aber nur um eine Kon-
ferenz, die den status yuo der militärischen Rüstungen

4)

Bierklee.
Novellette von E. Ritter.
(Schluß.)
e ^kim Nachdenken schläft sie allmählig ganz fest ein, und
twacht erst, als sie nebenan, im Arbeitszimmer ihres Mannes,
^Umnixn hört. „Gut, daß ick Dich noch glücklich treffe, Werner"
das ist ja Vetter Otto's Stimme. — ja so, er wollte
n,„??s nochmal vorsprechen, das hat sie vergessen — „ich
""Dich sprechen. Wir sind doch ungestört?"
d "Iynz allein; Ella ist im Theater, die Mädchen sind in
Küche, sie können nichts hören. Nun und was hast du
Kerzen?"
ick'« eh' Werner, ich bin in einer verteufelten Lage. Daß
Hz? "ur gleich heraussage, ick muß sofort tausend Mark
scbm?' hörst Du sofort — es handelt sich um eine Ehren-
— meine ganze Existenz hängt daran — nicht wahr,
N?.?ussi mir? Für Dich ists eine Kleinigkeit, für mich alles.
Mutter darf ich jetzt nicht viel beunruhigen, sie ist
Patscher sehr leidend. Nicht wahr, Du hilfst mir aus der
bw'^je. gern, wenn ich könnte. Aber glaub' mir, Otto, ich
m. "icht in der Lage- Mein Gehalt und die Zinsen meines
"bns reichen knapp für unseren Haushalt, ich muß
wo ich kann. Es wäre Leichtsinn von mir. Dir
Mark ohne Sicherheit zu geben."
»AVer Werner, wenn man eine so reiche Frau hat —"
etwnL reiche Frau, meinst Du —, hör' Otto, ich will Dir
sei-i» ""vertrauen, denn es widerstrebt mir, von Dir für
das ^Aalten 5» werden. Gieb mir Dein Wort, daß Du
Grheimniß wahren wirst." „Du hast es!" „Meine
Ot nicht reich, ihr Vater hat nichts, gar nichts hinter-
Hn>.s! bat über seine Verhältnisse gelebt, auch fehlte die
die"Ar°u 7Z Ella's Mutter ist sehr früh gestorben, Als ich
kunn» Erlaffenschafl ordnete, blieb nichts übrig — es reichte
°pp, die schulden zu bezahlen. Ein Glück, daß Ella da-

, mals durch Krankheit verhindert wurde, Einblick in die Ver-
hältnisse zu nehmen. Es würde ihr zu schmerzlich gewesen
sein, diese Erfahrung zu macken. Sie ist ganz unbefangen
geblieben, und ich wünschte, sie brauchte nie zu wissen, wie
schlecht ihr Vater gewirtbsckastet. Auf die Dauer freilich
wird es sich kaum verbergen lassen, aber cs bangt mir un-
säglick vor der Eröffnung. Ella ist noch so ganz Kind —
ich möchte ihr alles Trübe, Schmerzliche fernhalten. Schwer
genug wird mir's oft, ihr einen Wunsch abzuschlagen — sie
ist verwöhnt, in Glanz und Luxus aufgewachsen, und ich liebe
sie so innig, ich möchte ihr alles geben, was ihr Herz begehrt,
doch ich kann, ich darf es nickt — ich habe nickt die Mittel
dazu. Genug davon. Ick kann Dir also das Geld nicht
geben, Otto, aber ich bin bereit, für Dich zu bürgen, wenn
Du mir auf Ehrenwort versprichst, keine leichtsinnigen
Schulden mehr zu machen und auf baldige Tilgung der be-
reits gemachten zu denken. Ich weiß, daß Du sehr gut mit
Deinem Gehalt und Deinem Zuschuß auskommen kannst.
Und was ich Dir von meinen Verhältnissen gesagt, das bleibt
also unter uns."
„Sicher Werner, Du hast mein Wort, und ich danke Dir —
Deine Bürgschaft wird genügen. Es soll mein Bestreben
sein, von nun an besser zu wirthschaflen, solid und vernünf-
tig zu werden. Sei so gut, morgen mit mir zu Deinem
Bankier zu gehen und die Sache zu ordnen — es ist die
höchste Zeit."
»Gewiß, um elf Uhr, und nun entschuldigst Du mich wohl,
ich muß den Bericht abschlicßen, ehe Ella zurück kommt."
Abschiedsworte wurden gewechselt, dann hörte Ella, die athem-
los Lauschende, die Schritte des sich entfernenden Vetters.
Und dann — der Landrath hat sich eben an seinem Schreib-
tisch gesetzt — da huscht etwas durch die Portieren und dann
kniet etwas neben ihm, und eine liebe Stimme stammelt unter
Schluchzen: „Ach Werner» lieber, geliebter Mann, verzeih'
mir — ich have alles gehört — o, wie war ich undankbar,
wie war ich schlecht —" und dann sprudelte Ella alles heraus, !
all' die bösen Gedanken des Nachmittags und wieder und !
wieder bittet sie den Gatten um Verzeihung.

Ernst und bewegt hört er ihre Beichte an. Dann zieht er
sie an sein Herz und spricht: „Mein liebes Weib, Gott sei
Dank, daß es so gekommen. Ich fand nicht den Muth, Dir
zu sagen, wie es um Deines Vaters Nachlaß stand, ich wollte
Dir ja alles Trübe fernhalten, aber das eben war mein Un-
recht. Ick hätte das Vertrauen haben müssen zu Dir, zu
meinem Weib, daß Du Dich in die veränderten Verhältnisse
schicken, Dich ihnen anpassen würdest; es ist meine Schuld,
daß ich nicht den Muth dazu hatte. Jetzt sehe ich das erst
ein, jetzt, wo Dich die Unkennlniß der Lage fast an einen
Abgrund geführt hatte, der unser Glück zu verschlingen drohte.
Nein, ich zürne Dir nicht über die „bösen" Gedanken, liebes
Her», ich zürne mir, daß ich in Dir nur ein unmündiges
Kind, nicht mein Weib, meinen guten tapferen Kameraden
gesehen habe. Von nun ist das anders. Es war ein glück-
licher Zusall, eine segensreiche Schickung vielmehr, daß Du
unser Gespräch mit anhörtest, eben jetzt, da Dein Herz voll
Groll gegen mich war. Du weißt nun, weßhalb ich hart
bleiben mußte Deinem Wunsch gegenüber — von nun an soll
nie wieder etwas zwischen uns stehen. Eine Frau ist mün-
dig, soll mündig sein, dann nur wird sie tm Stande sein,
ihren Platz voll und ganz auszufüllen. Nicht mehr als ein
reizendes Kind will ich Dich betrachten, nem, als mein Weib,
welches alles mit mir theilt, Freud und Leid! Und wir
werden glücklich sein, auch ohne die Vierkleebroche, nicht wahr,
mein Liebling?" So schließt Werner halb scherzend und
Preßt Ella fest an sich. Die aber ruft zwischen Lachen und
Weinen: „Aber es ist doch wahr, was ich beut' früh behaup-
tete: Vierklee bringt Glück — noch nie bin ich so reich ge-
wesen, als jetzt, wo ich weiß, daß ich ganz arm bin, daß ich
alles Dir verdanke, mein Werner, daß Du mich liebst, allein
um meiner selbst willen. Von nun an sollst Du eine ganz
verständige, sparsame, praktische Frau an mir haben. Und
das alles haben wir dem Vierklee zu danken-"
 
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