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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0399

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Wnstag, dk« 18. Oktober

Die Orientreise des deutschen Kaisers.
Zu der Orientreise unseres Kaisers stellt die
«Wiener Neue Freie Presse folgende Betrachtungen an:
Gedanken und Erinnerungen, die fast ein Jahrtausend
Weltgeschichte umspannen, heften sich an diese Reise, die
Ae ein prunkvolles Fanlafiestück in die unmittelbare
Wirklichkeit hereinrcicht. So ereignißvoll die Schicksale
Jerusalems waren, einen protestantischen Kaiser hat es
nicht in seinen Mauern gesehen. Völkeraufgang und
^ölkerniedergang, ungeheure Wandlungen der Gesittung
knd des Glaubens sind über diese Stätte dahingezogen,
°ie älteren Ruhmes ist als die Siebenhügelstadt und
^ren geborstete Reste von ungeheueren Katastrophen zeugen,
^ie hinreißende Beredtsamkeit Peter's von Amiens feuerte
Nationen des Abendlandes zum Kreuzzuge an, um
Jerusalem aus den Händen der Sarazenen zurückzuerobern,
Und drei römische Kaiser deutscher Nation, Konrad III.
Und die beiden großen Hohenstaufen, zogen, päpstlichem
Gängen folgend, in das heilige Land. Nur dem Letzten
^n ihnen war es beschieden, den Boden Jerusalems zu
^treten. Nun wird abermals ein deutscher Kaiser in die
^tadt cinreiten, aber es ist kein römischer Kaiser deutscher
Nation, sondern der protestantische Kaiser des neuen
putschen Reiches, und nicht mit dem Willen des Papstes,
ändern gegen denselben wird es geschehen. Eine Welt
Bildern und Gleichnissen ist durch diese Thatsache
uufgewirbelt, der Unterschied der Zeiten und Geschicke hat
U4 noch niemals so augenfällig in einem Ereignisse dar-
gestellt, und als ob Mittelalter und neue Zeit sich in
slnem einzigen Blicke zusammendrängten, um desto schroffer
Men Gegensatz zu offenbaren, so seltsam unhistorisch und
gegenständlich modern zugleich, so romantisch und doch
Wieder so ganz von dem taghellen Lichte der Gegenwart
^schienen hebt sich diese Kaiserfahrt nach Jerusalem von
Alltag der Dinge ab. Es gibt noch Neues, was
Cemals vorher dagewesen, und an einer der ältesten und
^würdigsten Kulturstätten der Menschheit ist es im Be-
kiffe, sich zu ereignen. ..... Man braucht sich über
Wirbelsturm des Argwohns, den diese Reise erregt
hnt, nicht zu verwundern, denn es ist fast ein psycho-
logisches Gesetz, daß etwas unerhört Neues allen Aber-
glauben in Bewegung setzt. Und wie die Jerusalemfahrt
Wilhelms II. ein solches Neue ist, so tief nistet auch an
O'elen Stellen der Aberglaube, daß dieser Kaiser auf nichts
Anderes als auf die Machterweiterung seines Reiches
iwne. Dem Pfeifer von Niklashansen drängte im Mittel-
ster aller Aberglaube nach; bei der Kunde von der Fahrt
protestantischen Kaisers nach Jerusalem flog der ganze
Schwarm von eingebildeten Sorgen und Befürchtungen
o»f, die den Argwohn gegen Deutschland wacherhalten.
Es mag sein, daß der mit demonstrativem Glanze ver-
walteten Fahrt auch der Gedanke nicht ganz fern ist,
W Ansehen Deutschlands im Orient zu vermehren, aber
hcherlich spielt er nicht die entscheidende Rolle, auch wenn
Ms der Fall wäre, könnte man dagegen nichts einwenden.
Näherliegend aber ist es doch und menschlich glaubhafter,
oß Wilhelm II., den die Franzosen gern einen „Mystiker"
wnen, den schon von seinem Großoheim Friedrich Wil-
?elm iv. gehegten Wunsch, dem Protestantismus im Be-
uche der heil. Stätten eine selbstbewußtere und gesichertere
Stellung zu verschaffen, erfüllen will, und daß die Er-
innerung an die glühenden Schilderungen seines Vaters,
.br einst als Kronprinz hoch zu Roß in Jerusalem einzog,
darin bestärkt hat. Auch mit diesem Zwecke aber
leibt seine Fahrt noch ein Ereigniß, an dem der Spruch,
-Nh Alles schon einmal dagewesen, zu Schanden wird,

mag man es nun romantisch, mystisch oder, je nachdem,
auch ausnehmend modern heißen. Der protestantische
deutsche Kaiser, in der Uniform seiner Leibhusaren in
Jerusalem einreitend, aus eigenem Antriebe, ohne päpst-
liche Gutheißung, wie einst die Kaiser des alten Reichs —
das ist ein Bild von bewältigender Originalität, ein Kreuz-
fahrerbild ohne dunklen mittelalterlichen Schauer.

Deutsches Reich.
— Die Nordd. Allg. Ztg. bestätigt die aus eng-
lischer Quelle aus Alexandrien über das gegen Kaiser
Wilhelm geplante Attentat verbreiteten Meldungen
und sagt: „Die bei den Verhafteten vorgefundenen Schrift-
stücke lassen über ihre Absicht, einen Anschlag gegen den
Kaiser Wilhelm zu verüben, keinen Zweifel. Es
steht fest, daß die beschlagnahmten Bomben eine sehr
starke Ladung von Schießbaumwolle und großkalibrigen
Rcvolverkugeln enthielten und eine äußerst starke Spreng-
wirkung entwickelt hätten. Ebenso ist festgestellt, daß die
Verbrecher, nachdem die Ausführung der That in Egypten
unmöglich geworden war, eingehende Vorbereitungen ge-
troffen hatten, die zur Verwendung fertiggestellten Bomben
nach Jaffa zu schaffen."
— Der Londoner Daily Mail wird aus Alexan-
drien noch Folgendes gemeldet: Die Wichtigkeit der Ent-
deckung der anarchistischen Verschwörung wächst
stündlich, da jede Verhaftung eine neue Enthüllung zu
Tage fördert, die zu weiteren Verhaftungen führt. Jetzt
sind fünfzehn Personen verhaftet worden, die man alle für
Italiener hält. Am Sonntag Morgen wurde noch ein
Uhrmacher verhaftet, der nahe der Rue Cherif Pascha, der
Hauptstraße der Stadt, wohnt. Der ursprüngliche
Plan der Verschwörer war, in einer engen Straße in
Kairo, welche der deutsche Kaiser passiren sollte,
ein Zimmer zu miethen, um von dort eine mit Schieß-
baumwolle und Knallquecksilber gefüllte Bombe in den
Wagen zu werfen. Als der Kaiser seine Reise nach
Egypten aufgab, wurde, wie bereits gemeldet, der Plan
geändert und beschlossen, die Bomben nach Syrien
zu transportiren. Auf einem Dampfer der Khedivial
Linie, der am Samstag von Alexandrien nach Jaffa ab-
ging, ließ sich einer der Verschworenen als Stewart an-
stellen. In Jaffa sollte er die Bomben nach Bestechung
eines Beamten an Land schmuggeln und dann sollte ein ande-
rer sie nach Jerusalem nehmen, wo sie im Bristol Hotel ver-
borgen gehalten werden sollten. Die Explosion sollte bei
der Einweihung der deutschen Kirche stattfinden. Die im
Cafs gefundenen Bomben sind zehn Zoll lang und zwei
Zoll dick; sie haben zum Tragen wie zum Werfen eine
handliche Form. Die Bomben selbst sind von Eisen,
allein die innere Einfassung ist von Porzellan, damit die
chemischen Stoffe nicht das Eisen angreifen. Um die
Wirkung zu verstärken, waren die Bomben von außen
dicht mit Stahldraht umwickelt. Die Bomben waren in
einer Bisquitschachtel sorgfältig mit Sägemehl verpackt und
die Schachtel war dann mit zwei Flaschen Wein und
Nahrungsmitteln in einer unschuldig aussehenden Tasche
verpackt, die, im Cafö offen auf dem Tische lag. Im
Ganzen sind 19 Personen in das Komplot verwickelt. Die
Verschwörer sollen mit anderen Städten, namentlich London
und Madrid, in Verbindung gestanden haben. Die Doku-
mente, welche die Polizei vorfand, sollen auch zeigen, daß
die Ermordung des K önias Humbert, sowie eines jeden

einzelnen Mitgliedes der italienischen Königs-
familie beabsichtigt war.
Baden. Mosbach, 17. Oct. Gestern Nachmittag fand
dahier, wie die Bad. Neckarztg. berichtet, eine Vertrauens-
männerversammlung der national-liberalen Partei
zum Zwecke der Aufstellung eines Kandidaten für die
bevorstehende Landtagsersatzwahl statt. Der Vor-
sitzende des Bezirksvereins, Herr Notar Joachim, gedachte
zunächst in ehrenden Worten des dahingcschiedenen Ab-
geordneten Weber und ging dann zur Erörterung der
Kandidatenfrage über. Er legte dar, daß der Parteiaus-
schub sich bemüht habe, eine geeignete Persönlichkeit im
Bezirke selbst ausfindig zu machen, daß man aber schließ-
lich in die Nothwendigkeit versetzt worden sei, sich nach
einer außerhalb des Bezirks wohnhaften umzusehen. Die
Wahl sei auf den früher in Mosbach wohnhaft gewesenen
Herrn Landgerichtsrath Obkircher gefallen, der mit dem
Bezirke und seinen Verhältnissen genau bekannt sei und
alle diejenigen Eigenschaften besitze, welche das Amt eines
Abgeordneten erheische. Redner besprach dann noch die
vom Bunde der Landwirthe ausgehende Kandidatur des
Stabhalters Schuh vom Grenzhof, versicherte, daß gegen
die Persönlichkeit des Herrn Schuh nicht das Geringste
vorliege, daß aber der Parteiausschuß glaube, dem Herrn
Obkircher wegen dessen größerer Vertrautheit mit den Ver-
hältnissen des Bezirks den Vorzug geben zu sollen. Nach
Eröffnung der Diskussion gab eine Reihe von Rednern
ihre lebhafte Zustimmung zu dem Vorschläge des Herrn
Vorsitzenden zu erkennen. Von zwei Herren wurde die
Kandidatur des Herrn Schuh befürwortet, während der
von einem Redner angeregte Gedanke, dem Herrn Bürger-
meister Witter in Haßmersheim die Kandidatur anzutragen,
nicht weiter verfolgt wurde, da Herr Witter bat, von
seiner Person abzusehen. Die hierauf vorgenommene Ab-
stimmung ergab eine überwältigende Mehrheit für Herrn
Obkircher, womit die Kandidaturfrage zu Gunsten dieses
Herrn entschieden ist. Es wurde auch der Wunsch aus-
gesprochen, daß sich Herr Obkircher in der nächsten Zeit
den Wahlmännern persönlich vorstellen möchte. Nachdem
der Vorsitzende noch die Anhänger der Kandidatur Schuh
ersucht hatte, sich im Interesse der Sache zur Verhütung
unheilvoller Spaltungen dem Votum der Mehrheit unter-
zuordnen, schloß er mit einem warmen Appell an die Er-
schienenen zum einmüthigen und energischen Eintreten für
den Kandidaten der Partei die Versammlung.
— Weinheim, 17. Oct. Gestern fand dahter eine öffent-
liche Volksversammlung des Sozialdemokratischen Ver-
eins statt, in welcher Frau Steinbach aus Hamburg über „die
Reaktion, oder die Feinde der Arbeit an der Arbeit" sprach. Die Ver-
sammlung wurde, wie die beiden vorhergehenden, aufgelöst. Schon
in den einleitenden Worten erklärte die Sprecherin, daß man von
ihr keine schönen Worte zu erwarten habe. Sie ging dann auch
gehörig in's Zeug, wohl alles in der Absicht, das gute Verhält-
niß zwischen den hiesigen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu
stören. Die ganze Rede strotzte von Aufreizung gegen Gesetz
und Ordnung und führte zur Auflösung. Auch hierbei erlaubte
sich die Sprecherin mancherlei ungebührliche Aeußerungen, und
nur dem taktvollen Benehmen der Aufsichtsbehörden ist es zu
danken, daß Ausschreitungen vermieden wurden. Anwesend mögen
gegen 300 Männer und 15—20 Frauen gewesen sein.
L. N. Furt Wangen, 17. Oct. Seit dem 15. ds. erscheint
hier eine neue Zeitung unter dem Namen Furtwanger Nach-
richten. Dieselbe wird als Organ der CenrrumsPartei fungiren.
Preußen. Bei Gerichten, die der Hilfsr ichter bedürftig
erscheinen oder, was richtiger ist, der Stellenvermehrung,
finden gegenwärtig eigenartige Umfragen statt, die man
nicht mit Unrecht auf eine vom Finanzminister gegebene
Anregung ungewöhnlicher Art zurückführt. Es ist nämlich
allen Richtern des betreffenden Gerichts die Frage zur
dienstlichen Beantwortung vorgelegt worden, wieviel Ar-

Nur frisch gewagt.
Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinkelberg.
(Fortsetzung.)
»Im Begriff, mich aus der schmutzigen Umarmung wieder
» .befreien, erblickte ich jetzt wenige Schritte vor mir die
on?tenlctterne einer Equipage, welche voraussichtlich die Ver-
JMsung dem plötzlichen Scheuen meines Pferdes ge-
<>eien mar, und von diesem Wagen her hörte ich eine feine
und eine rauhe Männerstimme. „Um s Himmels-
Men!" ließ sich die erste Stimme vernehmen, „die Reiter
L^den doch nicht gefährlich gestürzt und verletzt sein? Sehen
mst doch schnell nach, Fritz; ich ängstige mich sehr; denn beide
rde sehe ich führer- und reiterlos!" — „Au weh, au weh,
.u Weh!" hörte ich jetzt meinen Reitknecht stöhnen, „das war !
verwünscht harter Schlag! — Wo mag aber nur mein «
igfifiueister geblieben sein?" — „Hier! mein Jungchen!' rief
ci^., m Suchenden entgegen, der bald darauf hinkend und
vor mir stand- Mein Philipp hat nun die prächtige
ß-, Mhnheit, seinen guten Humor nur selten zu verlieren und
einen Sturz mit dem Pferde, wenn er nicht gerade ei-
bat .VVcn- oder einen Arm- oder einen Beinbruch erlitten
Lh uicht lange zu jammern oder zu stöhnen. Selbst die
scsAMrzen, welche ihm bei dem ebengehabten Sturze ein An-
gatz Ken des Kopses an eine alte Weide verursacht hatte, ver-
wei M«' als er bemerkte, wie ich im Straßenschmutze einge-
hlj!sdi worden war. „Alle Wetter," rief er, bei meinem Än-
da k,« m subordinalionSwidriges Lachen unterdrückend,
ich „doch noch besser fortgekommen, als Sie, Herr
ck Rittmeister?" hörte ich jetzt leise eine frische Mäd-
Dnsinnerhalb des Wagens fragen, „Herr Rittmeister?
z-!?.,ware doch zu köstlich, wenn — das-" Die weiteren
vbn» verschlang ein leises Lachen. Rasch entschlossen und
-weitere Rücksichtnahme auf meine gerade nicht sehr
vg^Mme Toilette schritt ich auf den Wagen zu, trat dicht
l vie Thür hin und schaute mit der strammen Meldung:

„Vollständig gesund, meine Gnädigste!" durch das geöffnete
Fenster in das Innere des Wagens hinein. So viel ich in
dem Dunkel erkennen konnte, saß eine einzelne Dame darin,
aber vergebens strengte ich die Sehnerven meiner Auaen an,
um in Erfahrung zu bringen, wer die Besitzerin des Wagens
sein könne, ob jung oder alt. hübsch oder häßlich. Nach mei-
ner Meldung entspann sich in schneller Folge nachstehendes
Zwiegespräch unter uns. „Empfangen Sie meinen Glück-
wunsch, Herr Rittmeister, daß die große Gefahr so schonend
an Ihnen vorübergegangen ist, und mein Bedauern, daß ich
die unschuldige Ursache zu Ihrem Unglücksfalle war." —
„Herzlichsten Dank, meine Gnädigste, für Ihre Theilnahme
und für Ihre Liebenswürdigkeit, ich möchte-" — „Keine
lange Unterredung, Herr Rittmeister, wenn ich in Ihrem
eigenen Interesse bitten darff; denn, irre ich nicht, haben Sie
wenig Zeit zu verlieren, wenn Sie noch rechtzeitig an Ihrem
Ziele eintreffen wollen!" — „An welchem Ziele?" — „Ich
habe doch das Vergnügen, den Herrn Rittmeister — ?" —
„Mein Name ist v. Rabenau l" — „Wirklich? Ach, das ist ja
prächtig, köstlich!" Und die junge Schöne — ich möchte da-
rauf wetten, daß die Dame dies war — begleitete diesen Aus-
ruf wiederum mit einem frischen übermüthtgen Lachen. „Ver-
zeihen Sie, Herr Rittmeister, meine Ungezogenheit," bat sie
dann, „aber daß gerade Sie, der heute als einer der gefeiert-
sten Helden sehnsüchtigen Herzens von so viel braven Männern
und so viel schönen Damen-" —
„Wozu dieser Spott?" warf ich ärgerlich dazwischen, doch
sie fuhr, dadurch unbehelligt und mit ironischer Bedeutung
fort: von so viel schönen Damen erwartet wird, jetzt in
dieser bemitleidenswerthen Gestalt vor mir auf der Landstraße
steht, das ist doch ein gar zu komischer und neckischer Zufall.
Doch, Herr Rittmeister, ich will, gleichgültig, ob Sie es ver-
dienen oder nicht — denn auf das Gerede der Menschen gebe
ich wenig, und oft sind das die besten Menschen, von denen
am wenigsten geredet wird —, für diesen Abend Ihre gütige
Fee sein. In zehn Minuten steht Ihnen zur Weiterreise
mein Wagen zur Verfügung. Vorwärts, Fritz! Leben Sie
wohl, Herr v. Rabenau, grüßen Sie Ihre neue Garnison

und denken Sie bei Ihrem glorreichen Einzuge an — an —
nun an die Morgenröthe!"
„Die Pferde zogen an, der Wagen rollte davon, ich stand
mit meinem armen Philipp und den zitternden Pferden wieder
allein auf der Landstraße."
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
— Karl Neufelds Ankunft in Kairo schildert ein
Augenzeuge in der Deutschen Kolontalzeitung wie folgt: Sonn-
tag, am 25. September, kam Neufeld, von einem Dragoman
vom Ministerium begleitet, in Kairo an. Ich war mit einigen
Freunden nach Tisch beim Mokka noch im Gespräch im Deutschen
Hotel von August Gorff, als ich zufällig zum Fenster hinaussah
und zwei Wagen vor dem Hotel hielten, denen der Dragoman
und ein wüst aussehender, sonnverbrannter Mann in staub-
schmutzigem Leiuenkittel und einige Schwarze entstiegen. Mein
Gedanke war gleich: das muß Neufeld sein; „das ist ja Neu-
feld"! rief ich meinen beiden Bekannten zu. Er war es auch.
Wir holten ihn herauf, begrüßten ihn und nahmen ihn gut auf.
Das Erste war, ein Bad nehmen. Zehn Tage hatte er mit
kurzer Unterbrechung in Assuan, wo er seine früheren Geschäfte
hatte, bis Kairo gebraucht. In direkter Fahrt, wenn alles paßt,
kann man die Reise bereits in vier Tagen machen. Wir ver-
sorgten ihn mit frischer Wäsche aus meinem Koffer und equi-
pirten ihn mit einem neuen Anzug, was das Nöthigste war.
Dann hatte er einen guten Appetit. Er hatte sich ja durch seinen
Aufenthalt im englischen Lager bei Omdurman bereits wieder
an civilisirtes Essen gewöhnt, trinkt aber keinen Tropfen Alkohol
bis jetzt. Rührend war die Begrüßung des Wirthes August
Gorff mit ihm. Beiden standen die Thränen in den Augen.
Sie hatten noch Abschied gefeiert damals im März 1887, worauf
nach 14 Tagen die Nachricht von seiner Gefangennahme nach
Kairo kam. Das Deutschsprechen wurde ihm schwer am ersten
Tage, da er auch natürlich sehr aufgeregt war und wir sprachen
daher meist arabisch. In den nächsten Tagen ging es schon
besser mit dem Deutschreden.
 
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