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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Ar. NI. Erstes Klatt. Lsmslas, den 19. Mmmbtt

1898.

Politische Umschau.
Heidelberg, 19. November.
Eine Petersburger Zuschrift der Pol. Corres».
, s^vnt, die Guildhallrede Lord Salisburys habe
w Rußland insofern sehr angenehm berührt, als ihr Grund-
lo« vjxl friedlicher war, als man erwartet hatte, sowie
aus dem Grunde, weil Salisbury die Pläne, wie sie ihm
von der öffentlichen Meinung zugeschricben werden, in Ab-
rede stellt. Diese Haltung werde jedoch dadurch sehr ab-
Seschwächt, daß man den Hinweis auf die angeblich Eng-
iand drohenden Gefahren, mir denen Salisbury die ge-
waltigen Scerüstungen Englands zu begründen
suchte, nicht begründet finde. Man vcrmuthet, daß Eng-
end gerüstet sein wolle, um im Nothfallc in China eine
Schutz Politik zu befolgen, die sich gegen Rußland und
Frankreich richten werde. Ferner hege man den Verdacht,
daß England die Vereinigten Staaten gegen Zu-
sicherung eines Antheils an der Beute bei der Aneignung
der Philippinen unterstützen wolle. Keine dieser bei-
den Möglichkeiten wäre dem Frieden zuträglich, und
Wan sei in allen politischen Kreisen Rußlands der Ansicht,
daß, in allem betrachtet, die englische Aktion besonders in
Sstasien mit großer Wachsamkeit verfolgt werden müßte. —
Aste man aus Vorstehendem sieht, herrscht in Rußland ein
gesundes Mißtrauen gegen England. Die Rede Salis-
durys hat dasselbe nicht beschwichtigt, die beiden Reden
Chamberlains aber, über die ein russisches Urtheil noch
ujcht vorliegt, werden es von Neuem lebhaft anfachen.
Die Londoner Times spricht in einem Leitartikel ihre
^enugthuung über die in der deutschen Presse
erschienene Anerkennung aus, daß der Gedanke Eham-
derlaius etwas für sich habe und daß trotz der Neben-
duhlerschaft im Handel die fundamentalen Interessen sowie
^e Gleichheit der Ziele England und Deutsch-
land in^ der großen Bewegung Seite an Seite finden
Wüten. England habe keine ständigen Streitfragen mit
Deutschland, und es liege kein Grund vor, weshalb die
Interessen beider Länder in Europa zusammenstoßen sollten.
Auf kolonialem Gebiete könne sich England nicht über eine
Politik der Nadelstiche seitens Deutschlands beklagen, dessen
Politik überall auf die legitime Verfolgung solider Inter-
nen positiver und offenbarer begründet war, als die
Frankreichs. England habe hinsichtlich Deutschlands keinen
Wunsch auf irgend einen Austausch von Diensten, wohl
ober auf mannhafte Freundschaft (!), gegründet
Mf gegenseitige Achtung und die Entwicklung, die sich auf
oer dj^ch pst gegenseitigen Interessen und die Gemeinsam-
keit der Ziele vorgeschriebenen Linie bewege. In China
habe das englisch-deutsche Zusammenwirken bereits einen
.^friedigenden Anfang in der Handels- und finanziellen
Dhätigkeit bedeutender deutscher und englischer Firmen ge-
wacht. — So die Times. Hoffentlich werden die Aus-
kahrungen des Londoner Blattes in Deutschland die
vich ti g e Beachtung und die rich ti ge Würdigung finden,
^kan würde in England nichts lieber scheu, als daß
Deutschland sich an England ketten ließe. Mit Sirenen-
a'.wme lockt die Times dazu und es ist zu vermuthen,
vaß auch die englische Regierung sich in allen Angelegen-
heiten, die in letzter Zeit zwischen Deutschland und Eng-
wad zu verhandeln waren, charmant und von liebens-
würdigem Entgegenkommen gezeigt hat. Deutschland wird in-
dessen hoffentlich nie vergessen, daß England im Innern das
Weitere Emporkommen Deutschlands nicht wünscht, daß
shw schon dje jetzige Stellung Deutschlands unangenehm
'Ü, und daß Deutschland seine diplomatische und politische
Position leichtsinnig gefährden würde, wenn es sich dem

* DaS Nomanfeuilleton findet der Leser im heutigen
Seiten Blatt.

Stadttheater.
O Heidelberg, 19. November.
. »College Crampto n", Komödie in 5 Akten von Gerhart
Hauptmann.
Gelegentlich der Ankündigung des Stückes machte die Direk-
fi°n bekannt, daß junge Damen der Vorstellung ohne Skrupel
kfiwohnen könnten. Das ist eines jener kleinen Symptome,
A ungemein bezeichnend sind für unsere modernen Literatur- und
-i-heaterverhältnisse. Die jungen Damen, oder besser gesagt die
höheren Töchter" sind im Theaterpublikum der Provinz zu einer
Aoßmacht geworden, die die Zügel des Repertoirs in den
Müden hat. Wir unterlassen es aus mancherlei Gründen, mit
Oer Großmacht in eine Fehde einzutreten, können uns aber
Mi versagen, zu bemerken, daß sich das Prinzip auf die Dauer
-Aw aufrecht erhalten lassen wird. Es ist bekannt, in welchem
jfi.uemma sich die Theaterdirektionen der mittleren Städte allzu-
aaufig befinden: Da melden die auswärtigen Blätter von einer
farnatischcn Novität, die einen ungeheuren Eindruck erzielt hat,
ernsthafte Kritik ist einig in der Hervorhebung ihres hohen
Fwtlerischcn Werthes, aber wir müssen sie uns versagen, weil
.A Stück für junge Damen nicht passend sein soll. Denn: ein
-wpilerisches Werk, sei es nun Drama, Roman oder sonst etwas,
L,8Ut, wenn es eine höhere Tochter sehen bezw. lesen kann,
AAchr, wenn es nicht für sie paßt; — mit dieser ästhetischen
A'chhchnur kommen gewisse Leute ihr ganzes Leben lang aus.
MK aber ein solches Prinzip dem Spielplan zum Vortheil
a m?' könnte nur ein großer Optimist behaupten, und dies ist
ach einer der Hauptgründe, warum die hiesigen akademischen
unserer Bühne nicht das Interesse zuwenden, wie es die
Alle künstlerische Arbeit, die an ihr geleistet wird, verdiente.
AOf Kreise wünschen mit der Literaturbewegung unserer Tage
lws Bühne in eine nähere Fühlung gebracht zu werden, als
-sw bisher geschehen ist. Gerade der ffchch Naturalismus ist aber
der Entwicklung unserer Kunst von so eminenter Bedeutung,

„Gedanken Chamberlains" zugänglich zeigte, der daraus
hinzielt, Deutschland von Rußland zu trennen und zum
Schildknappen Englands zu machen.

Deutsches Reich
— Das Kaiser paar ist am Freitag Nachmittag
2 Uhr in Messina eingetroffen. Das Begleitschiff der
Hohcnzollern, die Hertha, ist von Malta westlich weitec-
gedampft und mit dem Gefolge des Kaisers am Freitag
in Genua eingetroffen. Das Kaiser paar wird am
nächsten Dienstag auf der Durchreise nach Berlin in
Baden-Baden zum Besuch der Großherzoglichen Herr-
schaften erwartet.
Aus der Karlsruher Zeitung-
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Bezirksarzt a. D. Medizinalrath Severin Herrmann in Wolfach
das Ritterkreuz erster Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen,
dem Güteraufseher und Stiftsdiener August Bender in Sins-
heim die kleine goldene Verdienstmedaille, dem Flügeladjutanten
Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Sachsen Ritt-
meister Grafen von Bylandt, Baron zu Rheydt, das Ritter-
kreuz des Ordens Berthold des Ersten verliehen; die ordentlichen
Mitglieder der Badischen Historischen Kommission Geistlichen Rath
Prof. Dr. König in Freiburg und Prof. Dr. Eduard Heyck
in München auf ihr Ansuchen ihrer Stellung als ordentliche Mit-
glieder der Kommission enthoben, den Bezirksarzt Dr. Ernst Kürz
in Wolfach in gleicher Eigenschaft und uuter Ernennung zum
Kreisoberhebarzt für die Kreise Willingen und Konstanz, sowie
zum Vorstand der Hebammenschule in Donaueschingen nach Donau-
eschingen versetzt, den Freiherrn Ernst August von Göler in
Sulzfeld für die Dauer der Jahre 1898—1902 zum stellvertretenden
Präsidenten des Landwirthschaftsraths ernannt.
— Genmß Z 2 der landesherrlichen Verordnung vom L6. Dec.
1891 hat das Ministerium des Innern mit Erlaß vom 10. Nov.
1898 Seine Durchlaucht den Prinzen Alfred zu Löwenstei n auf
Schloß Langenzell und Hofapotheker Kirsner in Donaueschingen
zu Mitgliedern des Landwirthschaftsrathes für die Jahre 1898
bis 190 l ernannt.
— Reallehrer Adolf Sette le an der Höheren Bürgerschule
in Breisach wurde in gleicher Eigenschaft an die Höhere Bürger-
schule in Gernsbach versetzt und dem Realschulkandidaten Heinrich
Fint er an letzterer Anstalt die etatmäßige Amtsstelle eines
Reallehrers an der Höheren Bürgerschule in Breisach übertragen.
Revisionsgeometer Karl Jung wurde zum Vermessungsrevisor
bei Großh. Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaues ernannt.
Karlsruhe, 18. Nov. Der Großherzog und
die Großherzogin trafen heute früh 8 Uhr 45 Min.
auö Schloß Baden hier ein. Von 10 Uhr an meldete
sich eine Anzahl Offiziere, darunter Haupimann v. Wald-
heim, Kompagniechef im 2. Bad. Grcnadierregimeut Kaiser
Wilhelm I. Nr. 110, bisher im Kadettenhaus Plön,
Secondelieutcnant Kehrer im 2. Bad. Grenad.-Regiment
Kaiser Wilhelm l. Nr. 110. Hiernach ertheilte Se. Kgl.
Hoheit einer Anzahl Personen Audienz, darunter dem
Kammerherrn Oberamtsrichter Frhrn. v. Laroche-Starken-
fels in Heidelberg, dem außerordentlichen Professor Dr.
Grötzmacher an der Universität Heidelberg und dem Tele-
graphendirektor Gcißinger in Heidelberg. Nachmittags von
2 Uhr an hörte Se. Königl. Hoheit Vorträge. Die Rück-
kehr der höchsten Herrschaften nach Schloß Baden wird
am späteren Abend erfolgen.

m u s k a n s.
Frankreich. Paris, 18. Novbr. Der Minister für
die Colonien erhielt ein Telegramm des Gouverrteurs von
Guyana mit der Meldung, daß die Entscheidung der
Strafkammer des Cassationshofes Dreyfus mitgetheilt
worden sei. Tas Telegramm erwähnt keines Zwischen-
falles.
Paris, 18. November. Die Verfügung des
C as s a t i o nS h o f es vom Montag enthält nicht nur die
Aufforderung, Dreyfus sofort von der Genehmigung

, daß die hervorragenden Schöpfungen auf diesem Gebiete von
einer vornehmen Bühne unmöglich umgangen werden können.
Der vorgestrige Abend war daher in vieler Beziehung sehr
bedeutungsvoll. Er zeigte uns zunächst einmal die Angehörigen
der Hochschule — Lehrer und Schüler — in ungewohnt großer
Anzahl im Zuschauerraum, und sie werden die Ueberzeugung mit-
genommen haben, daß unserer Bühne vorzügliche Kräfte zur Auf-
führung der modernen Literaturerzeugnisse zu Gebote stehen und
sie eines Gastes dazu nicht einmal bedarf. Im Gegentheil, es
ist rathsam, gerade solche Werke nicht mit einem Gastspiel in
Verbindung zu bringen, weil Gäste selten die Zeit und die Nei-
gung haben, die Anzahl von Proben mitzumachen, die die Eigen-
art dieses Genres erfordert. Vollends ist davon abzurathen,
wenn der Gast, wie im vorliegenden Falle, lediglich durch die
außerordentliche Dankbarkeit seiner Rolle, nicht aber durch sein
elementares Können die engagirten Mitglieder überragt. — Dann
wird der Abend dem Publikum gezeigt haben, daß auch von den
Modernsten der Modernen Schöpfungen produzirt werden, die
auch das prüdeste Empfinden nicht verletzen können; und es wird
dem Gedanken nahe kommen, daß ein Künstler, wie Hauptmann,
selbst wenn er in anderen Dramen gewagte Themata aufwirft,
mit bequemen Schlagworten wie „Wühlen im Schmutz", „Freude
am Gemeinen" u. s. w. nicht abgethan werden kann.
Halblaute Bemerkungen von Seiten seiner lieben Nachbarn
während des Spieles zu vernehmen, pflegt man ja im All-
gemeinen nicht als eine Erhöhung des Kunstgenusses anzusehcn.
Wir müssen aber gestehen, daß wir uns vorgestern Abend ge-
wissermaßen darüber freuten, in unserer Nähe fortwährend
Aeußerungen, wie „wie wahr!" — „ja, das kommt vor!" und
Aehnliches zu vernehmen.
Ja, es kommt vor, daß eine geniale Künstlernatur, wie der
Maler Crampton, sich durch den Trunk, den Erbfehler der Deut-
schen, zu Grunde richtet. Wir lernen ihn in einem schon vor-
gerückten Stadium kennen; wie wir ihn beim Anfgehen des Vor-
Hangs auf seinem Divan erwachen sehen, ist er in dec uuau-
> genehmen Lage, nicht zu wissen, ob es Morgen oder Abend ist.
>, Daß ein solcher Mann als Lehrer an einer Kunstakademie sich
bald unmöglich machen muß, ist einleuchtend, ebenso, daß er

des Revifionsgesuchs in Kenntniß zu setzen, sondern be-
stimmt auch, daß dem Verbannten der Brief mitgetheilt
werde, in dem der Justizminister Sarrien dem General-
staatsanwalt die Weisung gab, das Revisionsverfahren
einzuleiten, sowie die Rede, die der Generalstaatsanwalt
Manau vor dem Cassationshof hielt und in der er die
Revision eingehend begründete. Auf Grund dieser beiden
Schriftstücke soll Dreyfus eine Denkschrift verfassen, in der
er die Gründe seiner Verteidigung darzulegen hat. Diese
Schriftstücke werden erst mit der nächsten Poft nach Guyana
abgehen. Wegen ihres Umfanges mußte man auf die
telegraphische Uebermitteluug verzichten.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 19. November.
X Gewerbegerichtssttzung vom 4. Nov. Gegenwärtig Bürger-
meister Dr. Walz als Vorsitzender, Schreinermeister Wilhelm
Clormann und Schreiner Christian Rohrer als Beisitzer und
Sekretär Dürr als Gerichtsschreiber. 1. I. S. des Taglöhners
Heinrich Groß dahier gegen Gypsermeister Joseph Bester wegen
Zahlung von 8 Mk. 28 Pfg. Lohn wurde der Kläger mit der
erhobenen Klage abgewiesen. 2. Desgleichen i. S. des Schlosser-
gesellen Eduard Saas gegen Tchlossermeister Wilhelm Kinzinger
dahier wegen Zahlung der gesetzlichen Entschädigung von 13 Mk.
20 Pfg. infolge kündigungsloser Entlassung. 4. I. S. des
Bäckergesellen Wilhelm Müller gegen Bäckermeister Heinrich
Müller wegen Zahlung von 10 Mk. 80 Pf. Lohn einigten sich
die Parteien dahin, daß der Beklagte 6 Mk. an den Kläger zahlt
und Letzterer auf seine Mehrfordsrung verzichtet. 4. Schreiner-
geselle Johann Georg Krämer klagte gegen Schreinermeister
Ludwig Daub dahier auf Zahlung von 7 Mk. 64 Pfg. Lohn.
Die Parteien einigten sich dahin, daß Kläger seinen Lohn erhält
und die Arbeit bei dem Beklagten fortsetzt. 5. I. S. der ledigen
Kellnerin Frieda Feierabend gegen Wirth Wendelin Speck zum
Schrödels Bierkeller wurde auf Ausbleiben des Beklagten im
Termin das Arbeitsverhältniß für aufgelöst erklärt. Ohne Zu-
zug von Beisitzern wurde noch erledigt: 6. Die Klage des
Küchenmäüchens Anna Pfister gegen Wirth Georg Kühner dahier
wegen Auflösung des Dienstverhältnisses bezw. Herausgabe des
zurückbehalteuen Koffers. Der Beklagte entsprach diesem Antrag,
nachdem die Klägerin sich zur Zahlung einer Entschädigung von
3 Mark wegen Verlassens der Arbeit ohne gesetzlichen Grund be-
reit erklärt hatte.
8 Zm Kaufmännischen Verein findet morgen (Sonntag)
Abend eine der beliebten Rccitationen statt und zwar ist diesmal
die kgl. Hofschauspielerin Frau A. Baison-Hofmann aus
Berlin gewonnen, welche die herrliche Dichtung von Julius
Wolff „Lurlei" zum Vortrag bringen wird. Der Dame geht der
Ruf einer ganz hervorragenden Künstlerin voraus. So schreibt
der Schwübiichc Merkur über eins im September in Baden-
Baden veranstaltete Recitation: „Frau Auguste Baison gab hier
ihre weltberühmte „Lurlei" im Konversationshaus und ein
glänzendes, internationales Publikum, unter demselben viele
Fürstlickkc'ten, hatte sich versammelt, welches der gefeierten
Künstlerin Staunen, Bewunderung und endlosen Beifall spendete
und man war sich einig, daß überhaupt eine derartige phäno-
menale Leistung einzig in ihrer Art ist." Es steht somit ein ge-
nußreicher Abend zu erwarten und wir möchten nicht versäumen,
darauf aufmerksam zu machen, daß laut Anzeige in der
heutigen Nummer auch Nichtmitglieder Zutritt zu dem Vortrag
haben.
X Von den Kreiswahlen. An den in voriger Woche im
hiesigen Amtsbezirk abgehaltenen Wahlen von Wahlmännern für
die Wahl der Abgeordneten zur Kreisversammlung haben sich in
den zum II. Wahlbezirk (Schönau) gehörigen Gemeinden von
1222 Wahlberechtigten 10,23 Prozent, im III. Wahlbezirk (Kirch-
heim) von 2019 Wahlberechtigten 3,37 Prozent, im IV. Wahl-
bezirk ('Neckargemünd) von 1599 Wahlberechtigten 8,82 Prozent,
im V. Wahlbezirk (Leimen) von 1811 Wahlberechtigten 11,76
Prozent und im VII. Wahlbezirk (Meckesheim) von 1432 Wahl-
berechtigten 8,03 Prozent, im Ganzen von 8083 Wahlberechtigten
8,32 Prozent betheiligt. Im I. und VI. Wahlbezirk war im
laufenden Jahre nicht zu wählen.
Freireligiöse Gemeinde. Bezüglich des Predigers der
freireligiösen Gemeinde Mainz, Herrn Ascauius Freiherrn von
Zucco-Cuccagna, der anläßlich des Verbandstages der deutsch-
tatholischen und freireligiösen Gemeinden Sllddeutschlands Sonn-
tag, den 20. November, Vormittags 10 Uhr im großen Harmonie-
saale über „Religion und Kirchenthum" sprechen wird, wird
mitgetheilt, daß derselbe bis vor Kurzem katholischer Priester

sich die Protektion seines Hohen Gönners, des Herzogs, ver-
schlagen wird. Beides trifft dann auch ein: er wird seines
Amtes enthoben, nachdem ihn Serenissimus bei einem Be-
such der Akademie ostentativ ignorirt hat. So sehen wir denn
den Mann einen tiefen Fall thun; er verschwindet vollständig
von der Bildfläche und nur wenige Leute wissen, daß der be-
rühmte Professor, der ehemals eine der elegantesten Wohnungen
der Stadt hatte, in einem „möblirten Zimmer" haust, das er sich
in einer ordinären Kneipe gemiethet hat. Alles hat ihn ver-
lassen, seine gefühllose Frau, seine Collegen, seine Freunde, nur
sein prächtiges Töchterchen, ein einziger seiner Schüler und sein
urdrolliges Faktotum Löffler halten trotz Allem zu ihm. Und
diesen drei guten Menschen gelingt dann schließlich das schwere
Rettuugswerk. Der Schüler liebt die Tochter des verehrten
Meisters und da er wohlhabend ist, hat er die Macht, den Vater
wieder in die Höhe zu richten.
Man sieht, die Fabel ist so dürftig wie nur etwas; aber die
feine Stim aungs- und Seelenmalerei macht das Stück fesselnder
als manche andere Schauspiele, in denen die merkwürdigste Hand-
lung entrollt wird. Der Zuschauer erlebt Scene für Scene mit,
er vergißt, daß er im Theater sitzt. Diesen Professor Crampton
glauben wir schon Jahre lang zu kennen, trotz seiner Verirrung
nimmt uns sein goldenes Herz und sein echter Künstlergeist ge-
fangen, und wir verzeihen ihm auch sein oft zur Unzeit hervor-
brechendes großes Selbstbewußtsein. Wenn die anderen Figuren
auch nicht mit derselben Genialität entworfen sind, so ist doch
keine unter ihnen, die nicht durch echte Lebensfrische uns sym-
pathisch anmuthete.
Es wird sich kaum eine zweite Nolle in der modernen Bühnen-
literatur vorfinden, die eine dankbarere schauspielerische Aufgabe
böte, als die Titelrolle. Daß Herr Brehm, der ein sehr routi-
nirter Schauspieler ist, großen Beifall mit ihr ernten mußte, war
vorauszusehen. Nur verließ ihn gerade an bedeutsamen Stellen
ost die Natürlichkeit und er mußte seine Zuflucht zu mittelmäßigen
Liebhabertöueu nehmen. Die rührende Kindesliebe der Gertrud
zu ihrem versinkenden Vater brachte Frl. Heinrich vortrefflich
zum Ausdruck, wenn sie auch hie und da den Klang der hohen
Tragödie streifte. Für Rollen, die seiner Individualität ent-
 
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