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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0465

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Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.
Preis
lnit Familienblättern
. Imonatlich SV Pf.
ltei in's Haus gebracht.
"sch die Post bezogen
, i^erteljährl. 1.25
'^schließlich Zustellgebühr.
^»Hon-Anschluß Nr. 82.

Sir. 257

HÄklbklAkr Aitiliig.

Insertionsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzerie oder deren Raum
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulm.
Telephon-Anschluß Mr. 82.

DomlttMg, de» 3. November

1898.

Bestellungen
°uf die Heidelberger Zeitung für die Monate November
Und Dccember werden bei allen Postanstalten, den Brief-
egern, den Agenten, bei den Trägern in der Stadt,
wivie in der Expedition, Untere Neckarstraße Nr. 21,
mtwährend angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für die Monate November
""d December, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfg., mit
Zustellgebühr Mk. 1.14.

Die Faschoda-Angelegenheit.
. Nach einem Telegramm der Köln. Zlg. wird in Lon-
"l>n die Lage in den letzten Tagen in allen wirklich unter-
achteten Kreisen sehr ernst aufgefaßt, in den am besten
"verrichteten Kreisen am ernstesten; das gelte auch von den
wnanz- und Geschäftskreisen, wo allerdings die Mehrzahl
"^her eine Abneigung gegen eine pessimistische Auffassung
Mundete. Man kann, so heißt es in dem telegraphische«
^imrnungsbericht, nicht von Kriegslust auf englischer Seite
?°en, allein von Unten bis oben und in allen Parteien
Mehr eine Art verbissener Entschlossenheit darü-
daß Frankreich nicht dafür entschädigt werden könne,
"'Zl es mit Vorbedacht unternommen habe, was diesseits
»r drei Jahren öffentlich als unfreundliche Handlung be-
Kichnet wurde. Es wäre eine Täuschung, die neuesten
Maßnahmen einfach als Säbelrasseln auffassen zu wollen,
jedenfalls liegt guter Grund für die Annahme vor, daß
französische Botschafter diese leichte Auffassung nicht
"eilt, sondern in den Mittheilungeu an seine Regierung die
Neuerlich straffere Haltung Salisburys betont, die nicht erst vom
Den Cabinetsrath, sondern von privaten Vorstellungen seiner
je>Üegen nach dem Erscheinen des französischen Gelbbuches
Diren soll. Unzweifelhaft wird der Premier von dem
larken Uebergewicht des Cabinets noch mehr geschoben als
Derstützt; die Ueberzeugung, daß das ganze Volk in dieser
Dgelegenheit hinter der Regierung steht, läßt keine schwach-
"^ige Nachgiebigkeit aufkommen. Man wird ungeduldig
""d erörtert in den Blättern die Nothwendigkeit, ins Klare
kommen und keine dilatorische Behandlung von drüben
Munehmen und verficht in dec Times und im Daily
^legrgph die Anschauung, Major Marchand dürfe nur
"»n die Erlaubniß erhalten, nach Fasch oda zurückzu-
Den, falls die Räumung zugesagt werde. Das ein-
M Beruhigende liegt gegenwärtig darin, daß England
^erlich den ersten Schlag führen wird. Allein die alten
^gensätze haben sich in den letzten Jahren, besonders aber
"sUerdings, so sehr verschärft, daß bei längerem Hinzieheu
kleiner Zufall die Explosion bringen
l°nnte.
j. Das neue französische Ministerium hat, wie gemeldet,
Faschoda-Angelegenheit erörtert und sich den Aus-
Mrungen des Ministers Delcasss über die weitere Haltung
Frankreichs in dieser Angelegenheit angeschlossen. Delcasss
D schon im letzten Kabinet Minister des Auswärtigen,
jr führte in der Faschoda-Sache eine nachdrückliche Sprache
°rgenüber England und gerade deshalb wurde er in das
Kabinet übernommen. Er steht auf dem Standpunkt,
D Frankreich durch die Besetzung Faschodas einen legi-
JNen Vortheil errungen hat. Er will die Besetzung nicht
"ker allen Umständen aufrecht erhalten, aber er will sie
M ohne Entschädigung aufgeben; er beansprucht, daß
Frankreich ein Zugang zum Nil gesichert werde. Es ist
"Mnehmen, daß seine Ausführungen bei der Minister-
Zafarnmenkunft sich auf diesem Boden bewegt haben,
seicht xr, angesichts der englischen Empfindlichkeit,

die Bereitwilligkeit, Faschoda unter Umständen zu räumen,
noch etwas stärker betont. Wenigstens bemerkt der Temps
zu der schroffen Haltung Englands: „Wir können kaum
glauben, daß nach den friedlichen Unterhandlungen über
die Faschoda-Angelegenheit eine verantwortliche Regierung
plötzlich die Unterhandlungen abbrcchen und eine brutale
Herausforderung an die Stelle freundschaftlicher Er-
örterungen setzen könne. Man muß eben Alles vorherschen
und sich auf Alles vorbereiteu. Jedermann weiß, daß
Frankreich keineswegs die Absicht hat, in
Faschoda sitzen zu bleiben, und ebenso, daß Frank-
reich auch den Fehler nicht begehen wird, wegen
Faschoda einen Krieg zu entfesseln." — Die Mehrzahl
der Pariser Blätter protestirt gegen die Idee einer Räumung
Faschodas, welche eine Erniedrigung für Frankreich wäre.
Andererseits erklärt Corncly im Figaro, es wäre Wahn-
sinn, Faschoda's wegen einen Weltkrieg anzufachen. Ein
Londoner Blatt, die Daily Graphic, erfährt aus angeblich
halbamtlicher Quelle, der nach Paris entsandte Begleiter
Marchands, Hauptmann Baratier, sei nach Kairo zurück-
gesandt mit dem Befehl an Marchand, nach Faschoda
zurückzukehren und sich nach dem oberen Ubanghi zurück-
zuziehen., Faschoda und fünf von den Franzosen er-
richtete Posten sollen geräumt werden. Verhandlungen
sollen auf Grund der von dem Botschafter Courcel unter-
breiteten Vorschläge eröffnet werden. Wenn Marchand
von dem Vormarsch der Armee des Khediven Kenntniß
gehabt hätte, heißt es im Daily Graphic weiter, wäre er
nicht so weit nach Osten vorgedrungen. Steht die Sache
so, wie die Daily Graphic erfährt, dann würde freilich
dieser französisch - englische Streitfall so gut wie bei-
gelegt sein.

Deutsches Reich.
— Nach Erwerbung der Dormition de la Samte
Vierge hat der Kaiser an den Papst nachstehendes
Telegramm gerichtet:
Ich bin glücklich, zur Kenntniß Eurer Heiligkeit bringen zu
können, daß ich, dank der wohlwollenden Vermittelung Sr. Maje-
stät des Sultans, der mir bereitwillig diesen Beweis persönlicher
Freundschaft gegeben hat, in Jerusalem das Dorluttiou de la
Sainte Vierge genannte Grundstück habe erwerben können. Ich
habe beschlossen, dieses durch so viele fromme Erinnerungen ge-
heiligte Grundstück meinen katholischen Unterthanen und insve-
sondere dem deutschen katholischen Verein vom heiligen Lande
zur Verfügung zu stellen. Er hat meinem Herzen wohlgethan,
bei diesem Anlaß zu bekunden, wie theuer mir die religiösen
Interessen der Katholiken sind, die die göttliche Vorsehung mir
anvertraut hat. Ich bitte Eure Heiligkeit, die Versicherung
meiner aufrichtigen Zuneigung entgegenzunchmen.
Der Papst hat hierauf telegraphisch Nachstehendes
erwidert:
Wir sind sehr gerührt durch das gütige Telegramm, das
Ew. Majestät an uns gerichtet haben, um Ihre Entschließung
zu unserer Kenntniß zu bringen, Ihren katholischen Unterthanen
das Dormition de la Sainte Vierge genannte Grundstück in
Jerusalem zu überweisen, das Ew. Majestät erworben haben.
Indem wir unsere lebhafte Geuugthuung bezeugen, sind wir ge-
wiß, daß die Katholiken dankerfüllt für Ew. Majestät sein wer-
den und gern verbinden wir unsere aufrichtigsten Danksagungen
mit denen dec Anderen.
— Wie aus Jerusalem ferner berichtet wird hat
der Kaiser beim Durchzug durch die Templerkolonie auf
Ansprache des Führers der deutschen Kolonie, Sander,
etwa Folgendes geantwortet:
Er freue sich, hier so viele Landsleute zu sehen und danke
für den guten Empfang, er freue sich ferner darüber, daß es die
Templer verstanden hätten, dem deutschen Namen in diesen
Ländern Achtung zu verschaffen und durch ihren Fleiß uud ihre
Frömmigkeit dem deutschen Namen Ehre gemacht haben. Der
Kaiser erwähnte auch, daß er dem König von Württemberg tele-
graphirt habe, daß seine Landsleute in Haifa und Jaffa sich i-s-

gutem Wohlsein befinden und habe auch von demselben eine
freundliche Antwort erhalten mit der Bitte, seine Landsleute zu
grüßen. Der Kaiser hoffe, daß auch in Zukunft die freundschaft-
lichen Beziehungen der Türkei und insbesondere die Freundschaft
zwischen ihm und dem Sultan dazu dienen werden, die Aufgabe
der deutschen Kolonie zu erleichtern. Wenn irgend Einer von
der Kolonie des kaiserlichen Schutzes bedürfe, so sei der Kaller
da, und Jeder könne sich an ihn wenden, welcher Konfession er
auch angehören möge, denn das Deutsche Reich sei im Stande,
den Angehörigen im Auslande Schutz zu gewähre».
Zu dem Abendfest beim Kaiserpaar am Montag waren
die Geistlichen und Johanniterritter eingeladen, die anläß-
lich der Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem einge-
troffen waren. Vor dem Zeltlager wurde ein Feuerwerk
abgebrannt, das der Sultan aus Konstantinopel abge-
schickt hatte. Bei dem Besuche des Oelbergs am Diens-
tag Vormittag verweilte das Kaiserpaar einige Zeit im
Garten des Franziskanerklosters, wo sie von dem deutschen
Pater Crcscentius umhergeführt wurden, der, ein geborener
Westphale, den Feldzug von 1870/71 bei den 8. Husaren
mitgemacht hatte. Den Garten von Gethsemane nahm
das Kaiserpaar eingehend in Augenschein. Nachmittags
beim Besuch des evangelischen syrischen Waisenhauses wurde
das Kaiserpaar von der Wittwe des Begründers Johann
Ludwig Schneller nebst seinen beiden Söhnen Ludwig und
Theodor empfangen. Der Kaiser und die Kaiserin besich-
tigten alle Räume der umfangreichen Anstalt und wohnten
dem Unterricht in verschiedenen Zweigen bei. Nach fast
zweistündigem Verweilen kehrte das Kaiserpaar nach dem
Zeltlager zurück. Am Montag Nachmittag im Anschluß
an die Besitzergreifung der Dormition hat das Kaiserpaar
auch das Grab Davids, eines der größten muselmänni-
schen Heiligthümer, besucht. Das Grab wurde dem Kaiser
und der Kaiserin auf ausdrücklichen Befehl des Sul-
tans gezeigt und ist bisher noch von keinem Nicht-
Muselman betreten worden. Der Imam hielt eine
Ansprache an den Kaiser, in der er diesen Umstand her-
vorhob und hinzufügte, daß dem deutschen Kaiser, dem
Freunde des Sultans, alle mohamedawschen Institute offen
ständen. Dieses Entgegenkommen des Sultans hat nicht
verfehlt, in Jerusalem überall großes Aufsehen zu erregen.
— Am Dienstag Nachmittag empfing der Kaiser u. A.
den Custoden der Terra Santa, Pater Aurelian, welcher
dem Kaiser eine aus Perlmutter angefertigte, kost-
bare Nachahmung des kaiserlichen Wappens, sowie Er-
innerungen an Bethlehem und den Oelberg überreichte. —
Am Dienstag war cs bei stärkerer Wolkenbildung und
Wind weniger heiß als die Tage vorher. Als das
Kaiserpaar die Muristancapelle besuchte, hielten die Ver-
treter fremder Kirchenregiemngen Ansprachen; die des
schwedischen Vertreters war besonders eindrucksvoll. Der
Vertreter Bayerns, Präsident des protestantischen Ober-
consistoriums v. Schneider, sprach im Namen aller deut-
schen Fürstenregierungen und hob ganz besonders hervor,
daß die Rede des Kaisers überall den freudigsten Wider-
hall finde. Ferner theilte er mir, daß die Gründung ei-
nes bayerischen archäologischen Institutes in Jerusalem
geplant sei, und erbat dafür huldvollst das Interesse des
Kaisers. Die Schweizer hatten eine Urkunde übersandt,
die von Rosst verlesen wurde und die warme Theilnahme
der evangelischen Schweiz an der Feier bekundete. Mitt-
woch früh besuchte das Kaiserpaar die aus dem Platze des alten
Tempels gelegene Omarmoschee und widmete ihr eine zwei-
stündige Besichtigung. Der Kaiser stattete dann dem la-
teinischen und griechischen Patriarchen Besuche ab, während
die Kaiserin das Kaiserswerther Diakonissenhaus und an-
dere Anstalten besichtigte. Mittwoch Nachmittag wollte das
Kaisecpaar die Mädchenanstalt Thalita Kumi und das ka-
tholische Hospiz besuchen. Das Kaiserpaar hat die Reise

Nur frisch gewagt.
8) Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinckelberg.
(Fortsetzung.)
pAls hjx Herren Oificiere an dem Kreuzungspunkte des
Mvtweges mit dem Nebenwege angekommen waren und in
tz/En einbogen, verließ plötzlich der verfolgte Fuchs die
jsMtze und jagte seitwärts durch die Baumreche hindurch,
bin einen kleinen Seitengraben hinweg, auf das freie Feld
„Halloh", riefen mehrere der verfolgenden Reiter
Trupp heraus, „wo will unser Fuchs denn hin?' —
i.D s freie Feld ?" - Nun dort werden wir ihn bald zu Tode
«DE — „Vorwärts!" - „Secks bis acht Herren rechts
' die anderen gerade aus!" — „Je mehr wir den
Flüael hinausschieben, desto leichter werden wir den
umfassen können!" —
" Reitertrupp löste sich auf, ein Theil sprengte den ge-
sieik » Weisungen gemäß nach rechts, ebenfalls auf das freie
Lj?' der andere behauptete die Straße, zog aber, um dem
Sein « Zurückreiten und Entwischen zu verlegen, ihre ein-
Reiter mehr auseinander, indem, unter Beibehaltung
„/Zeckten Galopps, zwei Herren auf der Straße vorauseilten
lüin - übrigen in größeren und kleinen Zwischenräumen
liin Duander blieben, so daß der linke Flügel der Cavalcade
Niib» »s. reckten Fühlung behalten sollte. Doch bald darauf
WanjZ dieses Manöver geändert werden, der verfolgte Fuchs
note sich wieder nach links und ritt über die Straße hin-
"yLuf die andere Seite des Feldes hinüber.
war durch diesen wiederholten Wechsel in der Rich-
ten- Entfernung zwischen den ersten auf der Straße
Her» Otficieren, dem Herrn Grafen v. Reuthern und dem
»ess- Vremierlieutenant v. Bülow einerseits und der Baro-
Wori» Stein und ihrem Diener andcrerseiis geringer ge-
r>na "der auch die Zahl der Verfolger hatte sich veringert
das Zersplittert, da mittlerweile der rechte Flügel weit über
im>DDe Feld hinaus ezogen war. Die Verfolgung neckend
° verhöhnend, schwang die Baronesse v. Stein ihre Reit-

gerte, wandte sich noch mehr nach links hinüber und eilte ei-
nem Gebüsche zu, welches ihr und ihrem Pferde wenigstens
für einige Minuten Erholung gewähren und ihre weiteren
Bewegungen den Blicken der Verfolger entziehen konnte.
Wohl trieben die Sporen und Reitgerten der Officiere
die Pferde zu noch größerer Eile an, die Herren, welche die
Straße innegehalten hatten, verließen diese ebenfalls und
jagten, bald einen weiten Bogen bildend, über die Stoppeln
dahin, um den Fuchs noch vor dem schützenden Gebüsche zu
erreichen, ihre Anstrengungen blieben jedoch erfolglos. Mit
langen Sprüngen setzte das edle Pferd der junaen Reiterin
die Flucht fort und verschwand etwa zwanzig Pferdelängen
vor dem ersten ihrer Verfolger, welcher infolge der letzten
Schwenkung der Rittmeister v. Senden geworden war, in
dem Gebüsche, in welches an dieser Stelle ein schmaler Feld-
weg einmündete. Der Diener der Baronesse, dessen Pferd
an Schnelligkeit und Gewandtheit dem der Herrin auf die
Dauer nicht gewachsen und seit wenigen Minuten zurück-
geblieben war, traf an der Einmündung des Weges mit dem
Verfolger zusammen und zwar derartig, daß beide Reiter im
wilden Jagen auf- und übereinander hingestürzt wären, hätte
der Rittmeister v. Senden nicht noch im letzten Augenblicke
sein Pferd zur Seite herumgeworfen. Durch diesen Umstand
trat für den Verfolger eine unangenehme Verzögerung ein,
die noch dadurch verlängert wurde, daß Herr v. Senden ei-
nige Zeit gebrauchte, sein scheu gewordenes Pferd wieder zu
beruhigen. Auch der Diener tummelte sein Pferd auf dem
engen Wege einige Minuten lang hin und her, anscheinend,
weil es ebenfalls scheu geworden war, in Wahrheit aber nur,
weil der Reiter es selbst beunruhigte, um die Straße noch
etwas länger versperrt zu halten und dadurch der Herrin
einen größeren Vorsprung zu verschaffen.
Jetzt batte auch der Herr Major die Stelle erreicht.
„Platz da!" rief er dem Diener zu und stürmte gegen ihn
an. Dieser, theils aus Subordinationsgefühl gegen den
Stabsoffizier, theils auch, weil er sehr gut wußte, daß der
Graf keinen Scherz verstände uud ihn, falls er nicht wiche,
rücksichtslos überreiten würde, führte sein Pferd zur Seite,

der Major sprengte an ihm vorbei, der Rittmeister v. Sen-
den nach, und danach folgten auch die übrigen Offiziere des
vormaligen linken Flügels, während die des rechten vor dem
Gebüsche in lang hingestreckker Linie eine Art Postenkette
bildeten, um den Fuchs beim Wiederausbrechen sofort in
Empfang zu nehmen.
Der Herr Oberst und der Herr Rittmeister v. Rabenau
waren der Hetzjagd mit großer Aufmerksamkeit gefolgt. Dem
Letzteren kostete es viel Ueberwindung, sich an ihr nicht zu
betheiligen, er wäre gar zu gerne der Hatz nach dem kühnen
und gewandten Fuchse gefolgt, doch hielt er, da er der Dar-
stellerin des Fuchses eine noch fremde Person war, die Be-
theiligung für unschicklich. Ihm entging aber keine Bewegung
der Reiterin und seine Augen leuchteten, als sie zum zweiten
Male den Verfolgern ein Schnippchen schlug und hinter dem
mit herbstlichen Blättern belaubten Gehölze Deckung fand.
„Gestatten Sie mir, Herr Oberst", wandte er sich an seinen
Kommandeur, „daß ich Ihnen über die Sicherheit und Ge-
wandtheit, mit welcher die Baronesse reitet, meine Bewunde-
rung ausspreche!" — „Danke schön", erwiderte der Oberst
freundlich, „ich freue mich selbst darüber. Oft freilich fürchte
ich auch für meinen kleinen Wildfaug; denn es kommen
Stunden, wo er es in seinem Uebermuthe gar zu toll treibt-
Sehen Sie, dort ist er schon wieder!"
Die Augen des Rittmeisters folgten dem Fingerzeige des
Kommandeurs und er erblickte, über dem hoch erhobenen
Kopse des Pferdes, das rosige Antlitz der kühnen Reiterin,
wie es vorsichtig aus dem dunklen Laube hervorlugte. Einige
fünfzig Schritte von ihr hielt allerdings einer der ausgestell-
ten Posten, sie schien diesen aber für ziemlich ungefährlich zu
halten gegenüber der größeren Gefahr, welche ihr von ihren
Verfolgern im Rücken drohte; denn nach kurzer Umschau
trieb sie ihr Pferd wieder zum Jagen an und ritt dicht an
dem Gehölze hinunter, um io auch der Postenkette zu ent-
gehen. Auf diesem Ritte erreichte die Baronesse ,v. Stein
bald die Hauptstraße und näherte sich dem Sammelplätze des
Regiments. Die Kräfte ihres Pferdes waren sichtlich erlahmt
und immer kürzer wurde der Zwischenraum zwischen der
 
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