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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0257

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günstigen Umstände einträten, imstande sein, ihre Durch-
führung mit genügender Gewalt den Regierungen und
Völkern aufzuerlegen. Mit anderen Worten: Kaiser Niko-
laus II. ist durchdrungen von den Nachtheilen, ja von den
Gefahren, welche das gegenwärtige System der Rüstungen
bis aufs Aeußerste in sich birgt, und hat, da er überall
nur vom Kriege sprechen hört, gegen dieses traurige Be-
streben reagiren gewollt, indem er aus unmittelbarstem
Antrieb einen Aufruf an die Billigkeit, an die Eintracht,
an die Klugheit selbst auf die Gefahr hin richtete» daß er
diesen Aufruf für den Augenblick wirkungslos sähe, in der
vollen Ueberzeugung, daß er für die Zukunft eine Saat
von wohlthätigster Wirkung ausstreue. Es wird versichert,
daß der Zar seit lauger Zeit schon bei sich die That er-
wogen habe, die er eben vollbracht, und daß er nur den
günstigen Augenblick für die Ausführung gesucht habe. Er
habe den jetzigen Moment als den richtigen zu erfassen
geglaubt, in welchem das Gewissen der civilisirten Völker
sich entrüstet zeigte über die neueste Anwendung des rohen
Princips, daß Macht vor Recht gehe, wie cs eben die Ver-
einigten Staaten Spanien haben fühlen lassen.
So die offiziöse russische Stimme in der Polit. Korre-
spondenz. Diese nähere Präzistrung der Absichten des
Zaren sieht einem Rückzug doch verzweifelt ähnlich.
Man ist also in Rußland selbst darauf gefaßt, daß eine
oder die andere Macht die Beschickung der Konferenz ab-
lehnt. Es ist wohl kein Fehlgriff, wenn man annimmt,
daß diese Aeußerung im Hinblick auf Frankreich erfolgt
ist, wo der Vorschlag des Zaren je länger je mehr mißfällt.
Vor einigen Tagen wurde sodann in den Blättern erzählt,
daß der Zar in dieser Frage mit dem deutschen Kaiser
Hand in Hand geht. Nun hat aber der Kaiser, wie gestern
mitgethcilt wurde, in dem Trinkspruch an der Porta West-
falica erklärt, daß der Schutz des Fliedens nur gewähr-
leistet wird durch ein schlagfertiges, kampfbereites Heer,
und seinen Wunsch dahin zusammenfaßte, Gott möge geben,
daß es uns immer möglich ist, mit dieser schneidigen, gut
erhaltenen Waffe für den Frieden der Welt zu sorgen.
In diesen mannhaften Worten des deutschen Kaisers darf
Rußland eine zwar indirekte, aber doch sehr deutliche Ant-
wort auf seinen Abrüstungsoorschlag sehen.

Deutsches Reich.
Berlin, 8. September.
— Der Kaiser hat dem Lok.-Anz. zufolge beschlossen,
dem verstorbenen Fürsten Bismarck im neuen Berliner
Dom ein Ehrendenkmal zu setzen. Er wiederholte seinen
dem Prof. Begas unmittelbar nach dem Tode des Fürsten
ertheilten Auftrag, einen Sarkophag zu entwerfen, welcher
im Dom Aufstellung erhalten soll. Das Monument wird
in weißem Marmor ausgeführt.
— Die Ausdehnung der Maul- und Klauen-
seuche in der Schweiz hat einen solchen Umfang auch in
den schweizer Landestheilen angenommen, welche an Deutsch-
land grenzen, daß die zunächst in Betracht kommenden
Bundesstaaten sich in die Nothwendigkeit versetzt sehen
dürften, verschärfte Absperrungsmaßregeln gegen den Vieh-
verkehr mit der Schweiz zu ergreifen.
— In der letzten Sitzung des Reichstags wurde an-
geregt, in Straßburg eine Hauptstation für die Be-
obachtung von Erdbeben zu errichten und dieselbe
in eine wissenschaftliche Verbindung mit einer anderen An-
zahl gleicher Stationen in Deutschland zu setzen. Straß-
burg erscheint deshalb besonders geeignet für Errichtung
eines solchen Instituts, weil dort seit langer Zeit in um-
fangreicher Weise seismische Beobachtungen gemacht sind. I

Jenen Wünschen dürfte durch den nächsten Reichshaushalts-
etat vollkommen Rechnung getragen werden.
— Die Berl. Neuest. Nachr. schreiben: Bei der Er-
örterung der Lippeschen Angelegenheit und des Telegramms
des Kaisers an den Regenten von Lippe wurde u. a. der
Gedanke ausgesprochen, daß vielleicht aus Anlaß der in
der Nähe von Detmold und Bückeburg stattfindevdcn
großen Manöver eine befriedigende Erledigung sich er-
geben würde. Das scheint leider nicht der Fall zu sein.
Der Regent von Lippe-Detmold, der allerdings
als einziger der deutschen Fürsten keine militärische Charge
bekleidet, ist bei den Manöver» und Festlichkeiten in
Minden und Oeynhausen nicht erschienen, während der an-
wesende Fürst von Schaumburg-Lippe sich besonderer Aus-
zeichnung Seitens des Kaisers zu erfreuen hatte. Der
Kaiser sagte in seinem Trinkspruch an den kommandirenden
General des 7. Armeecorps: „Euere Excellcnz haben mir
heute Westphalens kampferprobte Söhne in vortrefflicher
Verfassung vorgeführt, und ebenso haben in den Reihen
Ihrer Regimenter die Söhne Bückeburgs in herrlicher
Weise sich gezeigt." Das Detmolder Contingent, welches
gleichfalls in der Parade stand, wurde nicht erwähnt.
— Wie der Köln. Volksztg. gemeldet wird, hat die
lippesche Gendarmerie, die in Folge ihres mili-
tärischen Charakters den preußischen Militärbehörden unter-
steht, auf Veranlassung der letzteren neuerdings als Helm-
zier den preußischen Adler mit dem Gardestern nebst einer
kleinen lippeschen Rose erhalten, während sie bisher ledig-
lich die Rose als Helmzier trug.
— Prinz Heinrich ist heute mit dem Kreuzer „Deutsch-
land" und begleitet vom Kreuzer „Gefion" in Wladiwostok
angekommen.
Minden, 8. Sept. Der Kaiser ruhte gestern Nacht
nur kurze Zeit und begab sich in aller Frühe nach Lahde,
wohin seit gestern das Kommando des X. Armeecorps ver-
legt worden ist. Heute Vormittag drang das X. Armee-
corps unter dem Oberbefehl des Kaisers auf das West-
corps ein und zwang dieses zum Rückzug.
Helgoland, 8. Sept. In der letzten Nacht wurden
bei Mondschein mehrere Torpedobootangriffe gegen
die unter Dampf liegende Flotte ausgeführt. Die ersten
Angriffe mißglückten, der letzte wirkte dagegen überraschend.
Heute werden taktische Uebungen vorgenommen. Am Abend
ankert die Flotte in der Nähe von Helgoland.
Vaden. Freiburg,5.Sept. DieBerufsmeßner der Erz-
diözese haben eine Eingabe ans Ordinariat in Vorbereitung, worin sie
Besserstellung und namentlich Pension und Hinterbliebenen-
versorgung verlangen. Zur Begründung vergleichen sie ihre
Stellung mit niederen Staatsangestellten und betonen, daß ihnen
zu Nebenverdiensten keine Zeit übrig bleibt. Die Kosten könnten
aus Kirchensteuermitteln bestritten werden. Im Falle das Ordinariat
das Geiuch abweist, werden sich die Bittsteller, wie der B. Ldsm.
berichtet, an das Kultusministerium wenden. Zu den Berufs-
meßnern gehören jene Meßner, die ihren Küchendienst nicht als
Nebenbeschäftigung besorgen, und etwa noch Landwirthschaft oder
eine Schneiderei rc. betreiben, sondern ausschließlich von ihrem
Meßnereinkommen leben müssen.
A Vom Hananerland, 8. September. Auf die mit
scharsen Worten vom Bad. Militärvereinsverbande im
Militärvereinsblatt verurtheilte Haltung einer gewissen
Partei (welche Partei gemeint war, wurde nicht einmal gesagt)
bei den letzten Neicbstagswahlen, die den Steg der Sozial-
demokraten in der Residenz möglich machte, fühlt sich Herr Wacker
veranlaßt, in heftigem Tone zu fragen, ob er gemeint sei. Als
die Redaction erwiderte, daß auf keine einzelne Person,
sondern auf eine Parteirichtung hingewiesen sei, giebt sich der
Löwe von Zähringen noch nicht zufrieden, er besteht darauf, daß
er gemeint sei und macht den Männern, die ihren Muth auf dem
Schlachtfeld bewiesen haben, den beschimpfenden Vorwurf der
Feigbelt. Aus vielen Gegenden des Landes sind nun dem Ver-
dandspräsidium Vertrauenskundgebungen übermittelt, so auch
vom Untern Hanauer Militär-Bezirksverband. Der Wortlaut,

1898.

Freitag, den 9. September

?nsertionsgedühr
15 Pf. für die Ispaltige
PctiLzeile oder deren Raum.
Für hiesige,, Geschäfts« und
Privatanzeigen vrdeutend
ermäßigt.

Der Abrüstungsvorfchlag des Zaren.
Nan ist in Rußland zu der Ansicht gekommen, daß
üezf Abrirstungsvorschlag des Zaren durchaus nicht so
iyMdet hat, wie von seinem Urheber erwartet wurde.
„ hat das Gefühl, vor einem Fiasco zu stehen, und
b», Fiasco möglichst zu mildern, wird jetzt von Peters-
aus in der offiziösen Politischen Korrespondenz er-
dkm die ganze Sache gar nicht die actuelle Be-
tsix man ihr beilegt. Der Petersburger Ge-
Winann schreibt nämlich:
dem Wortlaute des russischen Rundschreibens
es sich in Wirklichkeit nur darum, den stets zu-
Aenden excessiven und das Volkswohl ruinirenden
^iMngen einen Damm entgegenzusetzen, die Mittel und
aufzusuchen, durch die man zu einer weniger anor-
Isn internationalen Lage gelangen könnte, als
gegenwärtige ist, und die dann folgerichtig zur
h ?ung haben würde, daß die Staaten miteinander nicht
^ bezüglich der fortschreitenden Steigerung ihrer mili-
Machtmittel wetteifern müssen, sondern gestatten
H die allzu riesenhaften Verhältnisse dieser militärischen
ft.Estentfaltung zu verringern. Wenn man den rus«
Vorschlag auf dieses richtige Maß zurückführt, so
er nichts in sich, was einen Widerstand der fremden
^'"ungen oder gar der Völker rechtfertigen könnte, denn
Uschlag bezieht sich ausschließlich auf eine gemeinsame
y surig uich Erörterung des gegenwärtigen Standes der
glichen Verhältnisse, sowie der Maßregeln, die man er-
>en könnte, um sie in einem der Menschlichkeit günstigen
umzugestalten. Ferner haben die Commentatoren
die 2°" der russischen Regierung unternommenen Schrittes
^Zuschrift auch viel zu wörtlich genommen, indem
h.°"rin einen jener Vorschläge erblickten, die eine un-
lelbare Stellungnahme erfordern und auf den sofort
^.Materielle Wirkung folgen müßte, die diese Antwort
wie etwa znm Beispiel die Annahme oder Ab-
y Mng des Confecenzvorschlags in kurzem Wege, oder die
ütelbare Einberufung der Konferenz. Dieser Zweck lag,
sj, M amtlichen Kreisen versichert wird, nicht in den Ab-
russischen Negierung und war auch vom Zaren
vorhergeschen, der ebenso wie die ihn umgebenden
kj^erungsmänner darauf gefaßt ist, daß die zur Konferenz
neu Regierungen reiflich überlegen, daß ein
so^rliches Zögern eintreten, die öffentliche Meinung
und vielleicht auch ein vorläufiger MeinungsauS-
kibe? ""ter den Mächten Platzgreifen werde, ehe von irgend
^r Plgchte ein entscheidender Beschluß gefaßt wird.
ist hier auch darauf vorbereitet, daß einzelne Re-
Hi?gen aus diesen oder anderen Gründen oder
i^^nissen die Theilnahme an der in Rede stehenden
stg.^nz ablehnen würden, die dann allerdings nicht
finden könnte. Denn die Couferenz könnte nur
beiden Bedingungen einen praktischen Erfolg haben,
lEnd' ^ne allgemeine wäre und wenn sie zu einer voll-
iv^gen Übereinstimmung aller Theilnehmer führen
"her auch die gegenwärtigen internationalen
dj lachen Verhältnisse weder die unmittelbare Einberufung
Konferenz gestatten, noch zur Herstellung einer völ-
. Übereinstimmung aller Theilnehmer derselben führen
so würde doch nichtsdestoweniger die Grundidee
tiick "icht aufhören, die Luft der europäischen poli-
zu erfüllen und in dem Geiste der Völker
hj,.,"mben. Sie würde in derselben ganz langsam auf-
h sich darin entwickeln und befestigen und an dem
an welchem endlich die zu ihrer Verwirklichung

H der Inserate auf den Plakat«
v wfeln der Heidelb. Zeit»«»
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

scheint täglich.
"Mags ausgenommen.
PxxjA
Mit Familienblättern
^.Monatlich SO Pf.
I" s Haus gebracht.
A die Post bezogen
tzLttteljährl. 1.25 „L
Müließlich Zustellgebühr.
^H«u-Anschluß Nr. 82.
> 219.

z. Bierklee.
Novellette von E. Ritter.
(Fortsetzung.)
iivdf . ^chen Gedanken ist eine lange Zeit vergangenes
Eil,-» M das Mädchen tritt ein, eine Karte in der Hand,
fttte,, Blick wirft Frau Ella darauf, dann sagt sie: ich lasse
Bkti-s. .Messor Walten kommt ihr gerade recht. Ein junger
Mit Mannes, ein fröhlicher hübscher, galanter Mann,
Merlins» ub immer gern plauderte, und der stets sehr auf-
?Mnd i "^gen seine „schöne Base" war. Wenn irgend je-
konnte er mir seiner frohen Laune sie ihrer Ver-
?Mn nÄ entreißen. Einen Blick in den Spiegel — nein,
^°n N.?"r^mcht an, daß sie geweint hat, und da ist auch
fetter Otto.
Tag, dello oousino— so ganz allein? Fragte nach
- war aber nicht zu Hause, da wollte ich doch nicht
sti>r^!, en, mich Ihnen zu Füßen zu legen. Hoffe nicht zu
^"sebm* ganz im Gegentheil, Otto, ganz im Gegentheil;
^rstini^ ""A ordentlich nach einem Menschen — ich war so
Kot 7- Da, nun ist's heraus, nun ärgert sie sich — sie
.zA f°eh nichts merken lassen wollen.
K di-»"mt' theure Cousine? Aber mein Gott, wer wagt
Arst>»,ll?°Enswürdigste, verehrungswürdigste der Frauen in
zu versetzen ? Ich will nicht hoffen, daß Werner,
„Um eigener Herr Vetter-?"
sich doch — gerade er—ach, Otto, ich bin sehr unglück-
"c" urch die Tbränen schon wieder.
fvvhl --?ann erzählt sie dem Vetter alles, es thut ihr so
.0" He»? auszusprechen, den Gatten anzuklagen, trotzdem ihr
M, wenig ^bei klopft. Aber sie ist ein Sprudel-
ns kann nichts auf dem Herzen behalten, und Vetter
'Nin 8?"/ Zur Familie. Er ist außer sich, ganz entrüstet.
awser Werner!" So ruft er in höchster Empörung
1 Wenn ich's nur dürfte, aber ich dars's
^le ies?-, wogen — Werner würde das mehr dulden, und
wst würden es nicht wollen, Ella, sonst, es lollle mir

eine Wonne sein, Ihnen die Broche zu Füßen zu legen-
Schade, schade, daß die Konvenienz es nicht gestattet! Ganz
schmerzverzogen erscheinen die hübschen Züge des Assessors
bei Len Worten, und er seufzt. Und Ella seufzt auch. Und
dann hascht der Assessor nach Frau Ellas zarten Händchen
und drückt einen langen, heißen, vielsagenden Blick darauf.
Und sie wird roth bis unter die Haarwurzeln, aber läßt es
geschehen. Otto ist ja voll Theilnahme, er hat Verständniß
für ihr Leid — und Werner, ihr Garte, er hat keines —
entsetzlich!"
Das Gespräch will aber nun doch nicht so recht wieder in
Fluß kommen, und Vetter Otto empfiehlt sich nach kurzer
Zeit, indem er verheißt, heute Abend noch einmal zu kommen,
da er Werner unbedingt sprechen müsse. — Ella ist wieder
allein mit ihrem Kummer. Aber er ist in ein neues Stadium
getreten — es ist gar nicht mehr der Kummer um die Broche,
es ist der Kummer darüber, daß sie eine vernachlässigte, un-
glückliche Frau ist. Wie nett und lieb ist Vetter Otto gewesen!
Er bat ihr schon immer gefallen, aber noch nie so, wie heute.
Heute vergleicht sie ihn zum erstenmal mit ihrem Gatten, und
der Vergleich schlägt sehr zu Ungunsten des Letzteren aus.
Wie sehr hatte Vetter Otto sie verstanden, 0, er würde sicher
seiner Frau keinen Wunsch abschlagen. Seine zukünftige Frau
würde es einmal aut haben. Schade, daß nicht alle Männer
sind, wie Vetter Otto. Werner behauptet zwar, Otto sei ein
recht leichtsinniger Mensch, der seiner Mutter die größte
Sorge machte, aber das ist eben nur Werners Ansicht. Werner
ist doch recht engherzig, recht kleinlich, bei jeder Gelegen-
heit spricht er vom Sparen, Einschränken — so entsetzlich
philiströs! Ein solcher Philister hätte eben keine junge ver-
wöhnte Frau heirathen dürfen- Was nun daraus werden
sollte? O, sie würde ganz schrecklich unglücklich werden, und
sie hatte doch Werner so lieb, so lieb gehabt. Das ist nun
Vorbei, 0, sie will es ihm zeigen — man kann sich ja auch
scheiden lassen — jawohl man hat das Recht, wenn der Mann
ein Tyrann ist, und dann kann man am Ende — Pfui, Ella,
so schilt sie sich aber ganz erschrocken — wohin haben sich
ihre Gedanken verirrt — nein, so etwas will sie nicht denken.

Werner ist ihr Gatte, und sie muß seine treue Gattin bleiben,
wenn das auch sehr schwer sein wird in Zukunft. Und das
ist gewiß, Vetter Ottos Frau wird einmal sehr zu beneiden sein.
-j- H
Das Abendessen ist vorüber. Es ist ebenso schweigsam
verzehrt worden, als das Mittagsmahl. Werner ist voll
ruhiger Höflichkeit gegen seine Gattin und. nachdem das Essen
abgetragen, spricht er: Ich kann Dich leider nicht ins Theater
begleiten, Ella, ich muß wieder aufs Amt, meinen Bericht
zu beenden — ich habe dort die Akten besser zur Hand. Du
entschuldigst mich gewiß und gehst diesmal allein."
„O, bitte, es ist keine Entschuldigung nöthig, ich gehe sehr
gern allein."
„Wirklich, Ella, ist das Dein Ernst?"
„Mein voller Ernst, meinst Du, ich wäre zum Scherzen
aufgelegt?"
„Nun dann habe ich nichts mehr zu sagen- Guten Abend."
„Guten Abend." Tief gekränkt verläßt der Landrath das
Z'^Frau Ella will Toilette machen, aber Plötzlich bekommt
sie heftige Kopfschmerzen, es braust ihr vor den Ohren —
welck' ein häßlicher Tag das heute ist! Nein, sie kann nicht
ins Theater, sie ist viel zu viel unglücklich. Sie hat so sicher
gehofft, Werner würde ihr reuevoll nahen, ihr die Broche
versprechen, und dann würde sie ihm huldvollst ihre Ver-
zeihung gewähren. Aber er hatte es nicht gethan, er war so
— so von ihr gegangen! Und hatte gar nicht gethan, als ob
er ein Unrecht begangen hätte.
So konnte es nicht weiter gehen, morgen würde sie Auf-
klärung über ihr Vermögensverkältnisse von ihm verlangen
und freie Verfügung über das Ihrige. Er würde es sehr
übel nehmen, aber er tonnte doch nicht so unnovel sein, ihr
das zu verweigern.
Das Mädchen bringt die Lampe, sie schickt sie wieder
hinaus. Die Dunkelheit ist ihr so wohlthätig. Sie legt sich
auf ein Ruhebett, und drückt den schmerzenden Kopf in die
weichen Kissen. So will sie den ganzen Abend liegen bleiben
und über ihr trauriges Geschick Nachdenken. (Schluß folgt.)
 
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