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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 176 - 202 (1. August 1898 - 31. August 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0175

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^Vhon-Anschluß Nr. 82.

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Ur. M.Mittmch, de» 17. August 1898.

^ug. 7.: Spanien nimmt die amerikanischen Frieden s-
» 8.:

Heimkehr.
Erzählung von Paul Bliß.
No<^^ E»err Doktor zwei Minuten gewartet hatte und
un^ 's"mer niemand erschien, wurde er nervös, stand auf
x ° Mg mit würdevollen Schritten umher; endlich stand er
dem Spiegel still und hielt noch eine letzte Musterung,
ibm r M lächelte er befriedigt: er sah aut aus, man sah
Svi- , ? fünfzig Jahre nicht an, — und je länger er in den
Ai,» El sah, desto zufriedener wurde er: man sah ihm sein
wirklich nicht an, — hä! hä! hä! — er hüstelte, gab
Ewen Ruck, strich über den wohlgepflegten in der Mitte
>v dnk Backenbart, schlug dann mit Elan auf den Claque,
sein.l? die Feder auseinandersprang, und endlich machte er
Spiegelbild mit verbindlichem Lächeln eine tadellose
leis? "kung, — »öä! hä! hä! sehr nobel," murmelte er
H?^"c?ewselben Augenblick wurde die Thüre geöffnet, und
er A?P"mnn a. D. Flemming trat ins Zimmer. Als
herzhaft Eor vor dem Spiegel stehen sah, lachte er laut und
Herr Doktor, als ob nichts geschehen sei, kam
krstiÄ^-d entgegen, reichte ihm die Hand und musterte
"MA die Toilette des Eingetrelenen-
>a, bester Doktor," sagte der Hauptmann, immer
ich t lachend, „sehen Sie mich nur genau an, — auch
Freiersfüßen, — genau wie Sie, große Gala!"
A er lernen strammen Knebelbart, legte die andere
Degen, schlug die Hacken zusammen, daß die
rten und sagte laut lachend: „Habe die Ehre,
was lAEcw- lawohl, Konkurrent von Ihnen! famoser Scherz,
Weinrich lächelte, aber er that sich Zwang an,
leine mit einem Male die unbehagliche Empfindung, daß
bie Gel^' Hse" keine so glänzenden mehr waren, — er kannte
ber^t^b'v'vathln, er wußte, daß sie sür schneidiges Auftreten
c Banner schwärmte, und ersah voraus, daß dieser Haupt-

Wochenchronik.
(Vom 7. bis zum 13. August.)
bedingungcn an.
In China tritt Rußland sehr scharf den eng-
lischen Eisenbahnbau-Jntcresscn entgegen, sodaß man
von einem russisch-englischen Konflikt spricht.
« 9.: Die Karlisten in Spanien zeigen sich geschäftig,
doch scheint die spanische Regierung den Ausbruch eines
ernstlichen Karlistenaufstandes als ausgeschlossen zu
betrachten.
10..- Der Papst leidet in Folge der Hitze häufig an leich-
terem Unwohlsein.
» 12. : Das cngl. Parlament wird vertagt. Die Stimmung
in England ist gedrückt und mtßmuthig, da China sich
völlig Rußland zugewendet und dabei bestehende Ver-
träge zu Ungunsten Englands verletzt hat, ohne daß
die englische Regierung sich zu einer That aufgeraffl
hätte.
» 12.: Major Walsin-Esterhazy wird in Freiheit gesetzt,
da der Appellhof seine Telegrammfälschungen harmlos
auffatzt. Dagegen wird gegen den früheren Oberst-
lieutenant Picquart — um ihn zu vernichten —
scharf auf Grund des Spionagegesetzes (!) vorgcgangen.
-- 12.: Das Protokoll über den provisorischen Frieden
zwischen Amerika und Spanien wird in Washington
unterzeichnet. Vertreter Spaniens ist der französische
Gesandte Cambon.
» 13.: Das Großherzogliche Paar trifft aus dem Enga-
din auf der Mainau ein.
Deutsches Reich.
Berlin, 16. August.
— Der Reichsbote erinnert daran, daß Fälle der ak-
«ven Assistenz der katholischen Geistlichen bei Mischehen
wkhrfach vorkommen. Vor fünf Jahren hat der Pap st
Efft in der Trauungssache des Kronprinzen von Ru-
mänien dispensirt, und zwar unter genau denselben Um-
wänden, wie sie bei dem Herzog Ernst Günther von
Schleswig-Holstein lagen. Das rumänische Kronprinzen-
gar wurde infolge dessen in Gegenwart des Kaisers in
gr Kirche zu Sigmaringen feierlich getraut. Genau so
Akn die Verhältnisse beim Prinzen Waldemar von
Dänemark und seiner katholischen Braut. In beiden
Fällen war die Assistenz keine passive, sondern eine aktive
"vd sie ereigneten sich nicht in Oesterreich.
— Die Germania schrieb vor einigen Tagen zum
-^od Bismarcks in geradezu rohem Ton:
. Es mußte einen stellenweise ein wahrer Ekel überkommen,
"sun man sah, wie unisono die Trauergesänge von allen Seiten
schollen und mit dem Nationalheros eine wahre Menschen-
ergotterung trieben. Wenn der Alte im Sachseuwald prophetisch
»erade dieses Treiben bespöttelte, so kannte er seine Leute. Was
,°Äer vor ihm gekrochen war, nach seinem Sturze ihn feige ver-
dien, dann beim Wicderanknüpfen des zerrissenen Drahts
swpchen Berlin und Friedrichsruh sich wieder herangedrängt
Me, das heulte nun die Todtenklage und vergoß amtliche und
vMbamtliche Krokodilsthränen stromweise. Napoleon hat doch
?och im Tod sein stolzes Haupt gebeugt vor den Schrecken
Unendlichkeit, er hat sich mit seinem ewigen Richter
"söhnt. Wie Bismarck mit seiner Rechnung stand, das weiß
und der ewige Richter. Für uns Lebende bot er das
d>, «verwundeten Löwen, der sich grollend zurückzog in den
unkelsten Winkel seiner Höhle, um einsam zu sterben. Das
nicht der Tod, wie er einem Christen zu wün-
l^sn ist. Nirgendwo hat man gelesen, daß der Altreichskanzler
l,!s"nen letzten Tagen geistlichen Trost gesucht oder seine Ge-
nuf die Verantwortung im Jenseits gerichtet habe. . . .
wird drüben sein? Wer das ernsthaft bedenkt, der muß
di?.H"zen dem Heimgegangenen Lenker der Geschicke Europas
Ni^er s j ^"hrzehnte wünschen, daß Gott ihm ein gnädiger
Napoleon, der brutale Egoist, der Zertreter der Völker
nd Vernichter der katholischen Kirche, wird gelobt, weil
r als echter Romane angesichts des Todes noch schleunigst
" Furcht Reue und Leid kundgab; dem Fürsten Bismarck,
Ein zertretenes Volk befreit und niemals einem andern

Volk zu nahe trat, wird deutlich mit dem Schrecken des
Jenseits gedroht, weshalb? Nun, weil er als rechtlicher
Mann überhaupt keine Angst vor dem Tode zu
haben brauchte. Die mechanische Zuhilfenahme des
Priesters (ein evangelischer würde wohl nicht genügen) das
ist das a und 2 ultramontaner Weltanschauung. Wohl
dem, der mit seinem Gott ohne fremde Hilfe ins Reine
zu kommen, wohl dem Volke, das der Priesterherrschaft zu
entrathen vermag!
— Der Darmst. Zeitung zufolge treffen der Kaiser
und die Kaiserin Augusta Victoria demnächst in Bad
Nauheim zum Besuche der Kaiserin Elisabeth von
Oesterreich ein.
Kassel, 16. Aug- Der Kaiser empfing am 12. d.
in Wilhclmshöhe den deutschen Botschafter in Konstan-
tinopel, Frhrn. v. Marschall. Am 13. d. wurden vom
Monarchen zwei seiner früheren Lehrer, die Professoren
Vogt und Kius, empfangen.
Baden. Der Kaiser wird sich am Sonntag mit dem
Großherzog nach Baden-Baden begeben, um dem
internationalen Armeerennen beizuwohnen. Es ist das erste
Mal, daß Kaiser Wilhelm die badischen Rennen besucht.
— Die Einnahmen der badischen Bahnen betrugen
im Monat Juli 1898 nach provisorischer Feststellung: aus dem
Personenverkehr 2321660 ; aus dem Güterverkehr 3 456 650 ;
aus sonstigen Quellen 389670 zusammen: 6167980 Im
Jahre 1897 betrug die Gesammtsumme der provisorischen Ein-
nahmen im gleichen Monat 5870 243 Von Januar bis mit
Juli d. Js. betrugen die Gesammteinnähmen 36580150
(2964510 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs).
L6. Karlsruhe 16. Aug. Der ehemalige Centrumsabgeord-
nete Jakob Lindau, der einem langjährigen Wassersuchtsleiden
erlegen ist, war vor einem Menschenalter eine der bekanntesten
Persönlichkeiten des Großherzogthums. Er vertrat von 1867—71
den Bezirk Walldürn im Bad. Landtag, von 1871—75 nahm
er kein Mandat an. 1875 folgte er dem Abg. Hug, der sein
Mandat niedergelegt hatte, als Vertreter des Wahlkreises Phil-
lips, sburg. Lindau, der seinerzeit auch dem Zollparlamente an-
gehörte, war als Centrumspolittkcr geradezu eine typische Er-
scheinung. Aber unsere Zeit lebt rasch: sein Name ist in letzter
Zeit kaum mehr genannt worden und heute erinnern sich nur
die älteren Politiker des Mannes, der einer der erbittertsten Geg-
ner des Ministeriums Jolly und einer der schärfsten Centrums-
kämpen gewesen ist. Gerade bei solchen Gelegenheiten darf man
erkennen lernen, daß auch die ooolosia militans dem Wechsel der
Zeiten unterworfen ist. Die Forderungen, die vor Jahren des
nun.aehr Verstorbenen höchstes Ideal waren, werden heute nur
noch in papierenen Resolutionen ausgestellt. Lindau war näm-
lich einer der eifrigsten Verfechter des Kirchenstaatsgedankens.
Für ihn war die päpstliche Macht vorzugsweise von dieser Welt
und zeitlebens hat er es nicht zu überwinden vermocht, daß seine
eigene Partei in der Vertretung dieses Zieles nachgelassen hat.
Nachdem im Jahre 1871 die eben gegründete Lentrumspartei
die Parole ausgegeben hatte, die Kaiserliche Regierung müsse für
die Wiederherstellung des Kirchenstaates gewonnen werden, war
Lindau einer ihrer eifrigsten und rücksichtslosesten Bekenner. „Die
Katholiken Deutschlands", so rief er damals aus, „haben^ die
Pflicht,, derjenigen Nation den Lorbeer zu reichen, die dem Heil.
Vater wieder zu seiner Herrschaft verhilft, selbst wenn Ger-
mania darüber trauernd darniederliegen sollte."
Heute wäre selbst in der Centrumspartei eine solch exaltirte For-
derung unmöglich. So hat sich in Lindau der Charakter und
die Tendenz der ursprünglichen Centrumspartei gewissermaßen
versteinert. Er ist für sie todt gewesen, ehe sich noch seine Augen
geschlossen hatten, und auch die begeisterten Nachrufe der Cen-
trumspresse vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, daß seine
Auffassung eine Etappe war, die man verlassen mußte. Lindau
stand vor dem Jahre 1870 als Mitglied des sog. katholischen
Fcstungsvierecks im badischen Landtag auf der Höheseiner
Volksthümlichkeit. Obgleich von Herzen wenig für politische
Fragen gestimmt und vorzugsweise kathol. Polemiker, verfocht er
doch mit seinen engeren Freunden die großdeutsche Idee,
die sich gewissermaßen plastisch ausdrückte in dem Kampf gegen
Jolly. Gleichzeitig war er einer der energischsten Gegner des
kath. Stiftungsgejetzes. Im Verein mit Baumstark berief
seinerzeit Lindau das große Meeting des kath. Volks im Tauber-
grund und ließ die bekannte Hardheimer Resolution gegen das
Stiftungsqesetz annehmen, die beide vor das Schwuraericht in

I Offenburg brachte. „Lindau, heißt es in Baumstarks „Lius ultra",
dürstete damals förmlich nach einer gerichtlichen Hauptverhand-
lung, bei der er mit aller Freiheit der Vertheidigung sein Herz
auszuschütten hoffte." Dieser eine Satz kennzeichnet am besten
den heißblütigen Charakter Lindau's, der auch in seinen „poli-
tischen Stachelreimen" in dem von ihm begründeten Pfälz. Boten
zum Ausdruck kam. Wiewohl Lindau in den letzten Jahren
nicht mehr hervortrat, darf man doch von ihm annehmen, daß
er in seinem Herzen aus Vorliebe für das kath. Haus Habsburg
Großdeutscher geblieben ist und daß das deutsche Reich, wie es
ist, seinen Beifall nicht hatte. Andererseits feiert aber doch auch
der nationale Gedanke dadurch seinen Triumph, daß selbst die
Centrumspartei das typische Element der frühesten Centrums-
tage nicht mehr aktiv zu verwenden vermochte. Noch einmal läßt die
oeolssia militans an seinem Grabe die Fahnen rauschen; dann
aber wird Lindau vergessen sein, weil sein Herz an einer ver-
lorenen Sache hing.
Ausland
Frankreich. Paris, 16. Aug. Der Jahrestag
der Schlacht von Mars-la-T 0 ur wurde auf fran-
zösischer Seite an der Grenze unter Musik der Kapelle des
1. Jägerbataillons gefeiert. Der Bischof von Nancy hielt
eine Ansprache. Der Unterpräsect von Bricy antwortete
und verurtheilte, ohne Partei zu ergreifen, den gegen-
wärtigen Bürgerzwist. In Paris wurde in Notre-Dame
zum Andenken an die Schlacht ein Gottesdienst abgehalten,
an dem sich viele Kriegervereine betheiligten.
Paris, 16. Aug. Untersuchungsrichter Bertulus,
welcher zur Zeit von hier abwesend ist, wird nicht mehr
auf seinen Posten zurückkehren und Picquart wird vor ein
Kriegsgericht gestellt werden. Damit hofft Cavaignac die
Dreyfus-Angelegenheit niedergeschlagen zu haben; wird
sich aber irren.
Havre, 16. Aug. Der Marineminister Lockroy
wurde gestern bei seiner Ankunft mit Schmährufen em-
pfangen und ausgcpfiffen. Die Kundgebung hat zum Ur-
sprung die Absicht des Ministers, den Hafen von Cher-
bourg zum Haupthafen des transatlantischen Verkehrs zu
machen. Die Ausführung dieses Projektes würde nämlich
für Havre einen empfindlichen Verlust bedeuten.
Italien. Der römische Berichterstatter des Figaro be-
hauptet, aus guter vatikanischer Quelle zu wissen, daß der
Papst kürzlich geäußert habe, der Tag seines Todes stehe
nahe bevor. Der künftige Papst werde vielerlei zu voll-
bringen haben, aber auch ihm bleibe manches zu thun
übrig.
England. Englische Blätter behaupten, daß der ehe-
malige Vizekönig Li-Hung-Tschang von denRussen
durch einige Millionen Rubel erkauft sei. Die in
Schanghai erscheinende China Gazette theilt mit, die russische
Regierung habe das Versprechen Li-Hung-Tschangs, China
würde die ch i ne si sch e Re i ch s zoll v erw al tu n g unter
russische Kontrole stellen, wenn die Freundschaft der
beiden Nachbarn durch die Gegenwart eines Fremden in
solch wichtiger Stellung in Peking leiden oder die Interessen
beider Nationen eine Veränderung erheischen sollten. Li-
Hung-Tschang soll die Ersetzung Harts durch Pavlow be-
günstigen. Der Observer empfiehlt Salisbury, er solle
die Abhaltung einer Konferenz der europäischen Mächte
und der Unionstaaten behufs Auftheilung Chinas in Ein-
flußsphären Vorschlägen.
London, 15. Aug. Der Londoner Korrespondent
des Manchester Guardian, der gute Beziehungen
zum Foreign Office und zum Kolonialamt hat, meldet,
Lord Salisbury werde die Entlassung Li-
Hung-Tschangs aus dem chinesischen Reichsdienst und
seine Verbannung weit fort von der Hauptstadt verlangen.
Diese Maßregel würde um so dringender gefordert werden,
als es zwischen dem britischen Gesandten und Li zu einer

mann a. D., der jetzt Generalagent einer Versicherungs-
Gesellschaft war, ihm sehr gefährlich werden konnte. Das
verdarb ihm die Laune und nahm ihm seine Ruhe und Be-
sonnenheit.
„Ja, sehen Sie, lieber Doktor," begann der Hauptmann
mir lauter barscher Stimme, „ich wußte ja längst, daß wir
beide denselben Wagen ziehen, den Triumphwagen der Ge-
heimräthin, ja, ja, das wußte ich längst, ich habe bisher
nur gewartet, daß Sie sich zuerst den Korb holen sollten,"
lachend zeigte er dem immer erregter werdenden Doktor die
Zähne.
„So, so," sagte dieser trocken.
„Ja, darauf habe ich gewartet," lachte der andere wieder
laut auf, „da Sie aber keine Courage zu haben schienen, und
da wir nun aber aller Wahrscheinlichkeit nach noch einen dritten
Freier antanzen sehen werden, so will ich kurz vorher, ehe
dieser Dritte hier entzieht, noch mein Glück wagen."
Und wieder lächelte der arme Doktor, — ihm wurde
immer unbehaglicher. — genau wie der Hauptmann, hatte
auch er gedacht, auch er fürchtete, daß Karl ernste Absichten
haben könne, — brrr, ein Zittern ging ihm durch die
Glieder.
„Na, nun nehmen Sie sich mal zusammen, Sie alte Ge-
lebrtenseele," spottete der Hauptmann, „da sehen Sie mich
an: stramm gestanden! Brust heraus, und dann schneidig
los! Ganz oder gar nicht! Einer von uns kann doch nur
der Glückliche sein."
„Vielleicht auch keiner," bemerkte der Doktor.
„Nun, wenn schon! dann wird's 'ne ehrenvolle Niederlage,
aber blos nicht schon vorher das Herz in die Hosen sinken
lassen, damit imponirt man keiner Frau. — Donnerwetter
nochmal, einen Kerl wollen sie sehen!"
„So schreien Sie doch nickt so fürchterlich, als ob Sie
hier auf dem Kasernenhof ständen."
„Ach, Sie wollen sticheln!?" rief der Hauptmann noch
lauter, „nein, lieber Doktor, mit mir dürfen Sie nicht an-

fangen, das sage ich Ihnen schon vorher, — ich haue nur
immer Durchzieher."
„Thun Sie mir den einzigen Gefallen und schreien Sie
nickt so entsetzlich," sagte ängstlich der Doktor, „Sie machen
mich nervös und sich dazu."
„Ick? Nervös! Nee, Doktorcken, so was kennt ein
alter Militär nicht, das überlassen wir Euch Bücher-
würmern." . „ . . .
„Na, ich muß aber doch sehr bitten, ia —, rief der
Doktor jetzt erregt, „Sie sind nervös, nicht ich!"
„Spielen Sie doch nicht den Erhabenen, Doktorcken!
Man merkt Ihnen die Unruhe ja schon auf fünf
Schritte an-" . .
„Unruhig? Ich wäre unruhig?" rief der zitternde Doktor,
„aber ich bin ja die Ruhe selbst." Dabei zupfte er, immer
nervöser werdend, an seinen Frackschößen.
„Aufrichtig, lieber Doktor, — Hand aus's Herz — Sie
sehen, Ihre Chancen bei der Gnädigen verringern sich, und
nun wollen Sie Ihren Unmuth an mir austoben lassen, —
stimmt's? oder stimmt's nicht?" „
„Nein, Herr Hauptmann," antwortete der Doktor so maß-
voll als ibm möglich war, „es stimmt nicht. Ich habe nichts
zu fürchten, gar nichts, Herr Hauptmann, und von Ihnen
am allerwenigsten!" .
„O, das war nicht höflich, Herr Doktor, lächelte der
Hauptmann. , _
„Sie sehen, ich kann auch noch Durchzieher hauen, ent-
gegnete der Doktor kurz.
„Ja, ja, ich sehe es allerdings, — na, gm vivra vsrra!"
Damit drehte sich der Hauptmann um und summte leise den
Hohensriedberger. . , -
Auch der Doktor schwieg, er stand am Fenster und sah m
den Park hinaus, wo sich eben der erste Vorfrühling bemerk-
bar machte.
Und während die beiden Freier, einander grollend, der
kommenden Dinge harrten, wurde eine Thür geöffnet und
hinter der Portisre erschien die Frau des Hauses.
 
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