Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI chapter:
Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0071

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.
Dreis
Mit Familienblättern
, monatlich 50 Ps.
irei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
' ivierteljährl. 1.25
^schließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.
Ar. 185.

MckkMr Mus

Jnsertionsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
. Gratis-Anschlag
M der Inserate auf den Plakat-
v tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

Dienstag, den 19. Juli

1898.

Politische Umschau.
Heidelberg, 19. Juli.
Pfarrer Naumann, der Führer der National-
Sozialen, will „nationale Politik mit Hilfe der Massen"
treiben. Darauf fragt Prof. Sohm, der ebenfalls dem
"at.-soz. Verein angehört: „Wer ist die Masse?" und
antwortet sodann:
Die Masse ist das Unvolk. Gewiß: sie soll zum Volk werden.
Eine Schicht nach der andern soll sich emporheben, um das Leben
des Volkes mitzulebcn. Das soll das Ziel unserer Arbeit, ja
das muß das Ideal eines jeden deutschen Mannes sein. Aber wie
M das geschehen? Dadurch, daß wir uns inmitten der ringenden
Mengen stellen? Dadurch, daß wir die „Zusammengehörigkeit
dnt den bisherigen herrschenden Klassen" ablegen, (wie Nauman»
will)? Mit anderen Worten: Dadurch, daß wir uns, wenn es
Möglich ist, zu „Leitern" der Massen aufwcrfen, um sie zum
Kampfe gegen die herrschenden Klassen zu führen? Nimmermehr!
Das würde eine Anwendung des marxistischen Rezep-
tes bedeuten: die Befreiung des Proletariats kann nur das
Werk des Proletariats selber sein. „Maffenpolitik" setzt die
Masse in unruhige Währung, vom „Schaum" wird sie sich
Mmmermehr befreien. Die Emporentwickelung der Menge kann
nicht das alleinige Werk der Menge sein, kann nicht das Ergeb-
Mß einer Massenpolitik sein, sondern nur die köstliche F ruch t
nationaler Politik. Damit ist gesagt: Die Hebung der
Mksmasse kann nicht im feindlichen Gegensatz gegen
nas Bestehende, kann nicht durch re vo lutionirende,
sondern nur durch fortschreitende, an das Be-
liebende anknüpfende geschichtliche Entwickelung
irr eicht werden. Das Bestehende aber ist die Macht der
herrschenden Klassen. Diese Macht hat einen guten Grund.
Durch die herrschenden Klassen lebt das ganze Volk, lebt auch
die Masse. Die herrschenden Klassen sind Kopf, Herz und Lunge
der Nation. Die herrfchenden Klassen regieren das Volk. Sie
Allein können es regieren. Sie allein können darum die Befreier
des Volkes sein.
Das ist einsichtsvoll gesprochen. Aber leider wird
Prof. Sohm innerhalb seiner Partei selbst nicht Gehör
sinken. Wie Pfarrer Naumann, so stellt sich auch ein an-
deres Licht der national-sozialen Partei, Pfarrer Göhrc,
auf den Standpunkt, daß das Heil aus der Masse kommen
wüsse. Das ist eben der gefährliche Aberglaube unserer
Zeit. Wer sich unbefangen nur ein wenig in der Welt
Umsicht, der muß erkennen, daß es die Einzelnen, günstig
Begabten sind, die emporkommen und als Leitende die
Nation weiterführen. Der Glaube an die eigene innere
Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit der Masse ist ein
Zrrwahn.
Das Muster eines Staates nach dem Herzen der Ultra-
Uwntanen ist bekanntlich Belgien. Dort hat man die
Schul frage seit Jahren in gründliche Bearbeitung ge-
kommen und macht zusehends Fortschritte in der Aus-
lieferung des gesummten Unterrichtswesens an die Geist-
lichkeit, speziell die Orden. Der Unterrichtsminister Schollaert,
schreibt man der N. Zür. Ztg., einer der ärgsten Fanatiker,
die jemals in einem ultramontanen Ministerium Belgiens
saßen, und seine unmittelbaren Vorgänger haben im Laufe
der letzten 14 Jahre nicht weniger als 1500 bis 2000
Volksschulen als „unnütz" beseitigt und durch
geistliche Kongregationsschulen, welche keinerlei staatlicher
Aufsicht unterstehen, ersetzt. In mehreren hundert Land-
gemeinden wurden die Volksschulen sogar aufgehoben, ohne
daß bisher ein Ersatz hiefür geschaffen wäre. Nunmehr
sollen sich die Ultramontanen, wie ihre Organe über-
einstimmend ankündigen, an das Mittelschulwesen machen
und die Staatsgymnasien durch Jesuitenkollegien ersetzen.
Die letzteren schießen bereits wie die Pilze nach einem
ivarmen Sommerregen aus dem Erdboden hervor. Zweifel-
los wird der Unterrichtsminister Schollaert auch hier sein
Ziel erreichen, und wenn die Ultramontancn nur noch ein
Jahrzehnt am Ruder bleiben, so wird das ganze Schul-
wesen von der Volksschule bis zur Universität in den

Händen der Jesuiten sein. Unterdessen erörtern die Liberalen,
Radikalen und Sozialisten untereinander so dringende und
naheliegende Probleme wie die Gründung der belgischen
Republik, Kollektivismus u. s. w. und rächen sich gegen-
seitig, indem sie bei den Wahlen für die klerikalen Kan-
didaten stimmen.

Deutsches Reich.
Berlin, 18. Juli.
— Aus Drontheim, 17. Juli wird berichtet: Als
die „Hohenzollern" gestern Nachmittag 5 Uhr bei
wechselndem Wetter hier ankam, traf sie das Schulschiff
„Moltke", sowie das englische Schulgeschwader
an, welche den Salut abgaben. Der Kaiser blieb an
Bord und arbeitete mit den Vertretern der Kabinette.
Abends hatte der Kaiser 48 deutsche und 40 englische
Seekadetten „zu einem Glas Bier" auf die „Hohenzollern"
geladen, wo die jungen Leute in gehobener Stimmung und
heiter miteinander verkehrend, bis nach 11 Uhr auf dem
Promenadendeck verweilten, während der Kaiser in gnädigster
und leutseligster Weise dieselben durch Ansprachen aus-
zeichnete. Heute nahm der Kaiser das Frühstück mit dem
deutschen Konsul Jensen in dessen Villa Grillstad bei
Drontheim ein, und wird, einer Einladung des Komman-
danten Pol von dem englischen Schulgeschwader folgend,
das Diner auf dem Flaggschiff „Raleigh" einnehmen.
Die Weiterreise erfolgt voraussichtlich am Dienstag.
— Der Nord. Allg. Ztg. zufolge erscheint die Nachricht
der Franks. Ztg. von gewissen Repressionsmaßregeln
Rußlands gegen Deutschland als verfrüht. Es
bestätigt sich aber, daß man sich in Rußland über die
preußische Verfügung wegen des Gänsetransportes be-
schwert fühlt. Man hat gewisse Repressionsmaßreqeln in
Aussicht genommen, indessen schweben noch Verhandlungen,
und es ist nicht ausgeschlossen, daß diese ein beiderseitiges
befriedigendes Ergebniß haben werden.
— Offenbar von wohlunterrichteter Seite wird der Neuen
Freien Presse geschrieben : „In Koburg wird am 2. August
die Trauung der Prinzessin Dorothea von
Koburg, Tochter des Prinzen Philipp von Sachsen-
Koburg-Gotha, mit dem Herzog Ernst Günther
von Schleswig-Holstein, dem Bruder der deutschen
Kaiserin, stattsinden, und zwar vorerst auf dem Standes-
amte, sodann in der katholischen Schloßkapelle und hierauf
in der evangelischen Kirche. Bekanntlich ist Prinzessin
Dorothea von Koburg Katholikin, Herzog Günther von
Schleswig Holstein Protestant. Diese Verschiedenheit des
Religionsbekenntnisses schien einige Zeit hindurch ernste
Schwierigkeiten formeller Art zu bereiten. Koburg gehört
zur Diözese Bamberg, und von dem dortigen Erzbischöfe
war nicht zu erwarten, daß er zu der kirchlichen Ehe-
schließung der Prinzessin mit einem protestantischen Bräu-
tigam ohne weiteres seine Zustimmung geben werde. Dieses
Hinderniß konnte jedoch durch den milderen Sinn der
Wiener geistlichen Behörde beseitigt werden. Zwar ist
Koburg der Stammsitz der herzoglich koburgischcn Familie,
da jedoch die Prinzessin als minderjährige Tochter des
Herzogs Philipp dem Domicil des letzteren folgt und der
Prinz bekanntlich in Wien restdirt, so erschien der Wiener
Pfarrer als der kuroofiuu xroxrius. Auf das Ansuchen
des Prinzen von Koburg erklärte sich nun in Abwesenheit
des Kardinals Gruscha Erzbischof Angerer bereit,
seine Zustimmung zu geben, daß die Trauung des Paares
durch einen katholischen Geistlichen erfolge, und
delegirte den katholischen Pfarrer in Koburg zur Vornahme

7)

sam, Stufe für Stufe bin ich emporgeklettert, wie Tantalus
umsonst nach Befriedigung lechzend. Glück und Frieden habe
ich geopfert, um immer wieder einzusehen, daß auch der
größte äußerliche Erfolg das Herz leer und öde läßt."
„Du hast erreicht, was Du erstrebt, ich glaube, Du kannst
zufrieden sein," sagte sie herb. Es war ihr peinlich, daß
das Gespräch diese Wendung nahm. Sie stand auf und holte
eine Photographie herbei, ein Kind von etwa zwölf Jahren
vorstellend.
„Meine Tochter," sagte sie liebkosend über das schmale
Gesichtchen streichend. „In Vierzehn Tagen kommt sie nach
Hause; sie wird sehr erfreut sein, den sagenhaften Onkel
! wird die günstige Gelegenheit, ihre Kenntnisse darin zu er-
weitern, sicher benutzen wollen."
! „Also auch die Modekrankheit?"
Sie lachte über seine entsetzt abwehrende Miene. „Nur
keine Angst, ich werde schon dafür sorgen, daß sie nicht über-
treibt. Im klebrigen sehe ich, daß Du noch ebenso unhöflich
bist, als früher und ich freue mich darüber; das ist doch
wenigstens ein vertrauter Zug."
In diesem Augenblick kam Besuch. Das Gartenthor wurde
Weir geöffnet und auf dem breiten, silberschimmernden Kies-
platz trabten drei Reiter heran: eine Dame und zwei Herren.
Sie waren Nachbarn und Frau von Senten war die Unter-
brechung sehr willkommen.
Der eine der beiden Herren, der Kommandeur der eine
Stunde entfernten Garnison, ein schöner Mann mit stolzen
Augen und einem edlen, energischen Antlitz, blickte finster auf
den plötzlich ausgetauchten Jugendfreund Frau von Sentens.
Er liebte die schöne Frau seit lange und wenn er immer
noch gezögert hakte, offen um sie zu werben, so entsprang dies
hauptsächlich einem übergroßen Zartgefühl, das in ihrem
Reichthum eine Schranke sah.
Das Auge der Liebe steht scharf und so entging es ihm
nicht, daß Frau von SeMn ungewöhnlich erregt war. Mlt
dem Instinkt der Eiferst,^ errieth er die Ursache und Stolz

Sklaverei der Schönheit.
Novelle von M. Zmmtsch.
(Fortsetzung.)
, Nervös strich er mit der schmalen Hand über die Stirn,
m der sich tiefe Linien eingegraben. Ein müder trauriger
<sug lag um seinen Mund.
Er hatte sich so sehr gefreut auf dieses Wiedersehen und
"un kam es ihm vor, als wäre er in einem Salon Indiens
Kf'unscher als hier. Mit dem Egoismus und der Selbstge-
Migkeit, mit der Männer im Allgemeinen und Künstler -- - - ..... --
U" Besonderen behaftet sind und die sich ganz gut mit kennen zu lernen. Sw zeichnet ^und^malt mit Vorliebe und
zeitweiliger Selbsterkenntniß vertragen, hatte er für gewiß " ' '
ungenommen, daß Hedwig über seinen Besuch sehr erfreut
lein werde.
. Und nun war so gar nichts von einer Erregung zu
oernerken. Ihre liebenswürdige Ruhe beleidigte ihn beinahe.
*7° ward ihr so leicht, zu sagen: „Weißt Du noch?" oder
LGrinnerst Du Dich?" und dabei eine Menge harmloser
Ainge zu plaudern, während ihm Herz und Kehle wie zuge-
Iwnurt waren.
Frauen sind oft Meister in der Berstellungskunst, wenn ihr
^kotz oder ihr verletztes Herz ihnen soufflirt . . .
...Insgeheim dachte Hedwig: „Er sieht nichts weniger wie
Wultch aus" und sie empfand darüber eine gewisse wohl-
yuende Genugthuung. Die Linien und die feinen Furchen
'„.seinem Antlitz sprachen deutlich von Mühe und Arbeit
ii i. -si den Augen lag jener unverkennbare Ausdruck des
unvefriedigtseins, eines heißen, unersättlichen Strebens. Un-
bewußt zeigte er sich ihr im allergünstigen Lichte. Eine Frau
> i immer geneigt, zu verzeihen, wenn der Mann, den sie ge-
uebt, ihr Mitleid erregt.
bitter einen ihrer forschenden Blicke auf und lächelte
. »Ich habe nun einmal nichts vom Adler an mir,"
beantwortete er ihren unausgesprochenen Gedanken. „Müh-

der Ceremonie. Ueber die Frage der Kindererziehung war
schon früher eine Vereinbarung getroffen worden."
— Einer vom nationalliberalen Centralbureau ver-
faßten Uebersicht über die Ergebnisse der Reichs-
tagswahlen entnimmt die nat. Corr., daß die bis-
herigen Angaben so weit richtig sind, als die national-
liberale Partei einen sehr erfreulichen Zuwachs zu ver-
zeichnen hat, wenn es auch nicht so viele Stimmen sind,
wie Prof. Hickmann berechnet hatte. Diese Uebersicht kommt
zu folgendem Schlußergebniß: „Aus 21 Wahlkreisen, in
welchen 1893 und muthmaßlich auch diesmal Zählkandidaten
aufgestellt waren, fehlen noch die näheren Berichte. In
diesen 21 Kreisen waren 1893 im Ganzen 22 321 national-
liberale Stimmen abgegeben worden. Rechnet man den
nachgewiesenen 1013 000 nat.-lib. Stimmen noch rund
20 000 hinzu, die da und dort für Zählkandidaten abge-
geben sind, so ergibt sich eine gesammte Zahl von
1033 000 nationalliberale Wählerstimmen gegen 997 000
im Jahre 1893, also ein Zuwachs von 3,6 Proc." Im
übrigen dürfte es wohl dabei bleiben, daß die anderen
größeren bürgerlichen Parteien leider ihrerseits keinen Zu-
wachs gegenüber der Sozialdemokratie hinsichtlich der
Wählerzahl zu verzeichnen haben, woraus sich ergibt, mit
welcher berechtigten Hoffnung, ihre parlamentarische Stel-
lung in der kommenden Legislaturperiode des preußi-
schen Landtags zu verstärken, die nationalliberale
Partei den Wahlkampf aufnchmen kann."
— Das Kriegsschiff „Irene" ist am 17. d. in
Tsingtaufort angekommen.
Vaden. Die Einnahmen der bad. Bahnen haben im
Mai d. I. 254 930 mehr betragen als im Mai des vorigen
Jahres, das Mehr kommt aus dem Güterverkehr, während der
Personenverkehr auffallenderweisc ein Weniger von 210530
gebracht hat. Die Gesammteinnnahmen in den ersten fünf Mo-
naten d. I. stellen sich auf etwas über 2 Millionen Mark.
Preußen. Fulda, 18. Juli. Das Domcapitel wählte
den Dompfarrer Adalbert End ert zum Bischof von
Fulda.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog habenden
Bahnbauinspektor, Centraltnspektor Norbert Her man uz zum
Vorstand der Eisenbahnbauinspektion in Ueberlingen und den
Bahnbauinspektor, Centralinspektor Richard Tegeler zum
Vorstand der Hafenbauinspektion in Kehl ernannt, sowie den
Zeichner der II. Gehaltsklasse Franz Güt her in Karlsruhe
unter Einreihung in die Gehaltsklasse I landesherrlich angestellt.
— Aushilfsreoident I. G. Haffelder in Baden wurde
dem Großh. Bezirksamt Tauberbischofsheim als Revident bei-
gegeben.
— Die Versetzung des Buchhalters Eduard Kaiser beim
Finanzamt Sinsheim zu jenem in Bruchsal und des Buchhalters
Fridolin Bommer in Bruchsal zu jenem in Sinsheim wird
zurückgeuommen.
— Auf den Stationen Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe
und Freiburg wird zur Bequemlichkeit von auswärtigen, in
der Stadt einkaufenden Reisenden mit Wirkung vom I. August
d. I. die Einrichtung getroffen werden, daß die bei größeren
Handelsfirmen oder Waarenhäusern eingekauften Maaren, die
von der Geschäftsstelle nach dem Bahnhofe verbracht werden,
hier auf Vorzeigung eines von der Geschäftsstelle ausgestellten
Ausweises und gegen Erlegung einer mäßigen Aufbewahrungs-
gebühr vom Reisenden in Empfang genommen werden können.
Nähere Auskunft ertheileu die genannten Stationen.

Ausland.
Frankreich. Die französischen Weinprodu-
zenten besorgen zum diesjährigen Herbst eine vollständige
Ueberschwemmung des einheimischen Marktes mit spani-
schen Weinen, weil der derzeitige Stand des,Wechselkurses
den Effekt des bestehenden Einfuhrzolles nicht nur gänzlich
annullirt, sondern für die spanischen Weinproduzenten so-
und Unmuth machten ihn ungerecht, so daß er sich, ganz
gegen seine Gewohnheit, sehr bald kurz und kühl verab-
schiedete.
Auch Fritz Delling zog sich zurück. Er war sehr nach-
denklich geworden. Hedwig erschien ihm schöner und be-
gehrenswerther als je. Sie hatte ihn einst geliebt, sie war
frei und er hatte heute nicht mehr nöthig, seiner Kunst Opfer
zu bringen. Wie oft und bitter hatte er schon die Leere
seines Lebens empfunden. Die Kunst war ihm viel, aber
alles vermochte sie doch nicht zu ersetzen. Jenes ganz all-
tägliche und doch dem, der es entbehrt, so unbeschreiblich süß
erscheinende Glück, ein liebes Weib, ein holdes Kind sein
Eigen zu nennen, das hatte ihm kein noch so glänzender Er-
folg zu erietzen vermocht. .
Nicht, daß er der Liebe ganz entsagt hatte; die Schönheit
hatte ihn stets entflammt und beherrscht, aber er war auf-
richtig genug gegen sich selbst, um einen Rausch der Sinne
nicht mit einer anderen Liebe zu verwechseln, die allein im
Stande ist, auch die dunklen Stunden des Lebens zu erleuch-
ten und zu verschönern.
Er halte die Leidenschaft bis zum Ueberdrusse kennen ge-
lernt, aber der Liebe hat er sein Herz verschlossen. ...
Die erste Nacht in der Heimath war voll unruhiger
Träume. Er sah sich wieder am Scheidewege. Bor ihm
gaukelte das Glück und es trug die Züge und Augen Hedwigs.
Ein heißes Verlangen erfüllte ihn, es zu fassen und festzu-
halten- Verzweifelt wehrte er sich gegen den umklammernden
Arm des Dämons, der ihn unerbittlich festhielt. Blasser und
matter ward die Lichtgestalt und mit einem Schrei der Angst
erwachte er.
„Also das ist Onkel Fritz?" Käthe von Sentens niedliches
Gesicht mit dem kleinen Stumpfnäschen und den schwarzen
Augen sah etwas enttäuscht aus. Sie hatte sich unter dem
berühmten Maler einen ganz anderen Mann vorgestellt.
Langsamen Schrittes mit hängenden Armen und nachdenklich
gesenktem Kopf kam er daher und erst als Diana, rzrau von
Sentens große, silbergraue Dogge schweifwedelnd auf ihn
zuging, sah er auf. (Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen