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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0072

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gar noch als Ausfuhrprämie wirkt. Sie haben daher eine
Eingabe an die Regierung gemacht, worin sie eine Er-
höhung des Weinzolles auf 18 Frcs. im Minimaltarif
und auf 25 Frcs. im Maximaltarif für nothwendig er-
klären, wenn der ohnehin schon zur Hälfte ruinirte fran-
zösische Weinbau nicht vollends zu Grunde gehen solle.
Auch müsse der bezügliche Gesetzentwurf ohne Zeitverlust
den Kammern zur Genehmigung vorgelegt werden.
Versailles, 18. Juli. (Zolaprozeß.) Der
Prozeß beginnt um 12 Uhr. Auf der Zeugenbank befin-
den sich der frühere Präsident der Republik, Casimir - Perier,
die früheren Kriegsminister General Billot und General
Mercier in Civil, andere Offiziere in Uniform, Senator
Trarieux, Jaurss und Reinach. Der ehemalige Oberst-
lieutenant Picquart erscheint zwischen zwei Inspektoren.
Nach Beginn der Verhandlung beantragt Labori, die
Forderung, daß die Mitglieder des Kriegsgerichts, das über
Esterhazy aburlheilte, als Zivilpartei an dem Prozesse lheil-
nehmen, abzulehnen. Der Vertreter der Mitglieder des
Militärgerichts, Advokat LasC ases, und Generalprokurator
Bertra nd wenden sich gegen Laboris Ausführungen. Der
Antrag Laboris wird abgeiehnt.
Nun beantragt Labori, den incriminirten Satz und die
anderen in seinem Briefe „j'aoouss" aufgestellten Behauptungen
zwecks Führung des Wahrheitsbeweises als zusammenhängend,
also den Zusammenhang des Falles Dreyfus mit demFalle Zola,
zu erklären. Der Generalanwalt plaidirt auch für die Abweisung
dieses Antrags. Der Gerichtshof verwirft auch diesen Antrag
Laboris. Infolge dessen beantragt Labori, die Verhandlung
auszusetzen und die Entscheidung des Cassationshofes über
die Frage der Untrennbarkeit der Beschuldigungen Zolas
einzuholen. Der Gerichtshof zieht sich zur Beralhung über
diesen Antrag zurück. Es erhebt sich eiu großer Tumult.
Noch ehe der Lärm sich gelegt, tritt der Gerichtshof wieder
ein, und der Vorsitzende kündigt Maßregeln gegen die Ruhe-
störer an, dann erklärte er, der Gerichtshof habe für Recht
erkannt, daß sein Beschluß über die Abweisung des Zusammen-
hangs die weitere Verhandlung nicht aufhebe. Die An-
geklagten — Zola und derVerleger derAurore —
und ihre Vertheidiger verlassen infolge dessen
den Saal. Der Gerichtshof verhandelt somit die Sache in
voutumaoiam. (Nach der französischen Prozeßordnung haben
bei Abwesenheit des Angeklagten und seines Vertheidigers
nicht die Geschworenen über die Schuldfrage zu entscheiden,
sondern das Ürtheil liegt dann vollständig in den Händen
des Gerichtshofes). Im Saal draußen werden Kundgebungen
laut; es kommt zu einer Schlägerei, deren Mittelpunkt
Dsrouldde ist. Dieser ruft Zola, der den Saal verlassen
will, Von der Galerie zu: „Feigling!" Der frühere Abgeordnete
Hubbard erhebt Einspruch aus dem Saale, gegen das Ge-
bahren T«roulödeS und es kommt zu einem sehr heftigen
Austritt, den der Präsident durch die Drohung, das Gesetz
anwcnden zu wollen, beendet. Draoßen entstehen in der
großen mit niederen Elementen untermischten Menschenmasse,
die Zola erwarte:, wiederholt Schlägereien. Die
Polizei nimmt verschiedene Verhaftungen von Anhängern
Zolas vor. Es werden die Rufe laut: „Hoch die Republik!
Hoch Zola!" Aus der anderen Seite: „Nieder mit Zola!
Nieder mit den Juden!" Der Gerichtshof verurtheilte
Zola und den Verleger Perieux wiederum zu einem
Jahr Gefängniß und 3000 Franken Geldstrafe. (Es ist
dies dasselbe Urtheil, wie vor dem Seine-Schwurgericht in
Paris am 23. Februar-)
Der Verlauf des Prozesses ist hiernach ein ganz
anderer gewesen, als man erwartet hatte. Man glaubte,
es würde nochmals eine weitläufige Verhandlung statt-
finden, statt dessen entfernen sich Zola und seine Verthei-
diger und die Sache ist in ein paar Stunden abgemacht.
Dian weiß nicht recht, was man von dieser Taktik Zolas
halten soll. Vielleicht meint er durch die neuliche Kammer-
rede des Kriegsministers sei hinreichend klargestellt, daß
im Dreyfusprozesse dem Gericht Aktenstücke unterbreitet
wurden, die Dreifus und seine Vertheidiger nicht zu sehen
bekamen, was ein Rcvisionsgrund ist. Vielleicht sind
hinter den Coulissen Abmachungen getroffen, wonach der
Prozeß Dreyfus revidirt wird, falls Zola jetzt vermeidet,
das Publikum aufzuregen. Vielleicht auch sah Labori die
Unmöglichkeit ein, die ganze Angelegenheit aufzurollen, da
nur ein einziger Satz aus Zolas langem Artikel von der
Anklage herausgegriffen worden war und der Gerichtshof
es ablehnte, den Zusammenhang zwischen diesem Satz und
dem übrigen Inhalt des Artikels anzuerkennen.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 19. Juli.
chs- Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, lieber
die in unserer Zeitung bereits erwähnte Ausstellung von Ent-
würfen zu billigen hübschen Trinkbrunnen, die der deutsche
Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke vom 25. ds. ab
im Bürgerausschußsaale hier veranstaltet, entnehmen mir Dres-
dener Blättern Folgendes aus einem Aufsatz des bekannten Kunst-
schriftstellers Paul Schumann: Der Verein war zu der Aus-
schreibung eines Wettbewerbes dadurch gekommen, daß in vielen
Orten durch die neuen Wasserleitungen Mangel an Trinkbrunnen
ist, aber er wollte auch dadurch den Gemeinden eine Anregung
zur Erstellung von Brunnen geben, daß er Entwürfe von ge-
fälligen, praktischen und nicht zu thcueren Brunnen darbieten
konnte. Es waren Brunnen zu entwerfen, die im Herstellungs-
preise zwischen M. 20 und M. 300 lagen und das zu wählende
Material war ganz freigegeben. Es gingen von 46 Verfassern
94 Entwürfe ein und dieselben wurden vor der Preiszuerkennung
im Sächsischen Kunstverein in Dresden ausgestellt. Preis-
richter waren: Geh. Baurath Wallot, Stadtbaurath Klette,
Architekt Grübner, Amtsrichter Esche, Bürgermeister Leuvold und
Dr. Paul Schumann. Es wurden drei gleichwerthige Preise zu-
erkannt Max Hasenohr in Dresden, Erich Klei nhempel in
Dresden und Franz Paul Stulberger in München. Letzterer
hatte auf 5 Blättern 10 Entwürfe zur Ausstellung gebracht.
Eine eingehende Besprechung einzelner Entwürfe, die an diese
Darstellung angeknüpft ist, müssen wir uns wiederzugeben ver-
sagen, können aber auf Grund derselben nicht nur die Praktiker,
die Gemeindekollegialmitglieder und Gemeindebeamten, sondern
auch Kunstinteressenten auf den Besuch der Ausstellung dringend
aufmerksam machen. Der Besuch der Ausstellung wird Jeden
befriedigen.
* Freireligiöse Gemeinde. Es wird uns geschrieben: Einer
der bekanntesten und eigenartigsten Vertreter der freien Re-
ligionsrichtung, der Königsberger Prediger Konrad Ziegler,
wird am nächsten Sonntag in einem von der hiesigen frei-
religiösen Gemeinde veranstalteten Vortrag zu hören sein,
der sich an das Thema: „Widerstände des Fortschritts" halten
wird. Ziegler war, bevor ec an die Königsberger Freie Ge-
meinde berufen ward, protestantischer Pfarrer in Davos. Er
gilt allgemein als einer der feurigsten und geistvollsten Ver-
fechter der freireligiösen Anschauungen, der durch feine origi-
nelle Auffassung das Interesse weitester Kreise erregt. Als
einer der berühmtesten Verkündiger der Religion des Geistes
und des Herzens ist er von jeher für den Grundsatz der un-

bedingten freien Selbstbestimmung in religiösen Angelegen-
heiten in der freisinnigsten Weise eingetreten. Dem Vortrag
Zieglers, der hier zum erste» Male auftritt, wird mit ge-
spannter Erwartung in freireligiösen Kreisen entgegengesehen
und auch die Fernstehenden werden Gelegenheit finden, aus
seinen Ausführungen reichlichen Stoff zum Nachdenken zu
ziehen. Der Vortrag findet im Prüfungssaale des Schul-
hauses in der Plöck, Vormittags zehn Uhr statt und ist
öffentlich.
8 Vom Gymnasium. Sämmtliche 30 Schüler der Ober-
prima haben das Abiturientenexamen bestanden.
8 Hr. Geheimer Hofrath Dr. Uhlig hat einen ehrenvollen
Ruf als Leiter der berühmten königl. Landesschule Schul-
pforta erhalten. Die Schule gilt als das erste humanistische
Gymnasium Deutschlands. Für das hiesige Gymnasium wäre
der Weggang seines jetzigen, so verdienstvollen Direktors ein
schwerer Verlust. Hat er es doch im Laufe eines mehr als 25jäh-
gen segensreichen Wirkens auf eine hohe Stufe der Vollkommen-
heit zu bringen verstanden. Möge es gelingen, Herrn Direktor
Uhlig der jetzigen Stätte seiner Thätigkeit zu erhalten!
O Oberrealschule. Von den diesjährigen Abiturienten hat
einer die Ergänzungsprüfung im Lateinischen am
Realgymnasium in Mannheim bestanden.
A Sommertheater im Zwinger. Seitdem die Varists-Auf-
führungen vom Spielplan verschwunden sind, geht die Direktion,
unterstützt von einem tüchtigen Schauspielpersonal, mit ver-
doppeltem Eifer daran, die Abende durch Aufführung von unter-
haltenden Stücken interessant zu machen. Gestern ging das
Volksstück mit Gesang „Nord und Süd" über die Bretter. Schon
die Betitelungen der Akte „Am Vorabend großer Ereignisse",
„Im Feindesland", „Nord und Süd vereint zum Bruderbünde"
geben die Tendenz des Stückes an, das echt patriotisch die Ver-
brüderung Preußens und Bayerns im großen Kriege darstellt.
Die Hauptdarsteller, Fräulein Narziß als Nanny, Tochter des
Schmiedhansel, Herr Nissen als Hermann Walter, Buchhalter
beim Schmiedhansel, Herr Wilhelmy als Gemstoni, sowie Herr
Luban als Obermeyer, Schreiber beim Landgericht, entledigten
sich ihrer Ausgabe mit großem Geschick und fanden den verdienten
Beifall. Neben dem Patrotismus kommt jedoch auch der Humor
nicht zu kurz, dafür sorgte August Wetterhahn, Schmiedgeselle,
später Bänkelsänger, der von Herrn Kersebaum treffend wieder-
gegeben wurde, und Karoline, seine Frau, die in Fräul. Hardt
eine gute Vertreterin fand. Viel belacht wurden die Citate,
die Wetterhahn bei jeder Gelegenheit anbringt, und die manch-
mal gefährlichen Kalauer. — Der Besuch war trotz des pracht-
vollen Sommerwetters ein guter, verdient aber bei den Leistungen
des Personals ein noch besserer zu werden.
** Zn der Leichenordnung tritt vorübergehend eine Aende-
rung ein, worüber eine Bekanntmachung des Stadtraths in der
heutigen Nummer ds. Bl. Näheres mittheilt. Die neue Leichen-
halle ist nunmehr fertiggestellt und wird mit dem Heutigen in
Betrieb genommen. Der Umbau der seitherigen Leichenhalle in
einen Trauerversammlungsraum soll alsbald in Angriff genom-
men werden.
C! Warnung vor Mädchenhändlern. Nach Nachrichten aus
Buenos-Ayres sind eine größere Anzahl von Personen nach
Europa gereist, um Mädchen oder Frauen zu unsittlichen Zwecken
zur Auswanderung nach Argentinien zu verlocken. Drei dieser
Mädchenhändler, welche am 18. Mai von Buenos-Ayres ab-
gereist sind, sollen die Absicht haben, das Elsaß und die
Schweiz aufzusuchen und werden hierbei wahrscheinlich auch in
Baden ihre Geschäfte zu machen versuchen. Es kann daher
nicht dringend genug gewarnt werden, etwaige An-
erbietungen von Stellen im Auslande anzunehmen, falls dieselben
nicht von durchaus glaubwürdiger und den Stellensuchenden als
solche bekannter Seite als ungefährlich bezeichnet werden. Bei
irgendwie verdächtigen Anerbietungen wende man sich an die
nächste Behörde (Bürgermeisteramt, Gendarmeriestation, Bezirks-
amt ec.); auch die Pfarrämter werden jedenfalls zu gutem Rathe
gerne sich bereit finden lassen.
* Haussuchung beim Pfälzer Boten. Der Pfälzer Bote
erzählt: Kaum von seinem Urlaub zurückgekehrt, erhielt unser
Redakteur Samstag früh ganz unerwartet eine Vorladung vor
den Gr. Staatsanwalt. Von diesem wurde ihm die Eröffnung
gemacht, daß er sich wegen eines in der Nummer des Pf. Boten
vom 6. Juli erichienenen Artikels von Rothenberg zu verant-
worten habe. Die Weigerung, den Verfasser des inkriminirten
Artikels zu nennen, hatte die sofortige Haussuchung in
den Geschäfts- und Arbeitsräumen des Pfälzer Boten zur Folge.
Das Resultat dieser mit dem auffallend großen Apparat von 8
Sicherheitsbeamten erfolgten Durchsuchung war trotz einer nahe-
zu 3stündigcn peinlichen Arbeit gleich Null. Selbstverständlich
erregte das Erscheinen von nicht weniger als 5 Gendarmen und
3 Geheimpolizisten unter Führung des Staatsanwaltes in dem
oberen Theile der Plöckstraße großes Aufsehen, und eine kleine
Volksansammlung trug sich offenbar mit der Hoffnung, einen in
Ketten gelegten Verbrecher vorgeführt zu bekommen. Doch waren
es nur ca. 2 Exemplare des Pf. Boten mit dem inkriminirten
Artikel, welche der Gerechtigkeit in die Hände fielen und konfis-
zirt wurden! (Der Rothenberger Artikel im Pfälzer Boten be-
trifft Vorgänge, die aus der Frage entstanden, ob Rothenberg
einen Beitrag zum Bahnbau leisten solle. In der Gemeinde-
versammlung ging es sehr heftig zu. Die Folgen waren bezirks-
amtliche Strafbefehle, gegen welche von den mit Strafe Belegten
beim Schöffengericht mit Ausnahme von zweien erfolgreich
recurirt wurde, worauf die Sache an die Strafkammer weiter
ging. Gegen das Bezirksamt Wiesloch wird in dem Artikel ein
sehr hämischer Ton angeschlagen.)
** Schießübungen des dahier garnisonirenden Bataillons mit
scharfen Patronen finden vom 20. bis 28. ds. jeweils Vormit-
tags von 6—12 Uhr im Bärenbachthal statt. Das Be-
treten des gefährdeten Geländes ist während dieser Zeit verboten.
Wir machen an dieser Stelle noch besonders auf die hierauf be-
zügliche, in vorliegender Nummer der Heidelb. Ztg. enthaltene
Bekanntmachung des Großh. Bezirksamtes aufmerksam.
** Hausverkanf. Das Haus Fisch er gaffe 8, Frau Fritz
Ww. gehörig, ging um den Preis von 8300 Mk. in den Besitz
des Hrn. Rathsdieners Maas über.
O Mordversuch. Heute Mittag gegen 1 Uhr gab ein etwa
18jähriger junger Mann Namens Becker in der Haspelgasse
mehrere Revolverschüsse gegen ein Mädchen Namens
Werner ab und verwundete dasselbe an Schulter, Arm und Bein
erheblich. Der Attentäter entfloh, wurde aber von einem Soldaten
per Rad eingeholt und verhaftet. Das Motiv der That scheint
Eifersucht gewesen zu sein.
LH Schöffengerichtssttzuug vom 18. Juli. 1) Karoline
Lichtenecker, Dirne hier, erhielt wegen Uebertretung des 8 7 der
O. P. V. d. A. d. G. U. 2 Tage Haft, 2) Karl Schmitt, Schuh-
macherlehrling in Heiligkreuzsteinach wurde von der Anklage
wegen Körperverletzung freigesprochen. 3) Adam Meng, Stein-
brecher in Kleingemünd, erhielt wegen Körperverletzung eine
Geldstrafe von 5 4) Die Verhandlung gegen Josef Stiehl
Ehefrau in Handschuhsheim wegen Beleidigung der Phil. Enkler
Ehefrau daselbst wurde vertagt. 5) Die Klage gegen Heinrich
Kuhn, Gypser in Handschuhsheim, wegen Beleidigung der Josef
Stiel Ehefrau in Handschuhsheim wurde durch Vergleich erledigt,
desgleichen 6) diejenige gegen Georg Nehm, Zimmermann in
Dossenheim, wegen Beleidigung des Ludwig Probst in Leuters-
hausen. 7) Karl Rudorfs, Bankbesitzer in Berlin, wurde von der
Anklage wegen Beleidigung des Rudolf Ziemann hier freige-
sprochen.
— Polizeibericht. Ein Hausbursche wurde gestern wegen
Urkundenfälschung und Betrugs verhaftet. Ein junger Mann
kam wegen muthwilliger Sachbeschädigung zur Anzeige. Er
hatte einige Fensterscheiben sowie die Scheibe an dem vom
Gemeinnützigen Verein am Hause Hauptstraße 192 angebrachten
Kasten mit meteorologischen Instrumentelle eingeschlagcn: ebenso

kamen ein anderer junger Mann wegen Abhebens von Schacht-
deckeln und ein Arbeiter wegen Thätlichkeiten, die er in einer
Wirthschaft verübt hatte, zur Anzeige.
I Ein paar erbärmliche Bübereien verzeichnet leider der
heutige Polizeibericht. Da ist es zunächst das Einschlagen von
Fensterscheiben sowie die Zertrümmerung der Scheiben an dem
Kasten mit meteorologischen Instrumenten, das Entrüstung hervor-
ruft. Jedermann hat seine Freude an den vom Gemeinnützigen
Verein zur Annehmlichkeit der Allgemeinheit aufgestellten Instru-
menten und nun kommt ein alkoholisirter Bursche und schlägt die
Scheiben ein, wobei ganz leicht auch die Instrumente beschädigt
werden konnten und es wohl nur ein glücklicher Zufall ist, wenn
sie unversehrt blieben. Ein noch größerer Bubenstreich ist das
Abheben von Schachtdeckeln, was von den gefährlichsten Folgen
für Leben und Gesundheit nichtsahnender Vorübergehender sein
kann. Es ist zu erwarten, daß den Thätern durch eine ganz
empfindliche Strafe die Lust zu einer Wiederholung solcher
Streiche benommen wird-
O Wiesloch, 18. Juli. Am gestrigen Nachmittage fand da-
hier die feierliche Uebergabe derKaiser Wilhelm-Erinne-
rungsmedaille an die Veteranen des Bezirks Wiesloch
statt. Letztere versammelten sich um halb 3 Uhr auf dem Markt-
platze. Von hier aus bewegte sich der Festzug unter Vorantritt
der Stadtkapelle zur Festhalle des Gasthauses zum Erbprinzen.
Um die Feier zu verschönern, waren auch die beiden Gesang-
vereine, Liedertafel und Liederkronz, eingeladen, welche während
der Feier drei Gesammtchöre, nämlich: „Grüß dich Gott, mein
schönes Badnerland", „Hoch, der Kaiser hoch" und „Die Schlacht
ist aus" vortrugen. Nach Begrüßung durch den Großh. Amts-
vorstand, Hrn. Dr. Cron, wurden den über 300 erschienenen Vete-
ranen die Erinnerungsmedaillen durch denselben überreicht. In
den weiteren Reden und Toasten auf Kaiser und Großherzog
des Herrn Greiff, Landtagsabgeordneter und Bezirkspräsident
der Kriegervereine, und des Herrn Dr. Cron wurde zur Einig-
keit zwischen den älteren und jüngeren Mitgliedern der Vereine
ermahnt und die Veteranen aufgefordert, Jeder möge an seinem
Theile zur Pflege der nationalen Güter, zur Erhaltung der
Vaterlandsliebe und Liebe zu Kaiser und Reich und unser«
Fürstenhause beitragen. Nach gemeinsamem Vortrag einiger
patriotischer Lieder unter Begleitung der hiesigen Stadtkapelle
war die Zeit herangerückt, um die Heimreise anzutretcn. Manche
Vereine halten noch am Abend in ihren Gemeinden eine patrio-
tische Nachfeier.
Karlsruhe, 18. Juli. Die Sachverständigen zur Begut-
achtung der Bahnhoffrage sind bereits ernannt. Es find
die Herren: Oberbaurath Ba um eiste r hier, Generaldirektorder
kgl. Bayrischen Staatsbahnen v. Ebermayer in München und
Civilingenieur Gleim in Altona, letzterer hat sich durch viele
Arbeiten im Bahnhofswesen einen Namen gemacht.
Offenburg, 16. Juli. Heute fand die Eröffnung der
Riedbahn Offenburg-Altenheim ohne öffentliche Festlichkeit
statt. Die Bahn ist vorläufig bis in die westliche Vorstadt
geführt, soll aber in der nächsten Zeit bis zum Bahnhof geführt
werden.
Freiburg, 16. Juli. Auf ein Telegramm, welches bei
Gelegenheit des lln i v er fit ä ts f e stes am vorigen Samstag
seitens der Festversammlung an S. M. den Kaiser gerichtet
worden ist, ist dem Tagblatt zufolge aus Berlin unterm 14. d. M.
folgende Antwort eingetroffen: „Exprorektor Herrn Professor
Dr. Rosin, Freiburg i. Br. Seine Majestät der Kaiser und
König haben Allerhöchst sich über den Huldigungsgruß der an-
läßlich der zum ersten Male erreichten Zahl von 1500 Studenten
der Universität Freiburg zur Feier versammelten Personen herz-
lich gefreut und lassen freundlichst danken. Auf Allerhöchsten
Befehl: Scheller, Geh. Oberregierungsrath."

Der amerikanisch-spanische Krieg.
Die spanische Besatzung der Stadt Santiago
verließ am Sonntag früh unter General Toral die Ver-
schanzung und rückte in die amerikanische Linie ein. Hier
wurden regimenterweise die Waffen niedergelegt.
Gleichzeitig wurde die spanische Flagge niedergeholt
und an ihrer Stelle das amerikanische Sternenbanner ge-
hißt. 7000 Gewehre und 600 000 Patronen sind von
den Spaniern ausgeliefert worden. An der Hafeneinfahrt
standen eine Reihe guter moderner Geschütze, ferner zwei
Gebirgsbatterien und eine Salutbatterie von 15 Brouce-
geschützen. Dampfbarkassen der Kriegsschiffe „New-Jork"
und „Brooklyn" fuhren Sonntag früh in den Hafen ein
und untersuchten die Batterien, das Wrack des „Merimac"
und das Wrack des „Reina Mercedes", sowie die Torpedo-
station. Sie fanden im Hafen sechs spanische Kauffahrtei-
schiffe und ein kleines Kanonenboot. Die Torpedos wurden
zum Theil entfernt, zum Theil zur Explosion gebracht.
Hierauf fuhr der Dampfer des Rothen Kreuzes „State
of Texas" in den Hafen, um den Kranken und Ver-
wundeten in Santiago Beistand zu leisten. Fast alle
amerikanischen Kriegsschiffe liegen jetzt in Guanta-
namo. Einige von ihnen treffen Vorbereitungen für die
Expedition nach Porto Rico. Der Hilfskreuzer „Jale"
mit dem Höchstkommandirenden Miles wird demnächst nach
Porto Rico abgehen. General Miles erklärte, es
sollen unverzüglich Truppen nach Porto Rico abgesandt
werden, welche genügen, um die Insel zu nehmen und
festzuhalten.
In Portsmouth (Newhampshire) wurden bereits
900 Kriegsgefangene an Land gesetzt. Von 1700
Gefangenen sind zehn gestorben. Die Aerzte sagen, wenn
die Gesammtziffer der Todesfälle sich unter 500 werde
halten lassen, werde man von Glück sagen können. Der
Gesundheitszustand unter diesen Gefangenen ist also kein
guter.
In Madrid wird die Zensur strenge gehandhabt.
Die Zeitungen erscheinen in Folge der von den Militär-
behörden vorgenommenen Streichungen mit großen weißen
Flecken. Die Mitglieder der Oppositionspartei beab-
sichtigen gegen jede Gebietsabtretung ohne Genehmigung
der Kammer Einspruch zu erheben. Diese Absicht dürfte
insofern gegenstandlos sein, als die Regierung ihrerseits
gewiß nicht versäumen wird, der Kammer die Mitverant-
wortung für den Friedensschluß aufzulegen. Die Lage
ist, wie die Agenzia Fabre mittheilt, ziemlich kritisch. Die
Regierung ergreife Maßregeln, um einer etwaigen karli-
st ischen Bewegung begegnen zu können.
Die Correspondenzia de Espana veröffentlicht einen
Artikel über die Schritte, welche bisher gethan worden
sind, um die Frage der auf Grund einer Volksab-
stimmung zu gestaltenden zukünftigen Regierungsform
Kubas zu lösen. Daß die Amerikaner sich auf eine
Volksabstimmung einlassen werden, ist nicht anzunehmen.
Sie verlangen, daß Spanien sich aus Kuba zurückzieht,
und bei dieser Forderung werden sie sicher beharren, ist
sie doch der Anlaß zu dem Kriege gewesen.
 
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