Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0049

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienblättern
, .monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25
ausschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.
Xk. M.

HkiiiMM ZritW

JnsertionSgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
. Gratis-Anschlag
M> der Inserate auf den Plakat-
V tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

Mittwoch, den 13. Juli

1898.

Südafrikanische Verhältnisse.
Die zwischen den Buren und Briten in Süd-
afrika allgemein, nicht bloß in der südafrikanischen Re-
publik, bestehende Spannung wird durch ein Moment ver-
schärft und dauernd erhalten, welchem von der öffentlichen
Meinung Europas bisher nicht genügende Beachtung zu
Theil geworden ist. Es sind dies die aus der ungehinderten
Zuwanderung indischer Händler und Kulis sich er-
gebenden wirthschaftlichen und sozialen Mißstände. Der
jüdische Händler ruinirt die einheimischen Geschäftsleute,
°sr indische Kuli den einheimischen Arbeitsmarkt. Das
gilt auch von der Südafrikanischen Republik (Transvaal),
welche durch den Wortlaut der mit Großbritannien ge-
Ichlossenen Konvention gehalten ist, innerhalb ihres Gebietes
allen britischen Reichsangehörigen, sie mögen stammen woher
ste wollen, die volle Gleichberechtigung zu gewähren. Da
nun die Indier ebenso gut Unterthanen der Königin Viktoria
und, als irgend ein lull breä LuAlislnuuu, und Süd-
afrika die nächste und paßrechtest gelegene Kolonie für
Indien ist, so strömt der Ueberschuß der indischen Bevöl-
kerung in alljährlich wachsender Masse nach dort ab, und
wo sie in Südafrika erst einmal festen Fuß gefaßt hat,
verdrängt sie alle übrige Konkurrenz.
.. In den englischen Bevölkerungskreisen Südafrikas
stt man auf diese Ue b ers ch w e m mu n g mit indischen
Einwanderern kaum weniger schlecht zu sprechen, als in den
holländischen, aber man duldet sie und fügt sich in das
Unvermeidliche, weil man sich sagt, daß innerhalb des britischen
Mahlreiches nun einmal die Regel: „Gleiches Recht für
Alle" Geltung habe und es in Indien sehr böses Blut
Machen müßte, wenn es dort hieße, daß die indischen Unter-
thanen der Königin in andern Theilen des Reiches gewisser-
maßen als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt werden.
Aber die Holländer fragen sich nicht ohne Grund, weshalb
Üe darunter leiden sollen, daß England seine indischen
Unterthanen nur mit Glacehandschuhen auzufassen sich ge-
kaut, wenn sie den andern Kolonien das Leben schwer
Machen, und diese Reflexion trägt sehr merklich zur Steigerung
oer Unzufriedenheit des Burenthums mit dem britischen
Kolonialregime in Südafrika bei.
/Uebrigens bemüht sich auch die englische Regierung,
meser Ueberschwemmung des Landes mit Kulis zu steuern.
Direkt wagt man natürlich der Regel: „Gleiches Recht für
Alle" nicht zu Leibe zu gehen, so versucht man es auf
Umwegen, indem man den Erlaß von sanitären Maßregeln
plant, um sich derselben als Handhabe zur Fernhaltung
des Zuzuges der in sanitärer Hinsicht nichts weniger als
einwandfreien indischen Kulis und Händler zu bedienen.
Man sagt sich zur Rechtfertigung solcher Maßnahmen, daß
die indischen Kulis in Südafrika nicht gebraucht werden,
wo genug einheimische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Also fort mit ihnen, aber unbeschadet des freiheitlichen Aus-
putzes, an den sich der Engländer nun einmal gewöhnt hat,
wenn er es auch meisterhaft versteht, es so zu drehen und
öu wenden, daß er in der Sache wirkt, wie das ausge-
sprochenste Prohibitivregime.

Deutsches Reich.
Berlin, 12. Juli.
— Staatssecretär von Podbielski befindet sich zur
Zeit noch in Bukarest und beabsichtigt, sich von dort nach
Konstantinopel zu begeben. Die Reise soll bezwecken, bessere
Delegraphcn- und auch Eisenbahnverbindungen nach dem
"alkan in die Wege zu leiten. Zunächst wird geplant,
mne direkte Tclegraphenverbindung Berlin-Bukarest und

eine direkte Eisenbahnverbindung Bcrlin-Bukarest-Constanza
herzustellen.
— Die Köln. Volksztg. schreibt: „Die Zulassung
der Postassistenten zum Secretär-Examen wird,
wie wir vernehmen, vom nächsten Jahre ab erfolgen. Diese
Neuerung dürfte von den betheiligten Beamten mit Freu-
den begrüßt werden."
— Der Prozeß wegen des bekannten Krawalls zu
Erfurt, endete mit Strafen von insgesammt 4'/> Jahren
Zuchthaus und 16°/, Jahren Gefängniß. Es folgen noch
die Prozesse über die Unruhen in Liegnitz, Heilbronn und
Göppingen. Dazu schreibt die Braunschweig. Landesztg.
unter der Marke „Nevolutionssymptome" :
Der Geist, der in allen diesen Spektakelmachern und
Aufrührern wohnte, ist derselbe, der in den soz.-dem. Ver-
sammlungen und Blättern gezüchtet wird. Die Redensarten,
welche die Rebellen im Munde führten, kann man überall und
bei jeder Gelegenheit, wo Erregung entsteht, wieder hören. Einen
drastischen Effekt erzielte der Vorsitzende des Erfurter Gerichts
mit seiner an den einen Angeklagten, welcher gerufen hatte:
„Diese Schufte (diePolizeibeamten) müssen wir mit schweren
Steuern ernähren" gerichteten Frage: „Sagen Sie mal, wie
viel Steuern bezahlen Ste denn eigentlich? — Neu nund-
sechzigPfennige" lautete die ebenso prompte als verblüffende
Antwort. Das ist ein charakteristisches Beispiel für die erbärm-
liche, großmäulige Heuchelei, die ein Grundzug so u n-
endlich vieler Schreier und Renommisten in den
Volksversammlungen ist, von denen sich die Einfältigen
ungeheuer imponiren lassen.
Baden. Karlsruhe, 12. Juli. In heutiger Sitzung
der Justizkommission der Zweiten Kammer wurde der Ge-
setz-Entwurf über das Grundbuchwesen erörtert. Nach
dem, was die Landesztg. über den Verlauf der Berathung
hört, gab sich allseitiges Einverständniß darüber kund, daß
an den Grundlagen des Entwurfs festzuhalten sei, wornach
die Grundbücher nach wie vor in den einzelnen Ge-
meinden geführt werden und die Notare als Grund-
buchbeamte, sowie die Rath sch reib er als deren
Hilfsbeamte fungiren sollen. Besondere Bestimmungen
wegen der Grundbuchführung in den Städten, sowie
überhaupt die Einzelberathung des Entwurfs behielt sich
die Kommission vor. Die Einzelberathung wird jedenfalls
erst nach der Vertagung der Kammer vor sich gehen.
Bruchsal, 12.Juli. Zu dem Ministerialerlaß,
welcher die Handlungsweise der hiesigen kathol. Pfarrer
gegen Herrn Oberbürgermeister Dr. Gautier als „eigen-
mächtig" und „gesetzwidrig" bezeichnet, bemerkt der Schwäb.
Merkur:
„Diese Kundgebung der großherzoglichen Regierung wird in
liberalen Kreisen allgemein Befriedigung erwecken. Man hatte
befürchtet, daß mit dem Ausscheiden des Oberbürgermeisters Dr.
Gautier aus dem Amte der grundsätzliche Theil der Frage un-
erledigt bleiben würde. Schon dies wäre ein Erfolg der kleri-
kalen Partei gewesen und hätte — je nach der kirchlichen Haltung
des künftigen Kandidaten — die bevorstehende Oberbürgermeister-
wahl in rein konfessionellem und dazu noch klerikalem Sinne be-
einflussen können. Um so erfreulicher ist es, daß die Regierung
durch ihren Erlaß an die Kurie, der abschriftlich dem Stadtrath
von Bruchsal zugegangen ist, die grundsätzliche Seite der Frage
von der persönlichen trennt und eine Lösung des Streitpunktes
offen hält. Wie die Antwort der Kurie unter dem Regime
Knecht ausfällt, darüber ist man nicht im Unklaren. Es ist je-
doch wahrscheinlich, daß die Regierung auch jetzt bereits die
Maßnahmen ins Auge gefaßt hat, mit denen sie ihren Stand-
punkt nöthigenfalls zur Geltung bringt. Uebrigens scheint uns
der Fall so geartet und auch von so allgemeiner Bedeutung zu
sein, daß er ganz gut in Form einer Interpellation an die
Kammer gebracht werden könnte."

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Oberpostdirektionssekretär Gustav Trunzer aus Neckarburken
zum Postkassirer bei dem Postamte 1 in Mannheim ernannt.
— Fahrpreisermäßigung. Anläßlich der zur Zeit in
München stattfindenden Kraft- und Arbeitsmaschinenausstellung

sind in Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe und Pforzheim Rück-
fahrkarten nach München zu ermäßigtem Preis aufgelegt worden.
Die Ausgabe derselben erfolgt nur an den Samstagen. Die in
der Nacht von Samstag auf Sonntag erst nach 12 Uhr abgehenden
Nachtschnellzüge 15/15 s/1 V, 90/1 VV und 266/1 IV sind indessen
noch zugelassen. Die Karten können zur Rückreise nur benutzt
werden, wenn sie in der Ausstellung abgestempelt wurden, und
gelten zehn Tage. Nähere Auskunft ertheilen die Stationen.

Ausland.
Frankreich. Paris, 12. Juli. Der Vertheid iger
des Dreyfus, Demange, richtete an den Justizminister
Sarrien ein Schreiben, in dem er bezeugt, daß die vom
Kriegsminister Cavaignac in der Kammer verlesenen
Schriftstücke weder ihm noch Dreyfus mitgetheilt worden
sind und daß sie nur von dem Bordereau Kenntniß hatten.
Demange fügt in seinem Schreiben noch eine Notiz von
Dreyfus hinzu, in der er von einer Zusammenkunft er-
zählt, welche er mit dem Major du Paty de Elam am 31.
December 1894 hatte und in der er sich für unschuldig
erklärte; ferner von einer Zusammenkunft, infolge deren
Dreyfus an den Kriegsminister einen Brief schrieb, in dem
er seine Unschuld betheuert und den Minister bittet,
Untersuchungen anzustellen.
Paris, 12. Juli. Der Ministerrath beschloß die
Verfolgung des ehemaligen Oberstlieutenants Picquart
wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Es handelt sich
um die Mittheilung der geheimen Dossiers, wovon im
Prozeß Zola die Rede war, nicht um den letzten Brief
Picquarls.
Paris, 12. Juli. Deputirte n kammer. Der
Sozialist Fourniöres wünscht wegen des letzten Briefes
des ehemaligen Obcrstlieutenants Picquart eine Inter-
pellation einzubringen. Ministerpräsident Brisson schlägt
vor, den Antrag auf einen Monat zu vertagen. Kriegs-
minister Cavaignac erklärt, er meine, die Kammer werde
nicht alle Tage über einen Brief beraihen wollen, über
welchen die Negierung Aufklärungen gegeben habe. Das
Haus könne sich auf die Erklärungen einer Person, welche
die in Frage stehenden Schriftstücke nicht gesehen habe, nicht
einlassen. (Zustimmung.) Die Vertagung auf einen Monat
wird mit 498 gegen 20 Stimmen genehmigt.
Rußland. Petersburg, 11. Juli. Gestern Vor-
mittag wurden der Commandant und die Offiziere
des deutschen Schulschiffes Charlotte von dem
Generaladmiral Gro ßf ürsten Alexis empfangen. Der
Großfürst, welcher deutsche Admiralsuniform trug, redete
die Officiere in deutscher Sprache au und unterhielt sich
längere Zeit in liebenswürdigster Weise mit denselben.
Der Großfürst zeigte für die Erziehung der deutschen Ka-
detten und der Seeleute großes Interesse und war auf's
eingehendste über das in Deutschland herrschende Ausbil-
dungssystem der Marinemauuschaften und der Offiziere
unterrichtet. Den Besuch an Bord ließ der Großfürst, da
er durch die Abreise der Großherzogin-Mutter von Meck-
lenburg-Schwerin verhindert war, zunächst durch den we-
gen seiner Liebenswürdigkeit allgemein bekannten Kapitän
Mildor erwidern. Der stellvertretende Marineminister, Ad-
miral Avellan, wird den Offizieren der „Charlotte" ein
Diner geben, an welchem die Spitzen der Marinebehörden,
sowie die Offiziere der kaiserlichen Jachten theilnehmen
sollen. Ucberhaupt sind die deutschen Officiere von der
russischen Gastfreundschaft und liebenswürdigen Art, in
welcher diese geboren wird, auf das angenehmste über-
rascht. So haben auch alle Kommandanten und Offiziere
der hier anwesenden russischen Kriegsschiffe an Bord der
„Charlotte" Besuch gemacht uud die deutschen Kameraden
auf das freundschaftlichste zu sich eingeladen.

2)

Sklaverei der Schönheit.
Novelle von M. Jmmisch.
(Fortsetzung.)
.And wie hübsch er aussah! Das ovale Antlitz mit der
" Mase und der breiten, schöngeformten Stirn war leicht
uevraunt und über den frischen Lippen prangte ein kleines,
allerliebstes Schnurrbärtchen.
Sie mußte Plötzlich laut auflachen. Es fiel ihr auf ein-
M em, wie er noch vor zwei Jahren immer eifrig und
Mn Nichtig über den weichen Flaum gestrichen hatte, der die
«leite des Bärtchens einnahm. Sie hatte damals zu seinem
^erger immer behauptet, daß man ein Vergrößerungsglas ge-
.^a?me, um den im Voraus gepflegten, zukünftigen Bart zu
entdecken.
- Die Plauderstunde hatte sich bis zum Abend ausgedehnt,
leichte Dämmerung Heller Junitage lag über dem
'Mttigen Garten und ein süßer Blumenduft erfüllte die Luft,
vor Alter halb steife Kater, der das Gnadenbrot)
U.Hause. erhielt, strich verdrießlich durch die Büsche und
l^ietle mißtrauisch nach dem jungen Mann hinüber, mit dem
d-v» ci^her in unverträglicher Feindschaft gelebt. Er wun-
?ch offenbar, daß er bis jetzt unbeachtet und unqeneckt
ig» ^n- . Aber Fritz hatte Wichtigers zu thun. Hedwig zog
«n wie ein ubermüthiges Kind, zu ihrem LieblingSvlätzchen
der Länge ^ngc neuer, ihr interessant erscheinen-
,, Und sein Malerauge fand so viel des Schönen und nicht
M Wenigsten Kiner eifrigen Führerin, daß es nur natür-
"ch war, wenn er einen alten Kater übersah.
Wasser des Springbrunnens rauschte und plätscherte
Slck>-°s"?«^^^?bwolkten Himmel zeigte sich die schmale
«ichel des Mondes. Muckenschwärme tanzten vor ihm her
rU?" weit hlngestreckten Stadt flammten lange Licht-
M Jach und nach verstummten die beiden jungen
Menschenkinder und es schien, als hinge Jedes ganz besonders

wichtigen Gedanken nach. Eine traumhafte, süß beklemmende
Märchenstimmung schien in der schwülen Luft zu liegen. Sie
hatten beide das Bedürfniß, sich an der Hand zu fassen und
traulich aneinander geschmiegt, wie manchmal in früheren
Zeiten, auf und ab zu gehen. Aber eine unerklärliche Scheu
hielt sie davor zurück. Die klaren fröhlichen Augen des
Mädchens verschleierten sich und eine seltsame Unruhe durch-
zitterte ihr ganzes Wesen. Sie war froh, als die Mutter
sich zu ihnen gesellte und einen frischen Zug in die stockende
Unterhaltung brachte.
Eine gewaltsame Lustigkeit bemächtigte sich des jungen
Mannes. Es kam ihm vor, als wäre er eben sehr schwach
und sehr thöricht gewesen. Solch ein silberschimmernder,
sinnverwirrender Juniabend hatte seine Gefahren für einen
Mann, der ein großes, hohes Ziel vor Augen hatte, der
nicht rechts und nicht links sehen, am wenigsten aber sich
sentimentalen Anwandlungen ergeben durfte, wenn er es er-
reichen wollte.
Und erreichen mußte und wollte er es, koste es, was
es wolle.
Scheu blickten seine Augen auf das schlanke Mädchen an
seiner Seite. Es fiel ihm schwer, sich in seinen gewohnten,
brüderlichen Gleichmuth zurückzufinden. Wie holdselig sie
aussah in dem blonden Abendlicht! Zum ersten Mal
empfand er lebhaft, daß sie nicht seine Schwester war,
daß er sie viel, viel lieber haben könnte, als ein Bruder,
wenn. . .
Ja, wenn er nicht nach dem Gipfel strebte, auf dessen
reiner Höhe unvergänglicher Lorbeer wächst. Er hatte
keine Zeit, sich an den Rosen des Thales zu erfreuen,
er mußte vorwärts, allein, unaufhaltsam, ohne hemmende
Kette, und wäre sie auch von den Händen der Liebe ge-
flochten . . .
Die nächsten Wochen brachten eine Menge Zerstreuungen
und Ablenkungen. Fritz war wenig zu Hause. Die traulichen
Plauderstündchen mit Hedwig vermied er und ihr trotziges
Schmollen schien er gar nicht zu bemerken. Mit beflissener

Absichtlichkeit sprach er von seinen Zukunftsplänen; mit fieber-
Hafter Spannung sah er der Entscheidung über sein Bild ent-
gegen. Eine rastlose Unruhe erfüllre ihn. Fort, nur fort in
die Ferne, dem Glücke, dem Ruhme entgegen.
Daß Glück und Ruhm gewöhnlich sehr weit von einander
entfernt sind, fiel ihm nicht ein. Er sah es nicht, daß das
Glück greifbar neben ihm stand, daß er nur die Hand aus-
zustrecken brauchte, um es festzuhalten. Er verzehrte sich nach
dem schimmernden Phantom, das ihn lockte mit Zauberge-
walt und nach dessen Besitz sich schon so Viele umsonst zu
Tode gehetzt.
Eines Tages unternahmen sie mit mehreren Bekannten
einen Ausflug. Man hatte eine Stunde mit der Bahn zu
fahren und kam dann nach kurzer Wanderung in eine wild-
romantische, waldige Schlucht. Durch ihre Tiefe zog sich ein
tosender Waldbach. Rauschend und brausend stürzte das
Wasser über Felsgeröll und riesige Steinblöcke. An der einen
Seite thürmten sich breite, mit Gestrüpp bewachsene Felsen.
Ein schmaler, holperiger Weg führte bald rechts, bald links
an dem Bache entlang, der in kurzen Strecken von dicht neben
einander liegenden Baumstämmen überbrückt war.
Hier gab es keine Konversation, kein gemächliches Neben-
einandergehen. Zerstreut, mühsam klettecten die Touristen
bergauf, bergab. Bald marschirten sie in grellem Sonnen-
schein, bald umfing sie die grüne, heimliche Dämmerung.
Hedwig war etwas zurückgeblieben. Die Füße schmerzten
ihr von der ungewohnten Anstrengung, ihr Köpfchen glühte
und ihr Herz pochte in Zorn und Unmuth.
Sie war dem Weinen nahe. Wie hatte sie sich gefreut
auf den heutigen Tag und was hatte sie nun davon! Ihre
Freundinnen schienen sich köstlich zu unterhalten. Manchmal
drang ein Jubellaut zu ihr herüber, manchmal schimmerte
ein weißer Hut oder ein Helles Kleid durch die Zweige hin-
durch. Fritz war sehr bestrebt, ihren Freundinnen die
Zeit zu vertreiben und an sie dachte er gar nicht. Noch nie
war er so rücksichtslos gewesen wie heute, wie überhaupt wäh-
rend der ganzen letzten Wochen- Was hatte er nur gegen sie?
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen