Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0563

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienblättern
^monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Ivierteljährl. 1.25
»nsschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr.'8S.

Wtll>kv Jeltililg

?usertionsgebühr
15 Pf. s^r die Ispaltige
Pccltzeue oder deren Raum.
Für hiesige Geschoss- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xr. 278.

Montis, den 28. Ammbkk

1888.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für den Monat December
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agen-
ten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedi-
tion, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 5V Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat December,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., für Zustellgebühr
15 Pfg. weiter.

Politische Umschau.
Heidelberg, 28. November.
Das Kaiserpaar ist am Samstag Mittag wohlbe-
halten in Potsdam eingetroffen. Zu seiner Begrüßung
erschienen auf dem dortigen Bahnhof die Prinzen
August Wilhelm, Oskar und Joachim, sowie die Prinzessin
Victoria Luise und überreichten ihren Eltern Blumen-
sträuße. Auf dem Bahnsteig war eine Ehrenwache mit
Musik aufgestellt. Ferner waren zugegen die in Berlin
weilenden Prinzen und Prinzessinnen, der Reichskanzler Fürst
Hohenlohe, die Staatsminister und Staatssekretäre, die Ge-
neralität, die Kommandanten der Residenzen, die Geistlich-
keit und die Spitzen der Provinzial- und der städtischen
Behörden. Das Kaiserpaar begrüßte die Anwesenden aufs
herzlichste und verweilte mit ihnen längere Zeit im Fürsten-
zimmer. Wie der Reichsanzeiger berichtet, gab Namens
des preußischen Staatsmiuisteriums der Reichskanzler Fürst
Hohenlohe der lebhaften Freude über die glückliche Heimkehr
des Kaiserpaares warmen Ausdruck. Der Kaiser versam-
melte hierauf die Staatsminister um sich und machte ihnen
Mittheilung über die erreichten und für die Zukunft zu er-
hoffenden Er g e b n i s s e der Orieutr eise, sowie über
die augenblickliche politische Lage am Mittelmeer
unter dem Ausdruck der Befriedigung mit den erzielten
Erfo l g e n. — Wie die Straßb. Post mittheilt, hat der
Kaiser in der Erwiderung auf ein Begrüßungstelegramm
des Statthalters von Elsaß-Lothringen auch auf die von
seiner Reise zu erwartenden Erfolge htugedeutet. Der
Kaiser lllegraphirte: „Unsere durch des Allmächtigen
Gnade bis heute so glücklich verlaufene Reise war reich
an schönen und großen Eindrücken und soll mit Gottes
Hilfe dem Vaterland dauernde Früchte tragen." Bisher
hat man geglaubt, daß Deutschland durch die Kaiser-
reise nur eine gewisse moralische Stärkung seiner
Stellung und seines Ansehens in der Türkei erfahren werde.
Wenn nun aber der Kaiser im Zusammenhang «mit der
von ihm erörterten politischen Lage am Mittelmeer von
den Ergebnissen seiner Reise und dem erzielten Erfolge
spricht, so giebt dies nachträglich seiner Orientreise einen
ausgeprägt politischen Charakter. Bisher war Deutsch-
land an den politischen Verhältnissen im Orient nicht
direkt interessitt, und es hat sich gut dabei gestanden.
Wenn jetzt diese Politik verlassen werden sollte, so würde
das in Deutschland doch einige Beklemmung verursachen,
denn Deutschland hat im Orient nicht so viel zu gewinnen,
als es zu verlieren hat, wenn es sich in die dortigen An-
gelegenheiten direkt hineinziehen läßt. Es ist ja klar, daß,
wenn Deutschland seine Zurückhaltung aufgiebt, wenn es
seine Orientpolitik deutlicher markirt, dies zu Gunsten der
Türkei geschehen würde. Damit wäre aber dann gleich
die verhängnißvolle Annäherung an England und der
Gegensatz zu Rußland gegeben.
In Berlin war am Samstag die Straße unter den
Linden reich beflaggt, auch die öffentlichen Gebäude hatten
Flaggenschmuck angelegt. Viel bemerkt wurde, daß sämmt-
liche katholischen Kirchen Berlins in deutschen und

päpstlichen Farben geflaggt hatten und daß Vormittags
11 Uhr eine Viertelstunde lang die Glocken läuteten.
Der fürstbischöfliche Delegat hatte dies für Berlin ange-
ordnet. Die deutschen Bischöfe werden auf Anregung des
Kardinals Krementz an den Kaiser noch eine Dankadresse
richten. Mit diesem auf dem Gebiet der inneren Politik
liegenden Erfolge der Kaiserreise darf man sehr zufrieden sein.
Der Rachefeldzug des französischen Gene-
ra Ist ab es gegen den Obcrstlieutenant Picquart, der
sich als ein anständiger, rechtlicher, ideal gesinnter Mann
bewährt hat, setzt in Frankreich immer weitere Kreise in
zornige Erregung. Der öffentliche Einspruch wider die
Anklage gegen Picquart findet ungeahnten Widerhall in
der öffentlichen Meinung. Die Blätter Aurore und Droits
de l'homme, die zur Einzeichnung der Namen aufgefordert
hatten, veröffentlichen schon jetzt Listen von mehreren Tau-
send Unterschriften meist angesehener Persönlichkeiten, die
sich dem Einspruch «»schließen. Auch die Bewegung in
den parlamentarischen Kreisen deutet darauf hin, daß sich
die Regierung wie die Militärkreise auf heftigen Sturm
wegen ihres Vorgehens im Falle Picquart gefaßt machen
können. Im Senat wird die Regierung interpellirt werden,
ob sie es wohl für angemessen hält, die Verhandlung des
Kriegsgerichts über Picquart zu vertagen, bis die Enquete
des Kassatioushofs beendet sei. Der Senator Delpech
wird einen Gesetzentwurf einbringen, der bestimmt, daß den
Militärgerichten bürgerliche Richter für die Leitung der
Untersuchung beigegeben werden sollen. In der Kammer
wollen heute die Abgeordneten Millerand, Ribot und
Poincarö einen Antrag stellen, welcher bezweckt, Picquart
der Jurisdiction des Kriegsgerichtes zu entziehen. Es soll
entweder die Modifikation des Militärstrafgesctzbuches bean-
tragt werden, wonach vor das Kriegsgericht lediglich mili-
tärische Delikte gelangen, oder es soll ein Gesetzesvorschlag
eingebracht werden, wonach der Kassationshof das Recht
habe, eine Verweisung vor das Kriegsgericht zu annulliren.
Auf gestern war der starrköpfige Militärgouverneur von
Paris, Zurlinden, sowie der Generalstaatsanwalt Manau
zu einer Besprechung mit dem Premierminister Dupuy,
dem Kriegsminister Freycinet und dem Justizminister
Lebret berufen. Vielleicht, daß es dabei gelungen ist,
Herrn Zurlinden breitzuschlagen und die Einberufung des
Kriegsgerichts gegen Picquart aufzuheben oder wenigstens
zu vertagen. Die ganze Anklage gegen Picquart ist za
lächerlich, trotzdem ist man überzeugt, daß das Kriegsge-
richt — „auf Befehl" würde Zola sagen — Picquart
verurtheilen werde, um dem Generalstab zur Befriedigung
seines Rachegefühls zu verhelfen. Diese Taxirung eines
französischen Kriegsgerichts durch die öffentliche Meinung
in Frankreich ist wirklich das Allerschlimmste, was bis
jetzt im Gefolge der Dreyfusangelegenhcit zu Tage ge-
treten ist.
Deutsches Reich.
— Die Allgem. Ztg. enthält ein Telegramm aus
Stuttgart vom 25. ds. Mts., das lautet: Infolge der
persönlichen Besprechungen des Kaisers mit dem König
von Württemberg und dem P rinzregenteu von
Bayern ist in der lippeschen Frage eine Wendung
eingetreten, die allen Vateclandsfreunden zur Befriedigung
gereichen kann. Zwischen dem Kaiser und der Mehrzahl
der großen BundeSfarsten ist eine Uebereinstimmung dahin
erzielt worden, daß in der Behandlung dieser Frage die
großen nationalen Gesichtspunkte den Ausschlag geben
müssen, denen gegenüber kleinere Differenzen zurücktreten.
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Wie wir hören,
haben sämmtliche deutschen Bundesregierungen sich neuer-

dings über einheitliche Grundsätze bei Ueber-
wachung der anarchistischen Bewegung ge-
einigt. Zur Beschleunigung des Nachrichtendienstes sollen
die Polizeibehörden künftig auf direktem Wege bestimmte
Mittheilungcn machen; außerdem soll eine gemeinsame
Sammelstelle für Nachrichten in Berlin eingerichtet werden.
— Am 21. und 22. d. Mts. hat in Berlin eine sehr
umfangreiche Kommission für Berathung der sogenannten
Geheim Mittelfrage getagt. Als vorläufiges Er-
gebniß der Berathung wird, laut Frkf. Ztg., mitgetheilt,
daß ein scharfes Anpreisungsverbot der Gcheimmittel in
Aussicht steht. Die Kommission bestand aus Vertretern
der chemischen Industrie, Arzneigroßhändlcrn, Apothekern
nnd Droguisten, die alle in der Lage waren, ihre geschäft-
lichen Interessen in der Kommission zu vertreten. Das
Preßgewerbe, das dem Anscheine nach die gesammten Kosten
der Neuordnung des Geheimmittelwesens tragen soll, war
in der Kommission unvertreten.
— Die Einberufung des Reichstags ist auf
den 6. December festgesetzt worden.
Baden. Karlsruhe, 25. Nov. Eine längere Ein-
berufung der Kammern wird laut Schwäb. Merk, auch
in parlamentarischen Kreisen nicht vorausgesetzt, weil man
weiß, daß namentlich die Mitglieder des Justizministeriums
mit Gesetzgebungsarbeiten überhäuft und außerdem mit der
ersten juristischen Prüfung befaßt sind, an der 67 Kandi-
daten theilnehmen; es handelt sich also bei einer Einberu-
rufung der Stände im Wesentlichen nur um den verfassungs-
mäßigen Zusammenhang zwischen der Kammer und ihren
Kommissionen und um die Ergänzung der Justizkommission.
Letzteres ist wohl die eigentliche Schwierigkeit gewesen, denn
über den staatsrechtlichen Punkt der Sondereinberufung der
beiden Kommissionen (Justiz- und Dotationskommission),
wäre man wohl hinausgekommen. Für Baden zwar ist
diese Sonderberufuug eine Neuheit, in Bayern aber, und
mehrmals in Württemberg waren Steuer- und Verfassungs-
kommission einberufen im Interesse der Arbcitserleichterung
und -Beschleunigung, während die Kammer selbst vertagt
war. Die ablehnende Haltung der Justizkommission scheint
um deswillen der Regierung anscheinend etwas überraschend
gekommen zu sein, weil es sich für sie lediglich um eine parla-
mentarische Arbestsfrage, frei von allen politischen Hinter-
gedanken handelte. Nun ist mit der neuen Lage zu rechnen,
allgemein aber erwartet man, und zwar ziemlich rasch,
gerade aus obigen Gründen, eine konfliktlose Lösung.
Keiner der Minister hat, so viel man weiß, an den Kom-
missionssitzungen theilgenommen; Kammerpräsident Gönner
war das vermittelnde Element. Auch das Centrum kündigt
an, es wolle die Sache nicht zu einem Konflikt aufbauschcn,
selbst nicht einem Mißtrauensminister oder -Ministerium
gegenüber.
Karlsruhe, 26. November. Die Südd. Reichs-
korresp. schreibt: Durch eine gänzlich unberufene Aeuße-
rung eines norddeutsche» Korrespondenzblattes ist der be-
vorstehende Besuch des Großherzogs in München
neuerdings zum Gegenstand von Preßerotterungen gemacht
worden, über deren Unverstand man nur staunen kann,
deren taktlose Unterstellungen aber zurückzuweisen sind. Die
an den Besuch anknüpfenven Vermuthungen sind aus der
Luft gegriffen. Der Großherzog folgt bei seiner Reise
nach München lediglich dem lange gefühlten Bedürfniß,
dem Prinzregenten einen infolge von Krankheit verschobenen
Besuch abzustatten und für die Verleihung des Regiments
zu danken, durch welche Seiner Königlichen Hoheit seiner
Zeit in der entgegenkommendsten Weise eine freudig em-
pfundene Aufmerksamkeit erwiesen worden ist.

Nur frisch gewagt.
47- Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinckelberg.
(Fortsetzung.)
Der Major schritt daher, das erstaunte Herüberblicken des
Herrn Obersten, welcher mit der Frau Gräfin bis jetzt an
der Spitze des Zuges stand, anscheinend gar nicht bemerkend,
dem mittleren Theile des Zuges zu. „Wo wollen Sie hin,
Herr Graf?" zirpte Fräulein Aurora zu ihrem Begleiter hin-
auf, „müssen Sie nicht die Polonaise anführen?" — „I be-
bewahre, Fräulein Aurora," erwiderte er, „diese Ehre kömmt
doch nicht mir. sondern dem Herrn Obersten zu!" — „Aber
der Herr Oberst schaut immer hierher und jetzt winkt er so-
gar!" — „Sie >rren sich wohl, Fräulein Aurora!" — „Ganz
gewiß niwt, Herr Graf! Lassen Sie uns eilen, der Herr
Oberst wird ungeduldig!" — Und Aurora nickte zu dem
Herrn Obersten hinüber, daß ihre Schmachtlocken hin und her-
läuteten, und zerrte ihren Begleiter aus seinem bisherigen
Course heraus. Dieser ergriff die Sachlage mit seinem präch-
tigen Humor. „Meinen Sie wirklich," fragte er, dem Zerren
seiner Tänzerin Folge gebend, „daß wir beide die Polonaise
ansühren sollen?" — „Nun natürlich!" erwiderte Aurora,
immerfort ziehend und dem Herrn Obersten bejahend zu-
nickend, „Sie sind der Chef des Balles und ich" — „Nun
und Sie, Fräulein Aurora?" — „Nun ich bin die Tochter
des Herrn Bürgermeisters, und da wird der Herr Oberst
uns wohl für das geeignetste Paar halten, die Polonaise zu
eröffnen. Sie, Herr Grat, sind zudem nächst dem Herrn
Obersten hier der erste Officier und ich die erste Dame der
Einwohnerschaft!" — „Dumme Pute!" lachte der Herr Graf
>n sich hinein, und damit war Auroras Schicksal beschlossen
und besiegelt.
„Der Herr Oberst befehlen?" so trat jetzt der Graf von
Reuthern an seinen Commandeur heran. — „Wir warten
uuf Sie, mein lieber Graf," lautete die Antwort, „Sie sind
la Ihren Functionen untreu geworden, wollen Sie nicht die ,
Polonaise anführen?" — „Das ist wohl nicht meine Sache,'

Herr Oberst, diese Ehre gebührt unstreitig Ihnen als unserem
Commandeur!" — „Nimmermehr! Wir sind im Ballsaale
und nicht auf dem Exercierplatze. Zudem würde ich mit
meiner Polonaisenführung wenig Ehre einlegen, habe dieses
Exercitium seit Jahren verlernt. Ich muß daher Sie recht
darum bitten, mein lieber Graf!" — „Vielleicht," fuhr dieser
im Sträuben fort, „gestatten Sie, Herr Oberst, daß Ihre
Tochter mit dem Herrn Rittmeister von Rabenau die Polo-
naise ansührt?" — „Nichts da, nichts da! Ihnen gebührt
die Ehre, und wenn Sie es als solche nicht ansehen wollen,
neben den vielen anderen Mühseligkeiten, welche Sie in Ihrer
Liebenswürdigkeit aus sich genommen haben, auch diese noch I"
— „Gewiß, gewiß," bekräftigte Auroras dünnes Stimmchen,
„der Herr Oberst ist vollständig im Rechte und Sie müssen
die Polonaise anführen!"-„Ja dann muß ich wohl ge-
horchen," erwiderte der Graf v- Reuthern mit verschmitztem
Lächeln, es ist dies Gehorchen allerdings ein Opfer, ein
schrecklich großes OpKr für mich, da ich in diesem Falle auf
die Ehre verzichten muß, mit Ihnen, Fräulein Aurora, tanzen
zu können." — „Wie so?" fragte diele im höchsten Schrecken.
„Weil ich" — lo lautete die Antwort — „an Ihrer Seite
keine Aufmerksamkeit für den Tanz habe und dadurch tausend
Fehler begehen würde und weil ich andererseits zu dem Opfer,
welches Sie mir alten Knaben schon durch die Annahme des
Engagements gebracht haben, nicht auch noch von Ihnen ver-
langen kann, daß Sie die Polonaise in jo stiller und lang-
weiliger Gesellschaft, wie die eines Tanzordners zu sein pflegt,
tanzen sollen." — „Aber Herr Graf," warf Aurora, das
Schrecklichste ahnend, ein. „Kein Wort mehr darüber," fuhr
der Graf fort, „ich weiß, was ich einer jungen Dame und
besonders Ihnen, mein gnädigstes Fräulein, in diesem Falle
schuldig bin. Einen Augenblick Verzeihung!"
Der Herr Graf v. Reuthern eilte nach einer Buffetecke
hinüber, in welcher noch eine Anzahl jüngerer und älterer
Herren standen, wechselte einige Worte mit einem jungen
blonden Manne und führte ihn zu Fräulein Feuerstahl hin-
über. Ueber deren Gesicht ergoß sich Feuerröthe. „Sie ge-
statten mir, gnädiges Fräulein," sprach der Graf, „daß ich

Stadttheater.
O Heidelberg, 28. November.
„Ein toller Einfall", Schwank in 4 Akten von Carl
Laufs.
Unsere Zeit muß doch nicht so traurig sein, wie man zuweilen
sagen hört. Der gestrige Abend in unserem Theater wenigstens
bestätigt diese Behauptung in keiner Weise. Im Gegenthetl, es
wurde rein über Alles gelacht; und diese Stimmung dehnte sich
sogar auf Vorkommnisse im Zuschauerraum aus, sodaß z. B.
eine Galleriebesucherin, die sich durch eine besonders ausgedehnte
Heiterkeit bemerkbar machte, eine» stürmischen Lacherfolg erzielte,
als die Schwingungen ihres Zwerchfells einmal ganz eigenartige
Töne hcrvorriefen. Auch der Pintscher, der im ersten Akt mit-
wirkte, wurde mit einem solchen Beifall ausgenommen, daß
möglicherweise ein unwiderstehlicher Drang zur Bühne in ihm

Ihnen als Tänzer einen jüngeren und hübscheren Mann vor-
stelle als ich bin, den Herrn Jnspector Kunze!" Der Ge-
nannte lächelte ob dieser Vorstellung und erklärte, daß er
schon längst das Vergnügen habe, der Dame vorgestellt zu sein,
und auch Fräulein Aurora mußte bejahend nicken; denn der
Herr Jnspector war ja der letzte ihrer vermeintlichen An-
beter, der siebenundzwanzigste gewesen, für den sie vor wenigen
Wochen erst das Lesezeichen gearbeitet hatte, das sie vor vier-
zehn Tagen abschließend mit der Vergangenheit und sich ganz
der neuen Liebe, der wahrhaft ersten und reinen zu dem
Herrn v. Rabenau hingebend, den Flammen überantwortet
hatte. Der Herr Jnspector Kunze war übrigens gar kein
häßlicher Mann, frisch, gesund und behäbig, mit vollem blon-
den Barte und klaren blauen Augen, und in Auroras Herzen
zuckte es etwas, wie Freude, daß der siebenundzwanzigste
doch widergekehrt sei. — „Wenn ich bitten darf, eingetreten!"
rief der Major, klatschte in die Hände und begann neben dem
Herrn Obersten und seiner Frau Gemahlin einherschreitend,
welche ihrem Gatten für sein neues Schelmenstückchen schon
zugedroht hatte, die Führung der Polonaise.
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen