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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0269

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«d Familienblättern
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LnE Haus gebracht.
bie Post bezogen
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Beßlich Zustellgebühr.

^Vhon-Anschluß Nr. 82.

WÄlM ZtitllW

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Petitzeiie oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- md
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und den Plakatsäulen.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

Dienstag, de» 13. September 1898.

2)

Lucie.
Novelle von C. Hertenbach.
(Fortsetzung.)
nun," Berghauicn erhob sich, er hatte dicht neben
Vie'- , n, „muß ich gehen. Ich glaube, ich habe Sie schon
AElle gelangweilt!"
voik»lt versetzte Lucie schnell. „Wenn ich irgend etwas
ich oder wenn Sie mich in der That langweilten, würde
ganz offenherzig sagen."
— höre ich recht? Wenn ich Sie langweile, Sie
U das sagen?"
ganz gerade heraus !"
so kann aber einem Manne nicht sehr angenehm sein,
Ei- aus dem Munde einer Dame zu hören I Meinen
diu Ihnen gegenüber auch nicht „jede" Dame.
v>ürd?^"d mir gegenüber nicht „jeder" Mann! Jedem
'ch auch nicht so offenherzig begegnen wie Ihnen."
Ernst "S freut mich," erwiderte er schlicht, doch mit tiefem
ibr-^sdmen wir zum Beispiel an," fuhr Lucie fort, ihn mit
Konivila Augen offen anblickend, „ich hätte schreckliches
m-s.d "der Migräne — heutzutage hat jede Frau Migräne
sollte ich Ihnen nicht sagen, daß mir eine längere
wist;, ousmng wHi angenehm wäre? Nicht jedem Menschen
ß? sagen; denn die meisten, die Durchschnitls-
^iell-jja?' Würden es mir sehr übelnehmen, fortgehen und
Sst ure wiederkommen. Aber Sie, Herr Berghausen,
§ortn-a? "'Ein Freund, mein guter Kamerad; Sie würden
und wiederkommen, sobald ich Sie um Ihren Be-
..Nicht wahr?"
'ä,.Irlich — natürlich," antwortete Leonhard eifrig.
:Mun sehen Sie."
einer W ^hnte sich behaglich in ihren Stuhl zurück. Nach
blökl-^ . richtete sie sich wieder in die Höhe, als ob ihr
vuch eine neue Idee käme.

Aur Ermordung der Kaiserin von Oesterreich.
li^Gbuf, 12. Sept. Gestern 12 Uhr begann die ärzt-
ylv Besichtigung der Leiche der Kaiserin Elisabeth,
z„ r.w Kaiser hierzu seine Erlaubniß gegeben und
"^stimmt hat, daß ganz nach den hier geltenden Gesetzen
fahren werde. Die Besichtigung ergab das überraschende
Sebnitz, daß die Waffe 8,5 Centimeter eingedrungen ist
x? das Herz ganz durchbohrt hat, so daß die Spitze
g,' «er anderen Seite des Herzens heraustrat. Es ist den
^Sten deßhaH ein Räthsel, daß die Kaiserin noch 60
„ s 8(j Schritte bis auf den Dampfer gehen konnte, und
st .^reiben dies ganz besonders der Energie und Willens-
" M. der Kaiserin zu. Die Wunde ist klein und bat nur
^Millimeter im Querschnitt. Die sterblichen Ueberreste der
Eserin werden von den Aerzten, welche die Ocffnung der
«?che ausgeführt haben, und einem hiesigen Beamten nach
>en begleitet werden. Heute Abend 6 Uhr wird die Um-
Maltung des Sterbegemaches in eine Capelle vollendet
Blumen und Kränze schmücken sie; eine Anzahl
verbreiten ihr Licht, ein Bctpult ist aufgestellt,
ovrtwährend umgiebt eine zahllose Menschenmenge den
st^chchos. Die tiefe Bewegung in der Stadt wächst noch
Genf, 12. Sept. Das Journal de Gensve gibt fol»
vde Einzelheiten über die Mordwaffe, die der Mörder
Kaiserin Elisabeth benutzt hat. Die Waffe wurde in
Flur eines Hauses in der Rue des Alpes durch deu
^"Emeister gefunden, der glaubte, ein Arbeiter habe sie
, Umzuge verloren. Aus diesem Grunde machte er
Anzeige davon. Die Waffe ist eine dreikantige
mit einem plumpen walzenförmigen Holzstiel. Ihre
kmmmtlängc beträgt 16,30 Ctm. Die Klinge allein ist
1,30 Ctm, Sie zeigt nicht die geringste Blutspur.
Spitze ist abgebrochen, wahrscheinlich in Folge der
"fichütterung beim Falle, als der Mörder sie fortwarf,
sollte das wirklich die Mordwaffe sein? Daß die Kaiserin
der Verwundung selbst nichts gemerkt hat, läßt auf
sehr scharfe Waffe schließen. Die Red.)
h e 11 st 12, Sept. Die heutige T r a uer k u nd g eb u n g
in großartiger Weise. Seit 10 Uhr füllten sich
braßen in der Nähe der Place des Alpes. Gegen
„ '"ag sxtzte sich der Zug in Bewegung, um vor dem
v°.e! Beaurivage vorbeizuziehen. Er wurde von Gendarmen
großer Gala und mit Huissiers der Regierung in weiten
^"chniänteln in den Nationalfarben eröffnet. Inder ersten
j/'he ging her Präsident der Cantonalregieruug, der Präsi-
M des gesetzgebenden Körpers der Nation und der General-
Z°clirator. Ihnen folgten die Mitglieder der Regierung,
E» gesetzgebenden Körpers, der Kriegsbehörde, des Consalar-
die Municipalbehörden der Stadt Genf, sämmtliche
."rgermeister und Beigeordnete der Orte des Cantons und
große Volksmenge, die man auf 30 000 Köpfe schätzt.
^1 der Terrasse vor dem Hotel hatten die österreichischen
Aufstellung genommen, die barhäuptig und sichtlich
, iHuttert der großartigen Kundgebung beiwohnten und sich
d-^^orbeimarsch der Behörden verneigten. Alle Glocken
n ^tadt läuteten. Sämmtliche Bureaus und Geschäfte
geschlossen. Es herrscht wahrhafte Nationaltrauer.
j>. ^.enf, 12. Sept. Der Mörder Luccheni muß nach
dz!!- Strafgesetzen des Kantons Genf abgeurtheilt werden;
sehen nicht Todesstrafe, sondern nur lebenslängliche
^'erkerung vor. Aus den schon mitgethcilten Aeußerungen
doß Erders geht hervor, daß er dies gewußt hat und
» er die Todesstrafe der lebenslänglichen Einkerkerung
°Mhen würde.
12. Sept. Alle hier angcstellten Nach-

forschungen bezüglich der Beziehungen des Mörders Luc-
cheni während seines hiesigen Aufenthaltes haben ebenso
wenig wie eine in seiner Wohnung vorgenommene Haus-
suchung irgend welche Anzeigen dafür gegeben, daß der
Mörder Mitschuldige gehabt habe. Luccheni arbeitete
hier als Steinhauer und gab am 18. August seine Legi-
timationspapiere ab. Dabei trug er Anarchistenlieder bei
sich, auf deren Blätter er seinen Namen geschrieben hatte.
Am 5. September verlangte er seine Papiere zurück. Vor-
gestern Abend wurden mehrere seiner Freunde und Be-
kannten festgenommen, im Ganzen etwa zehn Italiener.
Die Untersuchung wird mit größtem Eifer geführt.
Bern, 12. Sept. Kaiser Franz Joseph hat dem
Bundesrath folgendes Antworttelegramm zugehen lassen:
„Tiefgerührt durch die in so warmer Weise ausgesprochenen
Gefühle innigen Beileids danke ich dem Bundesrath und
dem ganzen schweizerischen Volke aus vollstem Herzen für
die Antheilnahme an dem herben Schmerz, den der un-
erforschliche Rathschluß der Vorsehung über mich verhängt
hat." Die Einsegnung der Leiche erfolgt auf be-
sonderen Wunsch ohne militärisches Gepränge.
Wien, 12. Sept. Luccheni ist, wie hiesige Blätter
berichten, von mittelgroßer Gestalt, kräftig und gelenkig
und von gebräunter Gesichtsfarbe. Er trägt, wie alle ita-
lienischen Arbeiter, ein blaues Wollhemd. Kutscher erzählen,
sie hätten in den letzten Tagen verdächtige Personen in der
Nähe des Hotel Beau Rivage nmherstreifen sehen. Am
Freitag sei Ihre Majestät die Kaiserin von 3 Individuen
verfolgt worden.
Wien, 12. Sept. Die Blätter, die auch heute zu-
meist mit Trauerrand erscheinen, geben dem tiefen Schmerz
um den Verlust der Kaiserin Elisabeth in bewegten
Worten Ausdruck und stimmen alle in der Bewunderung
der erhabenen Seelengröße, der eisernen Willenskraft und
Selbstbeherrschung sowie der bewunderungswürdigen Er-
gebenheit des Kaisers überein, der gestern die Anordnungen
betreffend die Ueberführung der Leiche der Kaiserin sowie
des Beerdigungsceremoniells persönlich traf und auch die
Absage der ungarischen Manöver persönlich verfügte. Alle
Blätter stellen den unerschütterten Gesundheitszustand des
Kaisers fest und entwerfen ergreifende Schilderungen,
insbesondere von der Begegnung des Monarchen mit
der Erzherzogin Marie Valerie, seiner jüngsten
Tochter. Vater und Tochter lagen einander minutenlang
schluchzend in den Armen. — Der Trauerschmuck der Stadt
Wien, der gestern wegen des Sonntags anfangs nur lang-
same Fortschritte machte, beginnt nunmehr einen wahrhaft
großartigen Charakter anzunehmen.
Wien, 12. Sept. Neber das heutige Befinden des
Kaisers Franz Joseph verlautet aus Hofkreisen, der Kaiser
sei, obwohl er viel geweint, jetzt wieder gefaßt. Er treffe
alle Anordnungen persönlich, arbeite auch wieder pflicht-
eifrig. Ob Kaiser Wilhelm persönlich an dem Leichen-
begängniß theilnimmt, hängt von den hiesigen Bestimmungen
ab, die möglicherweise die Trauerfeier auf den Familien-
kreis beschränken.
Wien, 12. Sept. Prinz Leopold von Bayern mit
Gemahlin, Erzherzogin Gisela, Prinz Georg von
Bayern, die Erzherzöge Otto und Rainer mit Gemahlin,
sowie Erzherzogin Maria Theresia nebst Tochter sind hier
eingetroffen und statteten dem Kaiser Beileidsbesuche ab.
Der Hofseparatzug für die Einholung der Leiche ist
mit dem Oberhofmeister Bellegarde und dem Kammer-
personal gestern Abend nach Genf abgegangen. Am Frei-
tag und Samstag wird dem Publikum der Zutritt zur
Aufbahrung gestattet sein. Die Beisetzung findet
Samstag Nachmittag statt.

Wien, 12. Sept. Die Neue Freie Presse erinnert
daran, daß die Kaiserin schon einmal von einem
Italiener bedroht war. Bei Eröffnung der Aus-
stellung in Triest anfangs der 80er Jahre hatte ein Irre-
dentist eine Bombe in den Festzug geworfen, wobei mehrere
Personen getödtct wurden. Das Kaiserpaar mit dem
Kronprinzen und der Kronprinzessin wollten zwei Wochen
später die Ausstellung besuchen. Da ein neuer Anschlag
befürchtet wurde, beschlossen der Kaiser und der Kronprinz,
daß die Kaiserin nicht mitfahren solle. Wie der Kronprinz
später erzählte, habe die Kaiserin darauf geantwortet:
„Wenn ein Attentat zu befürchten ist, dann gehe ich grade
mit, denn dann ist mein Platz an Euerer Seite." Sie
ging dann mit nach Triest. Wie man später aus den
Aussagen Oberdanks erfuhr, lauerte dort ein italienischer
Anarchist auf die Gelegenheit, die Kaiserin zu tödten.
Dieser wurde später in Udine, Oberdank und Genossen in
Triest gehängt.
Wien, 12. Sept. Wie die Neue Freie Presse aus
Laibach meldet, fanden dort Kundgebungen gegen
die bei den Bauten beschäftigten italienisch en Arbeiter
statt. Die Italiener wurden von slavischen Arbeitern ge-
prügelt. Mehrere Bauleitungen haben infolge dessen ihre
italienischen Arbeiter entlassen.
Triest, 12. Sept. Gestern Abend zogen Trupps von
zumeist jungen Leuten vor die Politeama Roseti und andere
Vergnügungslokale, um die Einstellung der Conccrte und
Vergnügungen zu veranlassen. Später kam es zu Aus-
schreitungen vor dem Vereinslocale der Italiener.
Man warf mit Steinen nach dem Gebäude des
Turnvereins. Die Turner erwiderten gleichfalls mit-Stein-
würfen. 75 Personen wurden verhaftet. Die Polizei
hatte Mühe, die mehrfachen Ansammlungen zu zerstreuen.
Um 1,30 Uhr Nachts herrschte wieder Ruhe.

Deutsches Reich
Berlin, 12. September.
— Der Reichsanzeiger schreibt: Der Kaiser fühlt
sich mit den Fürsten und freien Staaten des Reiches wie
mit dem ganzen deutschen Volke in innigster Theilnahme
an dem namenlosen Unglück geeint, das über den
allverehrten Kaiser Franz Joseph und über die Völker
des verbündeten Oesterreich-Ungarn hereingebrochen ist. Dem
tiefen Schmerze und der Trauer um die dem hohen Ge-
mähte und ihrem Lande so jäh entrissene deutsche edle
Fürstin aus deutschem Blute verbindet sich die allgemeine
Entrüstung über den feigen Mörder, der den Boden der
bcfremtteten Schweiz durch die fluchwürdige That des
Anarchismus entweihen konnte. Der Hof legt auf vier
Wochen Trauer an.
— Zum Erzieher des Prinzen Joachim, des
jüngsten Sohnes des Kaiserpaares, ist der Predigtamts-
candidat Lütgert berufen worden, der 2^ Jahre im
Pensionat des Rauhen Hauses in Hamburg als Leiter einer
Pcnsionatsfamilie lhätig war.
— Der Erbprinz von Sachsen-Koburg und
Gotha, der jüngst bei Erwähnung einer Spiclgeschichte
beim 1. Garderegiment zu Fuß genannt wurde, ist unter
Beförderung zum überzähligen Hauptmann in das großh.
hessische Leibgarde-Regiment Nr. 115 nach Darmstadt ver-
setzt worden, wo ihm die Führung einer Compagnie zu
übertragen ist. Dem bei dieser Gelegenheit ebenfalls ge-
nannten Secondelieutenant Edier v. d. Planitz wurde
der Abschied bewilligt. Der in der Spielangelegenheit ge-
nannte Secondelieutenant v. Goetze wurde bisher nicht

„Aus diesem Grunde möchte ich auch nicht, daß Sie jetzt
schon «eben. Ich möchte einmal ernstlich mit Ihnen reden."
„Und worüber?"
„Ueber Sie selber."
„Ueber mich?"
„Jawohl, über Sie, mein Herr! Mich dünkt, Sie fassen
das Leben und Ihre Zukunft nicht ordentlich ins Auge."
„Hm, da haben Sie Recht," murmelte er etwas grimmig-
„Ich weiß es. Meinen Sie, ich hätte das nicht schon längst
erkannt? Sie sollten heirathen, mein Freund."
„Hei — rathen, ich?"
Er rief es ganz erschrocken und sprang dabei vom Stuhl
aus; in seinem Gesicht zeigte sich ein Gemisch von höchster
Verlegenheit und Aerger. Daran hatte er nie gedacht. Fast
Tag für Tag hatte er mit Lucie zusammen gesessen und ge-
Plaudert; er war ihr Freund, sie nannte ihn ihren guten
Kameraden. Und ihre Freundschaft war ihm von Tag zu Tag
lieber, unentbehrlicher geworden; sie war der glänzende
Sonnenschein, der sein bisher so düsteres Dasein erhellt und
mit Licht erfüllte. AVer bis heute war ihm die Erkenntniß,
die nun plötzlich vor seinem geistigen Auge wie hinter einer
zerissenen Nebelwand leuchtend auftauchte, nie gekommen.
Die Erkenntniß — daß er Lucie liebte. Liebte mit der ganzen
Kraft seiner Seele! Und nun gab sie ihm den guten Rath,
zu heirathen — irgend eine andere zu heirathen- Er sollte
ihr guter Kamerad nickt mehr sein!
„Sie macht sich nichts aus Dir — gar nichts," dachte er
wehmüthig bei sich. „Sonst könnte sie Dir diesen Rath nicht
geben. Sie hegt nur Freundschaft — kühle freundliche
Kameradschaft."
Lucie schien von der Erregung, die in seinem Innern tobte,
nichts zu merken. Wenigstens zeigte sie es nicht.
„Wollen Sie nicht wieder Platz nehmen? fragte sie mit
ihrer süßen weichen Stimme.
Er setzte sich.
„Ja," fuhr sie fort, „ich bin überzeugt, daß Heirathen das
Beste sür Sie wäre. Sie sollten eine reiche Partie machen!"
„Wollen Sie mich ärgern?" platzte er plötzlich heraus,

sich ihr voll zuwendend. „Oder machen Sie sich lustig über
mich? Glauben Sie wirklich — Sie, die Sie behaupten,
mich genau zu kennen — daß ich einer von denen bin — die
einer Frau Liebe heucheln — sie betrügen — um ihres Mam-
mons willen?" .
„Betrügen — sprach ich denn von Betrügen? fragte Lucre
mit unerschütterlicher Ruhe.
„Gesagt haben Sie es freilich nicht! Ist es aber etwas
Anderes als Betrug, wenn ich eine Frau um ihres Geldes
willen heirathe? Ich müßte ihr doch Liebe heucheln —
heucheln!"
„Aber warum denn heucheln? Warum sie nicht lieben ?
Lieben trotz ihres Geldes! Wenn ich zum Beispiel irgend
eine Dame kenne, die Sie sehr gern hat, die reich ist und die
Sie heirathen möchte, — wenn Sie sich um ihre Liebe
bewerben —"
„Um ihre Liebe bewerben — wie das klingt!
„Bitte, mein Freund, seien Sie nicht so exaltirt. Sie und
ich sind doch vernünftige Menschen mit modernen Lebens-
anschauungen —"
Ich nicht — ich bin nicht modern," unterbrach er sie
hastig. „Und ich hielt auch Sie für eine Ausnahme, für —"
Er hielt inne.
„Wir müssen uns aber dem Zug der Zeit anpassen. Wir
können nicht gegen den Strom schwimmen, nicht die Regeln
des gesellschaftlichen Verkehrs ignoriren. Nehmen wir also
an, es gäbe ein weibliches Wesen, daß sich lebhaft für Sie
interesstrt, Sie bewundert, und ich wäre im Stande, Ihnen
zu dieser Verbindung zu helfen — weshalb sollten Sie da
nicht versuchen, die Liebe jener Dame zu gewinnen — viel-
leicht lernen Sie die Betreffende sehr bald lieben, vor oder
nach der Hochzeit! Es wäre ja besser, wenn Ihre Liebe vor
der Hochzeit erwachte —"
„Sie sind heute in einer sonderbarer Laune, mir scheint
sehr zum Spott und zur Neckerei aufgelegt."
„Ich? Nicht im geringsten. Ich wünsche nur ihr Bestes."
(Schluß folgt.)
 
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