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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0313

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Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.

Preis
Wit Familienblättern
. ^monatlich 50 Pf.
srei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
ivierteljährl. 1.25
^sichließlich Zustellgebühr.
^lephon-Anschlutz Nr. 82.

HMlikmr ItitilW

Insertionsgebühr
15 Ps. für dre Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäule«.

Telephon-Anschluß 'Nr. 82.

Ar. 224. Montag, -e« 26. September 1898.

Bestellungen
°uf die Heidelberger Zeitung für das IV. Quartal
«erden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Spedition, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich
M Zustellgebühr Mk. 1.65.
Neu eintretenden Abonnenten liefern wir das Blatt
°uf Wunsch bis Ende dieses Monats gratis.
Diejenigen Abonnenten, die die Heidelberger
Zeitung durch die Post beziehen, ersuchen wir, ihre Be-
stellung schon jetzt bei derselben oder beim Briefträger
aufzugeben, damit die Zustellung pünktlich vom 1. k. M.
an erfolgen kann und die bei verspäteter Bestellung ein-
betenden Störungen vermieden werden.
Politische Umschau.
Heidelberg, 26. September.
Der Londoner Daily Chrouicle erfährt im Hinblick auf
ven Tod des Königs Malietoa und die Uebelstände der
^eifachen Controle über die S amoa-Ins el n von einer
Auftheilung der letzteren unter die drei Mächte
Deutschland, England und Amerika. Dabei solle
Deutschland Upola erhalten. Es wäre in der That das
Eeste, daß eine Auftheilung der Samoa-Inseln unter die
drei Schutzmächte erfolgte. Bei dem gegenwärtigen System,
die drei Mächte gemeinsam den Schutz über die schöne
^usel ausüben, sind die Verhältnisse dort im höchsten
"raße unerquicklich geworden, denn die drei Mächte sind
wnerlich nicht einig, vielmehr findet ein stiller Jnteresscn-
st-Mpf zwischen ihnen statt und den müssen schließlich die
armen Einwohner bezahlen. Eine Aenderung dieses Ver-
hältnisses thut dringend noth.
Die Polit. Corr, meldet aus Rom, mit Ausnahme Eng-
lands hätten alle Cabinette ihre grundsätzliche Zustimmung
Aar Anregung Italiens wegen Bekämpfung des
. aarchjsmus kundgeben. Die Antwort Englands werde
stdoch nächstens erwartet. Man glaube, daß bald darauf
rr formelle Antrag zur Abhaltung einer internationalen
>ch,nferxnz gestellt werden wird. Von Wien aus wird
. v^se Nachricht bestätigt, ebenso von London aus. Nach
riner Meldung der Kreuzztg., die sehr glaubwürdig klingt,
"avd es sich auf der Konferenz im Wesentlichen nur um
i^as Zusammenwirken der Polizei der verschiedenen
Maaten handeln und nicht um solche Vereinbarungen,
veren Abschluß durch die Verschiedenheit der Gesetzgebungen
einzelnen Staaten auf Schwierigkeiten stoßen könnte,
«adern um solche, denen nirgends heimische Gesetze im
^ege stehen.
, „Ein englisches Blatt, die Daily Mail, erzählt, daß
ezüglich Faschodas ein vollständiges Uebereinkommen
fischen England und Frankreich getroffen worden sei.. Von
Uanzösischxr Seite ist diese Angabe noch nicht bestätigt
vrden. Man muß also erst abwarten, ob sie sich be-
ahrheitet; auf die englischen Blätter allein kann man in
einem Falle nicht bauen, denn sie machen gerne
hatsachem aus dem, was für England wünschenswerth ist.
.. Die Revisionskommission im Dreh fus Prozeß
' wie aus Paris berichtet wird, nicht zu einem einheit-
'Men Urtheil gelangt. Sie spaltete sich in zwei gleiche
Parteien, es waren 3 Stimmen für und 3 gegen
iv Revision. Danach gilt eigentlich die Revision als
vn Kommission aus abgelehnt. Die Regierung ist
"och Ansicht, daß die Stimmengleichheit ihr volle
^stonsfreiheit, zugleich aber auch die volle Verantwort-

10)

Mein Ludchen.
Erzählung von F. Arnefeldt.
(Schluß.)
D-j.Arau Petermann in Nakel war durch die schriftlichen
Ölungen ihrer Tochter schon lange von dem durch ihren
v/rursachten Jrrthum unterrichtet worden, sie hatte
gxss erfahren, daß die Frau Mühlenbruch, die sie zu bitten
an "'vht mehr existire, und voll rührender Dankbarkeit
dj° sst Frau Bürgermeisterin geschrieben. Die Unterhaltung,
»Ur "ut ihren Bekannten geführt, hatte sich seit Wochen
den einen Punkt gedreht — das Glück, das ihrem
iabr-n den Aufenhalt auf Schloß Witdcnstein wider-
zuste war in ihrer Bescheidenheit weit entfernt, nur
tew -sten, daß dieses Glück noch einer solchen Steigerung fähig
Die Briefe, durch welche Ludovica ihr dasselbe
Und"verkündete, der Doktor bei ihr um die Tochter warb
ivMn, ? Bürgermeisterin sie etnlud, nach Wildenstein zu
stank - überraschten ste daher so sehr, daß die Erregung sie
alt machen drohte. Sie überwand es indeß und trat,
rjpgMttn Muth zusammennehmend, die Reise nach Thü-
Ber^stsmal bedurfte es keines Erkennungszeichens und keiner
MrMstung des Bahnhofs-Inspektors für den Gast der
auf k°^vmichs. Ludovica und Ernst erwarteten die Mutter
M Bahnhof und fuhren mit ihr durch die jetzt schon
stein?svbst leise geküßte reizvolle Gegend nach Schloß Wilden-
m hinauf.
Raac^s Wochen später fand dort die Hochzeit des jungen
Hildkn,^ dann ckehrte die Frau Bürgermeisterin nach
kthg^gstausen und Frau Petermann nach Nakel zurück. Beide
Äkn-» / möchten sich nicht von dem ihnen seit vielen
andkn? r^bgewordenen Wohnort trennen, sie batten aber noch
lana? wiegende Gründe für ihren Entschluß. Das
die ^Avar tollte sich unbehindert von anderen Einflüssen als
daue?^ vW^Vschaft fühlen lernen; ihr Wohnsitz war jetzt
l«o Wlldenstein, denn Ernst hatte, einsehend, daß man

lichkeit für die Entscheidung lasse. Noch am Samstag
fand ein Ministerrath in dieser Angelegenheit statt. Brisson
erklärte sich dabei entschieden für die Revision. Bourgeois
und Delcasss pflichteten ihm bei. Schließlich erfolgte die
Vertagung, weil zwei Minister fehlten, das Kabinet
aber gern in voller Solidarität vorgehen will.
Die beiden fehlenden Minister Peytral und Vigier
galten als keine sonderlich großen Freunde der
Revision und man glaubt, daß die Spaltung der Revi-
sionskommission ihren Eifer dafür noch mehr abkühlen
werde. So ist in dieser an Zwischenfällen so reichen Drey-
fus-Angelegenheit ein neues Moment der Verzögerung ein-
getreten; doch ist anzunehmen, daß auch dieses überwunden
werden wird, zumal wenn folgender von der Franks. Ztg.
geschilderter Sachverhalt richtig ist. Nach der Erkundi-
gung des Pariser Korrespondenten des genannten Blattes
lag der Kommission nur der zweite Brief der Frau Drey-
fus zur Beurtheilung vor. Die Kommission war deshalb
nur in der Lage, zu erwägen, ob das Geständniß Henrys
eine neue Thatsache darstelle, die Unschuld Dreyfus' zu be-
gründen und damit die Revision zu rechtfertigen. Die
drei der Kommission angehörenden Räthe des Kassations-
hofs verneinten diese Frage, während die drei andern
Mitglieder sie bejahten. Dagegen waren sämmtliche sechs
Mitglieder nach Kenntnißnahme der Gerichtsakten des Pro-
zesses Dreyfus der Ansicht, daß eine Ungesetzlich-
keit vorliegc, die die Annull irung des Ur-
theils begründe. Da jedoch diese Frage nicht gestellt
war, konnte die Kommission kein förmliches Gutachten ab-
geben, doch ließ sie den Justizminister nicht ohne Kenntniß ihrer
Ansicht. Heute, Montag, soll ein neuer Kabinetsrath in An-
wesenheit sämmtlicher Minister unter dem Vorsitz von
Brisson die Sache nochmals durchsprechen und am Diens-
tag unter Vorsitz von Faure die Angelegenheit erledigt
werden. Brisson ist entschlossen, die Diskussion über die
Revision heute völlig abzuschließen, sodaß der Ministerrath
morgen nur noch in der Lage ist, von dem Ergebuiß der
Berathung Kenntnitz zu nehmen, aber nicht eine neue
Debatte zu beginnen. Das Resultat der Montags-Sitzung
wird deßhalb erst am Dienstag publizirt.

Deutsches Reich.
Berlin, 25. September.
— Die heilsamen Wirkungen des Gesetzes
über den unlauteren Wettbewerb haben sich im
deutschen Geschäftsverkehr in sehr hohem Maße gezeigt, es
sind mannigfache Mißstände verschwunden, die früher
soliden Gewerbetreibenden das Leben verbitterten. Die
Strafen, welche von den Gerichten den wegen unlauteren
Wettbewerbes Angeklagten auferlegt werden, werden jetzt
auch schärfer bemessen, wie zum Beginn der Gesetzesgiltig-
keit, es wird eben mit Recht angenommen, daß nachgerade
jeder Geschäftsmann wissen muß, was er thun darf und
was er zu lassen hat. In Weimar ist jetzt wieder eine
Verurtheilung erfolgt, welche für weitere Kreise von
Interesse ist. Die Tägl. Nachrichten berichten darüber:
Der Geschäftsleiter der Weimarer Filiale der Firma I.
Leschziner in Erfurt, Th. Silbermann, wurde vom Land-
gericht wegen unlauteren Wettbewerbs zu einer Geldstrafe
von 500 Mark verurtheilt, weil er vor Ostern d. I. durch
Inserate und Plakate Konfirmandenanzüge zum Preise von
6.50 Mk. angekündigt hatte, deren Qualität zwar diesem
Preise entsprach, die aber nicht, wie die Inserate besagten,
als solide, gute, haltbare Waare gelten konnten. Es hatte
sonach eine Irreführung des Publikums durch wissentlich
unwahre Angaben thatsächlicher Natur über die Beschaffen-

heit und Herstellungsart der Waare stattgefunden, welche
tz 4 des Gesetzes unter Strafe stellt. Der Strafantrag
war vom Weimarer Gewerbeverein eingereicht worden.
Es mag auch noch ein früherer Fall erwähnt sein, der in
einer Stadt des Regierungsbezirkes Magdeburg spielte.
Dort hatte ein Kleiderhändlcr fertige Buckskinhosen für einen
ganz niederen Preis offerirt, zu welchem es ersichtlich un-
möglich war, diesen Stoff zu liefern. Zwei Schneider-
meister ließen eine solche Hose kaufen, und eS ergab sich,
daß der Stoff alles andere eher war als Buckskin. Auf
den gestellten Strafantrag machte der Angeklagte den Ein-
wand geltend, er habe Sommerbuckskin gemeint. Das
Gericht ließ sich aber nicht darauf ein, was der schlaue
Geschäftsmann gemeint habe, es hielt sich daran, was er
schwarz auf weiß angekündigt hatte und sprach die Ver-
urtheilung aus. Zur Stellung des Strafantrages ist be-
kanntlich Jeder, der sich durch unlautere Konkurrenzprak-
tiken geschädigt sieht, berechtigt, er kann auch, außer auf
Bestrafung, auf Schadenersatz klagen.
— Die Nat.-Ztg. schreibt: Wir haben uns überzeugt,
daß Moritz Busch u. a. den Zweck verfolgt, jeden zu
verunglimpfen, der einmal im auswärtigen Amt, in der
Presse oder anderwärts sein Mißfallen erregt hat. Es
geschieht durch bösartige Anwürfe der verschiedensten Art,
theils in der Form einfacher Erzählung, theils indem
Busch die Verung limpfungen dem Fürsten Bismarck, Bucher
und Anderen in den Mund legt. Selbstverständlich ist
Niemand verpflichtet, Herrn Busch zu glauben, einerlei, in
welcher dieser Formen er seine Behauptungen vorbringt.
Zu den Personen, die er mit besonderer Bosheit beehrt,
gehört der frühere Botschafter v. Keudell, von dem er
u. a. erzählt: v. Keudell habe, als er im auswärtigen
Amte arbeitete, einen Fonds für die von der Regierung
abhängige Presse unter sich gehabt und er habe, znm Theil,
um für sich Reklame machen zu lassen, damit derart ge-
wirthschaftet, daß sich in zwei Jahren ein Defizit von
30000 Thalern ergeben habe. Mit Bezug hierauf und
eine andere von Busch erzählte Geschichte erhält die Tägl.
Rundsch. folgende Mittheilung „von bestunterrichteter Seite":
Die ganze Geschichte (von dem Defizit) hat sich Herr,Busch
aus den Fingern gesogen, v. Keudell hat nie auch
nur einen Pfennig zu solchen Zwecken weder erhalten noch
ausgegeden. Aehnlich unwahr ist seine Erzählung über die
Verleihung des Schwarzen Adlerordens an Gortschakow und
Andrasst; und einen Streich, den v. Keudell dabei Bismarck
mit Hilfe des Staatssekretärs Thiele gespielt haben soll. Busch
hat etwas läuten hören, Weitz aber nicht, Ivo die Glocken
hängen. Es handelte sich gar nicht um einen Gortschakow
und Andrassy. und ein „Streich" ist auch nicht gespielt worden.
Als im Jabre 1872 zu der Drei.kaiserzusammenkunst Kaiser
Alexander II- von Rußland nach Berlin kam, thar es dem
Kaiser Wilhelm leid, daß der damalige russische Botschafter,
Herr v. Oudril. noch nicht den Schwarzen Adlerorden hatte.
Er beauikragte daher, da der Reichskanzler abwesend war,
den damaligen Staatssekretär v. Thiele mit der Ausfertigung
des Ordenspatents, und letzterer gab Herrn v. Keudell den
Auftrag dazu. Auf dessen Einwendung, ob dies ohne Vor-
wissen des Reichskanzlers geschehen könnte, erklärte v. Thiele,
datz er in Abwesenheit des Kanzlers, bei dem gemessenen Be-
fehl L>r. Majestät, die Sache auf sich nehme.
— Die deutschen Postunterbeamten wollen sich
auch in diesem Jahre mit einer Petition an den Reichstag
wenden, um ihre Lage zu verbessern. Es wird u. A. ge-
wünscht: Die Beseitigung der Wohnungsnoth durch Be-
reitstellung außerordentlicher Etatsmittel, die Erweiterung
der Laufbahn der Postunterbeamten durch Erschließung
besser doticter Stellen an befähigte Kräfte, Anrechnung dec
Militärzeit bei Mtlitäranwärtern als Diätariat, Fortge-
währung der Jnvalidenpension an im Unterbeamtendienst
angestellte Militär-Invaliden, Reform des Strafverfahrens

doch nicht zweien Herren dienen tönne, sich entlchlossen, die
juristische Laufbahn aufzugeben und sich ganz der Verwaltung
seines Gutes zu widmen-
Die Abreise der beiden Mütter war auf denselben Tag
angesetzt und am Vorabend desselben saßen alle vier im
Zimmer des jungen Hausherrn an dem im hohen Marmor-
kamin brennenden Feuer beisammen. Noch einmal sprach
Ernst sein Bedauern über ihr Scheiden aus und seine Mutter
entgegnete:
„Laß uns immer jetzt gehen, wir kehren beide gern und
oft wieder als Gäste. Herrin auf Wildenstein darf nur eine
sein, Deine Frau, und ich scheide mit dem frohen Bewußtsein,
daß sie ihren Platz auszufüllen weiß."
„Wenn ich das kann, wem verdanke ich es als Dir, liebe
Mutter?" entgegnete die junge Frau und zog die Hand der
Bürgermeisterin an ihre Lippen.
„Ohne Ihre Großmuth würden Ludovica und ihr Gatte
sich nie kennen gelernt haben," sagte Frau Petermann. „Hätten -
Sie nicht auf meinen so ungeschickt abgefaßten Brief >o gütig
geantwortet —"
„Seien wir sehr dankbar für diese Fassung, Mama," lachte
Ernst. Ich bin recht zweifelhaft, ob meine gute Mutter sich
so bereitwillig gezeigt hätte, wenn sie gewußt, das Ludchen
fei kein Ludwig, sondern eine Ludovica, hatte sie doch einen
kostbaren Schatz zu hüten, ihren Sohn!"
„O, Du heilloser Spötter," drohte die Frau Bürgermeisterin.
„Habe ich Dir nicht schon lange zugesetzt —"
„Theorie und Praxis sind zweierlei, lachte der Doktor
und legte den Arm um die Schultern seiner Frau, die Mutter
sagte aber mit dem ihr eigenen Muth zur Wahrheit:
„Ganz unrecht hast Du nicht, ich konnte in Bezug auf
Deine Heirath allerdings sagen: „Zwei Seelen wohnen auch
in meiner Brust." Jetzt aber giebk es nur eine, die glücklich
ist, daß wir Deine Frau nennen dürfen „mein Ludchen —
unser Ludchen!
— Ende. —

Stadttheater.
A Heidelberg, 26. September.
„Die Leibrente", Schwank in 5 Akten von G. v. Moser.
Mit einem heiteren Moser'schen Schwank ist man gestern aus der
Wüste der theaterlosen Zeit in die Gefilde der neuen Saison
eingeschwenkt. Das Stück ist etwas stark auf Situation gearbeitet.
Der Dichter scheut auch vor Gewaltthätigkeiten nicht zurück, um
komische Szenen hervorzurufeu, wobei man dann die Empfindung
hat, als sei Alles nur Spaß im Spaß, aber es steckt doch eine
Fülle von Scherz, von Erfindungsgeist und von Charakteristrung
in dieser lustigen Dichtung. Man amüsirt sich dabei aufs beste.
Selbst aus den mehrfachen Wiederholungen einzelner Motive
weiß der Dichter immer noch etwas Ueberraschendes und Lustiges
herauszuholeu, das zur Heiterkeit zwingt. Es ist denn auch
gestern viel und herzlich gelacht worden.
Die flotte, lebendige Darstellung setzte die Vorzüge des
Schwankes ins günstigste Licht und half auch über die schwächeren
Stellen hinweg.
Herr Direktor Heinrich hat sich für diese Saison eine Anzahl
der tüchtigsten Kräfte aus der letztjährigen Spielzeit gesichert, so
daß die Eröffnungsvorstellung im gleichen Geist fortführte,
was die letzte Saison in anerkennenswerther Weise aufgebaut
hatte.
Die interessanten Figuren des Stückes sind die beiden hals-
abschneidertschen Kommissionäre Schmoll und Kratzer und die
Jammergestalt ihres Buchhalters. Sie wurden von den Herren
Dankmar, Rudolph und Stettner scharf und glaubwürdig
charakterisirt und fcstgehalten. Die etwas forcirte Rolle des heiß-
blütigen groben Schlossers fand in Herrn Blank einen frischen,
flotten Vertreter burschikoser, gewinnender Natürlichkeit. Herr
Sigl spielte den Vater Körner mit sicherem Geschick aber nicht
ganz mit der körperlichen Beleibtheit, die dieser Figur in der
Dichtung ausdrücklich vorgeschrieben wird. Als Liebhaber machte
Herr Göbel in der Rolle des Georg Hartwig gute Figur. Die
beiden jugendlichen Damenrollen treten aus der Schablone nicht
heraus, sodaß ihre Vertreterinnen, die Damen Hoheneck und
Konrad noch nicht Gelegenheit hatten, ihr volles Können zu
 
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