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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0061

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Telephon-Anschlntz Nr. 82.

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Smstog» den 16. Juli

5)

Deutsches Reich.
Berlin, 15. Juli.
— Die Nordd. Allg. Ztg. meldet aus Molde: Als
am 12. Juli die englischen Offiziere zur kaiser-
lichen Abendtafel gezogen wurden, war die „Hohen-
zollern" geschmückt. Die Musik spielte englische Weisen;
Mischen den Gästen und dem Gefolge des Kaisers ent-
wickelte sich ein herzlicher Verkehr. Der Kaiser verehrte
dem englischen Kommandanten sein Bild. Feierlich gestal-
tete sich die Abfahrt des Geschwaders; es fuhr in Parade
mit aufgeenterter Mannschaft unter Erwiderung des vom
Aviso „Hella" abgegebenen Salutes um die „Hohenzollern"
herum. Auf den einzelnen Schiffen „Raleigh", „Volage",
»Champion" und „Kleopatra", welche die „Hohenzollern"
passirten, brachten die Kommandanten ein dreimaliges „Hipp,
Hipp, Hurrah" auf den Kaiser aus, welches von der
„Hohenzollern" mit einem dreimaligen Hurrah auf die
Königin Victoria erwidert wurde, während die Kapelle des
Kaiserschiffes „6loä suve tfis lZuesn" spielte.
— Aus Molde, 15. Juli, wird berichtet: Der
Kaiser nahm gestern Vorträge entgegen und arbeitete
Vormittags. Das regnerische Wetter gestattet keinen Aus-
flug. Abends hielt der Marinemaler Professor Salzmann
einen Vortrag und überreichte in Erinnerung an den zehn-
ten Gedenktag der ersten größeren vom Kaiser unternom-
menen Seefahrt ein Gemälde. Wegen der schlechten Wetter-
vachrichten aus ganz Norwegen verbleibt die „Hohenzollern"
vorläufig noch in Molde.
— Wie die Dtsch. Lehr.-Ztg. meldet, ist als Lehrer
der beiden jüngsten kaiserlichen Prinzen der Seminarlehrer
Borger aus Berlin berufen worden.
— Bei seiner Sucht, die Bevölkerungsklassen zu ver-
hetzen, schlägt sich der Vorwärts, das soz.-dem. Cen-
tralorgan, zuweilen selbst auf den großen Mund. So
schrieb er dieser Tage:
Für die Hunderttausende von Proletariern . . gibt es keine
Abwechslung im täglichen Einerlei. Keine auch noch so be-
scheidene Erholung. Da heißt eS Tag für Tag von früh
bis spät im Dienst des Unternehmers frohnden. . . Die indu-
strielle Entwicklung hat ja den Arbeiter bereits zu einer Maschine
degradirt, dazu bestimmt, dem Nimmersatten Kapitalisten die
Mittel zum behaglichen Wohlleben zu schaffen, und sich selber
jeden, auch den bescheidensten Lebensgenuß zu ver-
sagen. So will es die herrliche, kapitalistische Weltordnung.
Wendet man das Blatt um, so erfährt mau aus dem
Anzeigentheil, daß die Parteigenossen des Reichstagswohl-
kreises Niederbarnim am 3. Juli ein großes Volksfest mit
Vokal- und Jnstrumentalkonzert, Brillantfeuerwerk veran-
stalteten. Anfang 8 Uhr früh. Billets 20 und 25 Pf.,
Tanzkarte 50 Pf. Und noch großartiger wird das Volks-
fest der Parteigenossen des 6. Berliner Reichstagswahl-
kreises für den 24. Juli, ebenfalls um 8 Uhr früh an-
gekündigt. Die Anzeige lautet:
Massen-Gesänge von etwa 500 Mitgliedern des Ar-
beiter-Sängerbundes. Großer Rad fahre r-Corso mit festlich
geschmückten Fahrrädern durch das ganze Etablissement unter
Vorantritt einer Musikkapelle. Erne Stunde später großes
Reigenfahren, ausgeführt von Mitgliedern des Arbeiter-
Radfahrervereins Berlin. Großartige turnerische Aufführungen
von Mitgliedern der Männer- und Damen-Abtheilungen des
Arbeiter-Turnvereins „Fichte". Im herrlich gelegenen See:
Große Schwimm-Pantomime. Die Besitzergreifung von
Fingsang-Sing oder: Die gepanzerte Faust, ausgeführt vom
Berliner Arbeiter-Schwimmerbund („Neptun", „Nord", „Vor-
wärts"). Auftreten der berühmten Norddeutschen Concer t-
sänger. Auftreten sämmtlicher Spezialitäten in dem
herrlich gelegenen See-Theater. Konzert musik von 2 stark
besetzten Musikkapellen. Kinderbelustigungen aller Art
wit großartigen Ueberraschungen. Am Abend großes Brillant-
Wasser-Feuerwerk. Für hinreichende Fahrverbindung wird
Sorge getragen. Da wir weder Mühe nocv Kosten gescheut

haben, das Fest großartig zu gestalten» so ersuchen wir um
recht zahlreichen Besuch. Das Komite.
Gewiß gönnt jedermann den Arbeitern ihr Vergnügen.
Aber ist es nicht ein unerhört dreister Schwindel, wenn
ein Blatt in derselben Nummer behauptet, die Arbeiter
müßten sich auch den bescheidensten Lebensgenuß versagen,
und hinterher solche glänzende Festlichkeiten eben derselben
Arbeiter ankündigt. Und dabei ist noch zu bedenken, daß
jene soz.-dem. Sänger, Turner, Schwimmer, Radfahrer,
die so großartige Vorstellungen geben wollen» doch auch
in der Woche genügend Zeit gefunden haben müssen, um
sich für ihr Auftreten vorzubereiten. Die Arbeiter als
ausgebildete Lastthiere der Nimmersatten Kapitalisten dar-
zustellen, ist demnach nichts als eine wüste Lüge.
Badischer Landtag. Karlsruhe, 15. Juli. Erste

Sklaverei der Schönheit.
Novelle von M. Jmmisch.
(Fortsetzung.)
Weißt Du auch, daß ich Deinem Bilde meinen größten
Erfolg verdanke?
„Waldfee" habe ich es genannt. Es hat mir viel Geld
und Ehre gebracht, viel mehr, als ich verdiente.
Das ist ja eben der unerbittliche, nimmer ruhende
Stachel! Man sieht es vor sich, das erträumte Ideal. Deut-
lich greifbar, bis in die feinsten Einzelheiten, steht es da vor
wir, nimmermüde suche ich es festzuhalten, und naht das
Werk der Vollendung, so erkenne ich verzweifelt, daß zwischen
Wollen und Können eine Kluft ist, über die ich keine
Brücke finde.
Man nennt mich ein Kind des Glückes, einen Mann des
Erfolges....
Es ist zum Lachen.
Ruhm und Ehre, die mir einst als die höchsten Güter
der Erde vorschwebten, sind mir zutheil geworden, aber leider
wehr als ich sie verdiene.
Leider! . . .
Du wunderst Dich?
. Es ist ganz hübsch, „Mode zu sein", von der Menge ge-
ieiert und bewundert zu werden, seine Werke mit Gold aus-
gewogen zu sehen ....
Es ist wahr, manchmal berauscht es mich, und ich hatte
schon allen Ernstes Stunden, in denen ich mich für einen
„Auserwählten" hielt. Aber Gott sei Dank — oder wäre
vielleicht das Gegentheil besser? — mein Verstand ist schärfer
ms der meiner Bewunderer. Und dann gibt es merkwür-
digerweise auch noch Kritiker , die gegen den Strom
schwimmen und die — man könnte sagen mit einem Ver-
krößerungsglase — alle Schwächen und Fehler meiner Bilder
heraussuchen.

in weite Kreise reichenden hohen Ansehens, namentlich aber auch
der besonderen Werthschätzung Seitens unseres gnädigsten Landes-
fürstenpaares.
Als ächt deutscher Mann und aufrichtiger Patriot nahm er an
allen Vorgängen im Reiche und im engeren Heimathlande, welche
die Wohlfahrt des Volkes und des Vaterlandes bezweckten, den
regsten und wärmsten Antheil.
In diesem Hause steht der Heimgegangene Kollege mit seinem
liebenswürdigen Wesen und seiner freundlichen Erscheinung bei
vielen von uns noch in lebhafter, liebwerther Erinnerung. Ein
ehrenvolles Andenken wird ihm für alle Zeiten bewahrt bleiben.
Ich bitte Sie, zur Kundgebung Ihrer Zustimmung sich von
den Sitzen zu erheben."
Dies geschieht.
Weiterhin theilt der Präsident mit, daß um 2 Uhr die Ver-
tagung eintritt und daß die Fahrkarten auch während der Ver-
tagung ihre Giltigkeit behalten. Der landständische Ausschuß wird
zu einer Sitzung eingeladen.
Abg. Hug (Ctr.) berichtet über den Gesetzentwurf zu dem
Nachtrag zu dem Gesetze betr. die Feststellung des Staatshaus-
haltsetats pro 1898/99 und beantragt Genehmigung, die debatte-
los crtheilt wird.
Abg. Höring (ntl.) berichtet über die Bitte von 40
Straßen meistern des Landes mit mehr als 14jähriger Dienst-
zeit um Bewilligung des Höchstgehalts. Der Kommissionsantrag
lautet auf Uebergang zur Tagesordnung.
Abg. We ber-Offenburg (Ctr.) schlägt vor, daß die Straßen-
meister mir 24 Dienstjahren den Höchstgehalt von 2100 M.» mit
21 Jahren 2000 M. und mit 18 Jahren 1900 M. erhalten.
Dadurch würden die Beschwerden abgestellt.
Abg. Hug (Ctr.) bemerkt, daß die Gehaltsordnung nicht auf
die früheren Beamten in vollem Maße angewendet werden sollte.
Mit Rücksicht darauf empfehle er den Kommissionsautrag.
Ministerialrath Glöckner erklärt das Einverständniß des
Ministeriums mit dem Kommissionsantrag und den Ausführungen
des Budgetpräsidenten.
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Abg. Flüge (ntl.) berichtet über die Bitte der Ehefrau des
pensionirten Kriminalpolizei-Wachtmeisters Karl Zitz er in
Marlen um Erhöhung des Ruhegehalts ihres Ehemannes und
beantragt empfehlende Ueberweisung der Petition an die Regie-
rung.
Ministerialrath Glöckner erklärt, daß ein im Dienste er-
littener Unfall bei der Erkrankung nicht vorliege. Ein Schlag-
anfall war die Ursache des Geistesverfalls bei Zitzer, aber ein
Unfall im Sinne des 8 85 des Beamten-Gesetzes liege nicht vor.
Leider bestehe auch nicht die Möglichkeit, dem Kranken eine
Unterstützung zu gewähren, da nach 8 29 des Beamten-Gesetzes
Entschädigungen an Beamte, die vor dem Inkrafttreten des Ge-
setzes Pension!« waren, nicht statthaft ist.
Abg. Lenedey (Dem.) empfiehlt den Beamten, dem er von
seiner Dienstzeit in Konstanz her das beste Zeugniß ausstellen
könne, dem Wohlwollen der Regierung. Vielleicht könne man
doch einen in Ausübung des Dienstes erlittenen Unfall in der
Erkrankung sehen. Der Petent sei einer Unterstützung nicht blos
bedürftig, sondern auch im höchsten Grade würdig.
Abg. Weber-Offenburg (Ctr.) weist darauf hin, daß von 7
Kindern 3 auf mütterliche Pflege angewiesen sind. Wenn man
nicht durch weitherzige Auslegung des 8 85 des B.-G. helfen
könne, so möge man mittelst des Erlasses vom 16. Februar 1898
aus Stiftungsmitteln eingreifen.
Abg. Geck(Soz.) empfiehlt ebenfalls den Wachtmeister Zitze,
mit dem er während der Herrschaft des Sozialistengesetzes bekannt
geworden sei, dem Wohlwollen der Regierung. Er könne ihm das
Zeugniß ausstellen, daß er feines Amtes Tag und Nacht mit
Eifer gewacht habe. Wenn er nicht mehr^ erreichte, so sei der
Wachtmeister dafür nicht verantwortlich. (Schwache Heiterkeit bei
den Sozialisten.)
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Abg. Freiherr v. Bodman (Ctr.) berichtet über die
Bitte des Bezirksthierarztes a. D. Josef Wirth in Schwetzingen
um Verwendung als Thierarzt bezw. um Erhöhung seiner Pension
und beantragt 1. über die Petition zur Tagesordnung überzugehen,
sie aber 2. in dem Sinne der Regiernng znr Kenntnißnahme zu
überweisen, daß er auf Ansuchen eine Unterstützung erhalte.
Abg. Eder (Dem.) befürwortet dis Petition.
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Abg. Reichardt (natl.) berichtet über die Bitte der Stadt-
gemeinde Grünsfeld um Errichtung einer Filialapotheke und be-
antragt Ueberweisung an die Regierung zur Kenntnißnahme, die
von Abg. Köhler (Ctr.) in einer langen über die Schlußstunde,
11 Uhr, ausgedehnten Rede befürwortet, von dem Abg. Lei mb ach
(natl.) bekämpft wird und der Abg. W err das Wort redet.
plötzlich das Heimweh üvcrwllen kann, nachdem er zwanzig
Jahre lang kein Bedürfniß hatte, die Heimath wieder zu
sehen.
Sonderbar, kaum glaublich! Und doch ist es so. Die
Bilder der Heimath gaukeln mir Tag und Nacht vor der
Seele. Ein sehnsüchtiges Verlangen nach der herben, wür-
zigen Luft jener Wälder, in denen ich als Knabe und Jüng-
ling umherstreifte, ist mir in Fleisch und Blut übergegangen,
und läßt mich weder zur Arbeit noch zur Ruhe kommen.
Ich bin kein Freund von solch thatenlosen Träumen,
und deßhald mache ick kurzen Prozeß; ich Packe meine Sachen
und kurire mich an Ort und Stelle.
Ich bin weit davon entfernt, Dich belästigen zu wollen;
aber irgendwo in Deiner Nähe wird es schon ein Plätzchen
geben, an dem ich mich für ein paar Wochen niederlassen
kann.
Ich habe das Recht auf Dein besonderes Interesse ver-
wirkt, aber ich rechne auf Deine Großmuth und nehme an,
daß Du mir wenigstens zeitweilig ein Plätzchen an Deinem
Herde gönnst.
Wie schön wird es sein, wenn wir zwei Alten von ver-
gangener Jugendzeit schwärmen! —
Durch meine blonden Haare ziehen sich schon weiße
Fäden, wie wird es wohl mit Deinen dunklen Locken be-
stellt sein?
Ich erwarte keine Antwort; ich ftirchte, sie könnte kühl
And ablehnend lauten. Das könnte mich lähmen, aber doch
nicht zurückhalten. Noch heute lasse ich packen und in drei
Tagen werden wir uns Ang in Auge gegenüber stehen. Bis
dahin in alter Freundschaft
Dein
Fritz Delling.
(Fortsetzung folgt.)

Der Präsident Prinz Carl eröffnet die Sitzung um
10 Uhr und bringt die Einläufe zur Kenntniß des Hohen
Hauses.
Frhr. v. Göler erstattet den Bericht der Budgetkommission
über den Nachtrag zu dem Gesetz, die Feststellung des Staats-
haushalts für die Jahre 1898 und 1899 betreffend.
Das Gesetz wird in namentlicher Abstimmung einstimmig
angenommen.
Geh. Kommerzienrath Dissen 4 erstattet den zweiten Be-
richt der Kommission für Justiz und Verwaltung über den
Gesetzentwurf, die Abänderung des Handelskammergesetzes be-
treffend.
Der Gesetzentwurf wird in der von der Zweiten Kammer
beschlossenen Fassung einstimmig angenommen.
Graf v. Hennin berichtet Namens der Kommission für
Eisenbahnen und Straßen über die Bitte:
a. des Comites für das Eisenbahnprojekt Mosbach—Mudau
um Erbauung eiuer Nebenbahn von Mosbach nach Mudau;
b. des Comites für das Eisenbahnprojekt Eberbach—Mudau-
Buchen um Erbauung einer normalspurigen Staatsbahn von
Eberbach über Mudau nach Buchen.
Die Petitionen werden der Großh. Regierung zur Kenntniß-
nahme überwiesen.
Staatsminister Dr. Nokk verliest hierauf die Allerhöchste
Entschließung, durch welche der Landtag vertagt wird.
Der Präsident Prinz Carl schließt mit einigen warmen Ab-
schiedsworten an die Mitglieder des Hauses die Sitzung.
L. 0. Karlsruhe, 15. Juli. 115. öffentliche
Sitzung der Zweiten Kammer.
Präsident Gönner widmet zunächst dem ff Geh. Kom-
merzienrath Krafft folgenden Nachruf:
„Hochgeehrte Herren! Noch einmal, ehe wir uns trennen,
sehen wir uns in die betrübende Lage versetzt, einen Akt der
Pietät zu begehen, indem wir eines verstorbenen früheren Mit-
glieds dieses Hauses ehrend gedenken.
Herr Geheimer Kommrrzienrath.Ernst, Friedrich Krafft-
Gr et her von St. Blasien ist am 10. d. Mts. nach rasch ver-
laufenem schweren Leiden aus dem Leben geschieden. Derselbe
war am 18. Mai 1823 geboren und hatte somit sein 75. Lebens-
jahr vollendet.
Der Verstorbene hat in der 2. Kammer den 8. Wahlbezirk
St- Blasien-Schönau-Neustadt von 1883 bis 1890 vertreten. Mit-
glied des Reichstages war derselbe von 1878 bis 1881 und von
1884 bis 1890. Für den Landtag 1893/94 war er von Seiner
Königlichen Hoheit dem Großherzog zum Mitglied der
1. Kammer ernannt worden.
Herr Geheimer Kommerzienrath Krafft gehörte als Eigen-
thümer und Leiter eines großen Fabrikunternehmens zu den ersten
Industriellen des badischen Landes. Als solcher zeichnete er sich
insbesondere dadurch aus, daß er den sozialpolitischen Bestrebungen
des modernen Staatslebens nicht bloß ein tiefgehendes Ver-
ständniß entgegenbrachte, sondern "daß er der als berechtigt er-
kannten Aufgabe des Ausgleichs zwischen den Interessen des
Arbeitgebers und der Arbeitnehmer auch die menschenfreundlichste
werkthätige Ausführung folgen ließ.
Allein nicht nur auf diesem Wege offenbarte sich die edle Ge-
sinnung und das wohlwollende Walten des Verewigten, sondern
auch auf allen Gebieten des Humanitären Strebens zum Besten
der Allgemeinheit bethätigte er jederzeit und überall die opfer-
willigste Nächstenliebe.
Aus diesem Grunde erfreute er sich des Vertrauens seiner
Arbeiter, der Liebe und Verehrung seiner Mitbürger und eines
Ich könnte nicht behaupten, daß sie den Nagel immer aus
den Kops treffen, aber alles in allem genommen, höre ich
meine Feinde lieber, als meine Freunde; man kann immer
dabei lernen.
Doch, was ich sagen wollte; ja, es ist hübsch, berühmt
und gefeiert zu sein; ich könnte es nicht mehr entbehren, es
ist zur Lebensbedingung für mich geworden; etwa wie ein
dem Morphium Ergebener das belebende Gift nicht mehr
lassen kann. Und doch ist es mir manchmal, als wäre all
der äußerliche Glanz ein jämmerliches Nichts im Vergleich
zu einer einzigen Stunde wahrer Befriedigung, des wirklichen,
vollen Sichselbstgenügens.
Es fehlt mir augenblicklich an einem packenden Stoff zu
meiner Arbeit. Die Frühlingsluft wirkt aufregend und er-
schlaffend zugleich aus meine Nerven. Die eleganten Räume
meines Junggesellenheims starren mich in fratzenhafter Ein-
samkeit an, nur hin und wieder belebt von den Kobolden der
Erinnerung.
Deutlich sehe ick das Haus und den Garten Deiner
Eltern vor mir. Ich sehe diese selbst, die lieben, guten
Menschen, die nun schon so lange — zehn Jahre sind es
wohl? — kurz nach einander starben. Und dann sehe ich
Dich, wie einen verkörperten Frühlingsiraum, im Garten
umhergehen. Deine liebe, kleine Hand erfaßt zögernd
die meine, und Deine rolhen Lippen leuchten so sinnver-
wirrend .
Mein Gott, ich glaube gar, ich fange an zu schwärmen!
Das macht die Frühlingsluft, die selbst einen so eingefleischten
Egoisten wie mich unter ihr Szepter zwingt.
Doch ich plaudere und plaudere und komme ewig nicht
zu dem eigentlichen Zwecke meines Schreibens. Rathe ein-
mal, welche sonderbare Krankheit mich befallen?
Du schüttelst den Kopf und verziehst spöttisch die
Lippen.
Du erräthst es nicht?
Natürlich, welcher vernünftige Mensch sollte es für mög-
lich halten, daß einen allen Weltenbummler wie mich
 
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