Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI chapter:
Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0053

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Erscheint täglich,
«onutags ausgenommen.
Preis
mit Familienblättern
monatlich SO Pf.
irei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
vierteljährl. 1.25
ausschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xr. 161.

WellikM AltiiW

Jnsertionsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- -Md
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat«
v tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Aimnttstag, de« 14. Juli

1898.

Nachträgliches zur Seeschlacht von Santiago.
Der Commandant des amerikanischen Linienschiffes
Iowa hat in Santiago de Cuba folgende Einzelheiten
über die Vernichtung des spanischen Geschwaders unter
Admiral Cervera geliefert, die um so werthvoller sind,
als sie die erste Darstellung der großen Schlacht durch
einen hervorragenden Fachmann ist, . und dadurch noch
besonderes Interesse gewinnt, daß der Commandant des
größten amerikanischen Schlachtschiffes seinem Gegner die
höchste Anerkennung zollt:
Die Iowa hatte beim Beginn des Angriffs die Maria Theresa
steuerbords. Wir hofften eines der den Ausfall führenden Schiffe
rammen zu können, wegen der überlegenen Geschwindigkeit der
manischen Kriegsschiffe stellte sich das indessen bald als unmög-
lich heraus. Fünfzig Minuten nach dem ersten Schuß legte die
Vizcaya ihr Ruder backbords, während gewaltige Flammenmassen
aus ihrem achtern Theil hervorbrachen. Lange hielt-sie auf die
Klippen von Acerraderos zu (25 Kilometer westlich von der
Hafeneinfahrt) und ließ sich auf den Strand laufen. Da die
Iowa, wie bald klar wurde, sich nicht an der Jagd auf die
Cristobal Colon, die Brooklyn, Oregon und die schnelle New-
Jork mit besserer Aussicht auf Erfolg aufgenommen hatten, be-
lheiligen konnte, beschloß ich, Humanität vor Krieg walten zu
lassen und meine Aufmerksamkeit den 1200 oder 1500 spanischen
Offizieren und Mannschaften zu schenken, die ihre Flagge ge-
strichen hatten. Ich steuerte daher auf die Vizcaya zu, die in
vorn und achtern lichterloh brannte. Sobald die Iowa die
äußerste Fahrwassergrenze für ihren Tiefgang erreicht hatte,
sandle ich alle meine Boote den unglücklichen Spaniern zu Hilfe,
die zu Dutzenden am Ertrinken waren und auf Deck im Feuer
schmorten. Bald bemerkte ich, daß die Kubaner vom Ufer aus
auf die schwimmenden Spanier schossen, die sich uns schon ergeben
hatten. Dem machte ich sofort ein Ende. Meine Bootsleute
arbeiteten tapfer und vollzogen manche brave Rettung. Ein
Mann enterte die Bordwand der brennenden Viscaya empor und
rettete allein drei Spanier vor dem Lebendigverbranntwerden.
Die Munitionskammern der Vizcaya fingen an zu explodiren,
während unsere Boote längsseit kamen, und hilfreiche Hände
brachten bald die verstümmelten spanischen Offiziere und Matrosen
aufs Achterdeck der Iowa. Die Spanier waren sämmtlich völlig
nackt. Den einen waren die Beine von Granaten abgerissen,
andere auf jede nur denkbare Weise verstümmelt. Fünf arme
Kerle starben auf dem Wege zur Iowa. Wir bestatteten sie von
Bord aus mit militärischen Ehren. Ich habe einige Fälle von
Heldenthum gesehen oder, besser gesagt, von Mannszucht und
Pflichterfüllung, die niemals übertroffen werden können. Einem
Manne des Vizcaya war der linke Arm dicht unter der Schulter
abgeschossen, Theile davon hingen noch an einem kleinen Haut-
fetzen fest, aber ohne fremde Hilfe enterte der Mann auf Deck
und machte seine Ehrenbezeugungen, als ob er zu Besuch käme.
Gleich hinter ihm kam ein Matrose, dem das linke Bein überm
Knie abgeschossen war. Man hißte ihn hoch, kein Schmerzens-
laut kam von seinen Lippen. Allmählich füllte sich unser Deck
mit verstümmelten und unverwundeten, aber nackten Spaniern;
mit Mühe nur war die Iowa als ein amerikanisches Kriegsschiff
wiederzuerkennen. Das sonst so weiße Achterdeck war ganz mit
Blut bedeckt und 272 nackte Männer wurden von unseren Leuten
gepflegt und mit Wasser und Brod erquickt. Zuletzt kam ein
Boot längsseit mit Capitän z. S. Eulate, dem Kommandanten
der Vizcaya. Ein Stuhl wurde ihm über Bord hinunter-
gelassen, da er augenscheinlich verwundet war. Die Fallreeps-
gasten stellten für ihn die einem Capitän zukommende Ehren-
wache. Ich stand bereit zu seinem Empfang. Sobald der Stuhl
auf Deck niedergelassen wurde, präsentirte die Wache das Gewehr.
Langsam erhob sich der Capitän Eulate von seinem Sessel und
begrüßte mich mit würdevollem Ernst. Er schnallte seinen Säbel
ab, küßte voll ehrfürchtiger Inbrunst den Griff, während ihm
die Thräuen über die Wangen liefen. Dann wollte er mir seinen
Säbel übergeben, ich nahm ihn selbstverständlich nicht an. Die
Mannschaft der Iowa schrie bei diesem Auftritt Hurrah wie die
Wilden. Grade als ich Kapitän Eulate in meine Cabine ge-
leiten wollte, damit die Aerzte seine Wunden untersuchen könnten,
explodirten auf der Vizcaya die großen Munitionskammern mit
einem furchtbaren Krach und einem Meer von Flammen. Kapi-
tän Eulate streckte seine Arme aus und rief: „Adjos Vizcaya!
Da geht mein schönes Schiff dahin, Herr Kapitän!" Damit
gingen wir in meine Cabine, wo die Aerzte ihm seine drei Wun-
den verbanden. Unterdessen waren 39 Offiziere und 272 Mann
von der Vizcaya geborgen. Messe und Cabtnen wurden vereit-
willigst von unseren Offizieren hergegeben, dann Kleidung und
Tabak den nackenden spanischen Offizieren gereicht, und unser

Sklaverei der Schönheit.
z) Novelle von M. Zmmisch.
(Fortsetzung.)
Und sie, welch ein Thörin war sie doch! Noch nie hatte
er ihr so gut gefallen, als jetzt. Sie zürnte sich selbst über
ihre Dummheit; sie trotzte mit ihm und aller Welt; aber
was half es? War er nicht da, so hatte sie weder Ruhe noch
Rast und kam er endlich, so genügte ein Blick in sein liebes,
hübsches Gesicht, um allen Groll zu verschmelzen, wie April-
lchnee im Sonnenschein.
Aber heute war es ihr doch zu bunt. Sie so gar nicht
zu beachten! Zwar batten einige der anderen Herren den
Versuch gemacht, den Angenehmen bei ihr zu spielen, aber sie
hatte sie kurz zurückgewiesen. Sie hatte kein Interesse an
ihnen und deßhalb war es ihr lästig, auch nurzuzuhören, ge-
schweige denn sich mit ihnen zu unterhalten.
Sie hatte gar nicht gewußt, daß das Leben so widerwär-
tig und unangenehm sein konnte. Am besten, sie ging zurück,
mochten die klebrigen machen, was sie wollten.
Kaum gedacht, führte sie ihren Entschluß auch aus.
Aber nicht den Weg zurück, den sie gekommen. Etwas mehr
links war auch noch ein schmaler, und wie eS schien, viel be-
quemerer Weg. Ueberhängende Eichenzwetge überschatteten
shn und Heidelbeersträucher standen rechts und links in
üppiger Fülle.
Muthig schritt sie hinein, aber schon nach kurzer Zeit be-
merkte sie, daß sie in eine ganz falsche Richtung kam. Immer
schwächer wurde das Tosen und Brausen des Baches und
dabei war es so beängstigend still um sicher. Nur der Kuckuck
wiederholte von Zeit zu Zeit seinen einförmigen Ruf und
einmal sprang ein Reh in kurzer Entfernung über den Weg,
daß sie, zu Tode erschreckt, sich zur Flucht wandte. Das
Stadtkind konnte die ungewohnte Stille und Einsamkeit des
Waldes nicht ertragen. Sie schämte sich ihrer Feigheit, aber
trotzdem jagte sie so hastig zurück, als würde sie von bösen
Geistern verfolgt.

Zahlmeister ließ den nackenden Matrosen Uniformen austbeileu.
So hatte der Krieg einen anderen Anblick gewonnen. — Da ich
wußte, daß noch keiner von den unsrigen nach der Besatzung
der ersten beiden gestrandeten Schiffe gesehen hatte, lief ich auf
sie zu. Ich fand die Gloucester (Privatdampfyacht, Corsair des
Herrn M. P. Morgan, die, mit Schnellfeuergeschützcn armirt,
unterm Befehl von Capitän-Lientenant Wainright als Hilfskreuzer
in Dienst gestellt war) mit Admiral Cervera und einigen seiner
Offiziere und einer großen Zahl Verwundeter an Bord, von denen
einige entsetzlich verstümmelt waren. Viele Spanier waren am
Lande von den Kubanern erschossen worden. Hülfskreuzer Har-
vard kam auf und ich ersuchte Capitän Cottou, die Besatzung
der Jnfanta Maria Teresa und der Almirante Oquento zu retten.
Bis Mitternacht hatte die Harvard 970 Gefangene an Bord, eine
große Zahl darunter verwundet. — An Muth und Kühnheit kann
die Geschichte nichts aufweisen, was der That des spanischen
Admirals gleichkäme. Er ging mit vollem Bewußtsein in seine
sichere Vernichtung. Eine einzige Hoffnung hatte er, daß nämlich
die Cristobal Colon schneller dampfen wurde, als die Brooklyn.
Ich nahm Admiral Cervera von Gloucester an Bord der Iowa
wo ich ihn mit allen Admiralsehrenbezeugungen empfangen ließ.
Als er auf Leck trat, kletterte seine Mannschaft achtern über die
Panzerthürme hinter drein, halb nackt und pulvergeschwärzt.
Cervera war barhäuptig, über seinem Unterzeug trug er einen
dünnen Flanellanzug, den ihm Capitänlientenant Wainwright
geliehen hatte. Die Mannschaften begrüßten ihn ungestüm. Die
Offiziere der Vizcaya sagten, es wäre bei dem schnellen Feuern
der Amerikaner einfach unmöglich gewesen, die Geschützbedienungen
an den Kanonen zu halten. Die Decks wären überschwemmt
gewesen von Wasser aus der Feuerspritze, untermischt mit dem
Blut der Verwundeten, und darin umherschwimmend einzelne
abgerissene Körpertheile. Eine 30,5 Cmtr.-Granate von der
Iowa brachte einen Torpedo im Bug der Vizcaya zur Explosion
und schleuderte 20 Mann gegen das darüberliegende Deck. Wäh-
rend seines Aufenthalts an Bord der Iowa hat sich Admiral
Cervera bei allen sehr beliebt gemacht. — Wie die Lpanier
sagen, sind niemals ihre Torpedoboote ausgelaufen, um Sampsons
Geschwader anzugreifeu, aber innerhalb der Bucht hätten sie
regelmäßig Nachtwache gehalten. Während des Kampfes ist die
Indiana zweimal, die Oregon dreimal und die Iowa neunmal
getroffen worden.
Aus dieser anschaulichen Darstellung des amerikanischen
Seeoffiziers, die trotz einiger kleiner Widersprüche mit
frühern Berichten als Aussage eines in erster Linie be-
theiligten Fachmannes und als weltgeschichtliche Urkunde
aufmerksamste Beachtung verdient, geht, wie die Köln. Ztg.
hervorhebt, für uns Zuschauer vor allem eines hervor.
Was bei dem chinesisch-japanischen Kriege, über dessen
Seegefechte nur sehr unzureichende Nachrichten aus unzu-
länglicher Feder vorliegen, noch nicht mit Sicherheit be-
hauptet werden konnte, ist wie bei Cavite auch durch die
Seeschlacht von Santiago endgiltig entschieden worden:
Bei modernen Seekriegen spielt das Material der Schiffe
eine ganz ungeahnte Rolle, in letzter Linie vielleicht über-
haupt die entscheidende Rolle. Selbstverständlich wird der
Werth eines durchgebildeten, schneidigen Offizicrcorps und
einer zuverlässigen anstelligen Mannschaft niemals verringert
werden. Aber es hat sich gezeigt, daß trotz der größten
Aufopferung kühner Offiziere und der heldenmüthigen Aus-
dauer tüchtiger Mannschaften dem Gegner kein nennens-
werther Schade zugefügt wurde, weil das Material zu
verschieden war. Wer die bessern Maschinen, die stärkere
Panzerung, die weiter tragenden und rascher feuernden
Geschütze besitzt, ist für einen unebenbürtigen Gegner fast
unverwundbar.

Wochenchronik.
(Vom 3. Juli bis zum 9. Juli.)
Juli 3.: Die spanische Flotte im Hafen von Santiago
macht einen Versuch auszubrechen und zu entfliehen,
wird aber von der amerikanischen Flotte vollständig
verni chtet.
„ 3.: Der Kaiser tritt seine Reise nach Norwegen an.
„ 4.: Der große französische Dampfer La Bourgogne
sinkt östlich von Halifax in Folge Zusammenstoßes
mit dem Schiff Cromathyshire. Mehrere Hundert Per-
sonen kommen um._—

Juli 5.: Der österreichische Kaiser genehmigte den vom
niederösterreichischen Landtag beschlossenen Gesetzent-
wurf nicht, wonach die deutsche Sprache die aus-
schließliche Unterrichtssprache in Niederösterreich sein soll.
„ 6.: Der Oberpanamist Cornelius Herz stirbt in Bourne-
mouth.
„ 7.: In der franz. Deputirtenkammer verliest Kriegs-
minister Cavaignac in Beantwortung einer Inter-
pellation drei Schriftstücke, die angeblich die Schuld
des Dreyfus beweisen. Es sind Schriftstücke, die
man zum Theil schon kannte. Sie sind s. Z. DreyfuS
nicht vorgelegt worden und dürfen als gefälscht ange-
sehen werden. Die Revision des Dreyfusprozesses
erscheint trotz des augenblicklichen Erfolges des Kriegs-
ministers als unausbleiblich.
„ 8.: In Chile bricht eine wirthschaftliche Panik aus.
„ 9.: Die Zweite bad. Kammer nimmt die Vorlage
betr. die Besserstellung der Votksschullehrer an.
„ 9.: Zola wird wegen Beleidigung der Schreib-Sachver-
ständigen im Dreyfusprozeß zu 2000 Franken Geld-
strafe und 15 Tagen Gefängniß verurtheilt. Der
Vollzug des Urtheils, soweit es die Gefängnißstrafe
ausspricht, wird indessen ausgesetzt.
D - irisches Reich.
Kassel, 13. Juli. Die beiden jüngsten kaiserlichen
Kinder, Prinz Joach i m und Pri nzes si n Victoria
Luise, sind heute früh in Wilhelmshöhe cingetroffen.
Baden. St. Blasien, 10. Juli. Wie hoch der
Großherzog den Heimgegangenen Kommerzienrath Krafft,
der an ihm mit rührender Liebe und Verehrung hing,
schätzte, geht aus dem tiefergreifenden Memoriale hervor,
das der Geistliche der hiesigen evangelischen Gemeinde im
heutigen Vormittagsgottesdienste auf Allerhöchsten Befehl
verlas, dasselbe lautete:
Als Laudesbischof der evangelischen Kirche unseres lieben
Heimathlandes erfülle ich eine Pflicht treuer Ehrfurcht, indem
ich an die evangelische Gemeinde St. Blasien Worte der tiefsten
Trauer richte und in ihrem Namen einer warm empfundenen
Dankbarkeit Ausdruck gebe.
Der hochverehrte Geh. Kommerzienrath Krafft ist durch Gottes
unerforschlichen Rathschluß zur ewigen Heimath eingegangen. Sein
Wille ist uns heilig! — Aber wir verlieren in diesem theuren
Mann den Begründer unserer Gemeinde, die er stets mit Liebe
und Fürsorge gepflegt, die er mit Wohlthaten, als treuer evan-
gelischer Christ, reichlich umgeben hat.
Unsere Dankbarkeit gegen ihn verbindet sich mit derjenigen
aller treuen Einwohner dieser Stadt, für die er ein so großer
Wohlthäter gewesen ist. — Er war ja ein wahres Vorbild der
Liebe, die er ohne Ansehen der Person, ohne Unterschied der
Konfession, allen Menschen widmete, sobald er glaubte, helfen,
heilen, aufrichten zu sollen.
Möge das Andenken unseres theuren Heimgegangenen in allen
treuen Herzen lebendig erhalten bleiben und künftigen Genera-
tionen als ein Bild wahrer christlicher Liebe vorgeführt werden,
damit es als ein lebendiges Denkmal in weiten Kreisen
fortlebe.
Wir aber, die wir seiner Kirche angehören, wir wollen ge-
loben, immerdar treu zu bleiben den segensreichen Wegen, die er
uns gezeigt und auf denen wir ihm dankbar folgen wollen.
Friedrich, Großherzog von Baden.
Meßkirch, 11. Juli. Gegen die Gründung eines
Centrums blattes in hiesiger Stadt lehnt sich die Freie
Stimme in Radolfzell auf; dieses Blatt, dessen Redakteur
Monsignore Werber von Radolfzell ist, beeilt sich, zu eröffnen,
daß es für die Folge viermal wöchentlich erscheinen will. Es
gebe auch hier Leute, die meinen, es sei besser, statt in jedem
Städtchen ein Centrumsblatt zu gründen, die seither erprobten
Blätter besser zu verbreiten; denn es gebe katholische Blätter, die
nicht leben und nicht sterben können, nicht viel leisten und da-
durch auch der Sache nicht viel nützen. Wahrscheinlich kann die
Freie Stimme die Gründung des neuen Meßkircher Blattes in-
dessen doch nicht mehr aufhalten.
Badischer Landtag. L. 6. Karlsruhe, 13. Juli. 113.
öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer.
-In den landständischen Ausschuß werden gewählt die
Abgg. Fieser, Gönner, Heimburger, Hug, Lauck
und Wilckens.

-Noch ehe sie an den Bach zurückkam, hörte sie wiederholr
ihren Namen rufen. Sie war also vermißt worden und
Fritz hatte sich um sie gesorgt; sie erkannte seine Stimme
wohl. Jetzt sah sie auch, wie er aufgeregt und ängstlich
am Wasser entlang ging. Sie beantwortete seinen Ruf mög-
lichst gleichgültig und wappnete sich mit all ihrem aufge-
speicherten Trotze.
„Aber Hedwig, Kind, was machst Du für Thorheiten!
Mir solchen Schrecken einzujagen, und wie leicht konntest Du
Dich verirren in dieser Wildniß!"
Er kam auf sie zu und sah ihr besorgt in das erhitzte
Gesicht. , ...
Sie antwortete nicht gleich. Hastig weiterschreitend,
hieb sie mit einem abgebrochenen Zweig in die Büsche am
Wegrande.
„Ich bin Dir sehr verbunden, daß Du Dich meiner er-
innertest, ich glaubte schon. Du habest meine Existenz ganz
vergessen." Ihre Stimme klang halb erstickt von verhaltenem
Groll.
Er sah sie prüfend an und dann flog ein Lächeln
wie Sonnenschein über sein Gesicht. Trotz des schmalen
Weges drängte er sich neben sie und erfaßte ihre wider-
strebende Hand. So gingen sie ein paar Minuten schweigend
weiter.
In ihr gährte es, und der lang verhaltene Unmuth über
die vermeintliche Zurücksetzung machte sich endlich in stürmi-
schen Worten Luft- Sie kam sich allen Ernstes bejammerns-
werth vor und aus Mitleid mit sich selbst brach sie zuletzt in
leises, bitterliches Weinen aus.
Thränen eines jungen Herzens, die wie Aprilregen im
nächsten Augenblick von strahlendem Sonnenschein verdrängt
werden.
Und strahlender Sonnenschein brach auch durch die Zweige
der Eichen und Buchen und vergoldete den dunklen Scheitel
des Mädchens. Den Hut trug sie am Arm und die freie Hand
wischte mit dem zierlichen Spitzentuche unwillig und eifrig
die Thränen ab.

Er sah sie immerfort an. Leise, halb unbewußt, schlang
sich sein Arm um sie. Er vergaß, was er sich vorgenommen.
In diesem Augenblick gab es nichts für ihn, als das Mädchen
an seiner Seite. Der Traum von Ruhm und Ehre war
spurlos versunken und er war weiter nichts als ein junges
Menschenkind, dessen Herz mit unwiderstehlicher Gewalt sein
Recht an Glück und Liebe verlangte. Dazu rauschte und
brauste das Wasser, wie eine Symphonie von Liebe und
Leidenschaft. Ein Bachstelzchen Hüpfte auf einem großen
Steine umher und blickte mit neugierigen Augen auf das
verträumte Paar. Jetzt blieben sie stehen. Er hob ihr ge-
senktes Köpfchen empor und blickte ihr in die Augen. Und
jetzt näherten sich die rochen Lippen sanft, doch unwidersteh-
lich und sie küßten sich . . .
Das Bachstelzchen wetzte sein Schnäbelchen an der Stem-
kante, trank ein Tröpfchen von dem krystallhellen Wasser und

flog dann eilig davon.

(Fortsetzung folgt.)

Concert des Bach-Bereins und des Akademischen Gesang-
Bereins.
xsx Heidelberg, 14. Juli.
Für Prof. Wolfrum gibt es keine todte Saison. Er hält
das ganze Jahr hindurch den musikalischen Geist wach und sorgt
dafür, daß keine Zeit zu einer ganz stillen, klang- und sanglosen
wird.
Dieses Mal stand ihm in dem decadenten Sommer für sein
Unternehmen ein hilfsbereiter Bundesgenosse zur Seite. Während
man sich sonst im Juli nach keiner anderen Partitur als der
Hendschels und Bädekers sehnt, kam man dieses Mal mit wahr-
haft winterlichem Behagen zu Bach und Liszt.
Wiederum hat Prof. Wolfrum als Liszt-Pionier eine neue
Brücke geschlagen. Je zahlreicher diese Brücken werden, desto
mehr muß man doch staunen über die immense Schaffenskraft
Liszts. Man begreift nicht, wie dieser Mann, dessen halbes
Leben vom Virtuosen, dessen Andere Hälfte von seinen allum-
 
Annotationen