Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0023

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienblättern
monatlich 5V Pf.
frei in's HauS gebracht.
Durch die Post bezogen
vierteljährl. 1.25
ausschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

KOMM ZeitiiW

Jnsertionsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Nanni.
Für hiesige Geschäfts- nd
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

Ar. 154.

Mittwoch, den 8. Juli

1888.

Namensaufschriften an Berkaufsläden und
Wirtschaften.
Wer sich ein Geschäftsschild oder eine sonstige Auf-
schrift für einen Laden oder Wirtschaft anfertigen oder
ändern läßt, wird gut daran thun, jetzt schon auf eine
neue gesetzliche Vorschrift Rücksicht zu nehmen, die mit dem
Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Handelsgesetzbuch am 1.
Januar in Kraft treten wird. Es handelt sich um einen
8 15 n, welcher der Gewerbeordnung durch Art. 9 des
Einführungsgesetzes zum neuen Handelsgesetzbuch vom 10.
Mai 1897 eingefügt worden ist.
Nach den seitherigen Vorschriften ist es dem Belieben
des Inhabers eines Ladengeschäfts oder einer Wirtschaft
überlassen, ob er an seinem Laden oder seiner Wirtschaft
seinen Namen in einer Aufschrift anbringen will oder nicht.
In zahlreichen Fällen ist es deshalb aus den Aufschriften
an Läden und Wirtschaften gar nicht ersichtlich, wer Inhaber
des Geschäfts ist, vielfach bleiben frühere Aufschriften beim
Uebergang des Geschäfts auf andere Personen einfach für
längere oder kürzere Zeit unverändert stehen. Solche
Zustände sind geeignet, Anlaß zu Irrtümern über die
Person, von der man etwas kauft oder mit der man
sonstige Rechtsgeschäfte abschließt, zu geben; auch kommt
es nicht selten vor, daß vom Geschäftsinhaber eine Täuschung
in dieser Richtung geradezu beabsichtigt ist. Die Motive
zu dem Entwurf der nunmehrigen Gesetzesbestimmung
führen besonders den nicht selten vorkommenden Fall an,
daß, wenn die Vermögensverhältnisse des Mannes zerrüttet
sind, der Form nach das Geschäft auf die Fran übertragen
wird, während der Mann als Bevollmächtigter der neuen
Inhaberin dasselbe thatsächlich in der alten Weise fort-
führt, ohne daß eine derartige, zur Benachtheiligung der
Kreditgeber vorgenommene Schiebung nach außen erkennbar
würde.
Um Mißstände solcher und ähnlicher Art zu beseitigen,
bestimmt die angeführte neue Gesetzesvorschrift, daß Ge-
werbetreibende und Kaufleute, die einen offenen Laden
haben oder Gast- oder Schankwirthschaft betreiben, bei
Strafvermeidung verpflichtet sind, ihren Namen an der
Außenseite oder am Eingang des Ladens oder der Wirth-
Ichast in deutlich lesbarer Schrift anzubringen. Maßgebend
ist der Name des jeweiligen Geschäftsinhabers, also der-
jenigen Person oder Personen, auf deren Rechnung der Ge-
schäfts- oder Wirthschaftsbetrieb in dem betreffenden Lokal
erfolgt. (Wenn also z. B. ein Geschäftsmann stirbt und
darauf das Geschäft für Rechnung der Wittwe weiter be-
trieben wird, so muß der Name der letzteren angeschrieben
Werden; ein Wirthschaftspächter muß seinen Namen, nicht
etwa den des Eigenthümers der Wirthschaftslokale anbringen;
wird eine Wirthschaft von einem Wirthschaftsführer in
Stellvertretung und auf Rechnung des Wirths betrieben,
so ist der Name des letzteren, nicht etwa der des Wirth-
schaftsführers maßgebend; ähnlich ist es bei Geschäfts-
fllialcn.)
Selbstverständlich muß der ausgeschriebene Name der
richtige sein; auch wird an die Aufschrift die Anforderung
zu stellen sein, daß aus ihr mit Sicherheit zu ersehen ist,
daß der angeschriebene Name den Namen des Geschäfts-
inhabers darstellen soll. Sind mehrere verschiedene Namen
ausgeschrieben z. B. Firma und persönlicher Name des
Inhabers oder Name des Inhabers und der des Ge-
schäftsführers), so wird ersichtlich zu machen sein (z. B.
durch den Beisatz „Inhaber"), welches der Name des Ge-
schäftsinhabers ist, soweit nicht Zweifel darüber durch
Entfernung etwaiger überflüssiger Aufschriften beseitigt
werden.

13)

Es

Ein Griff in's Leben.
Novelle von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
4-
war am fünften Tage nach jenem so unerfreulich aus-
gegangenen Besuch feines Freundes, als Herbert Wallfried
um die Mittagszeit das vornehme Gebäude verließ, in dessen
erstem Stockwerk Frau Jutta von Greiffenhagen wohnte.
Etwas Außergewöhnliches mußte ihm da drinnen widerfahren
sein, denn auf seinem Gesicht, das die frischen Farben der
Gesundheit während der letzten Wochen so ganz eingebüßt
hatte, malte sich noch immer eine starke Erregung, von der
selbst der erfahrenste Phtzsiognomiker wohl nur schwer hätte
sagen können, ob sie freudiger oder schmerzlicher Natur ge-
wesen sein mochte. Raschen Schrittes eilte er durch die näch-
sten Straßen; aber sein Gang verlangsamte sich immer mehr,
le näher er der eigenen Wohnung kam, und allmählich wich
auch der gespannte Ausdruck seiner Züge wieder jener stumpfen,
traurigen Müdigkeit, deren Anblick Rudolf Lindner vor einigen
Klagen in so lebhafte Bestürzung versetzt hatte.
Als er endlich die Thür seines Ateliers öffnete, hatte er
ganz das Aussehen eines Menschen, der eben von schwerer
Krankheit erstanden ist oder den eine schwere Krankheit auf
das Lager niederstrecken will; so war es gewiß begreiflich ge-
nug, daß der erste Ausruf aus dem Munde der weißhaarigen
Matrone, die ihn da drinnen erwartete, mehr einem Aufschrei
des Schreckens als einem Jubellaut der Freude glich. Wall-
fried selbst aber stand regungslos, als ob die Ueberraschung
ihn völlig gelähmt hätte, auf der Schwelle, und erst als die
alte Dame sich schluchzend an seine Brust geworfen hatte,
schien er die Sprache und die Herrschaft über seine Glieder
zurück zu gewinnen.
„Blutter — liebe Mutter — Du hier?" fragte er, zärtlich
Are welken Wangen küssend. „Und ohne mich vorher von
Deiner Absicht zu unterrichten, so daß ich nicht einmal im
Stande war, Dir einen würdigen Empfang zu bereiten! Sage

Während der Regierungsentwurf es in der Regel ge-
nügen lassen wollte, wenn nur der Familienname angegeben
wird, und die Angabe eines Vornamens nur ausnahms-
weise dann verlangen wollte, wenn eine Fran Geschäfts-
inhaberin ist, hat das Gesetz infolge Reichstagsbcschlusses
die Bestimmung ausgenommen, daß in allen Fällen min-
destens ein Vorname, und zwar ausgeschrieben (nicht ab-
gekürzt) beigefügt sein muß. Selbstverständlich dürfen auch
weitere Vornamen, ausgeschrieben oder abgekürzt, dem
ausgeschriebenen noch beigesetzt werden. Daß der ausge-
schriebene Vorname gerade der Rufname der betreffenden
Person sein muß, ist im Gesetz nicht vorgeschrieben; jeden-
falls dürfen aber nur solche Vornamen angegeben werden,
welche von der betreffenden Person auch sonst geführt wer-
den bezw. ihr zukommen.
Die Namensaufschrift ist vorgeschriebcn für „offene
Läden" und für „Wirthschaften". Auf Betriebe, welche
der Gewerbeordnung nicht unterstehen, wird sich die Vor-
schrift aber nicht beziehen. Was unter „offenen Läden" zu
verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. In anderem Zu-
sammenhang spricht die Gewerbeordnung von „offenen
Verkaufsstellen"; es liegt wohl nicht in der Absicht des
Gesetzes, den beiderlei Ausdrücken einen verschiedenen Sinn
beilegen zu wollen; man wird vielmehr annehmen können,
daß beide Ausdrücke gleichbedeutend sind. Zu den Ver-
kaufsstellen rechnet man gewöhnlich auch die Verkaufs-
automaten. Sie müssen deßhalb auch mit dem Namen
dessen, der mittels derselben verkauft, versehen sein; der
Name des Fabrikanten des Automaten muß nicht ange-
geben sein. Ist auch letzterer angegeben, so müßte ersicht-
lich gemacht sein, welches der Name des Verkäufers der
betreffenden Waare ist. Der Ausdruck „offen" wird nichts
anderes bedeuten sollen, als daß es sich um einen Laden
handelt, der dem Publikum zugänglich ist. Besitzt ein
Geschäftsmann mehrere getrennte Verkaufsräume, so wird
an jedem derselben die Aufschrift angebracht werden müssen,
soweit nicht eine bei jedem der Verkaufsräume deutlich les-
bare Aufschrift so angebracht wird, daß sie sichtlich auf
mehrere der getrennten Räume sich bezieht.
(Schluß folgt.)

Deutsches Reich.
Berlin, 5. Juli.
— Ein heutiges Telegramm aus Helsingborg meldet:
In der Nähe von Helsingör vortreffliche Fahrt. Der
Kaiser erfreut sich besten Wohlseins, es ist Aussicht auf
gutes Wetter.
— Der Statistiker Prof. L. Hickmann hat eine Auf-
stellung veröffentlicht, aus der zu ersehen ist, wie viele
Stimmen jede der Parteien im ersten Wahlgang bei
den jüngsten Reichstagswahlen erhalten hat. Diese
Statistik ergibt, daß die nationalliberale Partei von den
bürgerlichen Parteien den größten Stimmenzuwachs er-
halten hat und daß sie als die zweitstärkstc unter den
bürgerlichen Parteien rangirt. Bei den Hauptwahlen 1893
und 1898 wurden für die einzelnen Parteien Stimmen

abgegeben:
1893 1898
Centrum .... 1468500 1330000
konservative . . 1038 300 900 000
Freis. Volkspartei. 666 400 500 000
NeichSpartei . . 438 400 220 000
Antii. Refocmparlei 263 900 310 000
Freis. Vereinigung. 258 500 230 000
Polen .... 229500 180000
Südd. Volkspartei. 166 800 120 000
Demgegenüber die
Nationalliberalen 997 0Ü0 l 160 000

mir um Gotteswillen zunächst, daß Dein Besuch keine üble
Bedeutung hat — sage mir, daß Eva nichts Schlimmes wider-
fahren ist! Wo ist sie — und warum hat sie Dich nicht be-
gleitet? — Du Pflegtest Dich doch sonst niemals von ihr zu
trennen."
Eine wachsende Seelenangst hatte sich in seinen hastig her-
vorgestoßenen Worten ausgeprägt, die Professorin aber erhob,
unter Thränen lächelnd, den Kopf und deutele nach der Tieie
des Ateliers, die sich hinter der zugezogenen Gardine verbarg.
„Ich habe es auch diesmal nicht gethan, Herbert!" sagte
sie leise. „Eva ist Gottseidank wohlauf, und sie ist mit mir
gekommen. Aber als wir Dich draußen auf dem Gang hörten,
bat sie sich hinter den Vorhang geflüchtet, wohl um unser Wieder-
sehen nicht, wie sie in ihrem übergroßen Zartgefühl meinte,
durch ihre Gegenwart zu stören. Sei freundlich mit ihr, ich
bitte Dich, denn sie fürchtet sehr, Dir lästig zu fallen."
„Lästig? — Eva — mir? O, Mutter, das kann ja ihr
Ernst nicht sein!"
Und als sei ihm an der Begrüßung der Jugendgenossin
mehr gelegen als an allem anderen, eilte er in den Hinter-
grund des Ateliers. Der weiche Teppich machte seinen Schritt
unhörbar, und das schlanke, dunkel gekleidete junge Mädchen,
das da ganz in die Betrachtung des neuen Bildes versunken
stand, hatte ihn wohl noch nicht so bald hier erwartet, da sie
heftig zusammenfuhr, als er in zärtlichem Tone ihren
Namen rief.
„Herbert! Ah, wie Du mich erschreckt hast! — Verzeih,
wenn ich vielleicht etwas Ungehöriges that, indem ich hier
eintrat!"
Er aber hörte kaum, was sie sprach, sondern er blickte nur
immer unverwandt in ihr Gesicht, ein feines, von schweren,
braunen Flechten umrahmtes Mädchenantlitz, das gewiß
weniger schön und blendend, aber ebenso gewiß auch hundert-
mal lieblicher und holdseliger war als das der Frau von
Greiffenhagen.
„Eva! Meine liebe Eva! — Welche Ueberraschung und
welche Freude! Und Du hast Dich so gar nicht verändert in
diesen achtzehn Monaten, seitdem wir uns nicht mehr gesehen
— nur daß Du —"

Die nationalliberale Partei hat im Vordertreffen gegen
den Umsturz gestanden, vermöge ihres Programms und der
Lage ihrer Wahlkreise. Zugleich fiel ihr, auch wo sie
gegen Sozialdemokraten stand, eine zerstörende Interessen-
politik in die Flanke. Gegen sie hatte sich weiter Monate
lang eine durchaus unberechtigte Polemik von Links her
gewandt — und nun das Ergebniß! Mehr als im Jahre
1893, wo doch das Volk vor eine große nationale Frage
gestellt war, hat sich diesmal gezeigt, wie festgegründet
die Fundamente des national gesinnten ge-
mäßigten Liberalismus sind, wie fest im deutschen
Bürgerthum die Partei wurzelt, die allezeit uneigennützig
dem Gesammtwohl gedient und die Ideale, die bei der
Gründung des Reiches in voller Gewalt gewirkt, auch in
einer Zeit der Zerrissenheit und des Eigennutzes hochge-
haltenhat. Wenn auch die Nationallibcralen im Reichstag
nur in früherer Stärke vertreten sind, für die Autorität
und das Selbstbewußtsein der Partei ist die Zahl der
Stimmen ausschlaggebend. Gefestigt geht die Partei
aus den Reichstagswahlen hervor und mit neugewonnenem
Selbstvertrauen auf ihre Kraft kann sie nun mit guten
Hoffnungen zunächst die Vorbereitungen für die preußischen
Landtagswahlen aufnehmen.
Rüdcsheim, 5. Juli. Gestern tagte hier eine
Confcrenz von Bausachverständigen, darunter
Professor Dr. v. Thiersch-München und die Bauräthe
Schmechten und Boeckmann aus Berlin, um den Bauplan
für die N atio nalfe st stätte zu berathen. Heute trafen
die Mitglieder des Arbeitsausschusses v. Schenckendorff und
Dr. Rolfs zusammen, um in gemeinsamer Berathung die
Grundzüge einer Prcisbewerbung für diese Anlage fest-
zustellen; eine Commission soll die weiteren Vorarbeiten
übernehmen. Als erster Preis wurden 10 000, als zweiter
5000 Mk. in Aussicht genommen. Es folgte die Bildung
der Bauabtheilung aus sämmtlichen Baufachleuten des
Reichsausschusses unter Leitung von Professor v. Thierscb.
Morgen wird hier eine Volksversammlung abgehalten, zu
der der ganze Rheingau und die angrenzenden Landesrheile
eingeladen sind, behufs Anregung zur Bildung von Orts-
ausschüssen.
Baden. Karlsruhe, 4. Juli. Die Budgetkommission
empfiehlt eine Staatsdolation den Kreisen für die Land-
armenpflege nach den Rechnungsergebnissen jeweils für
etwa 6 Jahre zu gewähren.
Karlsruhe, 3. Juli. Der Zuruhesetzung des Direktors
der Rechnungsabtheilung bei der Generaldirektion der Staats-
eisenbahnen, Hugo Schneider, dürften, nach dem Mannh. Anz.,
demnächst noch weitere Pensionirungen nachfolgen. Wie in Be-
amtenkrcisen kategorisch erzählt wird, beabsichtigt Betriebsdirektor
Wilhelm Schupp, Stellvertreter des Generaldirektors, ebenfalls
sich vom Dienst zurückzuziehen und zwar wegen vorgerückten
Alters. Herr Schupp steht im 70. Lebensjahre und ist seit 1875
Betriebsdirektor. Den baldigen Rücktritt Schupp's schließt man
aus der Beurlaubung desselben auf unbestimmte Zeit, während
sonst jeweils bet Veröffentlichung des Stellvertreters angegeben war,
wie lange die Sedisvacanz dauerte. Auch Aeußernugen, die der
Generalsirektor Eisenlohr befreundeten Personen gegenüber
gethan har, lassen darauf schließen, daß er in nächster Zeit von
seinem Posten zurückzutreten gedenkt. Uebrtgens spricht man
auch von einer bevorstehenden Aenderung in der Leitung einer
anderen Mittelstelle.
L. 0. Karlsruhe, 5. Juli. Der sozialdemokratische Volks-
freund in Offenburg wird Ende dieses Jahres nach Karlsruhe
verlegt und erscheint vom 1. Januar täglich.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Schuldiener Valentin Lehmann am Gymnasium in Konstanz
die kleine goldene Verdienstmedaille verliehen.
— Mit Entschließung Großh. Generaldirektion der Staats-
eiscnbahnen wurde Expeditionsassistent Wilhelm Blank in Wies-

„Nur daß Du noch um vieles hübscherund anmuthiger ge-
worden bist," hatte er sagen wollen. Ader er unterdrückte den
Schluß noch zur rechten Zeit, weil er sich erinnerte, eine wie
wenig günstige Aufnahme seine Pflegeschwester von jeher allen
Schmeicheleien zu bereiten Pflegte. Und fast mußte er furchten,
ohnedies schon zu viel gesagt zu haben, denn auf Eva's
Wangen waren bei seiner Anrede purpurne Rosen aufgebläht,
und sie hatte wie in lebhafter Verwirrung die Augen nieder-
geschlagen. Nun trat die Professorin zu ihnen und
Herbert mußte sich vor allem wieder seiner Mutter zuwenden.
Sie erzählte ihm, daß lediglich der Wunsch, eine vorüber-
gehend hier anwesende alte Freundin wiederzusehen, sie in
die Hauptstadt geführt habe und daß sie sich's wunderhübsch
vorgestellt habe, den Sohn ganz unvorbereitet zu über-
raschen.
„Die Ueberraschung ist Dir jedenfalls auf das vollständigste
gelungen, liebe Mutter," versicherte er mit dem ziemlich miß-
glückten Versuch, eine recht heitere und sorglose Miene zu er-
heucheln. „Sie hätte wahrlich nicht größer und nicht freudiger
sein können. Die Aussicht auf einige schöne Tage in Eurer
lieben Gesellschaft macht mich sehr glücklich."
Aber Herbert Wallfried war ein schlechter Schauspieler,
und wie eifrig er sich auch bemühte, den Fröhlichen und den
Beglückten darzustellen, es wurde doch bald eine recht klägliche
Komödie, die das scharfe Auge der Mutterliebe, das feine
Ohr der Muttersorge auch dann nicht zu täuschen vermocht
hätte, wenn nickt sein leidendes Äuswhen zum Verräther
seines wahren Gemüthszustandes geworden wäre. Gewiß
wollte sich der Professorin mehr als einmal eine bange,
schmerzliche Frage aus die Lippen drängen, aber sie gedachte
der Rathschläge, die ihr heute Morgen beim Empfang auf
dem Bahnhofe Doktor Rudolf Lindner gegeben, und nachdem
Herbert eine Erkundigung nach seinem Befinden leichthin mir
der Bemerkung abgethan hatte, daß er sich etwas abgespannt,
sonst aber bei bester Gesundheit fühle, gab sie sich den An-
schein, durch diese Auskunft vollkommen beruhigt zu sein-
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen