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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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Telephon-Anschluß Nr/82.

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Ar. 273 DienslW, den 22. Uovembkr 1898.

Deutsches Reich.
— Aus Messina wird berichtet, daß die Kapelle
der Hohenzollern dort am Samstag zu wohlthäkigen Zwecken
Nit großem Erfolg konzertirte. Ein Anschlag des Bürger-
meisters forderte zum Besuch des Konzertes aus. Der
Kaiser erhielt in Messina eine Depesche des Königs Humbert,
Morin dieser seine Freude über die glückliche Rückkehr des
Kaisers von der Orientreise sowie seiner innigen Freund-
schaft für den Kaiser den wärmsten Ausdruck giebt und
dinzufügt, das ganze italienische Bolk theile diese Gefühl-.
Der Kaiser erwiderte mit den herzlichsten Worten. Am
Montag setzte das Kaiserpaar die Reise von Messina bei
schönem Wetter fort. Die Ankunft in Pola erfolgt Mitt-
woch, früh 8 Uhr, die Weiterreise Nachmittags 1 Uhr.
2n München wird das Kaiserpaar Donnerstag Mittag 1
sshr eintreffen. Der Prinzregent und die Prinzen des kgl.
Hauses werden es am Central-Bahnhof empfangen. Der
dayr. Gesandte in Berlin kommt auch nach München, wo-
raus geschlossen wird, daß auch politische Dinge bei dem
kurzen Besuch zur Sprache kommen werden. In Stuttgart
wird das Kaiscrpaar nur kurze Zeit auf dem Bahnhof
halten.
— Der Kaiser hat in Konstantinopel am 22. October den
türkischen O b erstlieu t eu a nt Fuad Bey und den
türkischen Major Djemal Bey als Secondelieute-
Nants L la 8uits der preußischen Armee angestellt. Ersterer
sst dem Zicten-Husarenregiment in Rathenow, letzterer dem
2. Garderegiment zu Fuß überwiesen; sie tragen die Uniform
des betreffenden Regiments und haben Patente ihrer Charge mit
dem Vorbehalt erhalten, daß dadurch die Aufnahme in den
Vreußischen Staatsverband nicht erfolgt.
— Eine neue Art Offiziersmäntel, die anscheinend
von einigen Offizieren probeweise getragen werden, erregen in
Straßburg i. E. eine gewisse Aufmerksamkeit. Man denke
sich einen weiten, langen grauen Mantel mit rothem Kragen
ohne Aermel, der einfach übergeworfen zu werden braucht,
Nach Art der sogenannten Wettermäntel, wie sie von Forstleuten
und Touristen vielfach getragen werden. In der italienischen
und spanischen Armee sind ähnliche Mäntel in Gebrauch. Ob
dieser Ofstzierswettermantel zur allgemeinen Einführung bestimmt
ist, beziehungsweise ob er den Paletot ersetzen soll, entzieht sich
der Kenntniß des Publikums. Das Kleidungsstück scheint be-
quem und praktisch zu sein, aber.... „schön ist anders". Im
fiebrigen scheint die ganze Reform auf dem militärischen Mäntel-
Miet nicht beionderS erfolgreich gewesen zu sein. Der „Graue",
der seinerzeit — wie übrigens alles Neue — mit einer gewissen
Begeisterung begrüßt wurde, ist jetzt in weiten Kreisen bereits
»ark m Mißkredit gerathen. Ganz neu macht er sich freilich
ttcht elegant und sticht wirkungsvoll von den schwarzen Bein-
kleidern ab. Aber die Herrlichkeit dauert nicht lange; Wind und
Detter setzen dem „Grauen" stark zu und lassen ihn bald unan-
sehnlich werden, während der bescheidene „Schwarze" viel solider
und dauerhafter war. Kein Wunder daher, daß man sich vielfach
"ach der „guten alten Zeit" zurückschnt.
— Nach der Ersatzwahl in Schaumburg-Lippe zählt
hie Freisinnige Volkspartei drei Dr. Müller zu ihren
Mitgliedern, nämlich den bisherigen Reichstagsabgeordneten
Dr. Müller-Sagan und die beiden neugewählten Reichs-
iugsabgeordneten Amtsrichter Dr. Müller-Meiningen und
Kammergerichtsrath a. D. Dr. Müller Schaumburg-Lippe.
2m Ganzen sind, wie die Freis, feststellt, die Müller im
Neuen Reichstag durch sechs Abgeordnete vertreten,
Wdem zu den drei freisinnigen Müllern noch aus dem
Zentrum Müller-Fulda, von den Nationalliberalen Müller-
Nudolstadt und von den Antisemiten Müller-Waldeck hin-
sukoinmen.
— Aus Chemnitz wird mehreren Blättern mitgetheilt,
wlß zu einer dieser Tage dort abgehaltenen militärischen
Danitätsübung von Dresden aus ein Sanitätswagen ent-
sandt worden war, der die Bezeichnung trug „XVIII.
^rnieecorps (2- sächsisches)". Es ist zwar nicht
^bekannt, daß die Theilung des XII. (sächsischen) Armee-
karpz in zwei Corps erwogen wird, und es wird hie und

da aus vorstehender Anticipation geschlossen, daß die neue
Militärvorlage bereits sicher diese Theilung enthalten werde,
immerhin ist es aber, wie die Berliner Neuesten Nach-
richten bemerken, sehr wohl denkbar, daß die Theilung
einstweilen nur für den Kriegsfall vorgesehen bleibt, für
den natürlich die Bestände vorhanden sein müssen.
— Nach einer Mittheilung der Saalezeitung ist der
frühere Jesuitenpater Graf Hoensbroech auch aus dem
Vorstände des evangelischen Bundes ausgcschicden.
— Die Kolonie Kamerun steht dem Vernehmen nach
vor der Nothwendigkeit, ihre Schutztruppe verstärken
zu müssen. Zu Anfang dieses Jahres bestand die bewaff-
nete Macht im Schutzgebiete aus einer Polizcitruppe von
100 Mann. Dazu kam eine Schutztruppe in einer Stärke
von 200 Farbigen. Einestheils um wirksamer die Schutz-
gewalt gegen ansässige Stämme geltend machen zu können,
andererseits um den sich stark vermehrenden Plantagenbau
ausgiebig zu schützen, wurde in diesem Sommer die Schutz-
truppe auf 800 farbige vermehrt, wozu dann noch 36
farbige Chargirte und 6 Spielleute kamen. Seitdem durch
die letzten Verträge die Nordwestgrenze von Kamerun uns
am Rio del Rey und Croß River und die Ostgrenze am
Sanga, dem Nebenfluß des Kongo, festgelegt worden sind,
hat sich nach diesen Gegenden hin ein schwunghafter Han-
del entwickelt, wodurch namentlich im Südosten dec Kolonie
sich das Bedürfniß geltend gemacht hat, zum Schutze der
Handelszüge eine stärkere Macht zu entwickeln. Aller
Wahrscheinlichkeit nach wird in diesen Gegenden zum
Schutz auch des Plantagebaues und zur Kontrole des
Zollverkehrs auch au die Anlage von Stationen gedacht
werden müssen. In Rücksicht darauf hat es sich als
nothwendig erwiesen, eine weitere Verstärkung der Schutz-
truppe auf etwa 400 farbige Mannschaften ins Auge
zu fassen.
Baden. Karlsruhe, 21. Nov. Außer der Justiz-
commission ist auch diePfründdotationScommission
beider Kammern auf morgen einberufen, insgesammt 27
Abgeordnete.
Braunschweig. Braunschweig, 19. Nov. Wie
die Br. N. N. berichten, fanden in der vergangenen Nacht
vor den Wohnungen der Minister Dr. v. Otto und
Hartwieg sowie des Landtagspräsidenten De-
monstrationen statt. Die Demonstranten sangen die
Arbeitermarseillaise und brachten Hochs auf die Sozial-
demokratie aus, bis sie die Wache vertrieb. Die Demon-
stration hängt mit dem Polizeisirafgesetzbuch zusammen,
welches gegenwärtig den braunschweigischen Landtag be-
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben dem
Hofmarschall des Erbgroßherzogs, Kammerherrn Leopold Frei-
herrn von Frey stedt, die Erlaubniß zur Annahme und zum
Tragen des ihm verliehenen Skerns zum innehabenden Kommandeur-
kreuz des Königlich Württembergischen Friedrichsordeus erlheilt.
dem Lehramtspraktikanten Joseph Metzger von Uhldingen unter
Ernennung desselben zum Professor eine etatmäßig? Professoren-
stelle an der Höheren Mädchenschule in Heidelberg übertragen,
dem Hilfsarzt Dr. Walter Fuchs an der Heil- und Pflege-
anstalt bei Emmendingen die Stelle eines etatmäßigen Arztes
an dieser Anstalt übertragen und den Notar Engen Lugo in
Säckingen auf sein Ansuchen dis zur Wiederherstellung seiner
Gesundheit in den Ruhestand versetzt, ebenso den Güteroerwalter
Wilhelm Nöttinger in Konstanz bis zur Wiederherstellung
seiner Gesundheit in den Ruhestand versetzt.
— Mit Entschließung Großh. Generaldirektion der Staats-
eisenbahnen wurde Expedittonsassistent Hermann Erne in
Schaffhausen nach Offenburg und Expeditionsassistent Hubert
Kuhn in Durlach nach Mannheim versetzt.
— (B e r w a l t u n g s a k t u a r e.) Von den 39 Kandidaten,
welche sich zu der vom 7. bis 12 d. Pt. stattgehabten Prüfung
der B e rw a lt u n g s a ktuar e gemeldet haben, sind nachgenannte

bestanden: Wilhelm Mayer von Konstanz, Louis Holder-
manu von Eppingen, Eduard Br eit Haupt von Karlsruhe,
Wilhelm Koch von Eberbach, Hermann Rößler von Radolfzell,
Adolf Witt mann von Heidelberg, David Zier von Leutesheim,
Emil Strickfaden von Karlsruhe, Eduard Schumacher von
Kißlau, Ernst Sahr von Oberweier, Karl Hebeisen von
Karlsruhe, Friedrich Maurath von Karlsruhe, Theodor Müller
von Busenbach, Wilhelm Schmidt von Karlsruhe, Albert Noe
von Konstanz, Leopold Doldt von Karlsruhe, Joseph Albrecht
Lang von Mülhausen, Heinrich Winter von Wiesloch, Karl
Uebler von Villingen, Karl Schäfer von Karlsruhe, Robert
Herbst von Hochstetten, Albert Di em er von Rastatt, Hermann
Dolland von Karlsruhe, Johann Zick von Hainstadt, Emil
Behringer von Beiertheim, Georg Fertig von Wertheim,
Wilhelm Zipf von Gundelfingen, Karl Grobholz von
Memprechtshofen, Theodor Schick von Sinsheim, Joseph Frey
von Ladenburg.
Karlsruhe, 21. Nov. Der Großherzog und die
Großherzogin besuchten am Samstag Abend das 2.
Abonnementskonzert im großen Saal des Konversations-
hauses, in welchem der berühmte Violinvirtuose Pablo de
Sarasate unter großem Beifall spielte. In dem Konzert
trat auch die Opernsängerin Elly Steffen von Bremen auf.
Gestern, Sonntag, Vormittag 10 Uhr hielt der Prälar a. D.
0. Doll den Gottesdienst in der Schloßkapelle in Baden
ab, welcher auch von verschiedenen Eingeladenen besucht
war. Heute früh reisten die Großherzoglichen Herrschaften
über Heidelberg und Eberbach nach Waldleiningen zum Be-
such der Schwester des Großherzogs, der Fürstin zu Lei-
ningen, welche gestern ihren Geburtstag feierte. Ihre
Königl. Hoheiten verweilen bei dem Fürsten und der Fürstin
bis Nachmittags und gedenken um halb 10 Uhr Abends
in Schloß Baden wieder einzutreffen. — Der Kaiser
und die Kaiserin haben ihre Abreise von Messina um
einen Tag verschoben, da dieselben mit der Prinzessin Irene
von Preußen, welche auf der Reise zu dem Prinzen Hein-
rich begriffen ist, dort zusammentrafen. Die Ankunft Ihrer
Kaiserlichen Majestäten in Schloß Baden soll nun am
Donnerstag den 24., Abends, stattfinden. Der Kaiser hat
sieb jeden offiziellen Empfang verbeten.
A rr s 1 a n L.
Oesterreich-Ungarn. Pest, 21. Nov. Um die Ver-
handlung der für heute auf die Tagesordnung gesetzten
Budgeiprovisoriums - Vorlage abermals hinauszuschieben,
brachte die äußerste Linke wieder die H e u tz i - A ug el eg c n-
heit vor. Der Landwehrminister Baron Fejeroary
erhob sich abermals, um das Andenken Hentzi's zu ver-
theidigen und leugnete, daß dieser sein Kossuth gegebenes
Ehrenwort gebrochen habe. Auf einen Zwischenruf von
den Bänken der Apponyipartei erwiderte er erregt, daß er
von einer ehrenräuberischen Partei keine Lektionen über
Ehrenwort aunehme. Hier brach ein unerhörter Lärm los.
Der Präsident mußte dreimal den Saal verlassen. Die
gesammte Opposition tobte minutenlang und ließ Fejeroary
nicht weiterreden. Stürmische Rufe, wie: „Oesterreicher
Söldling", „grobes Schwein", „der ist ein größeres
Schwein als Banffy" wurden dem Minister zngeschleudert.
Der Präsident suspcndirte um halb 3 Uhr die Sitzung
zum vierten Male. Gleich nach der Wiedereröffnung mußte
die Sitzung abermals auf eine Stunde suspendirt werden.
Denn als sich Baron Fejeroary, der Feldzeugmeister und
Ritter des Maria Theresia-Ordens ist, abermals erhob,
um seine Rede fortzusctzen, erhoben sich auch gleichzeitig
wieder sämmtliche Oppositionelle und verlangten stürmisch
das Wort zur Hausordnung. Der Vizepräsident Kardos
fordert den Minister auf zu sprechen. Nun folgt wieder
dieselbe wüste Scene. Stürmische Rufe: „Er hat die
Opposition beleidigt! Er soll abbitten! Hinaus mit ihm!
Oesterreichischer Knecht!" werden ausgestoßen. Banffys
Leute schreien aus voller Kehle: „Hört den Minister!"

welch' glänzenden Farben der heißesten Liebesgluth hatte sie
ü b den Moment ausgemali, wo Er ihr seine Liebe gestehen
und um ihre Hand anhallen würde, und jetzt hatte er sie nicht
eines Wortes nicht eines Blickes gewürdigt, er hatte der
„wilden, unweiblich, ungezogenen, arroganten und herzlosen
Kokette" den Arm gereicht, und sie selbst — das glaubte sie
aus den hämischen Blicken ihrer Umgebung, der Damen aus
dem Kaffeeklatsch zweiter Classe, welchen sie ihr zukünftiges
Glück io triunivbirena mitgetheilt hatte, herauszufühlen —
spielte augenblicklich eine klägliche und lächerliche Rolle.
Und diesmal hatte, was sonst in ähnlichen Fällen selten
zu geschehen pflegte, die kleine Feuersiahl richtig gefühlt, sie
spielte in Wahrheit eine lächerliche Figur. Schon ihr Ein-
tritt in den Saal war ein komischer gewesen. Fräulein Au-
rora besaß zunächst nicht den geringsten Sinn für Toiletten
und ihre Anzüge waren stets geschmacklos. Heute hatte sie
aber ganz Besonderes geleistet. Sie hatte schön, recht schön
und vor allen Dingen recht jugendlich frisch sein wollen und,
um dies zu erreichen, geglaubt, möglichst grelle Farben wäh-
len zu müssen.
—, (Fortsetzung folgt.)

auf die Scene gerichtet, eine Absage hätte viel Geklatsch für
böse Zungen gegeben und auch dem Herrn Rittmeister — und
das war im Grunde die Hauptsache; denn um das Geklatsche
der Leute pflegte sich Franziska sonst nicht viel zu kümmern
— eine nicht wieder zu verwindende Beleidigung zufügen
müssen, genug Franziska senkte das zornige Auge nieder und
nahm den angebotenen Arm. Aber ganz straflos durste sie
den frechen Menschen, wie sie den Rittmeister jetzt leise
schimpfte, doch nicht ausgehen lassen. „Dacht ichs doch!"
sprach sie im Vorwärtsfchreiten. „Was dachten Sie, Baro-
nesse ?" fragte Herr v. Rabenau ruhig. — „Daß Sie mir den
Abend von vornherein verderben würden!" — „Ich Ihnen
den Abend verderben? Ach das wäre ja entsetzlich!" er-
widerte in scherzend-spöttifchem Tone Herr v. Rabenau. —
„Für Sie nicht, aber kür mich entsetzlich!" fuhr Franziska
fort, „deshalb komme ich so spät, ich wäre am liebsten gar
nicht gekommen und habe nur dem Drängen meines Vaters
und dem liebenswürdigen Zureden der Frau Gräfin nach-
gegeben. Ich ahnte es gar wohl, daß Sie mir wieder in den
Weg treten und mir dadurch das ganze Vergnügen verleiden
würden!" — „Und Ihre Vermuthung hat Sie nicht getäuscht,"
fiel Herr v. Rabenau ein, „schade, sehr schade, daß Sie Ihren
ersten Vorsatz nicht zur Ausführung brachten und daheim ge-
blieben sind. Man theilte mir mit, daß Sie schon öfters dem
Willen Ihres Vaters ganz entschieden gegenüber getreten
sind." — „Herr Rittmeister!" rief Franziska v. Stein und
schaute zu ihm zornigen Blickes empor. — „Gnädigste Baro-
liesse!" lautete die Antwort, während indem Gesichte des Ritt-
meisters erzwungener Ernst mit dem schalkhaftesten Humor
um die Herrschaft kämpfte.
„Baronesse!" zirpte da ein dünnes Sümmchen hinter dem
schönen Paare, „Sie werden Ihr Tuch verlieren!" — Das
Zirpen kam von der armen Aurora her, welche sich in der
verzweiflungsvollsten Stimmung befand und mit sich kämpfte,
ob sie weinen oder der Baronesse die Augen auskratzen sollte.
Wie hatte sie sich auf diesen Abend gefreut, wie hatte sie sich
gesehnt nach dem Augenblicke, wo der stolze schöne Mann ihr
zum ersten Male die Hand und den Arm reichen würde; mit

Rur frisch gewagt.
42) Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinckelberg.
(Fortsetzung.)
. „Meine theuerste Gräfin," so rauschte die Freifrau v. Sen-
Fen der Gräfin v. Reuthern entgegen, „Sie kommen spät,
Ich habe schon eine kaum zu ertragende Sehnsucht nach Ihnen
stehabt! Herr Oberst! Herr "Oberst! Wo haben Sie Ihre
Mchtvörtlich gewordene militärische Pünktlichkeit gelassen?
A Baronesse Franziska! Ihre Toilette ist wieder bezaubernd!
werden viel Unheil anrichten! Fräulein Feuerstahl auch
Guten Abend, Fräulein!" Und noch ehe die Angeredeten
kn einer Aniwott kommen konnten, folgte Mit Fragen und
Begrüßungen ein anderer Schwarm von Herren und Damen,
Ns plötzlich der Ball-Chef, der Graf v- Reuthern, kraft sei-
nes Amtes den Knäuel löste, den Herrn Obersten mit seinen
Hainen begrüßte und sie bat, ihm als zeitigem Haus-Hof-
warschglle zu folgen.
y, -ön diesem Augenblicke trat auch der Herr Rittmeister v.
Rabenau hinzu, machte dem Herrn Obersten und der Gräfin
^ Reuthern seine Reverenz, trat dann zu der Baronesse v.
>Rin und sprach: „Meine Gnädigste gestatten mir wohl,
ich Sie führe!" Und Herr v. Rabenau sprach das in so
»übersichtlichem Tone und schaute der hübschen Franziska so
M in die Augen, als könne hier von einer abschlägigen Ant-
gar nicht die Rede sein. Und doch schien Franziska
?. Stein eine solche geben zu wollen; denn gar trotzig schaute
ne den kecken Officier an und ein unsäglich spöttisches Lächeln
Nndielte ihre Lippen, als wollte sie sagen: „Was erdreisten
, sich eigentlich? Sie wissen doch, wie ich von Ihnen denke,
und dürfen sich demnach nicht cinbilden, daß Sie auch bei
Rtr imr zu hoffen brauchen, um Ihre Wünsche auch sofort
K>ullt zu sehen." Aber Herr von Rabenau stand an ihrer
j^ffe und hielt seinen rechten Arm bereit. Aller Augen
Fcils voll Neid, theils voll Bewunderung für die in diesem
ZAenblick doppelt schöne Erscheinung des Rittmeisters und
rosige anmuthige Gesicht der hübschen Baronesse, waren

Stadttheater.
O Heidelberg, 22. November.
„Renaissance". Lustspiel in 3 Akten von Franz von
Schönthan und Franz Koppel-Ellfeld.
Daß es uns im Allgemeinen nicht schwer fällt, unser Ent-
zücken über die moderne Lustspielfabrikation männlich zu meistern,
haben wir an dieser Stelle schon Gelegenbeit gehabt darzuthun.
Um so mehr freuen wir uns, wenn wir uns einmal,, was nicht
gar zu oft vorkommt, mit dem Publikum in Uebereinstimmung
befinden und in dem Lustspiel, das gestern wieder auf unserer
Bühne erschien, eine graziöse und geistvolle Arbeit sehen, die sich
über das herrschende Niveau um ein Beträchtliches erhebt. Der
Vorwurf, das Anfdämmern einer neuen Weltanschauung in kon-
kreten Bildern zu zeichnen, ist doch im Großen und Ganzen
poetisch-anmuthig gelöst, nnd schon allein durch den Umstand, daß
 
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