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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 281 - 306 (1. Dezember 1898 - 31. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0577

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Sonntags ausgenommen.
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monatlich 5V Pf.
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^nrch die Post bezogen
svierteljährl. 1.25
t'-sschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr.'82.

Mdkllmm AitiiW

Jnserttonsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Prt'chetle oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfs- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
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der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xr. 281.

Donimstliz, -k« 1. Dkttw-n

1898.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für den Monat Decembcr
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agen-
ten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedi-
tion, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: mouatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat December,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., für Zustellgebühr
15 Pfg. weiter.
Wochenchronik.
(Vom 20. bis zum 26. November.)
Nov. 21.: Zwischen Frankreich und Italien wird ein
Handelsabkommen abgeschlossen und dadurch
einem langjährigen Zollkrieg ein Ende gemacht.
„ 22.: Die von der Regierung zusammenberufene Justiz-
kommission der zur Zeit vertagten 2. badischen
Kammer erklärt, sie würde nur dann eine vorläufige
Aufnahme der Arbeiten gutheißen, wenn die Negierung
zusichere, sofort nach den Ergänzungswahlen die Kammer
einzuberufen.
„ 23.: Tas Kaiserpaar trifft in Pola ein.
„ 23.: Die Amerikaner landen in Manila 4000
Mann, obgleich beide Parteien sich verpflichtet hatten,
während der Friedensverhandlungen den Status nicht
zu ändern.
„ 24.: Das Kaiserpaar trifft in München ein. Beim
dortigen kurzen Aufenthalt wird zwischen dem Kaiser
und dem Prinzregcnten festgestcllt, daß ein von der
Krone Bayerns zu ernennender Senat für bayrische
Angelegenheiten dem obersten Militärgerichtshof in
Berlin beigefügt wird. — Am Abend trifft das Kaiser-
paar in Baden-Baden ein.
„ 24.: In R o m wird eine internationale Konferenz zur
Bekämpfung der Anarchisten eröffnet.
„ 25.: Der Gouverneur von Paris, General Zur Linden,
hat auf den 12. December ein Kriegsgericht
zusammcnberufeu, das Picquart aburtheilen soll.
Gegen diesen Racheact der Generalstabspartei erhebt
sich in Frankreich ein lebhafter Protest.
„ 26.: Bei seiner Ankunft in Potsdam wird das Kaiser-
paar von den Ministern und sonstigen hohen Würden-
trägern feierlich begrüßt. Der Kaiser macht den Mini-
stern Mittheilungen über die für die Zukunft zu erhoffen-
den Ergebnisse der Orientreise sowie über die politische
Lage am Mittelmeer unter dem Ausdruck der Zufrieden-
heit mit den erzielten Erfolgen.

Deutsches Reich
— Der Kaiser wird heute, Donnerstag, seinen E i n-
ZUg in Berlin halten. Er reitet vom Schlosse Bellevue
riach dem königlichen Schlosse. Die Truppen der Garni-
sonen von Berlin, Charlottenburg, Spandau, Großlichter-
felde bilden auf seinen direkten Befehl hin Unter den Lin-
den Spalier. Am Schlosse ist Vorbeimarsch der Fahnen-
compagnie und der Standartenescadron und der in dieser
Richtung nach den Kasernen abmarschirenden Truppen.
Eine städtische Deputation wird den Kaiser am Branden-
burger Thor begrüßen.
— Mehrere Blätter melden, der Kaiser beabsichtige,
eine Geschichte seiner Jerusalemreise zu schreiben
Und zu veröffentlichen.
— Es verlautet, der Chef des kaiserlichen Civilkabiuets,
Dr. v. Luca nus, werde demnächst von dieser seiner Stel-
lung zurücktreten. Die Kreuzztg. hört, daß Herr v. Lucanus
!ür ein seit längerer Zeit erledigtes hohes Staalsamt in
Aussicht genommen sei. Dies scheint der durch den Tod
des Herrn v. Wolff erledigte Posten des Präsidenten der
Oberrechnungskammer sein zu sollen. Herr v. Lucanus steht
lur 68. Lebensjahr. Der Vollständigkeit halber sei eine
Darstellung des Hannoverschen Couriers erwähnt, die den
angeblich bevorstehenden Rücktritt des Herrn v. Lucanus
in Zusammenhang m-t dem livveschen Streitfall

* Das Romanfeuilleton mußte heute Raummangels wegen
wegbleiben.

Liederkranz-Concert.
Heidelberg, 1. December.
Der Liederkranz ist dieses Mal in einer ganz besonderen
Eigenschaft: als Pionier für einen Componisten aufgetreten. Er
bat mit seinen prächtigen Mitteln einem großem Chorwerk Dr.
Julius Mai's Eingang und Aufnahme verschafft.
Ich lasse nachfolgen, was ich einst bei einer Erstaufführung
in Ludwigshafen a. Rh. über das Werk schrieb:
„Kaum eine zweite der Schiller'schen Dichtungen ist so ge-
ichaffen zur musikalischen Verwerthung, als seine herrliche, hoch-
Vathetische „Kassandra". Mit richtigem Instinkt hat der Componist
dabei zum Chorwerk mit Solostimmen (Kassandra) gegriffen. Mai
hat sich mit dieser Schöpfung im großen Styl als ein höchst be-
achtenswerthes Talent bewährt, dessen Werk eS verdient, seinen
Weg durch die Concertsäle zu machen. Wenn Mat auch an
unigen Stellen in Wagner'sches Fahrwasser geräth, so sucht er
doch nicht geflissentlich auf, er neigt vielmehr dem melodischen
Element zu, in dem er eine, namentlich für heute, sehr glückliche
Erfindungsgabe beurkundet. Er liebt eine zwischen Recitatio und
Eavatine in der Mitte liegende, ansprechende und dem Ohr sich
leicht anschmiegende Deklamalionsweise. Der Musik ist ein ge-
wisser dramatischer Wurf zu eigen, der sie vollkommen dem
Ichiller'schen Wort gerecht werden läßt, Mai versteht sich auf die
Kunst wirkungsvoller Contraste (die nur noch durch mehr Ab-
wechslung im Rhythmus erhöht sein sollten) und kraftvoller Steige-
rungen. Er ist, wenn auch noch manchmal in den Zwischenspielen
A breit, im großen Ganzen knapp und präcis im Ausdruck. Die
Kunst der Instrumentation in ihrer vollen Reife von heute, hat
stch der Componist vollkommen zu eigen gemacht. Er bringt oft
jwch Herbheiten, manchmal zeigt sich eine Neigung, für das
Quartett zu tief zu schreiben, aber im Ganzen ist die Jnstrnmeu-
lirung schön, farbig und oft höchst eigenartig, ohne gesucht oder
raffinirt zu werden. Die Führung der Chorsingstimmen ist eine

bringt. Man müsse es dahingestellt sein lassen, führt das
Blatt aus, ob Herr v. Lucanus wirklich, wie behauptet
wird, für die eigenthümlichen Umstände, unter denen am
16. August 1897 in Wilhelmshöhe die Notificirung des
Antritts der Regentschaft des Graf-Regenten erfolgte (der
Sohn des Graf-Regenten soll, als er dem Kaiser in
Wilhelmshöhe den Regierungsantritt seines Vaters meldete,
von dem Kaiser in der Jagdjoppe und zwar ziemlich un-
gnädig empfangen worden sein), und für den Wortlaut
des bekannten, mit „weiter nichts" endenden Telegramms
verantwortlich zu machen ist. Richtig sei jedoch, daß sowohl
der Prinzregent Luitpold, als auch der König von Württem-
berg und der Großherzog von Baden bei ihren jüngsten
Begegnungen mit dem Kaiser keinen Zweifel darüber ge-
lassen hätten, daß ihre Sympathieen betreffs des lippeschen
Streitfalles nicht auf Seiten der Befürworter der Aspira-
tionen der Schaumburger Linie zu suchen sind.
Hamburg, 30. Nov. Nach einem der Hamburger
Börsenhalle aus Deutsch-Südwestafrika zugegange-
nen Telegramm sind im südlichen Theil von Groß-Nama-
land Diamanten gefunden worden. Die Fundstelle
von blauer Erde ist bereits vor längerer Zeit zwischen
Gibeon und Berseta entdeckt worden und daselbst nach Edel-
steinen geschürft worden.
Baden. L. 0. Karlsruhe, 30. Nov. Die Regie-
rung änderte ihren Beschluß, die Kammer auf den 6. Dez.
einznbernfen, mit Rücksicht aus die Eröffnung des Reichs-
tags dahin, daß der Zusammentritt des Landtags schon
am Montag, den 5. Dezember erfolgt. Es handelt sich
nur nm Wahlprüfungen und Ergänzung der
Kommissionen.
L. kft Donauesch ingen, 30. Nov. Ein Civilprozeß von
außerordentlicher Tragweite wird demnächst die badischen Gerichte
und bei der Wichtigkeit des Streitfalles, bezw. des Streitobjekts
und unter Berücksichtigung der streitenden Parteien auch das
Reichsgericht beschäftigen. Lei der Neuaufstellung de: Grund-
bücher, wie solche dieses Jahr in Baden zu geschehen hat, sollen
unter Abtheitung L. diejenigen Grundstücke eingetragen werden,
für welche sich ein Erwerbstitel nicht seststellen läßt und
soll als vorläufiger Besitzer der derzeitige Nutznießer bezw. In-
haber eingetragen werden. Nun besitzt die Fürstlich Für sie n-
berg'sche Standesherrschaft wohl in allen Gemarkungen des
ehemaligen Fürstenthums eine große Anzahl von solchen Grund-
stücken, von denen sie die Art des Erwerbs nicht Nachweisen
kann. Nach Anordnung des Grobherzoglichen Ministeriums sollen
nun diese Grundstücke auf den Namen Seiner Durchlaucht des
Fürste» Max Egon zu Fürstenberg eingetragen werden, wie dies
ja die nothwendige und selbstverständliche Folge des Erkenntnisses
ist, welches der Großherzogl. Verwaltungsgerichtshof in Bezug
auf die fürstliche Erbschaftsangelegenheit gefällt hat. Nun ver-
wahrt sich aber Fürst Max Egon dagegen, ihn als Besitzer der
vorgenannten Liegenschaften im Grundbuche einzutragen, und
so bleibt nach Anordnung des Grobherzoglichen Ministeriums die
betreffende Rubrik im Grundbuch vorerst leer. Die Gerichte
werden sich nun damit zu beschäftigen haben, ob, w-e es die fürst-
liche Verwaltung verlangt, die Standesherrschaft als solche (und
nicht die Person des Fürsten) als Besitzer einzutragen ist, oder
aber, wie es die Staatsbehörde im Hinblick auf die Entscheidung
des VerwaltnngsgerichtShofes fordert, der Fürst selber. Was
diesen Prozeß zu einem für ganz Baden wichtigen macht, sind
die Conscqueuzen, die sich ergeben würden für die Bezahlung der
Erbschaftssteuer, wenn der Fürst ein obsiegendes Urtheil erreichen
würde. Der, wie man glaubte, endgültig und rechtsgültig und
zwar zu Gunsten der Staatskasse abgeschlossene Erbschaftsprozeß
ist nun auf das Civilgericht hinübergespielt, und wiederum von
neuem darüber gestritten worden, nicht, ob die fürstliche Verwal-
tung die Erbschaftssteuer bezahlen muß, sondern bezahlen
darf, wie sich der Vertreter des Fürsten bei der Verhandlung
des Verwaltungsgerichtshofes ausdrllckte.
Preußen, lieber den Erfolg der Bahnsteigsperre
bringt die amtliche Berliner Korr. eine Zusammenstellung,
aus der hervorgeht, daß die Zahl der durch die Prüfung
der Fahrkarten während der Fahrt herbeigeführten Unfälle
sich in bemerkenswerther Weise vermindert hat. Während
in früheren Jahren auf den preußischen Staatsbnhnen bis
ausgezeichnete. Durchweg ist das Werk, das zum größten Thest
packt und interessirt, vornehm, ohne daß dies, wie heute so oft,
ein Euphemismus für langweilig ist. In der Orchestereinleituug
setzen auf dumpfen unheilvollen Paukenwirbel die Hörner mit
dem ersten Thema ein, denen sich die Holzbläser allmählich an-
schließen, dann das Streichquartett mit geschicktem Canon. Leb-
hafter erhebt sich der Satz, bis breit der festfreudig gehaltene
Chor dahinschreitet. Immer bewegter gestaltet sich die Stimm-
führung, zu der breite Harfen-Harpeggien den Untergrund ab-
geben und die bald von einer hübschen Violinfigur umspielt
werden. Chromatische Passagen leiten zu stets mehr und mehr
wogender Begleitung hin, bis der Chor in einem breiten, lebhaft
umspielten Accord ausklingt. Durch eine ungemein sprechende Figur
(Oboe, Clarinett) wird die Seherin in ihrem Leid angekündigt
Die kurze, klagende Phrase des Chors „Doch in ihren Schmerz
versunken" ist sehr glücklich gefunden. Mehrmals kehrt Kassandras
wehmüthiges Motiv wieder, zwischen das vom Quartett eine
bedeutungsvolle aufsteigende Triolen-Figur eingeworfen wird.
Mit sehr charakteristischer und im Ausdruck kraftvoller Dekla-
mation gibt sich Kasfandras Solo, halb Recitativ, halb Arioso.
Leidenschaftlicher schwingt sie sich bet der bewegten Phrase „Alles
ist der Freude offen" auf, durch unruhige Syncopen erhält ihr
Angstruf Farbe, wie die Schicksalsstimme nimmt die Tuba den
Ruf der Prophetin auf, der wirklich imposant in dem auf
Glissando-Begleitungsfiguren hinausgeschleudert „Eine Fackel
sah ich glühen" aufstetgt. Weichere Wehmuth greift Platz in
dem cavatinenartigen, von wogender Harfenbegleitung getragenen
„Und sie schelten meine Klage", das von süßer melodischer Er-
findung ist. Der dumpf-düstere Vorwurf „Dein Orakel zu ver-
künden" bewegt sich diatonisch über einem Tremolo der Violinen.
Ein für die Folge bedeutungsvolles, scharf umrissenes Motiv
bringt das „Nur ein Jrrthnm ist das Leben". In sehr ge-
schickt, canonartig gebautem Chor wird die Phrase aus-
genommen. Sehr schön erfunden ist ein äußerst stimmungs-
volles Zwischenspiel von 4 Cellis. Das Arioso „Meine
Blindheit" ist ganz lyrisch und flicht fast etwas zu weich.
Eine Zwischenfigur in wagnerisch - sehnendem Charakter mit
charakteristischem Triolenvorschlag wird nun auch non der

9 Todesfälle und 31 Verletzungen vorkamen, sind Todes-
fälle seit 1895 überhaupt nicht mehr zu beklagen gewesen
und die Verletzungen sind gleichfalls auf ein sehr geringes
Maß beschränkt worden.
Aus der Karlsruker Zeitung
Karlsruhe, 30. Nov. Der Grobherzog nahm
heute in Schloß Baden während des ganzen Vormittags
den Vortrag des Geheimraths Dr. Buchenberger entgegen.
Die Gr o ßherzog in, der Erbgroßherzo g und die
Erbgroßherzogin find heute Vormittag 9 Uhr 25 Mi-
nuten aus Schloß Baden hier eingetroffen. Im Laufe
des Vormittags ertheilte die Großherzogin verschiedenen
Personen Audienz. Hierauf nahm dieselbe mit den Erb-
großherzoglichen Herrschaften das Frühstück bei der Prin-
zessin Wilhelm. Nachmittags besuchten die Höchsten Herr-
schaften gemeinsam die Ausstellung von keramischen und
kunstgewerblichen Erzeugnissen in den oberen Räumen der
Landesgewerbehalle. Darnach besuchte die Großherzogin
das Ludwig-Wilhelm-Krankenheim. Später empfing die-
selbe verschiedene Personen. Um '/^7 Uhr wohnte Ihre
Königliche Hoheit dem Vortrag des Oberkirchcnraths Oehler
über dessen Orientreise im Museum an. Ihre Königliche
Hoheit beabsichtigt, Abends 8 Uhr 37 Min. nach Baden-
Baden zurückzukehren. Die Rückkehr der Erbgroßherzoglichen
Herrschaften nach Schloß Baden erfolgte Nachmittags 4
Uhr 21 Minuten.

ANSI a n ö.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 29. November. (Abge-
ordnetenhaus.) Der Ministerpräsident Thun beant-
wortet die Interpellationen betreffend die Ausweisung
mehrerer Oesterreicher aus Preußen dahin:
Wenn auch trotz der unleugbaren Schürfe, mit der das
Ausweisungsvsrfahren in Preußen gehandhabt wird, eine
flagrante Verletzung völkerrechtlicher Grundsätze oder ver-
tragsmäßiger Rechte nicht behauptet werden könne, so
bat sich gleichwohl das Auswärtige Amt bei der deutschen
Regierung wiederholt und nachdrücklich bemüht, daß bei
den Ausweisungen mit der thunlichsten individuellen Unter-
scheidung und Rücksichtnahme auf die persönlichen Verhält-
nisse der Auszuw.nfenden vorgegangen werde. Die bereit-
willigen Zusicherungen des Berliner Kabinets lassen ein
rücksichtsvolles Vorgehen seitens der preußischen Behörden
erwarten. Sollte jedoch diee Erwartung nicht erfüllt
werden, so werde die österreichische Regierung nicht zögern,
die Rechte der österreichischen Unterthamn mit allem Nach-
druck zu wahren, eventuell den Grundsätzen der Reciprocitä t
entsprechende Maßregeln in Anwendung zu bringen.
Wien, 30. Nov. Pariser BläUer theilten mit, in den
geheimen Akten von Dreyfus befinde sich auch ein
aufgefangener Brief des österreichischen Militärattaches
Obersten Schneider, und geben Stellen daraus wieder.
Wie dem Pariser Vertreter der Neuen Fr. Pr. von auto-
risirtec Selle versichert wird, hat Oberst Schneider weder
diesen noch einen ähnlichen Brief geschrieben.
Wien, 30. Nov. Die Neue Freie Presse meldet aus
Budapest: Die Ministerpräsidenten Graf Thun und Baron
Banffy einigten sich heute über das A ns glei ch s pr ov i-
sorium mit Verlängerung des Status csuo.
Frankreich. Paris, 30. Nov. Die spanisch-
amerikanische Friedenscommission hat heute die
Verhandlung über die einzelnen Artikel des Friedensver-
trages ausgenommen. Die ersten acht Artikel regeln die
Unabhängigkeit Eubas und den Verzicht Spaniens auf die
Oberhoheit über Porto-Rieo, die Philippinen und die
Insel Guam gegen eine Entschädigung von 20 Millionen
Stngstimme ausgenommen. Vorübergehend erklingt der Ein-
gangschor, über immer mehr bewegter Begleitung spinnt sich
Kassandras Klage fort. Das an sich schöne folgende Orchester-
Zwischenspiel müßte, um nicht den Gesammteindruck zu schwächen,
gekürzt werden. Immer leidenschaftlicher und banger gestaltet
sich die Vision, die sich in dem „Und den Mordstahl seh' ich"
mit den wuchtigen Glissandopassagen, die wie der Mordstahl selbst
dahin fahren, die höchste Steigerung erreicht. Ernst verkündet
der nachfolgende Chor den Eintritt des Verhängnisses. Ein sehr
glücklicher Einfall ist es, zum Schluß als musikalisches Nachwort
nochmals den Chor „Nur der Jrrthnm ist das Leben", der sich
in seiner s ospslla Führung fast choralartig ausnimmt, zu bringen.
Das instrumentale Nachspiel, etwas in Wagners Art, läßt die
Hauptmotive so zu sagen sich auflösend verklingen. Der Eindruck,
den das kleine Concert-Drama hinterließ, war ein bedeutender."
Der Eindruck war hier im Allgemeinen der gleiche.- in Vielem
ein noch weit günstigerer und sympathischerer, zumal die Auf-
führung himmelhoch über der damaligen stand. Der Componist
hat verschleppende Zwischensätze gekürzt, an der Instrumentation
gefeilt, geklärt und geglättet.
Hier brachte man die neue Version für Männerchor statt der
Originalausgabe für gemischten Chor. So glücklich auch die
neue Version gesetzt ist, so ist doch, natürlich die Original-
Composition noch klangreicher und farbiger.
Mit angespanntem Interesse verfolgte das Publikum gestern
die Wiedergabe, um zum Schluß mit lautem, anhaltendem Beifall
den anwesenden Componisten zu feiern.
Direktor Weist hat seinem Verein in der Kassandra eine
Aufgabe gestellt, die ziemlich isolirt für einen Chorverein dasteht.
Diese Musik ist weniger geeignet, um mit ihr zu „inusiztren's,
man muß sie um der Sache willen sich zu eigen machen. Mit
außerordentlichem Ernst hat der Liederkranz dies ausgeführt.
Es war eine Freude, — die kaum wie zu Anfang durch einen
unpräzissn Einsatz gestört wurde — dieses künstlerische Aufgehen in
der Sache zu verfolgen. Der Eindruck war ein so vornehmer,
wie man ihn bei Männergesangvereineu nicht gar so leicht trifft.
Der Lieoerkranz besitzt heute ein ganz gewaltiges Stimmmaterial,
das aber auch qualitativ dem Quantum entspricht. Der fein
 
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