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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 176 - 202 (1. August 1898 - 31. August 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0151

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xi. 184

Mittwoch, den 10. Augost

1898

1)

licher Kleidung. Er hatte ein gutes, von einem dunklen
Vollbart eingerahmtes Gesicht, seine Hände, die er leicht
auf den Tisch stützte, trugen die Spuren schwerer Arbeit.
Als die Schöbel» zufällig einmal den Kopf zum Fenster
berausstreckte, stieß sie einen Ruf der Freude und des Stau-
nens aus.
„Nun? Ernst? Wo kommst Du denn daher? Herrjeh l
Nu, ich freu' mich recht- Schön Willkomm!"
„Schön Dank, Ida. es hat mich gesehnt, ich wollt' gern
wieder mal mit Dir plauschen, und weil ich g'rad fertig mit
der Arbeit geworden bin, bin ich hergelaufen, wenn ich Dir
nur nich ungelegen komme."
„Aber du meine Gitte, ungelegen, wo denkst Du hin."
Die Schübeln band sich eine reine Schürze vor, fuhr sich
mit den Händen über die glatt gescheitelnden Haare, zog
dann Schuhe an die nackten Füße und kam heraus.
Während sie eifrig begann, das Sopha abzuräumen, fuhr
sie fori:
„Setz' Dich, Ernst, Du wirst müd' sein von dem langen
Weg, es geht bei uns noch a bissel drunter und drüber,
wie,s halt so in an' ordentlichem Hause is am Pfingstsonn-
abend. Bei Euch wird'S au net besser sei."
Ernst Mattern, der Bruder der Schübeln, nickte mit
dem Kopfe.
..Ja, ja, Ida, früher war's so, da mußt auch bei uns zu
Pfingsten alles spiegelblank sein. Aber diesmal — Du lieber
Gott! Blos die alte Großmutter, die gar nich mehr io recht
auf ihre alten Beine fortkann, und daderzu vier kleene Kinder
— da kann man sowas nich verlangen. Ich merk's alle Tag'
mehr, wie die Emma fehlt."
Die Schübeln nahm den Schürzenzipfel und wischte sich
eine Thräne ab.
„Ja, das kann ich mir sehr gutt vorstellen. Un ich hab'
schon oft daran gedacht, daß de Dir doch bald wieder wirst
a Weib nehm'n müssen. Du kannst ja garnich wissen, wie
lange die Großmutter überhaupt noch imstande is, was zu

Fürst Bismarck und die Sozialpolitik.
Aus Anlaß des Ablebens des ersten Reichskanzlers
beschäftigt sich die Presse lebhaft mit seiner Stellung, zur
Sozialpolitik. Mit Ausnahme der Sozialdemokratie er-
kennen alle Parteien an, daß Fürst Bismarck sich die
größten Verdienste um die Förderung der Sozialpolitik er-
worben hat, selbst die Demokratie, die doch in allen
sonstigen politischen Fragen seine ärgste Gegnerin gewesen,
stimmt in diese Anerkennung, soweit die Arbeiterversicherung
M Frage kommt, ein. Nun würde es ja völlig lächerlich
tnn, die großen Verdienste Bismarcks auf diesem Gebiete
leugnen zu wollen, und die Sozialdemokratie kommt denn
auch in diese Position, da sie die Verdienste leugnet. Die
kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881, welche die
Grundlage der staatlichen Arbciterversicherung bildet, ist
auf die eigenste Initiative Bismarcks zurückzuführen. Das
Verdienst Kaiser Wilhelms I. wird dadurch nicht ge-
schmälert; denn er hat die Nothwendigkeit und Zweck-
mäßigkeit der Reform erkannt und hat immer von Neuem
darauf gedrängt, daß die in der Botschaft gegebenen Ver-
brechen gehalten würden, wie ja denn auch bekanntlich
einer seiner letzten Wünsche gewesen war, möglichst noch
we Krönung des Arbeiterversicherungsgebäudes durch die
Änvaliditäts- und Altersversicherung zu erleben, was ihm
allerdings nicht mehr vergönnt war. Also die Arbeiter-
bersicherung ist so recht Bismarcks Werk, und wenn heute
skwa drei Viertel Millionen Arbeiter und deren Angehörige
M den Nolhfällen von Krankheit, Invalidität und Alter
wmie nach dem Tode ihres Ernährers vor den größten
Materiellen Sorgen geschützt sind, so verdanken sie es in
Erster Linie dem Verstorbenen.
Jedoch auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes soll
nichts geleistet, hier soll er die Forderungen der Zeit
billig verkannt haben. Im Gegentheil, Fürst Bismarck
bMr so vertraut mit dem praktischen Leben, daß er
,as Fiasko, welches die verschiedensten sozialpolitischen
. Mrichtungeu der neunziger Jahre erlebt haben, voraus-
lah- Fürst Bismarck war ein Gegner von Arbeiter-
ausschüssen. Hat sich diese Institution, obwohl sie
burch die Gewerbeordnungsnovelle von 1891 eingesührt ist,
bewährt? Die Jahresberichte der Fabrikinspektoren ver-
einen die Frage auf's Entschiedenste. Fürst Bismarck hat
stets den Maximalarbeitstag für erwachsene Arbeiter
verworfen. Dieser ist ja gesetzlich nicht allgemein ein-
fuhrt, jedoch ist die Möglichkeit geboten, ihn auf dem
Hege des § 120 s der Gewerbeordnung für bestimmte
Gewerbszweige im Interesse der Erhaltung der Ge-
radheit der Arbeiter zur Geltung zu bringen. In den
Bäckereien ist dies geschehen. Wird nicht jetzt schon auch
bau den Stellen, die früher streng auf dem Boden des
-llmxiinalarbeitstages standen, zugegeben, daß man wohl
As gethan hätte, nicht die Maximalarbeitszeit, sondern die
^inimalruhezeit festzulegen? So wird doch bei recht
Wien Einrichtungen deutlich, daß, wenn Fürst Bismarck
g, bür Zeit seiner Amtsthätigkeit gegen einen zu weiten
^bbeiterschutz erklärte, er nicht allzusehr im Unrecht war.
'-M Uebrigen ist er für einen Arbeiterschutz in engeren
^benzen immer eingetreten. Die Gewerbeordnung und die
Mtigen Gesetze legen davon Zeugniß ab. Also auch auf
'Efem Gebiete wird dem Verstorbenen ein berechtigter
Vorwurf nicht gemacht werden können.

Beweguug zu setzen. Sehr mißgünstig sieht man auf die-
selbe in Frankreich, denn Frankreich betrachtete sich als die
Schutzmacht der Christen im Orient. Deutschland hat aber
für seine Staatsangehörigen auf die Fürsorge Frankreichs
verzichtet und die Reise des Kaisers wird dokumentiren,
wer der natürliche und beste Schutzherr für die Deutschen
dort ist. Mit bösartigen Bemerkungen suchen französische
Blätter besonders Rußland gegen die Reise des Kaisers
einzunehmen. Von englischer Seite wird die Lüge ver-
breitet, Deutschland wolle sich einen Hafen oder gar ein
ganzes großes Stück Syriens vom Sultan abtreten lassen
und die Wiener Reichswehr, Badenischen Angedenkens,
stoßt einen Allarmruf aus, weil der deutsche Kaiser, um-
geben von protestantischen Fürsten und Geistlichen, gleich-
sam einen neuen Kreuzzug nach Jerusalem unternehme,
während der katholische Kaiser von Oesterreich König von
Jerusalem und als solcher der natürliche Schutzherr der
Gläubigen im heiligen Lande sei. Das Blatt vergißt ganz,
daß cs sich um die Einweihung einer protestantischen Kirche
handelt, zu der der Vater des Kaisers s. Z. feierlich den
Grundstein gelegt hat. Die Tendenz dieses völlig deplazirten
Alarmrufes der Reichswehr ist natürlich nur Mißtrauen
zwischen Deutschland und Oesterreich zu säen.
— In der gestrigen Nachmittagssitzung des Aus-
schusses des Bundes der Landwirthe wurde be-
schlossen, den beiden Vorsitzenden zur Erleichterung der
Wahrnehmung der Bundesgeschäfte 1. freie Wohnung in
Berlin und 2. 4000 Mk. jährliche Entschädigung für die
Aufwendungen zu gewähren, die ihnen aus ihrem Aufent-
halt in Berlin entstehen. Ein weiterer Punkt der Tages-
ordnung betraf die Thomasmehlangelegenheit.
Der Ausschuß beschloß einstimmig zu diesem Punkte nach
Kenntnißnahme des Materials zur Beurtheilung der Ge-
schäftspraxis der landwirthschaftlich-technischen Abtheilung
des Bundes der Landwirthe:
Die Angriffe der Presse gegen den Vorstand des Bundes der
Landwirthe, betreffend die Thomasphosphatmehl-Angelegenheit
sind völlig haltlos (!) und entbehren jeder Begründung. Auf
ausdrücklichen Wunsch des Vorstandes wird eine zu diesem
Zweck eingesetzte Kommission der nächsten Generalversammlung
einen besonderen Bericht über die Sache abstatten.
— Eine Kolonialkorrespondenz deutet an, daß der nächste
Reichsetat größere Forderungen für die Schutz-
gebiete enthalten werde, und zwar theils für den Bau
von Eisenbahnen, theils für wirthschaftliche Maßnahmen
zur Förderung des Anbaues und der Ausfuhr von Natur-
produkten.
— Aus dem Verlauf des Gefechtes der amerika-
nischen Kriegsschiffe gegen die spanischen vor
Santiago zieht die Zeitschrift „Scientific American" vier
Schlüsse: 1. Beim Bau von Schlachtschiffen darf kein
Holz verwendet werden, 2. die Feuerlöschvorrichtungen mit
Ausnahme von Schläuchen und Mundstücken müssen ge-
schützt und unterhalb des Panzerdecks liegen, 3. Torpedos
sollten auf Schlachtschiffen nur aus Unterwasserrohren ge-
schossen und unterhalb des Panzerdecks aufbewahrt werden,
4. der Werth der Schnellladekanonen im Gefecht ist ein
ungeheurer.
— Am Sarge des Fürsten Bismarck sind, den Hamb.
Nachrichten zufolge, bisher 10074 Kränze niedergelegt
worden.
Kassel, 9. Aug. Der Kaiser jagte gestern in dem
Habichtswalde und ritt alsdann mit der Kaiserin und
den Prinzen spazieren. — Gestern Nachmittag schlug bei
starkem Gewitter der Blitz in die Schloßkuppel von
Wilhelmshöhe und zerschmetterte die Fahnenstange, ohne
weiteren Schaden anzurichten._

Baden. Die erste Kundgebung des neugewählten
Erzbischofs Thomas Nörber liegt nunmehr vor.
Am Freitag Abend brachte der „Sängerbund Hohenbaden"
dem bisherigen Klosterpfarrer ein solennes Ständchen.
Der Ehrenpräsident des Sängerbundes, Herr Rechtsanwalt
Ferd. Beck in Baden, gab dabei der Freude über die
Erhebung eines Landeskindes auf den erzbischöflichen
Stuhl Ausdruck, welche Freude für die Einwohnerschaft
der Stadt Baden ohne Unterschied de r Kons e ssion
eine um so größere sei, weil sie schon seit Jahren den
nunmehrigen Erzbischof als einen würdigen Seelsorger
und Nachfolger Christi kennen, achten und verehren lernte.
Der Redner schloß mit den Worten:
Mögen die Hoffnungen, welche auf Ihre Person als Erz-
bischof von allen Seiten gegründet werden, in Erfüllung gehen,
möge es Eurer Excellenz gelingen, dem badischen Volke den
Frieden zu bringen und zu bewahren, jenen köstlichen Seelen-
frieden, welchen einst die Engel des Himmels in der heiligen
Nacht der ganzen Menschheit, ohne Unterschied des Standes und
des Glaubens, zugerufen und verkündet haben. Möge der all-
gütige Gott Ihnen aber auch die nöthige Kraft, Ausdauer und
Gesundheit verleihen, damit Sie, hochwürdigster Herr Erzbischof,
noch recht viele Jahre Ihres hohen Amtes walten, zur Ehre
Gottes und zum Segen der Ihnen anvertrauten großen Heerde.
Das gebe Gott!
Der Erzbischof erwiderte sofort mit einer Ansprache,
in der er nach dem Bad. Tagbl. etwa sagte:
Er sei tief beschämt von der ihm dargebrachten Ovation, die
ihn tief gerührt, und er sei froh, daß ihm die Ehrenbezeugung
bei Nacht dargebracht worden sei, daß man seine Beschämung
ihm nicht ansehen könne. Er selbst sei durch seine Erwählung
zum Erzbischof auf das höchste überrasckt worden, da er an die-
selbe niemals habe denken können. Er habe selbst bei der hiesigen
Bevölkerung niemals danach gestrebt, öffemlich bekannt zu wer-
den, und da er bisher auch dem öffentlichen Leben ferngebliebeu
sei, habe man ihn in der Presse nicht mit Unrecht als „ein un-
beschriebenes Blatt" bezeichnet. Er nehme an, daß die heutige
Ovation nicht seiner Person, sondern der guten Sache gelte.
Anknüpfend an die Worte des Festredners, wolle er nur be-
merken, daß einstens die Engel in der hl. Nacht zunächst die
Ehre Gottes verkündet und den Frieden den Menschen auf Erden,
die eines guten Willens sind, zugerufen hätten. Er selbst sei von
dem guten Willen beseelt und trage den Frieden in seiner inner-
sten Seele. Er wünsche daher auch sehnlichst, daß — soweit es
in seinen schwachen Kräften stehe — die auf ihn gesetzten Hoff-
nungen in Erfüllung gehen möchten. Er wolle die ihm dar-
gebrachte Ovation als zu Gunsten derjenigen beiden Faktoren
dargebracht sehen, welche dazu berufen waren, bei der Erzbischofs-
wahl ausschließlich mitzuwirken; das gelte einmal von unserem
allergnädigsten Landesherrn, welcher ein großes Interesse bei der
Wahl bekundet habe, sodann aber auch dem hochwürdigen Dom-
kapitel in Freiburg, welches — entgegengesetzt der bisherigen
Ucvung — auch nicht ein einziges Mitglied des Domkapitels auf
die Liste gesetzt und in der selbstlosesten Weise bei seiner Aus-
wahl gehandelt habe. Die jetzigen Mitglieder des Domkapitels
seien sogar seine Lehrer und er ihr Schüler gewesen.
Der Erzbischof schloß mit einem Hoch auf S. K. H.
den Großherzog und das Domkapitel.
Karlsruhe, 19. Aug. Der sozialdem. Volksfreund gibt
lakonisch Folgendes bekannt: In der letzten Sitzung des Sozial-
demokratischen Vereins ist das bisherige Mitglied Andreas
Kalnbach aus der Partei ausgeschlossen worden.
Württemberg. Zum Nachfolger des kürzlich verstorbenen
Reichsschullehrer Betz in Kamerun ist vom Auswärtigen
Amte in Berlin der Unterlehrer Fischer an der evan-
gelischen Volksschule zu Geislingen ernannt worden.
Fischer wird sich, wie den Münch. Reuest. Nachr. mitge-
theilt wird, schon am 10. August von Hamburg aus dort-
hin begeben.
Preußen. Rastenburg, 9. Aug. Eine förmliche
Schlacht zwischen russischen und deutschen Ar-
beitern fand bei Podlechen statt. Es gab viele Ver-
wundete. Die Gendarmerie schritt mit den Waffen ein.

Deutsches Reich.
Berlin, 9. August.
A — Die im Herbste stattstndende Reise des Kaisers nach

Cristel's Freier.
Von Marga von Rentz.
(Nachdruck verboten.)
bla>^ Wiesen stehen im herrlichsten Grün; der Himmel
ini Ä-EMk die schöne, geschmückte Erde hernieder, und draußen
Aalde fingen und zwitschern die Vögel.
blauem? ein herrlicher Tag, und morgen ist Pfingsten; die
leimn Edirne am Wege, wiegt sich graziös auf ihrem
Glöcklü sanken Stengel, das schöne Fest mit ihren blauen
einläutend, wie vordem ihre liebliche, kleine
^Esster, das Schneeglöckchen, Ostern eingeläutet bat.
am Nk! ^?rfe wird noch tüchtig geputzt und geschafft, denn
Und morgen muß alles blitzblank sein in den großen
Vokplatzxiw" Stuben, ebenso im Hofe und auf dem
die ^son'ders eifrig bei der Arbeit war die Mutter Schöbel»,
geb„<!„ ihren zwei Söhnen in einem kleinen, aber sehr sauber
Häuschen an der Dorsstraße wohnte. Mutter
Sum .warf, wie der Volksmund sagt, „die ganze Stube
stand 1, hinaus," denn alles, was sonst darinnen war,
erk»s>.„ o lag in malerischem Durcheinander auf dem etwas
Ueun.^" ^orplatze des Hauses, und die liebe Sonne schien
^isck> herunter auf die blank gescheuerten Stühle und den
thümiiL io sehr nach Seife duftete, und auch auf das alter-
iUgi> Sopha mit dem gelb und braun gestreiften Ueber-
die dn?^n sie, und auf all' die merkwürdigen Gegenstände,
lagen.
drgnn » n weit geöffneten Fenstern des Häuschens heraus
durm taute Geräusch kräftig reibender Bürsten, zwischen-
dört?^. Stimme, welche es zu übertönen suchte. Dann
ausnL? tüchtiges Plantschen, als ob mehrere Eimer Wasser
der würden, und daraus, wie zur Beschwichtigung
streik» ^Sten mißhandelten Diele, sanftes Hin- und Her-
L" der Scheuerlappen.
schon weißen, seifenduftenden Tische draußen stand
eine geraume Zeit ein Mann in ärmlicher, doch ordent-

thun — freilich nimmt halt Keene gern an Wuiwer mit
vier Kindern, ane Zuckerlecke is das freilich nich."
Ernst Mattern zündete sich seine kleine Pfeise an.
„G'rad deswegen — bin ich eegentlich Herkommen, ich
wollt' Dich fragen, ob de mir nich vielleicht an guten Rath
geben könntest."
„Freilich will ich Dir gerne bellen ane Braut suchen,
wenn's auch nicht so leicht is. A dummes Ding, so a junges,
dars's nich sein, ane ganz arme möcht' ich Dir auch nich
rathen — übrigens denk' ich, daß wer wer'n zum Herbst bei
uns an Hochzeit baben."
„Nanu? der August? Hat der sich eene ausgesucht?"
„Jawull, der August!" antwortete die Schübeln stolz, und
klopfte mit der Hand auf den Tisch. „Das heeßt, er hat se
sich nich ausgesucht. Ich hab' w ihm ausgesucht."
Auf das Haus zu kam der jüngste Schöbel, ein sechsjäh-
riger, hübscher Junge; seine dicken Beine steckten ihn vielfach
geflickten Hosen, die Jacke hatte er ausgezogen und über die
Schulter gehängt. Unterm Arm trug er die Schiefertafel
und das Lesebuch; der Stift guckte wichtig aus der Hosen-
tasche heraus. Gustel kam eben aus dem Kolleg der Dorf-
schule, wo er interessante Aufklärungen über das kleine i er-
halten hatte. .
Noch ganz in Gedanken damit beschäftigt, drückte er sich
langsam heran und sagte noch immer kein Wort, als er vor
Mutter und Ohm stand.
Die Schübeln, die immer gerne ein bischen Staat mit
ihrem Jüngsten machte, ärgerte sich darüber; in mißbilligen-
dem Tone sagte sie:
„Du bist doch zu ein dummer Junge, Gustav."
Es schien ihn nicht weiter zu berühren, er nahm still-
schweigend das rothgemusterte Taschentuch aus der Tasche,
und fuhr sich in ziemlich zweckloser Weise über die Nase.Q
„Hast wohl in der Schule Senge kriegt, Gustek?" fragte
der Ohm.
„Nee".
lAha. Also reden kannst doch."
(Fortsetzung folgt.)
 
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