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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0553

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«vnntags ausgenommen.
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Wit Familienblättern
^monatlich SO Pf.
in's Haus gebracht.
Durch die Post biogen
Ivierteljährl. 1.2S
^'^schließlich Zustellgebühr.
^lephon-Anschluß Nr/82.

WÄkM Zkitililis

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15 Pf. f»r die Ispaltige
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Für hiesige Geschäfs- und
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v tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xr. 276.

Kkitas, den 25. UWkUbtt

M8.

Rur frisch gewagt.
4°) Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinckelberg.
(Fortsetzung.)
»Nun, Fräulein Aurora," fragte der Major, «sind Sie
^ckt entzückt von Ihrem schönen Begleiter? — „Ich weiß
'"cht," erwiderte die Gefragte, „was ich von ihm oder Viel-
Mr von Ihnen denken soll? Sie sagten mir doch von einem
"OUde, das er von mir bei Frau v. Kummer gesehen habe - ?"
's" »Ja so, ja, was war das eigentlich? Ach ich entsinne mich,
L richtig! Doch das thut ja alles nichts zur Sacke. Sagen
mir nur einmal, ob Sie den Rittmeister lieben? —„Ach
ganz unbeschreiblich, und es ist mein Tod, wenn er mich
Mt wiederliebt." - „Ach herrjel" dachte der Maior still bei
!'ck, „dann hättest Du schon oft sterben müssen! Laut aber
Me er zu dem verliebten Mädchen: „Mein Tod! Wer wird
«ssw gleich selch' dummes Zeug im Kopfe haben. Leben sollen
glücklich leben! Der Herr v. Rabenau ist em gar be-
Uderer Mann, er will Sie vielleicht nur prüfen. Entfalten
Ihre ganze Liebenswürdigkeit, Fräulein Aurora, blenden
ihn mit Ihren Reizen, nur frisch gewagt! nur frisch ge-
?M! Machen Sie diesen Wahlspruch des Rittmeisters für
^sUte Abend zu dem Ihrigen, und um Mitternacht wird Ro-
zu den Füßen ferner Julia liegen!"
, Der Graf von Reuthern war heute Abend bewunderns-
Mth seinem Amte als Meister des Vergnügens, bald
h^r, bald dort, hier machte er einen lustigen und oft
etwas derben Scherz mit den Herren der Gesellschaft
s^tze, dort war er wieder bei den jungen und alten Damen
lö" so ausmerksamer, zuvorkommender und liebenswürdiger
inMschafter, daß er gar oft jüngeren Männern von deren
Men Frauen, Bräuten und Geliebten, als leuchtendes Vor-
tis^ bezeichnet wurde. Jetzt trat er wieder an einen Seiten-
eck heran, an welchem traurig und schmollend der junge
Mrv. Seckendorf saß. „So einsam und verlassen?" fragte
zs Graf, „wo ist denn Ihre kleine Agnes geblieben?" —
^ck^weiß nicht, Herr Gras!" lautete die betrübte Antwort.
»L>ie wissen es nichtS das klingt ja verwünscht sonderbar,

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für den Monat December
werden ber allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agen-
w», bei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedi-
tion, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat December,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., für Zustellgebühr
15 Pfg. weiter.
Neu eintretenden Abonnenten liefern wir das Blatt
auf Wunsch bis Ende dieses Monats gratis.
D e Rückkehr des Kaiscrpaares.
München, 24. Nov. Der deutsche Kaiser hatte
sich telegraphisch jeden amtlichen Empfang verbeten, indem
er bloß bei der Durchreise den Prinzregenten Luit-
bvld begrüßen wolle. Dieserhalb waren gestern Abend
bie Aufstellung einer Ehrenwache und andere Empfangs-
iestlichkeiten abbestcllt worden. Allgemein wird hier be-
dauert, daß der Kaiser sich den Münchnern nicht zeigen
wollte; dies umsomehr, da die Abschließung des Einfahrt-
Seleises auf dem Bahnhof streng gehandhabt wurde- Durch
verschiedene leere Güterzüge, hinter denen mehrere Reihen
Eisenbahnbediensteter und Schutzleute postirt sind, wurde
bas Publikum gehindert, das Kaiserpaar zu sehen. Bloß
die Presse hatte Zutritt. Der Prinzregent in seiner preu-
ßischen Artillerieuniform erschien kurz vor 11'/, Uhr, mit
'hm die hier weilenden Prinzen, Prinzessinnen, Minister
U- s. w. Das Kaiserpaar kam vor der anberaumten Zeit
an. Der Prinzregent führte die Kaiserin, die ein pelzver-
brämtes Penföekleid trug, der Kaiser in Admiralsuniform
bie Herzogin Adelgund von Modena, die bejahrte Schwester
bes Prinzregenten. Dem Zug entstieg auch der Botschafter
Graf Eulenburg, der gestern dem Kaiser von hier aus bis
Kufstein entgegengefahrcn war. Der Kaiser sah g e-
. juitd und auffallend gebräunt aus, die Kai-
serin vielleicht etwas leidend. Nach kurzem Gespräch im
Königssalon setzten sich die Herrschaften zur Frühstückstafcl
"ieder. Die Musik des Leibregiments spielte ein Pot-
pourri -über türkische Lieder, Tänze und Märsche. Prinz-
agent Luitpold brachte einen Trinkspruch auf das Kaiser-
baar aus, den der Kaiser erwiderte. Genau zur festge-
setzten Zeit um 1 Uhr reisten Kaiser und Kaiserin weiter.
Kurz darauf bestiegen der Prinzregent und noch in ihrer
preußischen Uniform die Prinzen Ludwig und Leopold den
bereitstchenden Hofzug zur Fahrt in den Spessart, wo wie
"sljährlich im Herbst einige Zeit in den königlichen Ge-
igen Jagd gehalten wird.
L.N. Baden-Baden, 24. Nov. Die Bäderstadt
b°t heute ein hochfestliches Aussehen. Von der höchsten
Kirchenspitze bis zum kleinsten Hause zeigte sich ein reicher
Äaggenschmuck. Einen feenhaften Anblick bot die „via,
prininxstnliv", welche die Fürstlichkeiten vom Bahnhofe
""s durch die Langestraße, Kaiserallee, Sophienstraße,
3ähringerstraße passiren mußten, durch ihre farbenreichen
Dekorationen, durch ein Meer von Lampions und farbigen
Achtern. Längs beider Seiten der „via trinmpbnlis"
bildeten die Oosgau - Militärvereine, die Feuerwehren,
^scrng-, Turn- und andere Vereine, die Schulen, Staats-
"'sd städtischen Beamten Spalier. Am Bahnhofe war der
vUrstensalon in einen duftenden Blumengarten umgewandelt.
Ein elektrisches Lichtermeer machte die Nacht zum Tag.
Der Groß Herzog und die Großherzogin waren
M Kaiserpaar bis Oos entgegeugefahreu. Um
/-IO Uhr fuhr der Hofzug in den Bahnhof ein. Zum
Empfang am Bahnhof waren anwesend die Prinzessin zu

Fürstenberg, General von Bülow, Geh. Reg. Rath Haape,
Oberbürgermeister Gönner. Der Kaiser ließ sich alle
durch den Großherzog vorstellen. Beim Verlassen des
Bahnhofes fuhren im ersten offenen Wagen die Kaiserin
und die Großherzogin, im zweiten offenen Wagen der
Kaiser und der Großherzog. Eine zahlreiche Menschen-
menge hatte sich eingefundcn und begrüßte die Majestäten
mit brausenden Hurrahs, die Nationalhymne wurde ge-
sungen. Der Kaiser sah gut aus und war heiterer Laune.
Tas Kaiserpaar bleibt voraussichtlich bis morgen Abend.

Deutsches Reich.
— Eine reinliche Scheidung zwischen Ultramon-
tanen und Sozialdemokraten, so schreiben die
Münch. Neuesten Nachr., besteht vielfach nicht. Erst der
Prozeß Wacker hat ein schlagendes Beispiel dafür gegeben,
daß ein katholischer Priester bei den letzten Reichstags-
wahlen die religionsfeindliche Sozialdemokratie der national-
liberalen Partei vorgezogen hatte. Das Kokettiren zwischen
ultramontanem Klerikalismus und Sozialdemokratie wird
recht hübsch illustrirt durch folgende kleine Notiz. Dr.
Stephan, Hochwürde», katholischer Pfarrer in Weißensee
bei Berlin, gibt einen Nazareth-Kalender heraus, dessen
Reingewinn zum Kirchenbau verwendet werden soll. In
der Empfehlung werden einige Aufsätze angeführt und dann
mitgetheilt, daß Lebensbilder sämmtlicher Regenten Europas,
berühmter Staatsmänner, Bischöfe u. s. w. mit Illustra-
tionen darin enthalten sind. Sodann heißt es: „Unter
anderen sind Bilder von sechs Führern der
Sozialdemokratie vorhanden. Jeden Monat ziert
das Lebensbild eines Heiligen mit einem prächtigen
Bilde dazu." Daß durch diese Abbildungen sozialdemokra-
tischer Führer sich ein Sozialdemokrat verleiten lassen sollte,
einen solchen Kalender zu kaufen, ist doch ausgeschlossen.
Sollte, da neben den 12 Heiligen 6 Sozialdemokraten
ihren Platz finden, etwa jeder dieser Sozialdemokraten
halb so viel werth sein als ein Heiliger? frägt das
Münchener Blatt.
— Ueber einen Fall von sozialdemokratischem
Terrorismus berichten Berliner Blätter. Ein nicht
sozialdemokratischer Maurer wurde, als er neu auf einen
Bauplatz trat, von den Genossen gepreßt, sozialdemokratisch
zu werden. Als er sich weigerte, stellten sie den Polier
vor die Alternative, den Mißliebigen zu entlassen, widrigen-
falls sie sämmtlich streiken würden. Da die Arbeit drängte,
mußte der Polier der Gesellschaft ihren Willen thun. Das
ist die angeblich für Freiheit, Gleichheit und Brüderlich-
keit kämpfende Partei!
— Die Reich spostverwaltung hat sich, wie ge-
meldet wird, entschlossen, mit der Einrichtung von Bade-
anstalten, insbesondere beim Neu- oder Umbau größerer
Dienstgebäude vorzugehen, und zwar überall da, wo die
hygieinischen Verhältnisse dies erfordern. Ein erster Ver-
such ist bereits in der Reichsdruckerei in Berlin gemacht
worden. Zur Anwendung gekommen sind Brausebäder,
denen vor Wannenbädern der Vorzug gegeben wird, da
sie weniger Raum entnehmen und eine schnellere Abferti-
gung gestatten. In der Reichsdruckerci sind zunächst drei
Badezellen eingerichtet worden.
— Der Reichsanzeiger meldet: Der preußische Gesandte
am Vatican, v. Bülow, ist unter Verleihung des Groß-
kreuzes des rothen Adlerordens mit Eichenlaub seinem
Anträge gemäß in den Ruhestand versetzt.
— Kürzlich lief durch die Blätter die Nachricht, auf
der jüngst in Fulda abgehaltenen Bischofsco nferenz
sei auf Antrag des Fürstbischofs Cardinal Kopp beschlossen

mem junger Freund, und scheint mir zwischen Ihnen Nicht
. alles richtig zu sein. Was gab's? Immer offen heraus mit
der Sprache." — „Der Herr Amrsrath ist ärgerlich, wie mir
Fräulein Agnes sagte, er ist der Ansicht, aus uns beiden
könnte doch nichts werden, und das nutzlose Hofiren müsse er
sich verbitten!" — „Alle Wetter!" lachte der Major, „das ist
allerdings eine bittere Pille! Aber deshalb dürfen Sie doch
den Muth nicht sinken lassen. Was sagt denn Fräulein Agnes
dazu?" — „Sie ist so unglücklich, wie ich, Herr Graf!" —
„Nun dann ist doch die Sache nicht verloren, und ich begreife
nicht, wie Sie so untbätig dasitzen können. Alle Wetter, da
war ich ein anderer Kerl, als ich, in Ihren Jahren stand.
Ein junger Ulanen-Otficier darf sich vor dem Teufel nicht
fürchten, am allerwenigsten aber vor einem Amtsrath. Nur
frisch gewagt, nur frisch gewagt, junger Freund! Ich komme
Ihnen zu Hülfe, nehme den Alten in Beschlag, fessele ihn an
den Obersten-Tisch, unterdessen schwören Sie sich mit Fräu-
lein Agnes ewige Liebe und Treue!" Gesagt, gethan. Bald
saß der Herr Ämtsrath Freitag neben dem Herrn Obersten,
und Herr v. Seckendorf girrte Liebe.
VII.
Die Entscheidung.
Bevor das Ballfest begann, wurde vom Orchester herunter
Sammeln geblasen und der Herr Oberst brachte in begeistern-
den Worten ein kräftiges Hoch auf den obersten Kriegsherrn,
den deutschen Kaiser, aus. Herr v. Rabenau näherte bei dieser
Gelegenheit sein Glas dem der Baronesse». Stein. Diese zögerte,
doch nur einen Augenblick, es galt ja das Wohl des Kaisers!
Sie hielt ihr Glas dem des Rittmeisters entgegen und schaute
zu ihm aus. Seine Augen strahlten in reinster Begeisterung
für den, dem das Glas geweiht sein sollte, und gleiche Be-
geisterung lag in den Äugen der Baronesse. „In diesem
Punkte, meine Gnädigste," sprach der Officier, „giebt es
zwischen uns keine Meinungsverschiedenheit!" — „Nein!" er-
widerte die Gefragte, „aber —" — „Aber in anderen Punkten
glauben Sie? Werweiß? Werweiß! Vielleicht beruht dies
auf Selbsttäuschung!" - „Ihrerseits?" — „Nein, meinerseits

worden, ein Ausschreiben an die Pfarrgeistlichkeit zu rich-
ten, in dem die strengste Aufrechterhaltung und Pflege der
guten Beziehungen zu den Gliedern der evangelischen Kirche
vorgeschrieben wird. Demgegenüber erklärt jetzt die Ger-
mania, daß ein Beschluß der Bischofsconferenz im gedach-
ten Sinne weder beantragt noch gefaßt worden sei.

Ausland.
Oesterreich Ungarn. Pest, 24. Nov. Bei dem heute
ausgefochtenen Zwei kämpfe zwischen dem Minister des
Innern Perczel und dem Abgeordneten Hollo erhielt
der erstere eine ziemlich schwere Stirnwunde. Der Zwei-
kampf war eine Folge der wilden Parlamentär ischen Vor-
gänge zu Anfang der Woche.
Budapest, 24. Nov. Die Studenten bewarfen
die Polizei heute abermals mit Steinen; die Straßen vor
dem Parlament wurden mit der Waffe gesäubert.
Frankreich. Paris, 24. Novbr. Der Temps meldet:
Picquart wurde Vormittags von 9'/- Uhr bis Mittags,
und Nachmittags von I'/z Uhr ab vom Cassationshof
vernommen. Sein Verhör wird wahrscheinlich heute noch
nicht beendet werden.
Paris, 24. Novbr. Die Mittheilung des Soir,
GeneralZurlinden habe Picquart wegen Fälschung
und Gebrauchs dieser Fälschung, sowie wegen Verbreitung
geheimer, die Landcsvertheidigung angehender Schriftstücke
vor das Kriegsgericht verwiesen, wird heute von den
Morgenblättern allgemein bestätigt. Die erste Anklage der
Fälschung und des Gebrauchs der Fälschung betrifft das
„Petit bleu", das an Esterhazy adressirt war. Picquart
wird beschuldigt, wenn nicht dieses „pstit blou" gefälscht,
so doch Gebrauch von der gefälschten Rohrpostkarte gemacht
zu haben, um zu beweisen, daß Esterhazy mit einem fremden
Militärattache (v. Schwartzkoppen) in Beziehung gestanden
habe. Die Anklage wegen Verbreitung von geheimen
Schriftstücken betrifft das Actenbündel der Brieftauben«
Angelegenheit, die 1896 vor dem Gericht von Nancy ver-
handelt wurde. Die Gerichtsbehörden von Nancy sandten
diesen Aktenstoß an den Justizminister, und dieser über-
mittelte es dem Kricgsministerium, um Auskunft zu erhalten.
Auf diese Weise wurde Picquart beauftragt, seine Ansicht
in dieser Sache kund zu geben, und Picquart zog seinen
Anwalt und Freund Leblois zu Rathe. Blau wirft
Picquart ferner vor, im März 1896 die Verwaltungsacten
über den Brieftaubcndienst Leblois mitgetheilt zu haben.
Diese Verwaltungsacten sind wohl zu unterscheiden von
dem geheimen Aktenstoß des Brieftaubendienstes. Zur
angegebenen Zeit war das Gesetz über die Brieftauben noch
nicht angenommen, und es handelte sich darum, die damals
geltenden Bestimmungen zu codistciren. Picquart zog zu dem
Zweck abermals den Anwalt Leblois zu Rache über gewisse
Rechtsfragen. Picquart hat Leblois weiter nichts als die Ver-
waltungsakten mitgetheilt. Er bestreitet entschieden, ihm
die geheimen Brieflaubenakten unterbreitet zu haben. Pic-
quart wird ferner angeklagt, Leblois das geheime Akten-
büiidel der Dreyfussache mitgetheilt zu haben. Die Unter-
suchung des Richters Fabre hat aber festgestellt, daß Leblois
zwischen dem 5. August und 7. November 1896 nicht in
Paris war. Das ist aber der einzige Zeitpunkt, wo Pic-
quart das geheime Aktenmaterial von Dreyfus zu seiner
Verfügung hatte. Die Anklage betrifft dann auch eine
mündliche Mitcheilung, die Picquart an Leblois im Juni
1897 gemacht haben soll.
Belgien. B rüs se l, 22. Nov. Wie ein Mitarbeiter
des Berl. Tagebl. aus bester Quelle erfährt, schlossen der
Kongostaat und England ein Abkommen für eine

sicher nicht!" — „Der alle Etgenvunkel der Männer," spöttelte
Franziska v. Stein, „die sich nie zu täuschen meinen?" —
„Nie, das habe ich nicht gesagt! In diesem Falle sind auch
nur Sie der Ansicht, daß zwischen uns Meinungsverschieden-
heiten vorhanden sind, nicht ich!" — „Dann meinen Sie also,
Herr Rittmeister, wir hätten meist dieselben Ansichten?" —
„Sicherlich, Baronesse!"—„Nimmermehr!" — „Also auf das
Wohl des Kaisers!" — Und noch einmal begegneten sich die
Blicke des anstoßenden Paares, und Franziska v. Stein fühlte
sich dabei den Augen des Rittmeisters gegenüber unsicher.
Was er eben gesprochen hatte, war trotz aller Bestimmtheit
lieb und schonend, ja fast weich gesagt worden. Sollte sie sich
doch in diesem Manne getäuscht haben? — Andere Personen
traten hinzu, an ein weiteres ungestörtes Plaudern war vor
der Hand nickt mehr zu denken.
Das Orchester batte die Polonaise angespielt, die Baronesse
v. Stein wurde umlagert von Herren, welche um Tänze baten,
voran die Herren Premierlieutenants v- Bülow und v. Kessel-
heim. Seltsamerweise forderte aber keiner dieser Herren die
Polonaise, und mit großer Sorge sah die Baronesse einem
Ereignisse entgegen, das ihr bisher in einem glückl-chen Ju-
gendalter noch erspart worden war, das des Sitzenbleibens.
Die Polonaise begann, unr> die Zahl der Verehrer verstirb
nach vielen und tiefen Verbeugungen. Da trat Herr v. Rabe-
nau vor die Baronesse hin, vcrneigle sich leicht und kragte:
„Darf ick bitten, Baronesse?" — „Sie?" lautere die Gegen-
frage. — „Ich bitte recht sehr darum!" — „Mir ist aber," er-
widerte Franziska von Stein, „von diesem Engagement noch
nichts bewußt, heute Morgen baten Sie mich nur um den
zweiten Walzeri" — „Und jetzt um die Polonaise!" — „Viel-
leicht," erwiderte das junge, in ihrem Stolze beleidigte Mäd-
chen, „weil Sie meinen, ich hätte keinen anderen Tänzer?
Ich wünsche nicht, Herr Rittmeister, daß Sie sich meinet-
wegen opfern, ich wünsche keinen Pflicht- oder Hsflichkeitstanz,
am allerwenigsten von Ihnen!" — Und bei diesen Worten
bemühte sich Franziska, eine Thräne zu unterdrücken, welche
in den langen dunklen Wimpern ihres zornblickenden Auges
hervorschimmerte? (Fortsetzung folgt.)
 
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