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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 281 - 306 (1. Dezember 1898 - 31. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0699

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Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
Mit Familien^mnern
monatlich 50 Pf.
frei in'» HauS gebracht.
Dnrch dis Post bezogen
jvicrleljährl. 1.25
^»schließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.
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Keita?, den 3V. December

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ermäßigt.
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Telerch.'liickluß Nr. 82^

Beftellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das I. Vierteljahr 1899
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agen-
ten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedi-
tion, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen, Mk. 1.25 vierteljährlich,
mit Zustellgebühr Mk. 1.65.
Das Jahr 1888.
IV.
England hat in diesem Jahre einen doppelten Er-
folg in Afrika erzielt: es hat die Herrschaft des Mahdi
zertrümmert und es hat die Franzosen, die sich in Faschoda
im Sudan festgesetzt hatten, durch Drohung gezwungen,
jene Gegend zu verlassen, so daß von der Nilmündung
bis zu den centralafrikanischen Seen nunmehr eine un-
unterbrochen englische Herrschaftssphäre besteht. Die Ver-
nichtungsschlacht gegen den Mahdi wurde von der englisch-
egyptischen Armee unter General Kitchener zu Anfang
September geschlagen. Weniger erfolgreich war England
in Ostasicn. Wohl erwarb es von China pachtweise den
Hafen Wei-Hai-Wei, auch einen kleinen Distrikt bei Hong-
kong, aber die Forderung, daß der Hafen von Talien-
Wan, den Rußland als in seiner Interessensphäre liegend
betrachtet, allen Nationen geöffnet werde, mußte es fallen
lassen. Auch mußte es sehen, wie der russische Einfluß
in China wuchs und China bestehende Verträge zu
Gunsten Rußlands und zu Ungunsten Englands verletzte.
Das Gefühl der politischen Vereinsamung hat sich unter
solchen Umständen in diesem Jahre in England stark
geltend gemacht. Englische Staatsmänner, voran Chamber-
lain, begannen von herzlichen Freundschaften Englands
mit andern Völkern zu sprechen, und die englische Presse
sprach Kalo über ein Bündniß mit Amerika, bald über ein
solches mit Deutschland. Gleichzeitig aber wurde für die
Verstärkung der englischen Flotte Sorge getragen. Das
Unterhaus bewilligte dafür 160 Millionen Mark. Mit
Frankreich ist England nicht nur in Faschoda, sondern
auch in Westafrika zusammengestoßen, ohne daß es jedoch
da zu einem größeren Konflikt gekommen wäre. Aus der
neutralen Zone in Togo zog England in Folge von
Protesten Deutschlands seine Truppen und seine Agenten
zurück. Das auf den engeren Zusammenschluß Groß-
britanniens mit seinen Kolonien gerichtete Bestreben hat
auch in diesem Jahre nicht geruht, doch sind sichtbare Er-
folge bis jetzt nicht hervorgetreten. Der Versuch, zunächst
einmal die verschiedenen Staaten von Australien zu ver-
einigen, ist gescheitert. Am 19. Mai starb in hohem
Alter Gladstone, der lange Jahre die liberale Partei ge-
führt hat und mehrmals an der Spitze der Regierung ge-
standen ist. Viele Engländer haben ihn enthusiastisch
verehrt und sein Wirken hochgeschätzt. Das Urtheil der
Nachwelt über ihn dürfte sehr erheblich ungünstiger sein.
Rußland hat sich in diesem Jahre auf seiner asia-
tischen Seite vorwärts bewegt; es hat sich in Korea eine
starke politische Stellung geschaffen, hat von China pacht-
weise Port Arthur und Talienwan erlangt, sowie den
Anschluß seiner der Vollendung entgegeugehendcn sibirischen
Bahn dorthin. In Europa hat es sich dafür im Ganzen
reservirt gehalten. Eine große Ueberraschung bereitete der
Zar der Welt dadurch, daß er Ende August die Mächte
zu einer Abrüstungskonferenz einlud. Die Konferenz ist
jedoch noch nicht zusammengetreten. Mau darf sicher sein,
daß bei ihren Arbeiten nicht viel — wenigstens nicht viel
Gutes — herauskommen wird.

Der Türkei ist in diesem Jahre abermals ein Glied
ihres Leibes amputirt worden. Die Insel Kreta ist ihrer
Botmäßigkeit entzogen worden. Zwar besteht die türkische
Oberherrschaft dem Namen nach fort, in Wirklichkeit hat
aber der Sultan dort nichts mehr zu befehlen. Als
Gouverneur von Kreta mußte der Sultan sich den
griechischen Prinzen Georg gefallen lassen, abgleich die
Türkei ein Jahr vorher Griechenland, das wegen Kretas
in den Krieg gezogen war, besiegt hatte. Deutschland und
Oesterreich zogen, als es mit der Kandidatur des Prinzen
Ernst wurde, ihre Schiffe von Kreta zurück. Die Jnstal-
lirung des Prinzen als Gouverneur ist in den letzten
Tagen erfolgt.
Gegen den König von Griechenland wurde, als er
am 27. Jan. im Wagen von Phaleron nach Athen fuhr, von
zwei Attentätern mehrere Schüsse abgegeben. Der König und
seine bei ihm befindliche Tochter Marie blieben unverletzt,
ein Diener wurde leicht verwundet. — Am 7- März ge-
nehmigte die griechische Kammer das Gesetz über die
Finanzkontrolle und das Abkommen mit den Staats-
gläubigern.
In Holland hat in diesem Jahre die Königin Wil-
helmine, nachdem sie großjährig geworden, die Zügel der
Regierung in die Hand genommen. — In Dänemark ist
die Königin Luise, die in Folge ihrer Familienverhindungcn
ein Wort in der europäischen Politik mitredete, gestorben.
Spanien hat in diesem Jahre den größten Theil
seiner auswärtigen Besitzungen verloren; das seit langen
Jahren dahinsicchende Land ist damit aus der Reihe der
Kolonialmächte gestrichen. Greuliche Mißwirtschaft und
Ausbeutung war von jeher die Signatur der spanische»
Verwaltung in den Kolonien. Das hat sich gerächt; denn
nach und nach ist Spanien um seinen ganzen einst so
großen Kolonialbesitz gekommen. Da Spanien sich nicht im
Stande zeigte, den Aufstand in Cuba zu unterdrücken, so ent-
schlossen sichdie Vereinigten Sta' ten von Nordamerika, Spanien
zur Freigebung Cubas aufzufordern. Am 21. April,
noch ehe der amerikanische Gesandte das Ultimatum in
Madrid abgeben konnte, erklärte Spanien die Beziehungen
zu den Vereinigten Staaten für abgebrochen. Am Tage
darauf begannen die Feindseligkeiten zwischen beiden Ländern
damit, daß Kreuzer der beiden Staaten gegenseitig Schiffe
abfingen. Am 26. April unterzeichnete Präsident Mac
Kinley die Kriegserklärung. Der Feldzug, der nun be-
gann, bot ein recht klägliches Schauspiel dar. Die
Amerikaner vermochten nur eine geringe Angriffskraft zu
entwickeln, aber die Widerstandskraft der Spanier zeigte
sich als noch geringer. Am 1. Mai wurde die Philippinen-
flotte der Spanier bei Cavite von den Amerikanern ver-
nichtet. Im Juni landeten amerikanische Mannschaften
auf Cuba, nachdem die spanische Ersatzflotte unter Cervera
bei Santiago de Cuba eingeschlossen war. Sehr müh-
selig drangen die Amerikaner zu Lande gegen Santiago
vor. Schon war ihre Situation sehr kritisch geworden,
als Santiago sich ergab. Die Flotte Cerveras, die ent-
wischen wollte, wurde vernichtet. Damit war der Krieg
im Wesentlichen entschieden. Durch Vermittlung des
französischen Gesandten in Washington wurde im August
ein vorläufiges Friedensprotokoll aufgesetzt, das dem Krieg
ein Ende machte. Die Verhandlungen über den definitiven
Frieden fanden in Paris statt. Spanien mußte Portorico
und eine Ladroneninsel an die Vereinigten Staaten ab-
treten, sowie Cuba und die Philippinen freigeben. Da
eine Eingeborenen Herrschaft zunächst weder auf Cuba
noch auf den Philippinen möglich ist, so werden vorerst
die Amerikaner die Kontrolle ausüben, wobei ihnen aller
Voraussicht nach noch manche Differenzen mit den Ein-

geborenen entstehen werden. Zu dem Verlust
Kolonien wird Spanien nun noch durch einen Bürger-'
krieg bedroht, da die Carlisten sich rührig zeigen, die im
Lande herrschende schlechte Stimmung für ihre Zwecke aus-
zubeuten.
An China haben die Mächte von allen Seiten so
lange herumgezerrt, daß der Koloß in eine gewisse innere
Bewegung gerathen ist. Der Kaiser wandte sich den
Reformgedanken zu, begann aber gleich in so eifriger und
überstürzter Weise zu reformiren, daß ihm die Regierungs-
gewalt durch eine Palastrevolution im September d. I.
wieder genommen wurde. Die Regierung wird seitdem
wieder von der Kaiserin-Wittwe ausgeübt. Sie hat ein
Schreckensregiment eingeführt, dem Viele zum Opfer ge-
fallen sind, die im Verdacht standen, dem Kaiser nahe zu
stehen und ergeben zu sein. Auf die Dauer wird China
sich dem europäischen Einfluß nicht entziehen können; die
Eisenbahnen werden auch den hartnäckigsten Widerstand
der versteinerten chinesischen Kulis gegen das Vordringen
europäischer Ideen und Sitten brechen.

Deutsches Reich.
— Dem Reichstage wird in der gegenwärtigen Tagung
eine Vorlage zugehen, wonach Stellenvermiltler und Ge-
sindevermiether im ganzen Reich konzessionspflichtig
gemacht werden.
— Das Amtsblatt des Reichspostamts meldet:
Vom 1. Januar 1899 ab wird der Meistbetrag der Nach-
nahmen für Postfrachtstücke im Verkehre Deutschlands und
der folgenden Länder: Belgien, Großbritannien und Ir-
land, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Oesterreich-
Ungarn, Schweden, Schweiz und Vereinigte Staaten auf
800 Mark erhöht.
— Ein günstiges Urtheil über Kiautschou fällt die
Hongkong Daily Preß. Sie schreibt:
Das Ergebnis des Landoerkaufs in Kiautschou zeigt, daß
Kapitalisten Venraucn in die Zukunft der neuen deutschen Be-
sitzung setzen. Die erzielten Preise sind für eine neue Ansiedlung
sehr gut. Die geplante Stadt ist sorgfällig entworfen, wobei
offenbar die anderen europäischen Städte im äußersten Osten im
Auge behalten wurden. An der Hand der dort gemachten Er-
fahrungen verfolgte man das Ziel, eine Musterstadl zu schaffen.
Der ursprüngliche Fehler in Hongkong war die Enge nnd Un-
regelmäßigkeit der Straßen, diesen vermeiden die Deutschen.
Zweifellos wird sich dort dank dem Freihandelssystem ein be-
deutendes Geschäft entwickeln. Angesichts der Vortheile eines
kühlen Klimas und seiner Lage dürfte der Ort auch ein beliebter
Sommeraufenthalt für die Bewohner des Südens werden.
Das Urtheil ist um so werthvoller, als es von einem
Blatt ausgeht, das speziell englische Interessen vertritt.
Baden. L. 6. Karlsruhe, 29. December. Die
erste juristische Staatsprüfung haben nur 39
Kandidaten bestanden. Ursprünglich hatten sich 72 Kandi-
daten gemeldet, deren Zahl zu Beginn der mündlichen
Prüfung auf 50 zusammenschmolz. Es sind demnach 11
Candidaden durchgefallen: also ein ungewöhnlich hoher
Prozentsatz. Die Schuld an dem wenig erfreulichen Re-
sultat soll dem Vernehmen nach mehr in der mangelhaften
Vorbereitung der Candidaten, als in der Schwierigkeit der
Aufgaben zu suchen sein.
Preußen. Die Nordd. Allgem. Ztg. schreibt: Die
Staatsregierung wird gern die Gelegenheit ergreifen, um
die nöthigen Aufklärungen über die Ausweisung
einiger Dänen ans Nordschleswig zu geben. Sie ist
sicher, daß die preußische Volksvertretung, wie es die
Deutschen in Nordschleswig längst gethan, sich voll über-
zeugen wird, daß es die höchste Zeit war, gegen die wohl
organisirte, auf künftige Losreißung gerichtete dänische
Agitation in preußischen Gebietstheilen fest einzuschreiten

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Von der Kaiserin Elisabeth.
(Fortsetzung.)
Als Christomanos am folgenden Tage ins Toiletten-
zimmer der Kaiserin geführt wurde, saß sie an einem
weißgedecklen Tisch inmitten des Raumes, in einem weißen,
mit breiten Spitzen besetzten Fristrmantel, über den die
aufgelösten Haare bis zum Boden reichten und sie ganz
einhüllten. Nur ein schmaler Theil des Gesichts blickte
aus den Haaren hervor. Die Kaiserin fragte, wie er ge-
schlafen, meinte, es sei in der Hofburg nicht so schön wie
in Lainz, aber für die Nacht sei es gut genug — um
11 Uhr wolle sie mit ihm ausfahren. Christomanos schil-
dert die erste Stunde im Zimmer wie folgt: Die Kai-
serin schreibt sehr rasch; beim Halten der Feder krümmt
sie die Finger, offenbar nach einer Gewohnheit aus der
Kindheit, die sie beibehalten hat, weil sie die Lehrer nicht
rügten. Ihr ganzes Gebühren hat beim Schreiben etwas
kindlich Anmuthigcs und Unbeholfenes im Gegensätze zu
ihrer sonstigen majestätischen Haltung inmitten der Bäume
und Blumen. Sie fixirt das Papier und die Spitze der
Feder, als ob sie sie nöthigen wolle, fein und rein zu
schreiben — aber die Buchstaben quellen ungestüm nnd sich
überhastend hervor. „Sie bewundern meine schlechte
Schrift," sagte sie, „sie ist so wie ich, sie will sich nicht
unterjochen lassen." Dann machte sie große Tinten-
flecke mit der blauen Tinte; dünnes Fließpapier liegt
um sie gestreut, und sie trocknet damit jede Seite
ab, mit dem Ballen der Hand daraufschla-
gend. Hinter dem Sessel der Kaiserin stand die
Friseuse im schwarzen Kleid mit langer Schleppe, eine

weiße spinnwebene Schürze vorgebunden, und wühlte mit
weißen Händen in den Wellen der dunklen Haare. Mit
einem großen Kamme theilte sie die einzelnen Haarwellen
in viele dünnere Strähne, trennte dann jeden in unzählige
Fäden, die sie behutsam auSeinanderzog uud über die
Schultern legte, und so löste sie das ganze Haar in un-
zählige Strahlen auf. Dann flocht sie die Wellen in
Zöpfe, hob sie empor und legte sie in Gestalt einer Krone
auf den Scheitel der Kaiserin. Wenn Alles fertig war,
brachte sie auf einer silbernen Schüssel die Haare, die trotz
ihrer Behutsamkeit dem Frisiren zum Opfer gefallen waren.
Die Blicke der Herrin und der Dienerin kreuzten sich,
leisen Vorwurf bei der Herrin enthaltend, Schuld und
Reue der Dienerin kündend. Dann wurde der weiße
Mantel aus Spitzen von den Schultern gehoben, und die
Kaiserin entstieg der bergenden Hülle. „Ich fühle mein
Haar", sagte sie, und ließ einen Finger unter seine Wellen !
gleiten, „es ist wie ein fremder Körper auf meinem Kopfe."
Christomanos sagte: „Majestät tragen das Haar wie eine
Krone anstatt der Krone."
Manchmal wurde die griechische Stunde während des
Fristrens unterbrochen — das war, wenn der Kaiser die
Kaiserin um diese Zeit aufsuchte. Christomanos sollte sich
nicht entfernen, aber Kaiser und Kaiserin sprachen ungarisch, !
wovon er kein Wort verstand. Er schildert des Kaisers
Antlitz als bekümmert und ernst; die Namen von Staats-
männern und politischen Persönlichkeiten wurden ins Ge- !
spräch geflochten; die Kaiserin unterbrach den Kaiser öfter, !
zuckte die Achseln und machte eine kleine Grimasse, über die
der Kaiser lachte. Wenn er dann mit festem Offiziersschritt
aus dem Saal geschritten war, sagte die Kaiserin: „Ich !

i habe jetzt mit den Kaiser Politik getrieben. Ich möchte,
ich könnte helfen; aber ich kann vielleicht besser Griechisch.
Ich habe auch zu wenig Respekt vor der Politik und er-
! achte sie eines Interesses nicht werth. Jnteressiren Sie sich
dafür s" — „Nicht so sehr, Majestät — ich verfolge sie
nur in ihren großen Phasen, wenn Minister fallen." —
„Ah, die sind nur dazu da, um zu fallen; dann kommen
wieder andere", sagte sie mit einem merkwürdigen Klange
in der Stimme, der wie ein inneres Lachen war. „Ueber-
haupt ist das Ganze ein solcher Selbstbetrug", sagte sie
nach einigem Nachdenken. „Die Politiker glauben die Er-
eignisse zu führen und werden immer davon überrascht.
Jedes Ministerium hat seinen Fall in sich, gleich vom ersten
Augenblicke an. Alles was geschieht, geschieht von selbst,
aus innerer Nothwendigkeit und Reife, und die Diplomaten
konstatiren nur die Thatsachen."
Als ihr Christomanos beim Promeniren im Schön-
brunner Kammergarten aus Dostojewskis Erzählungen vor-
las, kam die Rede auf die Frauen. Da unterbrach die
Kaiserin die Lektüre und sprach sich über die Emanzipation
und die Gelehrsamkeit bei den Frauen aus. „Frei sollen
sie sein", sagte sie. „Sie sind oft würdiger, es zu sein,
als die Männer. Als bestes Beispiel haben wir Georges
Sand. Aber was die sog. Bildung betrifft, bin ich dagegen.
Je weniger die Frauen lernen, desto werthvoller sind sie
— dann wissen sie Alles aus sich selbst heraus. Was sie
lernen, lenkt sie nur ab auf einen Abweg ihres Innern,
sie verlernen dadurch ein Stück ihrer selbst, um anstatt
dessen Grammatik und Logik unvollkommen sich anzueignen."
(Schluß folgt.)
 
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