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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0445

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- Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.
Preis
Nit Familienblättern
/monatlich 50 Bf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
ivierteljährl. 1.25 x.
^.'sschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

SÄelbkWr ZeitiiW

Jnsrrtionsgebübr
15 Vs. für die lipalttge
Petitzelle oder deren Reuml
Für hiesige Geschäfts- und
Pridatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plaknt«
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäule«.

Telephon-Anschluß Ar. 82.

Nr. 253. Erstes Klatt.ämstW, Len 29. Oltader 1898.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für die Monate November
und December werden bei allen Postanstalten, dEn Brief-
trägern, den Agenten, bei den Trägern in der Stadt,
sowie in der Expedition, Untere Neckarstrllße Nr. 21,
angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für die Monate November
und December, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfg., mit
Zustellgebühr Mk. 1.14.
Der Prozeß Dreyfus vor dem Cafsationshofe
Paris, 28. Oct. Die heutige zweite Sitzung wurde
um Mittag eröffnet. Berichterstatter Bard setzt seine
Berichterstattung fort und bemerkt: Was wir bisher ge-
hört haben, genügt, um das Urtheil zu kassiren
ohne Verweisung vor einen anderen Gerichtshof.
Aber angesichts der Behauptungen mehrerer Kriegsminister
über die Schuld des Dreyfus muß das hellste Licht ver-
breitet werden, wenigstens für alle Gutgläubigen. Die
Anderen zählen nicht. Es fehlen gewisse Dokumente,
welche zur Schaffung vollen Lichtes nothwendig sind. Die
Sache fei nicht spruchreif. Der Kassationshof möge dem
Militärgerichte die Angelegenheit entziehen und selbst eine
neue Untersuchung anordnen, unbekümmert um die Konse-
quenzen. Es seien bereits genug Pflichtverletzungen in der
Angelegenheit vorgekommen. (Sensation.) Hiermit schließt
öer Berichterstatter,
Hierauf spricht der Advokat der Frau Dreyfus,
Mornard, der seine Anträge verliest. Diese gehen da-
hin, daß eine Untersuchung anbefohlen werde, um sich ein
Urtheil über die Begebenheiten zu bilden, die zwischen dem
Berichte der Sachverständigen von 1894 und denen von
1897 bestehen, und ferner, ob dem Kriegsgericht geheime
Schriftstücke im Berathungszimmer bei Verhandlung des
Dreyfusprozesses mitgetheilt worden seien. Mornard ent-
wickelt diese Anträge ausführlich und verlangt schließlich,
brr Gerichtshof möge zu einer Vervollständigung der Unter-
suchung schreiten und Kenntniß von allen Dingen nehmen,
die sich ans die Angelegenheit beziehen. Die Sitzung wurde
sodann unterbrochen.
Nach ihrer Wiederaufnahme erhält Generalprocurator
Man au das Wort, der seine Rede wie folgt beginnt:
Die Affaire Dreyfus ist jetzt in den Händen der Justiz;
Niemand kann sie ihr wieder entreißen und sie selbst könnte
sich ihrer nicht entäußern, ohne sich damit einer Pflicht-
berlctzung schuldig zu machen. Ihnen steht es zu, die
Gemüther zu beruhigen und der Welt zu zeigen, was
Wahrheit und Gerechtigkeit bedeute. Meinem Gewissen
gehorchend, werde ich Ihnen sagen, was ich von der Sache
benke. Machen Sie denn die Revision oder ebnen Sie ihr
öum mindesten die Wege. Der Generalprocurator unter-
geht nun den Fall einer Cassation des Urtheils ohne
Rückverweisung an ein anderes Gericht einer Prüfung
Uud erklärt, das nicht zugeben zu können. Die verant-
wortlichen Personen müßten gesucht und zur Verantwortung
gezogen werden, und wenn Dreyfus unschuldig sei, dürfe
ber Schuldige nicht straflos bleiben. Manau stellt fest,
oaß zwei neue Thatsachen bestehen, die geeignet sind, die
7"schuld Dreyfus' darzuthun. Die erste sei die Fälschung
Henrys, die zweite die im Prozeß Esterhazy 1897 an-
üestellte Expertise. Manau geht auf diese beiden That-
wchen und zwar zunächst auf die Fälschung Henry's
"äher ein und erklärt, daß die Aussage Henrys durch die
b°n ihm 1896 begangene Fälschung in bedeutendem Maße
w/rdächtig geworden sei. Daher sei der Verdacht gestattet,

daß sie sich als falsches Zeugniß darstellt. Manau be-
antragt schließlich die Revision und Annullirung
des Dreyfusprozesses, Verweisung vor ein
neues Kriegsgericht und Suspendirung der
Strafe. Er erklärt, die Verfasser der Schriftgutachten
von 1894 hätten in der Hauptsache geirrt, und hebt be-
sonders die zahlreichen Widersprüche der Sachverständigen
hervor. Wenn eine Enquete eröffnet würde, so würde
Esterhazy Gelegenheit finden, Aufklärungen zu geben.
Nachdem man die Widersprüche der Schriftgutachten fest-
gestellt habe, müsse man jetzt auch festzustellen suchen,
wer der Verfasser des Bordereaus sei, ob es Dreyfus
oder Esterhazy oder ein anderer sei. Esterhazy könnte hente
ungestraft eingestehen, daß er es geschrieben habe, da er
jetzt von diesem Hauptanklagepunkt freigesprochen ist. Und
welchen Dienst würde er durch sein Eingeständniß, falls
er wirklich der Verfasser ist, dem Lande leisten und dem
unglücklichen Dreyfus, der seit vier Jahren leidet und seine
Ehrenrettung verlangt! (Bewegung.) Wenn dagegen Drey-
fus der wahre Schuldige ist, so wird er ewig für sein
Verbrechen büßen müssen und das so beunruhigte Gewissen
des Landes wird endlich wieder ruhig werden. Es ist also
an Ihnen, meine Herren, eine Untersuchung anzustellen,
aus der sich das Licht ergeben wird. Vergessen Sie nicht,
dw wiederholten Betheucrungen Dreyfus' vor und nach
seiner Degradirung stehen in vollem Widerspruch mit
seinem angeblichen Geständniß. Manau verliest so-
dann mehrere Briefe Dreyfus' an seine Frau, in
denen er fortwährend seine Unschuld betheuert. —
Die Schlußfolgerungen Manaus werden von den verhält-
nißmäßig wenig zahlreichen Zuhörern schweigend angehört.
— Manau setzt hinzu, daß die Richter von 1894 sich in
gutem Glauben geirrt haben. Wenn sie getäuscht worden
sind, wie könnte ihre Ehre dadurch gekränkt werden? Was
die Armee betrifft, so wird Frankreich heute durch alle
seine Kinder vertheidigt und es sei eine Thorheit, zu sagen,
daß wir die Beleidiger unserer Kinder, unserer Freunde
sein würden. Denken wir an den guten Ruf Frankreichs,
der in den Augen der Völker in dieser schmerzlichen An-
gelegenheit engagirt ist. Richter der Republik, laßt Drey-
fus kommen, sich zu rechtfertigen. Wenn er es kann, mag
er der Liebe seiner Frau, seiner Kinder wiedergegeben
werden. Ich kann angesichts der Schriftstücke, die zu dem
Dossier gehören, nicht die Möglichkeit zugeben, daß Sie
mein Verlangen ablehnen. Der Gerichtshof wird also
kassiren oder annulliren, wenn cs angczeigt ist.
Subsidiär beantragt Manau eine Untersuchung der Ange-
legenheit, da sie nicht spruchreif erscheine. In dem einen
oder andern Falle habe ich die Ehre, Einstellung des
Strafvollzugs unter Vorbehalt administra-
tiver Maßnahmen zu beantragen.
Nach Wiederaufnahme der Sitzung verliest der Bericht-
erstatter Bard ein Schreiben des Generals Gonse an den
Präsidenten der Kriminalkammer des Kassationshofes, in
dem Gonse der ihm in der Denkschrift Picquarts zuge-
schriebenen Acußerung ein formelles Dementi entgegensetzt.
Der Vorsitzende erklärt, es werde den Akten einverleibt
werden.
Advokat Mornard entwickelt die Rechtsgründe für
sein Eintreten und beantragt die Revision der Verurthei-
lung des Hauptmanns Dreyfus. Die einzige Rechtsgrund-
lage dieser Verurtheilung habe das Bordereau gebildet,
und sie sei jetzt durch neue Thatsachen erschüttert. Mornard
bespricht die Mittheilung geheimer Schriftstücke im Kriegs-
gericht von 1894 und die Weigerung Henrys, die Person
zu nennen, die ihm die Stücke gebracht habe. Es sei aber



Tie Verlobung des Prinzen i.,,>»>» »
*°uden mit der P rinzessin Helene Wladimirowna
don Rußland hat in Baden allenthalben große Freude
erregt. Da die Ehe des Erbgroßherzogs kinderlos ge-
olieben ist, so beruhen die Hoffnungen des badischen Volkes

Prinz Max und Prinzessin Helene.
Maximilian von hinsichtlich des Weiterblühens des Zähringerstammes auf
i dem Prinzen Max.
Wir bieten heute unfern Lesern ein Bild des Prinzen
Max und seiner hohen Braut dar.
Prinz Max wurde als Sohn des am 27. April 1897

wichtig, daß Henry zugegeben habe, nicht ein, sondern drei
Schriftstücke angefertigt zu haben. Das ergebe sich aus
dem, was Cavaignac am 27. Juli in der Kammer gesagt
habe.
Die Fortsetzung des Plaidoyers wird sodann auf
morgen vertagt. Die Sitzung wird geschlossen; der Zu-
hörerraum leert sich langsam. Außerhalb des Gerichts-
gebäudes erfolgte keine Kundgebung.

Deutsches Reich.
— Aus Haifa wird berichtet: Das deutsche
Kaiserpaar begab sich am Mittwoch Nachmittag von
der Jacht „Hohenzollern" nach dem deutschen Konsulat.
Hier begrüßte es der Vorsteher der deutschen Kolonie
Lange, der in seiner Ansprache die Hoffnung aussprach,
daß die deutsche Schule in Haifa die kaiserliche Unter-
stützung weiter genießen und der Kolonie dadurch die
Möglichkeit erhalten werde, in Verbindung mit dem alten
Vaterlande zu bleiben. Der Kaiser antwortete, er werde
der Kolonie sein Interesse erhalten. Da ein großer Theil
der in der Umgebung von Haifa lebenden Deutschen aus
Württemberg stamme, fügte der Kaiser hinzu, er werde
dem Könige von Württemberg mittheilen, welchen vor-
züglichen Eindruck die braven Schwaben auch in Palästina
auf ihn gemacht hätten. Hierauf sprachen die evangelischen
Geistlichen den Willkommengruß im Namen ihrer Gemeinde
aus. Sodann hielt der Direktor der deutschen katho-
lischen Niederlassung in Tabgha, Pater Biever,
folgende Ansprache:
Im Namen des Deutschen Vereins für das heilige Land
sowie der in Palästina wohnenden deutschen Katholiken habe ich
die Ehre, Ew. Majestät bei seinem Eintritt in das heilige Land
unseren unterthänigstcn Willkommen grüß darznbringen und
unseren tiefgefühlten Dank auszusprechen Ew. Majestät für den
wirksamen Schutz, den unsere Anstalten in Palästina und die
daselbst wohnenden deutschen Katholiken unter dem glorreichen
Scepter Ew. Majestät genießen. Wir wagen die zuversichtliche
Hoffnung auszusprechen, daß es auch uns fürderhin vergönnt
sein wird, unter den mächtigen Schwingen des deutschen Aars
deutschem Wirken, deutscher Sitte und deutschem Fleiße einen
immer weiteren Eingang zu verschaffen.
Der Kaiser entgegnete:
Ihre patriotische Ansprache hat mich mit hoher Freude er-
füllt und ich danke Ihnen sehr dafür. In Erwiderung ergreife
ich gern die Gelegenheit, ein für allemal auszusprechen, daß die
katholischen Unterthanen, wo und wann sie desselben bedürfen
sollten, meines kaiserlichen Schutzes stets sicher sein werden.
Hierauf reichte der Kaiser dem Pater Bieoer die Hand.
Beide Majestäten begaben sich sodann, gefolgt von dem
unmittelbaren Dienst und dem Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amts, Staatssekretär v. Bülow, nach dem
deutschen katholischen Hospiz der Schwestern des heiligen
Borromäus. Am Eingang des Hospizes, das mit deutschen
Fahnen geschmückt war und neben dessen Außenthür die
Bildnisse des Kaisers und der Kaiserin prangten,
wurden die Majestäten von der Oberin, Schwester
Angela empfangen. Zöglinge des Schwesternhauses über-
reichten Geschenke. Kaiser uub Kaiserin besichtigten das
Hossllz, wobei die Majestäten die Schwestern, den gleich-
falls anwesenden Pater Biever und den vom Bischof von
Ermland entsandten Priester Freitag wiederholt mit An-
sprachen beehrten. Endlich fand in der deutschen evangelischen
Schule ein Festakt statt, bei welchem die Schüler der An-
stalt die Nationalhymne sangen. — Ein weiterer Bericht
meldet, daß das Kaiserpaar am Freitag von Cäsarea nach
achtstündiger anstrengender Wagenfahrt in Jaffa ein-
getroffen ist. Die Nacht auf Freitag war in
einem Zeltlager in der Nähe von Cäsarea zu-
gebracht worden. Trotz der großen Hitze von
33 Gr. R. im Schatten ist das Befinden der Majestäten
verstorbenen Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Maria
Romanowskaja, Herzogin von Leuchtenberg, am 10. Juli 1867
geboren und steht im Range eines Königl. preußischen
Majors L In suits des Garde-Kürasster-Regiments in
Berlin.
Großfürstin Helene ist am 29. Januar 1882 als
Tochter des Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch und
der Herzogin Maria Paulowna von Mecklenburg ge-
boren.

Nur frisch gewagt.
24) Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dincke lberg.
(Fortsetzung.)
Als Aurora der Ulanen ansichtig wurde, galt ihr Suchen
natürlich nur Ihm, dem Heißgeliebten. Sie schaute nach der
Spitze des Regiments, wo dem Traume nach ihr Geliebter
auf einem schneeweißen Schimmel hätte retten müssen, aber
dort ritt, wie gewöhnlich hinter der Musik der Herr Oberst
und der Adjutant v. Seckendorf. Aurora spähte weiter aus und
richtete ihre Blicke auf den nächstfolgenden Officier. auf den
Chef der heute zuerst reitenden Schwadron, doch auch dieser
war nicht Herr v. Rabenau, sondern der Rittmeister v. Rauch-
haupt. Aurora beugte sich noch weiter vor, um ihre Blicke
auf die nachfolgenden Schwadronen lenken zu können. Die
sonst so flinken Ulanen schienen ihr heute Morgen unwglich
langsam und schläfrig zu reiten; jetzt endlich erblickte sre den
zweiten Schwadronschef, eine gar vohe und kräftige Figur.
Ihr Herz klopfte stürmisch, doch auch diesmal noch wllte sie
enttäuscht werden, der hohe Reiter war Graf v. Reuthern,
und - schändlich von ihm — er schaute zu dem Erkerfenster
hinauf, erkannte die Suchende, lächelte und grüßte, tturora
war unfrisirl, hatte nicht ein Häubchen auf, sie schämte sich
und war flugs hinter dem Vorhänge wieder verschwunden,
ohne den Gruß des Grafen zu erwidern. Doch ernrge Augen-
blicke später mußte der böse gute Graf schon vorüber sein und
 
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