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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 306 (1. Dezember 1898 - 31. Dezember 1898)
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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xr. 291

WNStllS, IN 13. Pklk»»n

1898

sein

Uhr
der

die Sitzung um 1
bekannte Ergebniß

Preis
mit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
vierteljährl. 1.25
rrssckließlich Zustellgebühr.

hat dem Reichstag
Ablebens des Fürsten

Erst . täglich.
Sonntags ausgenommen.

nur aus wirthschaftliche Unternehmungen im Interesse des
Schutzgebietes zu verwenden, wodurch die s. Zeit ausge-
sprochene Befürchtung gegenstandslos wird, daß die Kom-
pagnie sich nach erhaltener Abfindung wirthschaftlich nicht
weiter um das Schutzgebiet bekümmern oder sich ganz aus
demselben zurückziehen werde.
Diesen Bestimmungen gegenüber erscheint die Erhöhung
der Landabfindung von 14 000 auf 50000 Hektar keines-
wegs als zu weitgehend. Unter Hinzurechnung des bisher
erworbenen Landes (etwa 100 000 Hektar) würde der Ge-
sammibefitz der Kompagnie immer erst der auf
255 000 Quadrat-Kilometer geschätzten Bodenfläche des
Schutzgebietes betragen. Die Vortheile des neuen Ver-
trages sind demnach unleugbare, und man darf die Er-
wartung hegen, daß er die Billigung des Reichstages findet.
Die Nothwendigkeit, der Kompagnie die Landesverwaltung
abzumhmen, ist eine unabweisbare geworden.

Deutsches Reich
— Dem Bundesrath ist eine Vorlage des Reichs-
kanzlers zugegangen, die für Postanweisungen eine
Mindestgebühr von 10 Pfg. bei Beträgen bis 5 Mk. vor-
schlägt. Ferner sollen, da nach dem Beschluß des
Washingt. Kongresses vom 1. Jan. 1899 ab Postanweisungen
bis 1000 Francs im internationalen Verkehr zugelassen
werden, folgende Taxstufen dem jetzigen Tarif angcfügt
werden: Für 400 bis 600 Mk. 50 Pfg. und für 600
bis 80 ) Mk. 60 Pfg. Weiter soll, ebenfalls in Folge
des Beschlusses des Washingtoner Kongresses, eine Erhöhung
des Meistgewichts für Waarenproben von 250 auf
350 Gramm erfolgen und das Porto für das Gewicht
von 250 bis 350 Gramm 20 Pfg. betragen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 13. Dezbr. Präsi-
dent Graf Bal le strem eröffnet
15 Minuten und verkündet das
Schriftführerwahl.
Der Senat von Brasilien
tiefstes Mitgefühl anläßlich des
Bismarck aussprcchen lassen. Der Präsident wird den
Reichskanzler ersuchen, den Dank des Reichstages hierfür
übermitteln zu lassen. Der! Präsident thetlt dem Haase
mit, daß der verstorbene Abgeordnete v. Cuny dem Reichs-
tage seine Bibliothek vermacht habe.
Bei der ersten Lesung des Etats giebt Staatssekretär Dr.
Frhr. v. Thielmann zunächst eine kurze Uebersicht des Ewts-
jahres 1897 und betont bezüglich des Rechnungsjahres 1898, daß,
wenn auch der Höhepunkt der günstigen Lage erreicht sei, doch
von einem Herabsteigen der wirthschaftltchen Entwickelung nicht
die Rede sein könne. Bezüglich der Zuckerausfuhrprämien sei
leider eine Verständigung bisher nicht erzielt worden; die Ver-
bündeten Regierungen würden aber keine Gelegenheit versäumen,
sich wieder an den Verhandlungen zu betheiligcn, die ein greif-
bares Ergebniß versprechen. Auch bezüglich des Rechnungsjahres
1899 könne von einem wicthschaftlichen Niedergänge nicht ge-
sprochen werden und so werden wir, nach Ansicht des Redners,
einer Mehrforderung gewachsen sein. Auch der hohe Diskont sei
kein schlechtes Zeichen. Wenn wir von den Matrikularbei-
trägen, lleberschllssen u. s. w. absehen, verbleibt eine rein
wirthschaftliche Einnahme von 904 Millionen, gegen das Vor-
jahr mehr 54 Millionen.
Abg. Fritzen (Ceutr.) begrüßt mit Genugthuung, daß wieder
eine große Summe zur Schuldentilgung verwendet werde. Die
Eisen- und Bergwcrksindustrie stehe in andauernder Hausse. Be-
züglich des Zuckers müsse man die Verminderung der Ausfuhr
bedenken. Erfreulich sei die Aufbesserung der Gehälter der Unter-
beamten, sowie die größere Uebersichtlichkeit in der Etatsaufstel-
lung. Bezüglich des Pensionsfonds für das Reichsheer könne
man sich des Gefühls nicht erwehren, daß man mit den Pensio-
nirungen der Offiziere gar zu schnell vorgehe. Das neue Militär-
gesetz stehe nicht auf der Tagesordnung, aber selbst, wenn Redner
aus seinem Herzen keine Mördergrube machen wolle, müsse er
sich doch jeder Bemerkung darüber enthalten, denn die Begrün-
' Wagner, Liszt unv Berlioz zusammengetragen. Bachs Geist hat
freilich andererseits für die Stilreinheit der Hauptvhysiognomie
gesorgt, hat die Flügel und Heiligenscheine, hat das tragende
Glaubensgerüst geliefert.
Wolfrum hat ein hochdramatisches, modernes Weihnachts-
Oratorium geschaffen; ein „Mysterium" kann kaum so klingen
und glänzen; ein Mysterium H<L etwas Mystisch-Verhaltenes.
Im Contact mit den Gewaltigen hat sich Wolfrum's Ge-
staltungskraft außerordentlich gesteigert.
Wie alle Epigonen bewegt er sich zwischen natürlichen Grenz-
linien, auf der einen Seite Bach, andererseits Wagner, Liszt
und Berlioz. und, wenn er auch, wie unvermeidlich, die Vorbilder
(namentlich Meistersinger und Parsifal) stark streift, so ist er
doch fest auf sich selbst gestellt. Er bleibt immer
vornehm, geistreich und ein vortrefflicher Ausgestalter. Dem
Fehler seiner Vorbilder huldigt er in dem modernen Cardinal-
irrthum: dem Uebermaß, und zwar im Quantum wie in den
Ausdrucksmitteln. Erfreulich ist — und das befremdet fast bei
der Richtung unseres hochgeschätzten Dirigenten — eine Hin-
neigung zur Melodik, oft zur schlichten Melodik, und der Ge-
schmack, mit dem er das goldene Choralmaterial umschmiedet.
Ein fertiger Meister ist Wolfrum, was die Instrumentations-
kunst anlangl. Hier kann man ihm mit ungeschwächtem Interesse
vom ersten bis zum letzten Takt folgen. Er verfügt über einen
Farbcnreichthum, der ihn gerne und gut mit Humperdinck rivali-
siren läßt. Nur einen Gefallen erweise er seiner so reichen,
üppigen Partitur: er verbanne das Tamburin-Gerassel. In dem
ersten, naiv fröhlichen Chor mag es als letzte Steigerung
passtren, aber an anderen Stellen zerstört es geradezu die
Wirkung. Es ist, als ob der Klingelbeutel in die Andacht
hineinbtmmle.
Es möge eine flüchtige Skizze des Werkes folgen, das einen
hohen Rang in der neuen Concertliteratur beanspruchen darf.
Sie wird so ausfallen, wie sie sich eben nach zweimaligem Hören
ohne Partitur oder Auszug dem G-dächtniß einprägen kann.
I. Theil.
Vorspiel und Chor in Bach'schcr Plastik sich gebend, würdig
und ernst. Dann Uebergang zur pastoralen Stimmung, der

Insertionsgebühr
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Petitzetie oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfs- und
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ermäßigt.
. Gratis-Anschlag
derfJnserate auf den Plakat-
V tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

düng orlage sei so dürftig, daß man unmöglich daraus
Schlußfolgerungen ziehen könne. Die Aufwendungen für Kiau-
tschou seien nicht zu bemängeln, denn Kiautschou sei ein vortreff-
licher Stützpunkt unseres Handels in Ostasien. Die großen Kosten
für die afrikanischen Kolonieen aber erforderten eine genaue Prü-
fung im Interesse der Kolonieen selbst, das durch zu hohe Forde-
rungen diskreditirt werde. Die auswärtige Politik könne nur mit
hoher Befriedigung angesehen werden, ebenso die Orientreise des
Kaisers. Die Schenkung oer „Dormition" zeige, daß der Kaiser
auch die Interessen der deutschen Katholiken zu würdigen wisse.
(Bravo! im Centrum). Die französische Protektion im heiligen
Lande sei weniger Protektion als Persekntion gewesen.
Hierauf spricht Abg. Richter (freis. Volksp.): Er müsse Ver-
wahruug einlegen gegen einen gewissen Byzantinismus, der an-
läßlich der Kaiserreise hervorgetreten sei. Bei den Evangelischen
habe die Kaiserreise einen etwas gemischten Eindruck hinterlassen.
(Widerspruch.) Die lange Abwesenheit des Monarchen im Aus-
lände könne vielleicht doch eine Vertretung erforderlich machen.
Zu beklagen sei, daß der Reichstag so spät zusammeugetreten sei.
Die Ausweisnngspolitik sei nicht würdig eines großen Volkes.
Zu erhoffen sei ein guter Fortgang der Handelsvertragsverhand-
ungen mit England. Di- Einfuhr amerikanischer Produkte dürfe
nicht unnöthig erschwert werden. Die Aufrechterhaltung der Vieh-
sperre gegen Dänemark, die Niederlande und Oesterreich sei un
begreiflich. Niemand habe eine Militärvorlage von solchem Umfange-
erwarten können. Die Freigebigkeit des Centru ms habe uns in
eine theure Colonialpolitik hineingelegt. Redner wendet sich nun
in den schärfsten Worten zu der Lipp eschen Frage und verlangt,
daß die Telegramme des Kaisers eine Gegenzeichnung tragen.
Staatssecretär Or. Graf v. Posadowsky: Eine Reichsver-
drossenbeit ist merkwürdig bei einer günstigen äußeren und inneren
Lage. Im Schooße der verbündeten Regierungen besteht eine Reichs-
verdrossenheit nicht; in allen wichtigen Fragen sind sie durchaus
einer Meinung. (Bravo!) Was die Frage der Verantwortlichkeit
betrifft, so wüßte ich nicht, was im Reiche ohne die Verantwort-
lichkeit des Reichskanzlers geschehen wäre. Die Regicrungsge-
schäfte sind während der Kaiserreise stets erledigt worden. Die
spätere Einberufung des Reichstags geschah lediglich wegen der
gründlichen Vorbereitung der Vorlagen. In der Lippes chen Frage
hat der Bundesrath zu entscheiden; eine Entscheidung ist noch
nicht erfolgt, da immer noch Streitschriften eingehen.
Staatssecretär Frhr. v. Bülow: Die Orientfrage erscheine
augenblicklich weniger bedrohlich als früher. Allerdings könne
die armenische oder mucedonische Frage zum Erisapfel werden.
In der nächsten Zeit dürfte aber doch der Friede nicht gestört
werden. Deutschland und seine Friedensliebe bieten die Sicher-
heit für eine frieoltche Aussöhnung der Gegensätze. Der Orient-
reise seien von Anfang an verschiedene Motive untergeschoben worden,
die sich dann später als unbegründet erwiesen haben. Die Wahr-
nehmung des Protektorats über die Deutschen im Orient und ihre
Anstalten durch das deutsche Reich stammt nicht von jetzt her,
sondern besteht seit dem 18. Januar 1871 und wurde in späteren
Jahren wiederholt ausgeübt. Wir werden uns der Rechte unserer
katholischen Mitbürger im Orient weiter annehmeu. (Bravo!)
Die erfolgten Ausweisungen haben nirgends die Beziehungen ge-
trübt. Sie sind ein Ausfluß der Souveränität, die wir uns von
niemand antasteu lassen. — Uebcr einzelne Fälle schweben zwischen
unseren und den diplomatischen Organen Oesterreich-Ungarns ver-
trauliche Besprechungen, die dem freundschaftlichen Charakter der
gegenseitigen Beziehungen entsprechen. Mehr könne er nicht sagen,
da er es für besser halte, kleinere Differenzen mehr geschäftlicher
Natur zwischen befreundeten und verbündeten Regierungen nur in
versöhnlichem Geiste nach reiflicher Ueberlegung der Tragweite
seiner Worte zu erörtern. (Lebhafter Beifall.)
Um 5°/. Uhr wird die Fortsetzung der Berathung auf Dienstag
1 Uhr vertagt.
Baden. Auf dem Parteitag der badischen So-
zialdemokraten in Offenburg letzten Sonntag ist
es zeitweise sehr lebhaft zugegangen. An dem vom Landes-
vorsitzenden Haug erstatteten Jahresbericht übte der Abg.
Adolf Geck eine scharfe Kritik. Er bezeichnete denselben
als in der Form für ungeschickt und mangelhaft und ver-
langte, daß für die Zukunft der Bericht von solchen Per-
sönlichkeiten ausgearbeitet werde, die zu diesem Geschäfte
die nöthigen Fähigkeiten besäßen. Der Redner hielt auch
den Kassenbericht für fehlerhaft. In dem Kassenwesen
herrsche ein Wirrwarr, dem unbedingt ein Ende gemacht
werden müsse. Dian solle eine Kommission einsetzen, die
die Sache gründlich durchprüfe und eine Besserung im
Kassenwesen herbeiführe. Es wurde dann in der That
Hauptstimmung des ganzen Werkes. Das englische Horn,
prächtig (aber in dem Werk doch etwas zu viel) verwendet, bringt
gleich das richtige Colorit. Holzbläserreigen, dann ein fast tanz-
artig fröhlicher Chorreigen, für meinen Geschmack fast zu weltlich
fröhlich. In ernsten, schönen Akkorden klingt es aus.
Die „Ankündigung des Engels", der Evangelist, tritt reci-
tativisch ein. Wolfrums Recitativ wandelt in Bach'schen Bahnen,
neigt aber zu stärkerem deklamatorischen Ausdruck und mehr
illustrativer Orchester-Mitwirkung. Den Worten des Engels ist
ein außerordentlich glücklich verwendetes Choralmotiv unter-
gelegt. Die Worte Mariens sind ungemein treffend im musi-
kalischen Ausdruck. Besonders die Stelle: „Wie soll das zu-
gehen?" mit der auf- und abschwellenden Begleitung ist
wundervoll.
Prächtige Solistenstimmcn hatten sich, wie gleich diese erste
Scene bewies, zusammeugefunden. Prof. Wolfrum hatte ge-
wohntes Glück mit seinen Interpreten.
Vogl, dessen Glanzzeit unglaublich lange dauerte, ist heute
noch ein prächtiger Sänger, der im Rahmen des Konzerts eine
zweite Jugend feiert. Manchmal, namentlich zu Beginn des
Abends, spricht die Mittellagc nicht so ganz leicht mehr an, aber
wie tönt dafür die Höhe, wenn er eine Note so mächtig voll
ausschwingen läßt! Das ist Hochgenuß! Da ist er noch immer
ein Siegfried des Tenors. Und wenn er dramatisch wird, dann
deklamirt er so markig, so wie aus Stein gehauen, daß es
Funken sprüht. Freilich hat er dann wieder Zetten, in denen er
merkwürdig weichlich und sentimental wird, und in denen der
Ton etwas affectirt Schmachtendes bekommt. Ein wenig Schat-
ten bei so viel Licht.
Frau Uzielli hat man hier nie so zu hören bekommen wie
gestern. Ihr Sopran klang ungemein weich und glockenrein, ihr
Vortrag innig und tief empfunden.
Frau Waltcr-Choinanus hat namentlich in der Tiefe
prächtige Töne und die Stimme der Frl. Wiegand ist eben
so fest, als kraftvoll und markig. Das Verdienst der Solostimmen
ist ein um so größeres, als der Höhe der Stimmen große, tech-
nisch oft recht gewagte Zumuthungen gestellt werden.
(Schluß folgt.)

Deutsch-Neu-Guinea.
Der Kolonialetat für 1899 bringt zum ersten Male
auch einen Vorschlag für das Schutzgebiet von Neu-
Guinea, der in Einnahme und Ausgabe mit 732000
Mark balanzirt. Der Vorschlag gründet sich auf die Vor-
aussetzung der Genehmigung eines unter dem 7. Oktober
d. I. zwischen dem Reichskanzler und der Neu-
Guinea-Compagnie abgeschlossenen Vertrages
seitens der gesetzgebenden Körperschaften. Der Wortlaut
des Vertrages ist dem Etat beigegeben und durch eine Denk-
schrift erläutert. Bekanntlich hat der Reichstag einen früheren
Vertrag, der gleichfalls die Ucbernahme der Landeshoheit
über das Schutzgebiet der Neu-Guinea-Compagnie auf das
Reich zum Gegenstände hatte, im Frühjahr 1896 abgelehnt,
aber gleichzeitig unter Billigung des Grundgedankens die
Erwartung ausgesprochen, daß ein anderer Vertrag auf
einer für das Reich günstigeren Grundlage werde vorgelegt
werden. Dieser Anregung folgend hat die Reichsregierung
die Angelegenheit weiter geführt und im Herbst 1896 dem
Kolonialrath zur Begutachtung unterbreitet. Der Letztere
sprach sich zu Gunsten einer alsbaldigen und völligen Ab-
lösung sämmtlicher Hoheitsrechte der Kompagnie durch
Zahlung von 4 Mill. Mark und eine Landabfindung von
100 000 Hektar aus. Auf dieser Grundlage ist weiterver-
handelt und der Vertrag vom 7. Oktober d. I. fertiggestellt
worden, welcher die einstimmige Billigung des Kolonial-
raths gefunden hat.
Der neue Vertrag zeichnet sich im Vergleich zu dem
früheren durch eine Reihe von Vortheilcn zu Gunsten des
Reichs aus. Statt der früher vorgesehenen Theilung des
Schutzgebietes in einen dem freien Verkehr geöffneten und
einen der Kompagnie unter Fortbestand ihrer Sonderrechte
auf 75 Jahre vorbehalteuen Bezirk soll jetzt die völlige
Ablösung aller Sonderrechte der Kompagnie für den ganzen
Bereich des Schutzgebietes erfolgen und zwar durch eine
Baarzahlung von 10 Jahresraten im Gesammtbetrage von
4 Mill. Mark und eine Landabfindung von 50 000 Hektar.
Der frühere Vertrag gestand der Kompagnie auch das aus-
schließliche Recht auf die mineralische Ausbeutung des ihr
dorbehaltcuen Gebiets ohne Entrichtnug von Gebühren
oder anderweiteu besonderen Beiträgen zu den Kosten der
Landesverwaltung zu. In dem neuen Vertrag sind ihr
bergrechtliche Privilegien nur in einem kleinen, von ihr ent-
deckten Flußgebiet verliehen worden. Außerdem hat die
Kompagnie dem Reiche eine Abgabe vom Reingewinn zu
bezahlen und cs steht dem Reichs frei, sich statt Bezugs
dieser Abgabe zur Hälfte an den Bergwerksunternehmungen
zu betheiligen. Der frühere Vertrag band das Reich in
allen auf Anwerbung, Unterbringung und Haltung von
eingeborenen Arbeitern bezüglichen Angelegenheiten an die
Zustimmung der Kompagnie. Der neue Vertrag giebt der
Reichsverwaltung auch in den Arbeiterangelegenhsiten freie
Hand.
Was die Abfindung der Kompagnie in baarem Gelds
und Land betrifft, so war allerdings auch schon in dem
früheren Vertrage der Regierung das Recht späterer
Ablösung aller Hoheits- und Sonderrechte der Kompagnie
gegen Zahlung von 4 Mill. Mk. und die Ueberweisung
von 14 000 sta Land Vorbehalten worden. Der neue Ver-
trag erleichtert aber dje Zahlung der Abfindung durch die
Stipulirung von 10 Jahresraten, was einer Zinsersparniß
von 600000 Mk. gleichkommt. Die Summe von 4 Mill.
Mk. erscheint aber auch darum in dem neuen Vertrage ge-
ringer, weil die Kompagnie inzwischen rund 2 Mill. Mk.
weiter für das Schutzgebiet aufgewendet hat. Weiterhin
ist der Kompagnie die Verpflichtung auferlegt, die Abfindung
* DaS Romanfeuilleton findet der Leser im heutigen
zweiten Blatt.
Weihnachts-Mysterium von Philipp Wolfrum.
Heidelberg, 13. December.
Man weiß, wie gern der Componist Liszt und Berlioz
huldigt. Man weiß auch, wie diese aus der Ueberrcizung, der
Ueberanspannung aller Kräfte und Mittel sich plötzlich nach dem
Einfachsten zurücksehnten. Weiter als sie ist Wolfrum ge-
gangen, indem er bis zu der naiven Frömmigkeit der mittel-
alterlichen Weihnachtsspiele, der Mysterien, zurückging und sie
neu zu beleben, „den Weg zurück ins Kinderland" zu finden
suchte. Er will sogar an eine neue Kunstgattung dabei denken,
in der das Bild, das augenfällige, körperliche Bild Mitwirken
soll. Vielleicht hat ihm auch hier Liszt vorgeschwebt, der einst
den Gedanken an seine symphonischen Dichtungen aufs engste mit
dem Diorama zu verknüpfen gedachte. Ich glaube, dem großen,
interessanten Werk Wolfrums ist nur ein Gefallen geschehen, wenn
gestern diese Bilder noch Zukunftsbilder blieben. Wo es sich
nicht wirklich um dramatische Kunst handelt, kann Alles, was die
Aufmerksamkeit ablenkt, nur vom Uebel sein. Eine absolute Kunst
muß ganz auf eigenen Füßen stehen, schon das Wort ist bei der
Musik fast eine Krücke, andere technische Hilfsmittel aber sind
künstliche Gliedmaßen. Die gestrige, ausschließlich musikalische
Aufführung könnte in anderer Form sicher nur eine Abschwächung
erfahren.
Wolfrum hat also zur urdeutschen, einen Jeden jenen „Weg
ins Kinderland" führenden Adventszeit sein Weihnachts-Mysterium
bescheert. Als Dichter hat er aus Schrift und Volkswort und
eigener Zuthat ein Spiel zusammengetragen, getreu dem alten,
halb kirchlichen, halb weltlichen Weihnachtsspiel. Und er hat
ihm die musikalische Seele Angehaucht. So ward Liefe neue,
geistvolle Schöpfung.
Die Heiligenbilder der alten Schule zeigen einen bekannten
Anachronismus: Juda mit den Zinnen Nürnbergs, deutscher
Tracht und deutschen Landsknechten. Wolfrums Heiligenbild
Kigt einen ähnlichen Anachronismus: Bethlehem, die Hirten,
die Krippe, und darüber alle dramatische Zauberpracht, wie sie
 
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