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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0473

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^Vhon-Anschluh Nr. 82.
259.

fiklilkllitiUt Ältllllll

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und den Plakatsäulen.

Erstes Klatt. Samia-, den 5. November

Telephon-Anschluß Ztr. 82.
IM?

Das Programm des neuen französischen
Ministeriums.
Paris, 4. Nov. Heute hat sich das Ministerium
Dupuy der Kammer voryestellt. Der Ministerpräsident
"ttlas folgende programmartige Erklärung:
, Meine Herren! Durch das Vertrauen des Präsidenten
Republik zu unserem Amt berufen, sind wir erfüllt
dem Bewußtsein der Schwierigkeit der Aufgabe, die
übernommen haben, und der Verantwortung, die sie
sich bringt. Im Einklang mit der Tagesordnung
25. October bekräftigen wir die Vorherrschaft
bürgerlichen Gewalt, die die Grundlage des
Aubllkanischen Staates bildet, und die Beobachtung der
Gesetze der Republik. (Beifall.) Wir werden die nationale
l?rmee den Schmähungen, die gegen sie gerichtet worden
nicht ausgesetzt sein lassen, wir werden sie gegen die
^blendeten Schmähungen schützen (Beifall im Centrum
links), die sie nicht erreichen. Wir meinen, daß die
^rniee um so mehr ein Recht auf den Schutz der Re-
gung hat, als sie nur in Ruhe und Sicherheit das
Herland wirksam Vertheidigen kann. (Beifall.) Das Werk
.^Justiz verlangt nicht weniger Ruhe und Achtung,
^stre Pflicht ist es, der Durchführung ihrer Beschlüsse,
sie auch lauten mögen, Achtung zu verschaffen. Das
auch das beste Mittel sein, um die Ruhe in den
^sMüthern wieder herzustellen, die durch eine Angelegenheit
^Ichästigt gewesen sind, die nur zu lange die Aufmerk-
Mkeit des Landes auf sich gezogen hat. (Beifall). Noch
bdere Fragen nehmen aber unsere Aufmerksamkeit in
Spruch. Die Regierung wird sich die Interessen
La nd esvertheidi gu ng im Innern wie im
Äußern angelegen sein lassen im Interesse der nationalen
Wohlfahrt. Wir werden auch darauf bedacht sein, die
Öffnungen, die Frankreich im Auslande erweckt hat,
?dem es allen Nationen zu dem großen Arbeits- und
miedensfest von 1900 ein Stelldichein gegeben, zu recht-
'ertigen. Die fremden Völker müssen, wenn sie zur Welt-
ausstellung nach Paris strömen, erkennen, daß die
edauernswerthen Zwischenfälle der letzten Zeit unserem
Gewerbe, unserem Handel noch Zeit genug gelassen haben,
'U .ihre Pflichten gegen die Außenwelt und gegen sich
7 Sn erfüllen. (Sehr gut!) Frankreich darf nichts ver-
^chlässigen, um seine Lage, die ihm seine Loyalität, seine
?^rke und seine Friedensliebe verschafft haben, zu be-
^üpten. Es muß dahin streben, die Lage, die unter
?? Augen der Welt durch ein kostbares Bündniß
Mtjgt worden ist, noch zu stärken. Unsere aus-
wärtige Politik wird sich von den wohlverstandenen
>wteressen des Landes leiten lassen. Sie wird besonders
nrauf achten, daß der Anfang mit dem Werth des Zwecks
nichtigen Verhältniß steht. Sie wird sich auf das
Parlament stützen, dem alle Mittheilungen über alle Fragen
Hetzen werden, sie wird mit Methode und mit Würde
^iten, wie Sie ein Recht haben, von ihr zu erwarten.
sind, meine Herren, ein einiges Kabinet von
^Publikanern und entschlossen, nur eine Politik
Fortschrittes und der Reformen durch-
Wühreii.
Zu den einzelnen Programmpunkteu übergehend, er-
^s^Dupuy: Wir verlangen von Ihnen, um die Thür-
Fenstersteuer zu ersetzen, daß Sie den Entwurf
. sr die Einkommensteuer annehmen, der auf die
.Usteren Zeichen des Vermögens aber ohne jede Be-
.^ugung und Ungerechtigkeit begründet ist. Diese Ein-
^wlNenfteuer wird degressiv sein, sodaß sie für die kleinen
^Uerzahler leichter zu tragen ist und daß sogar die

unterste Stufe vollständig frei bleibt. Wir halten den
Entwurf, den unsere Vorgänger eingebracht haben, auf-
recht und werden den Senat ersuchen, sobald als möglich
das Gesetz über die Erbschaftssteuer, das die Kam-
mer mit großer Mehrheit angenommen hat, auf die Tages-
ordnung zu setzen. Wir wollen auch die Annahme der
Getränkesteuerreform betreiben. Wir werden diesen
Fiskalreformen ein Gesetz hinzufügen über die Alters-
versorgung der Arbeiter der Städte und der Land-
wirthschaft, dessen Annahme durch die Kammer die Demo-
kratie erwartet und in dessen Durchführung wir eine
soziale Pflicht erblicken. Wir verlangen die baldige Annahme
gewisser wichtiger Gesetze im Interesse der Land-
wirthschaft, besonders desjenigen über die Organisirung
des landwirthschaftlichen Kredits und der landwirthschaft-
lichen Versicherung, sowie eines Gesetzes über die Entwick-
lung des kleinen landwirthschaftlichen Besitzes. Da wir
dem Gedeihen unserer nationalen Industrie besondere
Aufmerksamkeit schenken, so werden wir das wirthschaftliche
Regime sowie die Stabilität der Zolltarife beibe-
halten. Wir sind entschlossen, an diesem Zolltarif nur
diejenigen Aenderungen oorzunehmen, welche die wirthschaft-
lichen Wandlungen und die höheren Interessen des Landes
gebieten. Das, meine Herren, sind unsere Vorschläge, das
sind unsere Absichten. (Lebhafter Beifall im Centrum und
links.)
An die Erklärung der Regierung schloß sich eine kleine
Debatte an.
Der Sozialist Mirman besteigt die Rednerbühne, fragt an,
inwiefern sich die Politik des jetzigen »kabinets von der Politik
des vorigen unterscheide. Wird die neue Regierung größere An-
strengungen machen, um den Gesetzen der Republik Achtung zu
verschaffen? Was wird die Regierung thun, um eine Verfas-
sungsrevision durchzuführen? (Gauthier de Clagny: Man kann
doch nicht alle Revisionen zusammen betreiben. Lachen.) Welche
Bedeutung hat die Anwesenheit Freycinets auf der Minister-
bank? Es ist vor Allem nothwendig, die disciplinarwidrigen
Handlungen der Generäle zu ahnden. In dieser Beziehung hat
Freycinet früher eine zu große Schwäche bewiesen. (Lärm.
Freycinet von seiner Bank: Die öffentliche Meinung hat die
Worte, die Sie da reden, bereits gerichtet!) Mirman tadelt dann
die Offiziere, die durch Wort und That die Gesetze der Republik
mißachtet hätten. (Dsrouläde schreit gestikulirend von seiner
Bank und wird zur Ordnung gerufen.)
Freycinet erhebt Widerspruch von seinem Sitze aus und
ruft: Ich werde den Gesetzen der Republik Achtung zu verschaffen
wissen, aber auch der Armee! (Beifall.)
Mirman fordert die Kammer nnd die Regierung auf, noch
einmal zu bekräftigen, daß daS Kabinet sich nur auf eine repu-
blikanische Mehrheit stützen werde. (Beifall links.)
Nach längerer Debatte wird schließlich mit 429 gegen
64 Stimmen folgende Tagesordnung angenommen:
„Im Vertrauen auf die Absicht der Regierung, eine Politik
der Reformen einzuschlagen und sich auf eine ausschließlich
republikanische Mehrheit zu stützen, geht die Kammer zur
Tagesordnung über." Das Kabinet Dupuy hat also die
erste parlamentarische Probe glücklich bestanden.

Deutsches Reich.
— Aus Jerusalem wird gemeldet, daß der Kaiser
beim Besuch des katholischen Hospizes am 2. d. aus eine
Ansprache des Pater Schmidt folgendermaßen erwiderte:
Zunächst danke Ich Ihnen für Ihre patriotische Ansprache.
Ihre Anstalt stehl, wie Sie sagen, unter meinem Schatten. Dieser
Schatten geht von demselben schwarz-weißen Schilde aus, den
Ich ausgeslreckt habe auch über Ihre Brüder und Glaubens-
genossen, welche im fernen Osten ihr Leben nnd ihr Blut ihrem
Heiland zu Liebe für die Ausbreitung des Evangeliums etnsetzen.
Sie zu schützen ist jetzt Mein Bruder draußen mit der gepanzer-
ten Macht Meiner Schiffe, deren Flagge auch hier schützend üver
Ihnen weht. Bet Meiner Heimkehr ins Vaterland werde Ich
dafür Sorge tragen, Saß Ihre Landsleute erfahren sollen, wie
mühsam Sie hier draußen arbeiten und welche vortrefflichen Re-

sultate Ihre Anstalt anfzuweisen.hat, deren ausgezeichneter Ruf mir
bereits zu Ohren gekommen ist. Sie ist in der That ein Segen
für die hiesige Bevölkerung und für das hiesige Land.
Nachdem hierauf Namens der Anstaltszöglinge ein
arabisches Mädchen in deutscher Sprache eine Huldigung
an die Majestäten vorgetragen, sangen alle Kinder gemein-
sam in arabischer Sprache ein Gedicht, welches der hohen
Freude über den Besuch des Kaiserpaares Ausdruck gab
und für dasselbe langes Leben, Glück und Segen erflehte.
Baden. L. 6. Karlsruhe, 4. Nov. Die Ab ge-
ordneten wählen in Donaueschingen, Meßkirch nnd
Mosbach finden am 2. Dscember statt.
Preußen. Nunmehr sind sämmtliche Resultate
der preußischen Landtagswahlen bekannt: 147
Konservative, 57 Freikonservative, 99 Centrum, 1 Reform-
parte', 74 Nationalliberale, 10 Freisinnige Vereinigung,
24 Freisinnige Volkspartei, 1 Demokrat, 3 Bund der
Landwirlhe, 14 Polen, 2 Dänen, 1 Fraktionsloser. Die
Linke hat einen Zuwachs von 17 Mandaten zu ver-
zeichnen.

Aus der Karlsruher Leitung
— Seine Königliche Hoheit der Grobherzog haben den
Gerichtsschreiber Heinrich Lederle beim Amtsgericht Adelsheim
in gleicher Eigenschaft zum Amtsgericht Gengenbach versetzt.
Aktuar Christian Klotz wurde zum Gerichtsschreiber beim Amts-
gericht Adelsheim ernannt.
— Der Beginn der Spätjahrsprüfung der Rechts-
kandidaten ist auf den 23. November festgesetzt worden.
Karlsruhe, 4. Nov. Der Graßherzog von Sachsen
traf gestern Abend halb 10 Uhr in Baden-Baden ein.
Derselbe wurde am Bahnhof vom Großherzog begrüßt und
zum Großh. Schlosse geleitet, wo die Großherzogin ihren
Onkel freudig empfing und in seine Wohnung führte. Am
Bahnhof waren zum Empfang anwesend der Amtsvorstand
Geh. Regierungsrath Haape und der Oberbürgermeister
Gönner. Heute Mittag empfing der Großherzog den Geh.
Justizrath und Oberauditeur Freiherrn von Richthofen,
bisher Corpsa iditeur des 14. Armeecorps, in gleicher
Eigenschaft zum 6. Armeecorps versetzt, welcher sich vor
seiner bevorstehenden Abreise nach BreSlau meldete. Nach-
mittags besuchten die höchsten Herrschaften die Gemälde-
ausstellung im Conversationshause.

Ausland.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 4. Novbr. Das älteste
Mitglied des Kaiserhauses, die84jährige verwittwete Groß-
herzogin von Toscana, Maria Antonia, Mutter des
verschollenen Johann Orth, liegt in ihrer Villa in Traun-
see bei Gmunden im Sterben.
Frankreich. Paris, 4 Nov. Infolge des Minister-
rathes wurde die Ernennung von Jules Legrand zum
Unterstaatssckretär im Ministerium des Innern und von
Monge ot zum Unterstaatssekretär für Post und Tele-
graphen vollzogen. Ferner wurde der bisherige Comman-
dirends des XI. Armeecorps, General Brault, zum Chef
des Gencralstabes der Armee an Stelle des Generals
Renouard ernannt, der dafür das Commando des XI.
Armeecorps übernimmt. Zum Cabinetchef des Kriegs-
ministers wurde General Samard ernannt. (Da Ge-
neral Renouard als Revisionsgegner bekannt war, ist seine
Absetzung von der Stelle des Chefs des Großen General-
stabs bemerkenswerlh.)
England. London, 4. Nov. Ungeachtet der be-
stimmten Angaben über die Räumung Faschodas,
die in oberflächlicheren Geschäftskreisen eine günstigere
Stimmung erzeugen, bleibt die Lage vorderhand ernster
als je. Hinter der Faschodafrage steigen die Fragen der

Das Romanfenilleton findet der Leser im heurigen
^iten Blatt.___
Stadttheater.
Heidelberg, 4. November.
-v »Faust" von Gounod. Aus dem eisernen Bestand unseres
«^Mnrepertoirs ist dieses Mal das unverwelkliche französische
g^hervorgeholt worden, und zwar mit sehr erfreulichem Ge-
.Diese Aufführung war ganz besonders geeignet, Musikdirektor
As Qualitäten ohrenfällig erkennen zu lassen.
S!,.Merordentlich stramm und präzis hatte er die, für unsere
t^Enisse besonders anspruchsvolle Oper einstudirt. Die Hal-
les? , Orchesters — die Ouvertüre und das letzte Vorspiel
beredtes Zeugniß ab — war eine wirklich hochcrfreuliche,
Vvwkl? "0^ rn°hr Zurückhaltung (Valentins Sterbescene) zu
werd^"' d" in dem kleinen Saal leicht die Stimmen gedeckt
C-,^flonders wohlthuend berührte das sichere Auftreten des
Wrk l Bestreben zu dämpfen und zu nüanciren. Die rhyth-
Äis schwierigen kleinen Chorfragmente zu Beginn des zweiten
lecher gestelltere" Mcifellos auf Grund gründlichen Drills so
über lebensgroß war die Ausgestaltung des Mephisto,
>vj,.?„ben Karlsruher Gast, Herrn Keller, neben dem Faust
siech» H Worte rechtfertigte „der große Hans, ach wie so
W.'.,Herrn Kellers künstlerische Eigenschaften entsprechen zum
seinen körperlichen. Sein Baß ist ein prachtvoller, ganz
tr-tchgewöhnlicher, in allen Lagen voll- und wohlklingender, der
Ezechten Baßnatur eine sympathische Weichheit aufweist,
»ich»??-- "hl- eine so künstlerische, feststehende, sichere, musikalisch
Bekw„ 2 ausgearbeite Leistung, bei solchem Organ, mit innigem
Fug genießen zu dürfen. Der Karlsruher Bassist wird mit
Äuu ""b Recht unter den ersten seines Faches genannt. Möge
lassen , ihm "sie Segnungen seiner Schulung zu Theil werden
Herr sseinem frischen, intakten Organ Abbruch zu thun.
laiin er deklamirt heute schon musterhaft (Mottl I), und doch
wan noch von ihm sagen, daß er schön singt.

Das Opern-Grelhchen, einn mit Entrüstung vom deutschen
Publikum angefeindet, ist längst eine feststehende, liebgewonnene
Gestalt geworden. Frl. Arnold hat die Partie zweifellos oft
gesungen. Sie läßt das schlichte, harmlose Bürgerktnd von vorn-
herein und durchweg etwas zu tragisch und ernst erscheinen, aber
sie gestaltet die Rolle vornehm, sicher und klar. Sie beherrscht
sie musikalisch so vollkommen, daß eine Schwankung, wie in der
Schmuckarie, überrascht. Das Dramatische, bei dem sie ihr
Stimmmaterial voll geben kann, gelingt ihr am besten, anderer-
seits gab die Schmuckarie eine hübsche Probe ihrer sauberen, ge-
fchulten Coloratur. Grethchen war vielleicht das Beste, was Frl.
Arnold bisher bot. Was di- Anerkenung einschränkt, ist einer-
seits eine gewisse Kälte, die ihr zu eigen, und dann der Krebs-
fchaden ihres tremolirenden, oft schleifenden Tones.
Ob Frl. Arnold das wieder wird beseitigen können, ist
eine Frage. Daß es Frl. Freytag noch kann, ist zweifellos.
Ihr frisches, angenehmes Organ ist ausgiebig, und sie spielt und
singt mit Temperament. Aber Eines muß sie auf den Weg mit-
nehmen, eben einen festen, nicht flackernden Ton. Im Uebrigen
berührte ihr netter Siedel sehr angenehm.
Außerordentlich wacker auf ihrem Posten hielt sich wieder
Frl. Scebach. Ihre sympathische Stimme klang gestern be-
sonders gut und ihr Spieltalent bewährte sich in der drastischen
Art, wie sie Frau Martha Schwertlein einzuführen wußte.
Der Opernfaust ist nur ein liebender Heldentenor, aber etwas
faustisch muß er doch anmuthen. Was man Herrn Gabel-
mann, der dieser liebende Heldentcnor war, nachrühmen kann,
ist, daß er sich einer diskreten Behandlung seiner unstreitig
schönen Stimme, in der schwierigen Partie, bet erfreulicher
musikalischer Sicherheit befleißigte, wodurch das Organ weniger
flach und nasal wird. Seine Phrasirung nimmt sich freilich
noch ganz mechanisch und erlernt aus. Schauspielerisch trennt
ihn bis jetzt ein tiefer Abgrund von der Zulänglichkeit, er muß
sich noch mit einer Stellung und zwei Gesten so nothdürftig
durchhelfen. . „ , , „
Ein trefflicher, ernster Künstler ist m Gesang wie spiel Hr.
Görger. Hervorragend schön, vornehm und dramatisch belebt,
aus einem Guß gab ec seinen Valentin. Seine Arie und die

Sterbescene waren neben Herrn Kellers Gaben der musikalische
Glanzpunkt des sehr erfreulichen Opernabends.
Dem Vortheilhaften, abgerundeten Gesammteindruck zeigte sich
das Publikum vollauf zugänglich. vr. 8.

Vermischtes.
— Wie unsere Kaiserin Ansichtspo st karten
schrieb, erzählt der Konstantinopeler Mitarbeiter der Schles.
Ztg. Es war beim Abschied von der deuschen Schule in Pera.
Die Herrschaften waren schon an Bord der „Hohenzollern", als
eine Abordnung der deutschen Kolonie, bestehend aus den Herren
v. Kapp, Sitz und Meißner, erschien, um dem Kaiser zu danken
und Lebewohl zu sagen und der Kaiserin die letzten Blumen zu
überreichen. Auf die Abschiedsworte des Herrn v. Kapp er-
widerte der Kaiser: „Ich lasse die Kolonie bestens grüßen und
den Schulkindern herzlich danken." Als die Abordnung schon
wieder in ihrem Boote saß, um ans Land zurückzurudern, rief
der Flügeladjutant Oberst Mackensen: „ Meine Herren, warten
Sie ein bischen, sie möchten für Ihre Majestät ein paar Post-
karten besorgen." Die Kaiserin lehnte an der Reeling und
schrieb Ansichtskarten an „ihre Vier" in Potsdam und an „ihre
Drei" in Plön, die etwa folgenden Inhalt hatten: „Herzliche
Grüße an Euch alle vier. Wetter schön. Papa und an Bord
alles wohl. Mama." Kaum war das Boot wieder in Bewegung,
als seine Insassen noch einmal zum Halten aufgefordert wurden,
weil Ihre Majestät noch 5 Postkarten besorgt haben möchte.
„Das Porto kleiden wir Ihnen schuldig, bis wir wiederkommen",
rief Oberst Mackensen den Herren nach, und dann setzte sich die
„Hohenzollern" in Bewegung. Die Ansichtskarten der Kaiserin
wurden nicht der Post übergeben, sondern werden durch den
Botschaftskurier an ihre Adressen befördert werden.
— (Dilemma) A.: Emil Schmidt und Anna Weinholz
sind also immer noch nicht verheirathet? — B.: Nein, sie
will ihn nicht heirathen, devor er seine Schulden bezahlt hat.
nnd er kann seine Schulden nicht bezahlen, bevor cr nicht
geheirathet hat.
 
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