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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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Wckk V Ait«»S

Xr. 153.

Dienstag, de« 5. Juli

1898

Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.
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mit Familienblättern
, monatlich 50 Pf.
frei in'S Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1-25
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Telephon-Anschluß Nr. 82.

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

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gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
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Der amerikanisch-spanische Krieg.
Nach dem gestern veröffentlichten Telegramm schien die
Situation bei Santiago de Kuba sehr klar zu sein: Die
Flotte Cervaras im Hafen von Santiago vernichtet und der
Drt von General Shafter umzingelt und zur Uebergabe
^gefordert. Die heute vorliegenden ausführlichen Nach-
richten haben indessen die Situation, statt sie weiter zu
erhellen, verdunkelt. So erhebt sich die Frage: welche
spanischen Schiffe sind denn eigentlich vernichtet worden, die
in Santiago liegenden oder andere? Die ausführlichen
Nachrichten sprechen nämlich nicht so sehr von Santiago
wie von Manzanillo, das ein gutes Stück westlich von
Santiago liegt.
London, 4. Juli. Eine Depesche von der Höhe von
Santiago vom 3 ds. meldet: Als Lampion in Eriahruna
gebracht harre, daß drei spanische Torpedoboote in
Manzanillo seien, gab er der Hist, der Hornel und der
-Vampatuck Befehl, die Boote zu vernichten. Die Amerikaner
drangen in den Hasen ein, wo sie neun (?) spanische Schiffe
wndcn, unter denen sich ein Torpedoboot und ein Kreuzer in
sichelförmiger Aufstellung unter dem Schutze der Strand-
datleriecn und spanischer Infanterie befanden. TerKampf dauerte
Mehrere Stunden. Die Amerikaner bohrten ein Kanonenboot,
eine Schaluppe und ein Ponton in den Grund, beschädigten
Mehrere Kanonenboote und die Strandbatterieen. Aber die
Hist wurde 11 mal von Granaten getroffen und die Hörnet
wurde außer Gefecht gesetzt, sodaß die Hist die Hörnet zurück-
schleppen mußte, während die Wampatuck den Rückzug vor
der spanischen Uebermacht deckte. Die amerikanischen Schiffe
demert-en den Transportdampfer Purissima Concepcw.r und
zwei andere große Transportschiffe in Manzanillo. Die Hist
drang in die Neguirabuchl ein, wo sie ein spanisches Kanonen-
boot ,n den Grund bohrte und Jagd machte auf ein Truppen-
transportschiff, das schließlich scheiterte. (Die spanischen
Kanonenboote in dem Gran Bajo de Buena Esperanza bei
Manzanillo sind nur ganz kleine flachgebende Fahrzeuge aus
Holz oder Eisen von 100 bis 300 Tonnen.)
Madrid, 4. Juli, 1,30 Nachm. Einer amtlichen Depesche
aus Havanna zufolge hat das Geschwader Gerberas
^-anriago de Cuba verlassen und den Kanal, der in
den Hafen führt, ohne jeden Zwischenfall passirt. Von der offenen
See her hörte man eine heftige Kanonade. Man oermuthet, daß
es mit dem feindlichen Geschwader zum Kampfe gekommen ist.
Das Ergebniß desselben ist unbekannt.
Newyork, 4. Juli. Eine von gestern datirte Depesche
aus Playa del Este meldet zum Untergang des Geschwaders
Cervaras, daß die Spanier ihre Schiffe in der Nähe der Küste
aufstellten und sodann in Brand steckten. Bis auf ein Schiff
flogen alle in die Luft.
Nach dem Vorstehenden ist man zu der Annahme ge-
nöthjgt, daß gleichzeitig zwei Actionen zur See statt-
gefunden haben, die eine im Hafen von Manzanillo, die
andere außerhalb des Hafens von Santiago, den die
Flotte Cerveras verlassen hatte. Näheres bleibt abzu-
warten.
Die Landgefechte am Freitag wie am Sonntag
scheinen auf beiden Seiten große Opfer gefordert zu
haben.
Madrid, 4. Juli. Die spanische Regierung verschw eigt
den G esammt verlust vom Freitag in El Caney. Es scheinen
die Verluste besonders groß gewesen zu sein, denn hier war der
Kampf äußerst heftig und die Spanier wurden beinahe auf-
gerieben. General Vara de Rey fiel, er befehligte die aus vier
Kompagnicen bestehende Besatzung von El Caney. Verwundet
wurden außer vielen anderen Offizieren die beiden Adjutanten
des Generals Linares, ferner zum zweiten Male Oberst Ordonez >

und die Majore Araiz, Samadriolo und Dominguez. Einzel-
heiten über die Vorgänge bei Aguadores fehlen noch. Die Re-
gierung betont die ungeheure feindliche Uebermacht, um den un-
günstigen Eindruck abzuschwächen. Auf der spanischen Seite
kämpften 2000 Mann t?) gegen 17 000 Amerikaner und 5000
Aufständische und 82 Geschütze, die übrigen 3000 Spanier mußten
die Stellungen an der Küste bewachen. Die spanischen Verluste
sind zugegebenermaßen sehr groß, die der Amerikaner geradezu
ungeheuer.
Madrid, 4. Juli. Ueber die Vorgänge vom Sonntag ist
noch nichts Bestimmtes bekannt. General Linares, dem der
Arm abgenommen werden mußte, soll gestorben sein. Die
Verzögerung der Ankunft der Verstärkungen wird dadurch erklärt,
daß die Truppen einen großen, aus 300 Karren bestehenden
Proviantzug zu begleiten hatten, der auf den schlechten Wegen
nur mühsam vorwärts gebracht werden konnte. Blanco konnte
nicht mehr Truppen senden, da der Aufstand infolge des ameri-
kanischen Eingreifens zunimmt. Die Regierung fist auf das
äußerste wegen der Schiffe Cerveras besorgt. Die
Eindrücke sind sehr pessimistisch und das Publikum verlangt nach
Einzelheiten. Die Minister verließen den Ministerrath in recht
gedrückter Stimmung, aber sie rühmten die Tapferkeit des Heeres.
Auch die Abendblätter preisen das denkwürdige Heldenthum der
Besatzung Santiagos und meinen, Spanien könne auf eine
solche Niederlage stolz sein.
Lo n d on, 4. Juli. Die Times meldet ausNew-Aork
vom 3. ds., einer Depesche des New-Uork Herald aus
Washington zufolge sollen 15000 Mann Verstärkungen so-
bald als möglich von Tampa abgesandt werden. General
Miles wird sich zur Front begeben und den Oberbefehl über
die gesammte Armee übernehmen.
Am Freitag haben die Amerikaner die Positionen von
El Caney und Aguadoras bei Santiago genommen, am
Samstag mit Anbruch des Tages erneuerte die Armee
Shafters den Kampf mit dem Entschluß, vor Sonnen-
untergang Santiago zu nehmen. Während die Truppen
der Amerikaner zwischen El Caney und Santiago von
Nordosten her anrückten, stießen andere Divisionen von
Süden her vor und wieder andere marschirten gegen Osten
und gegen das Centrum der Stadt. Die gesammte
Flotte bombardirte ohne Unterbrechung die Batterien
des Hafens. Eine maskirte spanische Batterie eröffnete
das Feuer gegen ein Regiment Freiwilliger, das
einen Fußpfad hinaufklomm, und richtete in seinen
Reihen große Verheerung an. Aber das Regiment hielt
sich brav, vertrieb die Spanier und brachte ihnen große
Verluste bei. Auch die irreguläre Reiterei sah sich einem
sehr lebhaften Feuer ausgesetzt. Ein heftiger Kampf ent-
wickelte sich bei San Juan, der zwei Stunden dauerte
und schließlich die Spanier zwang, sich eiligst auf Sant-
iago zurückzuziehen. Fünf Regimenter Kavallerie, unter-
stützt von zwei Regimentern Infanterie, nahmen San Juan,
aber die Verluste waren empfindlich. Ein Ballon, der im
Gefechte vortreffliche Beobachtungsdienste geleistet hatte,
wurde von den Spaniern zum Bersten gebracht. — Einen
durchschlagenden Erfolg scheint der Samstag den Ameri-
kanern nicht gebracht zu haben, denn General Shafter
telegraphiere nach Washington, daß er die Operationen
einstelle, bis er Verstärkungen erhalten habe.
Washington, 3. Juli. Die schlimmen Vorahnungen, welche
Jedermann seit 24 Stunden bedrückten, wurden heute Nachmittag
erfüllt, als das Kriegsdepartement von General Shafter die Nach-
richt erhielt, er würde mit seinen jetzigen Truppen Santiago nicht
erstürmen können. In des Kriegsministers Alger Zimmer fand
ein eilig zusammenberufener Kriegsrath statt, der entschied, daß
Shafters Depesche sofort publizirt werden solle. Der volle Text
erweckte allgemeine Bestürzung, weil Shaster nicht nur sagt, er
sei unfähig, die Stadt zu nehmen, sondern auch die Zahl der
Verwundeten und Tobten auf Tausend ansetzte.
Wenn nun gemeldet wird, daß Shafter die Stadt
Santiago Sonntag früh aufgefordert habe, sich zu ergeben,
so muß er inzwischen neue Hoffnung geschöpft haben,
daß seine Kraft doch zur Einnahme des Ortes hinreicht.
Vielleicht sind es die amerikanischen Erfolge zur See, die
ihn zu diesem Vorgehen ermuthigt haben.'

Deutsches Reich.
Berlin, 4. Juli.
— Ueber die Zusammensetzung des Reichs-
tages nicht nach der Parteizugehörigkeit, sondern nach
der Geburt der Mitglieder, schreiben Berliner Blätter:
Der Adel ist im Reichstag zahlenmäßig nicht mehr so
stark vertreten, wie in den früheren Reichstagen.' Im
Jahre 1871 hatte der Reichstag 160 adlige Mitglieder,
1881 147, 1890 126, 1893 102 und 1898 sind nur
noch 88 Adlige gewählt worden, darunter 6 Fürstlich-
keiten. Keinen adligen Namen weisen die freisinnige Ver-
einigung, die freisinnige Lolkspartei und die süddeutsche
Volkspartei auf. Die Sozialdemokraten haben zwei adlige
Mitglieder: v. Vollmar und v. Elm, beide ehemalige
Offiziere. Die Welfen sind sämmtlich adlig. Von den
Polen sind fünf Siebentel, von den Konservativen zwei
Drittel, von den Nationalliberalen ein Achtel, vom Centrum
ein Zehntel adlig.
— Die Aufrechnung der für n atio nal l ib erale
Kandidaten in Hannover abgegebenen Stimmen ergiebt,
daß in der Hauptwahl 1893 im Ganzm 110 865, bei
den diesmaligen Hauptwahlen 111866 Stimmen abge-
geben worden sind. Trotz der leidenschaftlichen Agrar-
agitation hat also die nationalliberale Partei in dieser
Provinz 1001 Stimmen gewonnen. Die Stimmen, die
der Bund der Landwirthe zu einem großen Theil dank
landräthlicher Förderung abgesplittert hat, sind etwa
22000, einschließlich der mit dem Bund marschirten Anti-
semiten, Nationalsozialen und Jmpfgegner.
— Fortgesetzt laufen aus allen Theilen des Reichs
Nachrichten über Bedrohungen oder Ausschrei-
tungen von sozialdemokratischer Seite anläßlich
der Wahlen ein. So wurde ein Herr in Leipzig, den
man für den dort gewählten Reichstagsabgeordncten Hasse
hielt, auf offener Straße gröblich insultirt, als er mit
seiner Frau an einer Gruppe von Arbeitern vorüberging.
Erst auf die Bcthcuerung der Frau, daß sie im Jrrthum
seien, ließen sie von ihm ab. „Wenn es aber Hasse wäre",
rief einer der Arbeiter, „wir hätten ihm die Knochen im
Leibe entzwei geschlagen!" So werden die schönen Theo-
rien dieser „freien" Männer in Thaten umgesetzt!
— Wie bereits gemeldet, hat der Kaiser kürzlich
dem L eib grcn ad ierreg im ent Prinz Friedrich
Wilhelm III. (1. brandenburgisches) Nr. 8 in Frank-
furt a. d. O. eine besondere Auszeichnung verliehen, näm-
lich den Mannschaften weiße Litzen und den Offizieren
goldene Stickerei am Kragen und Aermelpatten. In der
Straßburger Uniformfabrik „Kaiser Wilhelm" von W.
Welhausen ist unterdessen ein Waffenrock mit solcher
Stickerei hergestellt worden. Ein Gewährsmann, der sie
gesehen, schreibt der Straßb. Post darüber: „Die kostbare,
überaus mühsame Stickerei bietet für ein preußisches Auge
einen ganz ungewohnten Anblick. Sie hat nicht die ge-
ringste Aehnlichkeit mit den bekannten Gardelitzen, sondern
bietet eine Art von stilisirten Blumenmustern, die in ge-
schlängelten Zügen ausgeführt sind. Man glaubt, eine
rumänische, südamerikanische oder sonstige exotische Uniform
vor sich zu haben. Alles Ungewohnte wirkt im ersten
Augenblick befremdend, deshalb dürfte das Urtheil auch in
diesem Falle in der Armee ein zurückhaltendes sein."
— Ein wenig Renommiren läßt man sich gefallen; aber
wie es die deutsch-soziale Presse macht, das geht
denn doch über das erlaubte Maß hinaus. So veröffent-
licht die deutsch-soziale Presse einen Artikel, .der wie folgt
beginnt:
Die Schlacht ist geschlagen. Blicken wir zurück auf den
Kampfplatz, so sehen wir, soweit bis jetzt schon erkennbar, auf

Ein Griff in's Leben.
12) Novelle von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
„Ist das alles?" fragte er ruhig. „Und woher, mein
Lieber, ist Dir mtt einem Mal solche schreckliche Gewißheit
gekommen."
„Woher? Aus der Ohnmacht, in der ich mit meinem
Stoffe ringe, ohne ihn bewältigen zu können — aus dem be-
schämenden Anblick des jammervollen Pfuschwerkes, das da
unter meinen Händen entsteht. Ich denke, man braucht keine
besseren Beweise als diese."
„Nun, es kommt darauf an. Möchtest Du mir nicht ge-
statten, das jammervolle Psuschwerk, das Du da so ängstlich
Hutter einem Vorhang verbirgst, einmal in Augenschein zu
nehmen, Herbert?"
Aber der Maler schüttelte entschieden abweisend den Kopf.
. „Verlange das nicht, denn ein gegebenes Wort würde
mich hindern, Deinen Wunsch zu erfüllen, auch wenn ich
Neigung verspürte, mich Deiner vernichtenden Kritik preis-
zugeben."
„Ein gegebenes Wort — das ist freilich ein unüberwind-
liches Hinderniß. Und ich will Dich gewiß nicht verleiten,
es zu brechen. Nehmen wir also an, daß Deine ungünstige
Meinung zutreffend ist und daß Du Dich da an eine Aufgabe
gemacht hast, die Deine Kräfte vorläufig noch übersteigt. Weß-
halb aber — Du wirst mir die Frage schon gestatten müssen
—. beharrst Du dann eigensinnig dabei, Dich in diesem zweck-
losen Ringen nach dem Unmöglichen aufzureiben? Webhalb
wirfst Du eine Arbeit, an deren glücklicher Vollendung Du
verzweifeln mußt, nicht kurz entschlossen bei Seite, um Dich
an eine leichtere oder Deinen Talenten besser entsprechende
zu begeben?"
„Weßhalb ich es nicht thue? Weil ich lieber den letzten
Rest meiner Kraft daransetzen und lieber in diesem Kampfe
zu Grunde gehen will, ehe ich feige die Flucht ergreife. Ein

Künstler, der den Glauben an sich selbst verloren hat, ist das
beklagenswertheste Geschöpf auf Erden, und ich habe wahrlich
keine Lust, die Zahl dieser Unglücklichen zu vermehren. In
wenig Tagen wird mein Bild vollendet sein. Gut oder schlecht
— gleichviel — binnen heute und einer Woche werde ich den
letzten Pinselstrich daran gethan haben. Und dann soll die
Entscheidung fallen. Muß ich aus dem Munde der Person,
die ich zur Richterin über meine Zukunft genommen habe,
ein verdammendes Urtheil vernehmen, so schwöre ich Dir, daß
ich nie mehr —"
Mahnend und abwehrend erhob Doktor Lindner die
Hand.
„Schwöre mir nichts, Herbert! Du befindest Dich wahr-
lich nicht in dem Gemüthszustande, in dem man Gelöbnisse
für die Zukunft ablegen soll, sich selbst so wenig als anderen.
Natürlich ist Frau Jutta von Greiffenhagen die Richterin,
die Du Dir erwählt hast."
„Weßhalb fragst Du mich danach? Du borst doch, daß
es sich um unabänderliche Dinge handelt. Erspare es Dir
also, mir durch irgend welche spöttische Bemerkungen wehe
zu thun, die sich gegen die Person der Frau von Greiffen-
hagen richten."
„Etwas derartiges lag auch gar nicht in meiner Absicht-
Aber ich hoffe, Du wirst es nicht schon für eine Beleidigung
ansehen, wenn ich zu erfahren wünsche, ob Du schon einmal
daran gedacht hast, Dich über die Verhältnisse und Vergangen-
heit der Dame zu unterrichten, der Du Dich ja, wie es scheint,
mit Leib und Seele zu eigen gegeben."
„Es gab für mich nicht den geringsten Grund, solche Nach-
forschungen anzustellen. Mir genügt, was ich sehe und höre,
wenn ich in ihrer Gesellschaft weile — ich verehre ihre Schön-
heit und ihren Geist. Was sollten mich da ihre Verhältnisse
und ihre Vergangenheit kümmern.
„Für einen Verliebten mag das ja ein ganz plausibler
Standpunkt sein. Daß aber ein anderer ihn auch nur Halb-
wegs vernünftig finden könnte, möchte ich doch sehr stark be-
zweifeln."

„Du bist eben ein Philister," warf Wallfried ungeduldig
ein, „und Dein unausrottbares Vorurtheil gegen diese Frau
läßt Dich wahrscheinlich allerlei Schlimmes in ihrer Ver-
gangenheit wittern. Aber Du vergissest, mein Lieber, daß sie
hier in den Kreisen der besten Gesellschaft verkehrt, und daß
jene Kreise in der Wahl ihres Umganges vorsichtig genug zu
sein pflegen. Alle Welt weiß, daß Jutta von Greiffenhagen
die Wittwe eines vor zwei Jahren verstorbenen süddeutschen
Edelmannes und Grundbesitzers ist. Soll ich etwa einen
Detektive besolden, um zu erfahren, was sie von ihrer Geburt
bis zu ihrer Verheirathung an jedem Tage ihres Lebens ge-
trieben ?"
„Nun, das Opfer würde sich vielleicht bezahlt machen
denn ich vermuthe, daß recht interessante Aufschlüsse dabei
herauskommen könnten."
„Ich aberfühle mich nicht veranlagt, den Spion zu machen,"
rief oer Maler heftig. „Und nun laß uns nicht weiter
über diese Dinge reden, in denen wir uns, wie es scheint,
niemals verstehen werden. Ich zweifle nicht an der Aufrich-
tigkeit Deiner Theilnahme; doch auch die bestgemeinte Theil-
nahme kann unter Umstänoen zu einer Pein für den damit
Bedachten werden. Und Du würdest mich schonen, wenn Du
wüßtest, wie traurig es ohnedies in meiner Seele aussiebt."
Ohne sich durch diese ziemlich unzweideutige Zurückweisung
gekränkt zu zeigen, reichte der andere ihm die Hand.
„Du bist überarbeitet und iibereizt, Herbert — ich muß
es nun wohl glauben. Gott befohlen denn für heute! gViel-
leicht finde ich Dich ein anderes Mal besser gestimmt, meine
Gesellschaft zu ertragen."
Er ging, aber er schien doch noch nicht willens, den Freund
mit allen weiteren Beweisen seiner unerwünschten Theilnahme
zu verschonen. Denn in seiner Wohnung setzte er sich unver-
züglich nieder, um einen langen Brief zu schreiben, dessen
Umschlag er an Frau Professor Wallfried in F„ die Mutter
des jungen Malers, adressirte.
„Armer Junge!" sagte er bei sich selber, während er das
I Schreiben verschloß. „Ich ahne es gut genug, wie es in
 
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