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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0105

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frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
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ausschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

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tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Xr. 173.

Pluinerstas, de« 28. Juli

1898.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für die Monate August und
September «erden bei allen Postanstalten, den Briefträgern,
den Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für die Monate August
Und September, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfg.,
mit Zustellgebühr Mk. 1.14.
Neu eintretenden Abonnenten liefern wir das Blatt
auf Wunsch bis Ende dieses Monats gratis.
Wochenchronik.
(Vom 17. Juli bis zum 23. Juli.)
Juli 17.: Zola hat ein Manifest an den Ministerpräsidenten
Brisson erlassen, worin er denselben zur Revision des
Prozesses Dreyfus auffordert.
„ 17.: In Versailles findet die neue Auflage des Prozes-
ses gegen Zola statt. Da der Gerichtshof es ab-
lehnt, schon vor Bildung der Geschworenenbank zwecks
Führung des Wahrheitsbeweises den Fall Dreyfus
als mit dem Fall Zola zusammenhängend zu erklären,
kündigt der Vertheidiger Zola's Berufung hierwegen
an den Kassationshof an. Zola verläßt den Saal.
Er und der mitangeklagte Verleger Perreux werden
irr contumaciam zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt.
„ 18.: Der Prinz von Wales erleidet in Folge eines
Falles den Bruch einer Kniescheibe.
„ 19.: Der Kaiser passirt auf seiner Nordlandsreise den
Polarkreis.
„ 19.: Ein bayerisches Blatt veröffentlicht ein auffallend kurzes
Antwortstelegramm desKaisers an den Regenten
von Lippe. Der Kaiser verbittet sich darin den Ton,
den der Regent in seinem Briefe an den Kaiser ange-
schlagen habe. Es handelte sich darum, daß der Regent
die Ehrung seiner Kinder durch die Anrede „Erlaucht"
und durch militärische Ehrenbezeugung beanspruchte,
während die Frage, ob die Kinder ebenbürtig sind,
noch nicht entschieden ist.
„ 20.: Zola hat, um die Zustellung des Kontumacialurtheils
zu verhindern, einen Versteck aufgesucht.
„ 21.: Der Jnsurgentenführer Garcia auf Kuba trennt
sich in Mißstimmung von den Amerikanern.
„ 21.: Das Fürstenpaar von Bulgarien stattet mit
dem Prinzen Boris dem Zarenpaar in Petersburg
einen Besuch ab.
„ 22.: Die englische Regierung fordert vom Unter-
haus 160 Mill. Mark zu neuen Kriegsschiffs-
b au te n, unter Hinweis auf die russische Flotten-
vergrößerung. Die Forderung wird vom Unterhaus
beifällig begrübt.

Deutsches Neich.
Berlin, 27. Juli.
— Aus Mo, 27. Juli, wird berichtet: Der Kaiser
trat heute Morgen die Fahrt nach Bergen an.
— Das in katholischen Angelegenheiten oft gut unter-
richtete Vaterland gibt zur Frage der Trauung des Her-
zogs Günther von Schleswig-Holstein mit der Prinzessin
Dorothea von Coburg folgende Aufklärungen: Da der
Herzog Ernst Günther weder die katholische Kindererziehung
zugab, noch von der protestantischen Nachtrauung absehen
^vill, so ist von katholischer Seite die Einsegnung seiner
Ehe mit der Prinzessin Dorothea nicht möglich, so sehr
°ies auch ihre katholischen Verwandten wünschten. Will
»ie Prinzessin ihre Ehe in Wien eingehen, so muß sie das
Jawort in Gegenwart des eigenen Pfarrers und zweier
Augen abgeben, damit ihre Ehe sacramental gültig sei.
Die Intervention des Pfarrers beschränkt sich in diesem
Falle aber auf Anhörung des Jaworts der Brautleute,
Eintragung des Actes in die Pfarrmatrikel und Aus-
stellung des Trauscheins. Sie erfolgt nicht in der Kirche,
°hne liturgische Kleidung und ohne die sonstigen Ceremonien.

Dies ist die sogenannte passive Assistenz, Diese wird bei
der Ehe der Prinzessin Dorothea eintreten.
— Gegenüber den in den Shanghaier Zeitungen ver-
breiteten Angaben über den neulichen Aufenthalt des
Kreuzers „Irene" in der Subicbai bringt der Ostasia-
tische Lloyd eine amtliche Berichtigung des Chefs der 2.
Division des Kriegsgeschwaders, des PrinzenHeinrich
von Preußen, aus der sich ergibt: Die „Irene" holte eine
Anzahl auf Isla Grande in der Subicbai in Noth ge-
rathener spanischer Frauen und Kinder ab und traf dort
zufällig mit einem Dampfer der Insurgenten zusammen,
der sich ohne Weiteres entfernte. Auf dem Rückwege be-
gegnete die „Irene" vor der Bucht von Manila zwei
Kreuzern der Vereinigten Staaten, ohne angesprochen zu
werden. Die Uedcrnahme der Frauen und Kinder geschah
im Dienste der Menschlichkeit unter strenger Beobachtung
der Regeln der Neutralität.
— Neber die Reise des Staatssekretärs von P o d-
brelski verlautet, daß auf derselben verschiedene Verträge
abgeschlossen worden seien, durch welche eine erhebliche Ver-
besserung und Beschleunigung des internationalen Post-
und Telcgraphenverkehrs erreicht werde. Unter anderm
handle es sich um eine direkte telegraphische Verbindung
Berlin-Bukarest.
— Die aus dem. Berliner Lokalanzeiger stammende
Nachricht von einer bedenklichen Wendung im Befinden
des Fürsten Bismarck bestätigt sich zum Glück nicht.
Die Hamburger Nachrichten erhalten über das Befinden
des Fürsten Folgendes als authentische Auskunft: „Das
Befinden des Fürsten ist unverändert. Der
Schlaf in der letzten Nacht war gut. Es ist kein
Grund zur Beuuruhiung vorhanden." Die Berl.
Neuesten Nachrichten melden: Von einer Anschwellung kann
keine Rede sein, der Schlaf ist gut. In einem aus der
nächsten Umgebung des Fürsten in Friedrichsruh stammen-
den Briefe heißt es: Das Befinden des Fürsten läßt viel
zu wünschen übrig, doch scheinen ernstliche Bedenken aus-
geschlossen zu sein. Auch ist der Appetit im ganzen gut.
Wir sammeln ihm täglich ein Gericht Steinpilze und noch
jeden Abend durfte er sie essen.
— lieber die Beschwerde, die der Regent von
Lippe an den Kaiser gerichtet hat, wissen die Leipziger
Neuesten Nachr. Folgendes zu berichten:
Der Befehl des Grafregenten, seinen Angehörigen den Titel
„Erlaucht" zu geben, und ihnen militärische Ehrenerweisungen zu
erzeigen, ist so lange unbeanstandet befolgt worden, bis der kom-
mandirende General des 7. Armeekorps dem Regenten mittheilte,
daß diesem Befehle nicht mehr Folge zu geben sei. Damals hat
sich der Regent naturgemäß zunächst an den General gewendet,
von ihm jedoch die Antwort erhalten, daß er nach den Dienst-
vorschriften sein Verhalten einzurichten und daß er einen ent-
gegengesetzten Befehl vom Kaiser nicht erhalten habe. Graf Lippe
hat hierauf Mitte Juni, den angewiesenen militärischen Instan-
zenweg innehalkend, eine „Bitte und Vorstellung" an den Kaiser
gesandt, Se. Majestät möge allergnädigst geruhen, ihm huldvollst
Gehör zu schenken und ihm Seinen mächtigen Schutz und Bei-
stand gewähren zu wollen. Auch hat Graf Lippe vorausgeschickt,
daß er, wenn irgendwie der Wunsch nach einer Modifikation
seiner Anordnungen an ihn herangetreten wäre, er sich nicht
widersetzt hätte, daß er auch jetzt nur deshalb die allergnädigste
Hilfe des Kaisers erbitte, weil er in dem Verhalten des komman-
direnden Generals einen Eingriff in die Rechte des Kontingents-
und Landesherrn erblicke. Der Regent stützte sich hiebei zweifel-
los auf die Militärkonveution vom 23. Juli 1874, in der zwar
die Mtlitärhoheit an den Kaiser abgetreten wurde, gleichzeitig
jedoch dem Kontingentsherrn alle Rechte verblieben, die nicht
Gegenstand jener Uebereinkunft waren. Es sind ihm jedoch aus-
drücklich die Stellung und die Ehrenrechte eines kommandirenden
Generals gegenüber dem im Fürstenthum dislocirenden Truppen
eingeräumt worden. Graf Ernst hat sich nun besonders darüber
beklagt, daß zwischen diesen verfassungsmäßigen Ehrenrechten
und den Thatsachen insofern ein Widerspruch bestehe, als der
kommandirende General eine von ihm, dem Regenten, erlassene

Dienstvorschrift seinerseits aufhob und überdies seinen Landes-
kindern befahl, eine von dem Herrscher getroffene, nicht auf mili-
tärischem Gebiete ruhende Anordnung nicht auszuführen. Der
Regent hat zweifellos befürchtet, daß durch ein solches Vorgehen
seine Autorität im Lande untergraben und der Geist des Wider-
spruchs gestärkt werden könnte, er mochte auch besorgen, daß die
Bevölkerung selbst durch die ihrem Regenten angethane Demüti-
gung schwer gekränkt werden würde. Daß er mit dem Ausdruck
„unwandelbarsten Respektes" sich an den Kaiser gewandt hat, ist
bei einem Manne selbstverständlich, der zu allen Zeiten treu zu
Kaiser und Reich gehalten hat.
Baden. Der Bierbrauer Graf in Staad bei
Konstanz war wegen Steuerdefraudation von der
Bezirkssteuerstelle zu 110000 Mark Geldstrafe verur-
theilt worden. Die Strafe wurde im Gnadenwege auf
10 000 Mark herabgesetzt, worüber der sozialdemokratische
Volksfrcund ein großes Lamento anstimmte, als ob der
Staat auf Kosten der Steuerzahler dem Bierbrauer ein
Geschenk gemacht habe. Die Karlsr. Ztg. schreibt nun in
dieser Angelegenheit:
Die im Gnadenweg erfolgte Herabsetzung der von einer Be-
zirkssteuerstelle in jüngster Zeit erkannten Steuerstrafe wegen
Hinterziehung von Biersteuer hat zu einigen abfälligen
Äeußerungen in der Presse Anlaß gegeben, die ziemlich alle von
der Auffassung auszugehen scheinen, als ob im vorliegenden Fall
hinterzogene Steuersummen von erheblichem Betrag in Frage
stünden; auf dieser mißverständlichen Auffassung scheint auch ein
in Nr. 170 I. Blatt der Badischen Landeszeitung erschienener
Artikel zu beruhen. Jene Auffassung trifft indessen keineswegs
zu. Die Höhe der erkannten Strafsumme erklärt sich vielmehr
lediglich daraus, daß nach den Vorschriften des alten und am
31. December 1896 außer Geltung getretenen Biersteuergesetzes
beim unerlaubten Nachfüllen von Würze, auch in kleinen Mengen,
in das Braugefäß ein weiterer, nach dem ganzen Rauminhalt
des Braugesäßes zu bemessender Biersutt als hinterzogen zu
gelten hatte. Im vorliegenden Falle mußte also in der Annahme,
daß ein gewisses Nachfüllen von Würze bei jedem Sutt statt-
gefunden hatte, für alle in den vorausgegangenen Jahren her-
gestellten Sutte die Steuer nochmals nachträglich angesetzt und
das Vierfache des auf diesem Wege gefundenen Steuerbetrags
als Strafsumme ausgesprochen werden. Die Bezirkssteuerbehörde
hatte die hiernach auf Grund der gesetzlichen Fiktion als hinter-
zogen anzunehmende Steuersumme auf etwa 27 500 Mk. und die
Strafe auf 110 000 Mk. berechnet. Durch die fragliche, unter
der Herrschaft des früheren Gesetzes weitverbreitete, freilich nur
ausnahmsweise zur Kenntuiß der Behörden gelangte Manipula-
tion entging also der Steuerkasse zwar eine Einnahme, dieser
Einnahmeausfall bildete aber stets nur einen kleinenBruchtheil
der nach der gesetzlichen Fiktion als hinterzogen erklärten Steuer-
summe und in dem Eingangs erwähnten Fall belief sich, selbst
bei einer für den betreffenden Bierbrauer ungünstigen Rech-
nung, das an die Stcuerkasse zu wenig abgeführte Steuerbetreff-
nitz für den in die steuerliche Untersuchung einbezogenen Zeitraum
von fünf Jahren auf eine Summe von etwa 3000 Akk. Die
übermäßige Härte der Strafbestimmungen des früheren Bier-
steuergesetzes hat daher, wie in zahlreichen früheren
Fällen, auch vorliegenden Falls dazu geführt, die aus-
zusprechende Geldstrafe in ein angemessenes Verhältnis einer-
seits zu der der Stcuerkasse zugefügten geldlichen Benach-
theiligung und andererseits zu den Vermögensverhältnissen des
Bestraften zu setzen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Privatdozenten für Augenheilkunde an der Universität
Freiburg Dr. Karl B aa s den Charakter als außerordent-
licher Professor verliehen und den Regierungsbaumeisler
Karl Hübler in Mannheim aus sein Ansuchen aus dem
staatlichen Dienste entlassen.
— Mit Entschließung Großh- Generaldirektion der Staats-
eisenbahnen wurde Expedilionsassistent Kilian Schumacher
in Mannheim nach Eberbach versetzt.

Ausland.
Frankreich. Paris, 27. Juli. Der Untersuchungs-
richter Bertulus hak gestern die Akten in Sachen
Esterhazy sowohl wie die vom ehemaligen Oberstlieu-
tenant Pi cqu art gegen den Major du Paty de Elam
erhobene Klage der Staatsanwaltschaft zugestellt.

15)

Sklaverei der Schönheit.
Novelle von M. Zmmisch.
(Fortsetzung.)
N Wie eine Last fiel es von ihrer Seele. Ja, es gab etwas
'besseres, Bleibenderes, als die rein äußerliche Schönheit,
mit dieser Erkenntniß verflüchtigten sich auch die letzten
Zwerfel und Befürchtungen, die in dem geheimsten Winkel
wrer Seele noch zurückgeblieben, und dafür befestigte sich der
Glaube und das Vertrauen auf die Zukunft.
.. Eine milde Seplembersonne stand über dem noch in
Wvlgem Blumenschmucke prangenden Garten, in dem doch
nahende Herbst zu bemerken war. An den Spalieren
hwgen reifende Früchte und der wilde Wein an den Säulen
N Veranda hatte sich roth gefärbt. Etwas abseits von der
Alllm an einem sonnigen, geschützten Plätzchen lag Frau
l?rnckmann auf einem Ruhebett. Sie sah noch sehr blaß
»Nb leidend aus, aber doch athmete sie der Genesung
Utgegen. Die furchtbare Aufregung jenes Abends, im
herein mit der Kopfwunde, hatten ihr eine Gehirnent-
sundung zugezogen und man hatte wochenlang für ihr Leben
Murchtet.
Frau von Senten hatte selbst ihre Pflege beaufsichtigt und
besten Aerzte an ihr Lager gerufen. Nach und nach em-
"icht nur Mitleid und Theilnahme, sondern ausrich-
ige Freundschaft für die sanfte Frau, die ihr Leiden mit so
irommer Ergebung trug.
wie wurde diese Frau von den Ihrigen geliebt, ja
geradezu vergöttert!
^„Alundenlang saß Frau von Senten bei ihr und oft er-
e sich auf dem grüblerischen Nachdenken, woraus
j Drillich der Reiz bestand, den diese unscheinbare Frau auf
Umgebung ausübte. Niemand konnte ihr Schönheit zu-
und doch gab es selten Jemand, den sie nicht fesselte
und sympathisch anzog. Nicht ihr Unglück allein war es, was
nr mit so rührender Anmuth umgab; ihre Herzensgüte, ihre

sanfte Milde, der weiche, melodische Klang ihrer Stimme,
alles trug dazu bei, die Menschen, die ihr nahe standen, mit
tausend Banden der Liebe zu fesseln.
Frau von Senten schämte sich geradezu, wenn sie daran
dachte, daß sie noch vor kurzer Zeit gelitten in dem Ge-
danken, eines Tages ihre Schönheit zu verlieren; sie schämte
sich, von dem Manne, dem sie sich zu eigen gab, so niedrig
und gering gedacht zu haben und sie schämte sich für sich
selbst, daß sie sich so wenig inneren Werth und so wenig von
dem unvergänglichen, seelischen Reize zugetraut, der die arme
Blinde umgab.
Jetzt erst erkannte sie, auf welchen schwachen und trau-
rigen Füßen das Glück einer Frau ruhte, wenn nur ihre
Schönheit der Magnet wäre, der ihr die Liebe und Treue
ihres Gatten zu erhalten vermöchte. Vor jedem Zufall, vor
jeder Krankheit müßte sie zittern, denn all dies ist geeignet,
die Schönheit zu vermindern und zu ruiniren.
Jede kluge und verständige Frau wird instinktmäßig
ihrem Manne so hübsch und angenehm zu erscheinen
suchen, als sie es vermag, aber weiteres Kopfzerbrechen ist
überflüssig.
Mögen sie weiterfaseln die Apostel der Schönheit, nur
schwache und unselige Menschen beugen sich bedingungslos
ihrer Tyrannei.
Auch Fritz Delling hatte einen Versuch gemacht, das
Joch, dem er erlegen, abzuschütteln. Käthes Bild stand ver-
hängt in der Ecke seines Ateliers; er hatte es nicht wieder
berührt.
Und doch war er unablässig fleißig gewesen in den letzten
Wochen. Als wollte er all den Kummer, die Kämpfe, die
Schmerzen, die seine Seele gepackt, durch Arbeit bezwingen,
so malte und malte er mit dem Fanatismus einer ihn völlig
beherrschenden Idee. Es war beinahe fertig das Bild und
zum ersten Mal war er zufrieden mit seinem Können.
Das Bild stellte die Blinde dar, in ihrer Todesangst
vor den züngelnden Flammen zurückweichend. Die Kata-
strophe hatte ihn damals mächtig gepackt und erschüttert.

Seine Phantasie zauberte ihm die Scene m greifbarer Deut-
lichkeit vor und er fand keine Ruhe, bis er sie auf der Lein-
wand skizzirt.
Mit unermüdlichem Eiker arbeitete er an der Ausführung
und dankbar empfand er den Segen der Kunst, die ihn
wenigstens für Stunden über die Melancholie, die ihn erfaßt,
emporhob.
Nur noch wenige Striche und das Bild war fertig. Der
Laie hätte überhaupt nicht bemerkt, daß hier noch etwas un-
vollendet war.
Wunderbar Plastisch hob sich die Gestalt der blinden Frau
ab und in dem lebensvollen Antlitz spiegelten sich alle Phasen
verzweiflungsvoller Seelenangst.
Ja, Fritz Delling konnte zufrieden sein mit dem, was
seine Kunst hier erreicht. Der Stempel des gottbegnadeten
Genies war diesem Werke so deutlich aufgedrückt, daß selbst
er, sein schärfster und unerbittlichster Kritiker, nichts daran
auszusetzen sand. „
Morgen wollte er es vollenden. Dann sollte es nach
München, während er den Wanderstab ergreifen und irgendwo
in der Welt da draußen Ruhe und Vergessen suchen wollte.
Hundertmal nannte er sich einen Thoren, einen lächer-
lichen Phantasten, aber damit ließ sich der wühlende Schmerz
in seinem Herzen, das leidenschaftliche Begehren seines Blutes
nicht wegphilosophiren. (Fortsetzung folgt.)

Literarisches.
—tzHeuse, Zur Lösung des Hamlet-Problems
Elberfeld, Baedekersche Buchhandlung. Preis 75 Pfg. — Dr.
Heuse gibt uns die Charaktere im Hamlet-Drama in lichtvoller,
klarer Form. Er hält sich lediglich an den Text und zeigt auf
Grund desselben, daß die auftretenden Personen keine Theater-
menschen, sondern Bilder wirklicher Menschen find, die einzige
Auffassung, welche dem größten Werke des großen Briten würdig
erscheint. Originell ist die Erklärung den Stoßes durch die
Tapete, durch welche Erklärung der Verfasser seine Charakteri-
sirung Hamlets nicht übel rechtfertigt.
 
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