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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0507

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und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Montag, den 14. Dombtt

1898.

Politische Umschau.
Heidelberg, 14. November.
Zur Heimreise des Kaiserpaares aus dem ge-
lten Land schreibt die Nordd. Allg. Ztg.: Die Wallfahrt
§ Herrscherpaares nach dem heiligen Lande, die ohne
?°en Mißklang verlaufen ist, gehört der Ge-
Mchte an. In dieser aber wiro sie fort leb en mit
Glanze der reichsten und ungetrübtesten Erinnerungen,
de leuchtende That zu Ehren des Christenthums und der
Ätschen Nation. Als treuer Bekenner seines Glaubens,
mächtiger und großmüthiger Schirmherr der deutschen,
Protestantischen wie der katholischen Interessen, hoch-
feiert von dem Beherrscher des osmanischen Reiches und
f türkischen Uuterthanen, hat in den letzte» Wochen der
fiser auf fremdem Boden von neuem für die Ehre des
fachen Reiches erfolgreich gewirkt zur Freude aller
Patrioten und zur unverholenen Achtung selbst des Aus-
UidxI. In innigster Dankbarkeit und Verehrung wünschen
dem Kaiserpaar Glück und Heil zur Heimfahrt.
In Braunschweig ist in jüngster Zeit wieder die
^uge aufgeworfen worden, was denn schließlich aus dem
frzogthum werden solle. Man ist mit dem streng ortho-
gen und konservativen Regiment, das sich dort unter der
Agentschaft des Prinzen Albrecht herausgebildet hat, nicht
Mrieden, sodaß die Stimmung der Bevölkerung der Er-
gerung der Frage entgegenkam. Nun veröffentlichen die
faunschweiger Neuesten Nachrichten einen Brief des
gbinctschefs des Herzogs von Cumberland, worin erklärt
frd, daß sich auch heute noch in seiner Stellungnahme
der Braunschweiger Thronfolge nichts geändert hat.
^rr Brief verweist auf die früheren Erklärungen des Her-
gs, worin er seine Ansprüche auf Hannover und
faunschweig aufrecht erhält. Das Schreiben schließt mit
g ausdrücklichen Versicherung, daß eine Aenderung dieser
Stellungnahme nicht eingctreten ist. Ein größerer Fehler
'"«nie von Seite des Herzogs von Cumberland nicht ge-
gcht werden. Die Braunschweiger werden dadurch mit
gmalt zu der Erkenntniß zurückgeführt, daß der Herzog
7°n Cumberland den Braunschweiger Thron nicht be-
zeigen kann.
Die radikalen französischen Blätter nehmen es
g Regierung sehr übel, daß der franz. Minister' des
Auswärtigen sich bei dem deutschen Botschafter entschul-
de, weil die französische Presse die Tochter des Bot-
schafters in die Dreyfusaffaire hineinzuziehen suchten,
^.azu bemerkt nun das Journal des Debats sehr ver-
lustig : Es wäre zu wünschen, daß die Blätter, die
fse Schritte nothwendig gemacht haben, aus dieser Lehre
dsu Nutzen ziehen möchten, den sie enthält. Wenn sie es
nicht freiwillig thun, so wird die^ Gesetzgebung sich
nach Mitteln umsehen müssen, die sie dazu zwingen, da
der Presse weder bei uns durch das Gesetz noch durch die
öffentliche Meinung Schranken gezogen werden. Unsere
Presse kann sich schlechthin alles erlauben, so zwar, daß
dier zu Lande für Niemand die Sicherheit besteht, mit
Ausnahme von denen, die ein Handwerk daraus machen,
die Sicherheit Anderer zu gefährden. So lange dieses
Uebel nur unter uns wüthet, hat es begrenzte Folgen,
Uud wenn wir darunter leiden, so geschieht das, weil wir
so wollen, aber dieses Uebel erreicht auch Fremde und
Unter diesen Fremden solche, die durch internationalen
Krauch unserem Schutz anvertrant sind. Wenn die Presse
l'ch nicht darauf beschränkt, sich an Männern zu ver-
seifen, sondern auch Frauen nicht verschont, so wird man
luut einer halbamtlichen Note nicht scharf genug gegen sie
dvrgehen können. Die Unzulänglichkeit unserer

Gesetze zeigt sich in solchen Fällen am klarsten, und
wenn die Regierung wegen solcher Ausschreitungen der
Presse zu peinlichen Schritten gezwungen wird, so ist das
unseren Gesetzen zuzuschreiben. Eine fremde Regierung
ist an unsere innere Gesetzgebung nicht gebunden, und es
erhebt sich für die Zukunft die Frage, ob diese Regierungen
künftighin auch die Ehre ihrer Vertreter, deren Frauen
und Töchter bei uns auf das Spiel setzen wollen. Die
Wichtigkeit der Antwort versteht man, und wir würden
die Blätter bedauern, die diese Antwort in Zukunft nicht
beachten würden.

Deutsches Reich.
— Die Rückreise des deutschen Kaiserpaares
von Baalbek nach Muallaka vollzog sich unter fortgesetzten
Huldigungen der aus allen Theilen des Libanon herbei-
geeilten Bevölkerung. Beachtenswerth war, daß an diesen
Kundgebungen für den deutschen Kaiser sich alle Religionen
und Nationalitäten betheiligten. Man erblickte in der
Volksmenge, die den kaiserlichen Wagen umdrängte, grie-
chische Popen neben muhamedanischen Ulemas, katholische
Mönche neben Diakonissinnen, Araber Türken, Drusen,
Maroniten, Tscherkessen. Beyrut war am Abend festlich
erleuchtet. Eine ungeheure Menschenmenge wogte durch
die Straßen und begrüßte jubelnd den Kaiser, der sich zu
Pferde vom Bahnhof nach dem Hafen begab. Am Mor-
gen des 12. d. trat das Kaiserpaar, wie schon gemeldet,
die Rückreise nach Brunsbüttel auf der „Hohenzollern" an.
Die „Hela" begleitet die „Hohenzollern." Die „Hertha"
geht nach Genua. Botschafter Frhr. v. Marschall ist nach
Konstantinopel abgereist. Ein Theil des Gefolges kehrt
über Konstantinopel nach Deutschland zurück. Die erste
Station auf der Reise der Majestäten in die Heimath ist
Rhodos, wo Depescheu ausgenommen werden sollen. Dem-
nächst soll die „Hohenzollern" bei Malta Kohlen einnehmen.
Die Rückreise vollzieht sich unter dem strengsten In kognito.
Die „Hohenzollern" hat etwa 3303 Seemeilen zurückzu-
legen, sodaß die Reise etwa 12 Tage dauern wird.
— Die Wiener Wochenschrift: Die Welt, das
Organ der Zionisten, meldet, daß Kaiser Wilhelm in
Jerusalem am 2. November eine zionistische Ab-
ordnung empfangen habe, welche aus Dr. Theodor
Herzl als Zionistenführcr, Dr. M. T. Schnurer, Dr.
Wolfsohn, dem Obmann des Komitss der jüdischen Ko-
lonialbank Dr. I. Badenheimer und dem Präsidenten der
deutschen Zionisten, Ingenieur Seidener, bestand. Staats-
sekretär v. Bülow wohnte der Audienz bei. Dr. Herzl
hielt eine Ansprache, der Kaiser beantwortete dieselbe ans
das freundlichste.
— Der Reichsanzeiger veröffentlicht eine vom kaiser-
lichen Gesundheitsamt ausgearbeitete Denkschrift über das
Färben der Wurst, sowie des Hack- und Schabefleisches.
— Die Beisetzung der Leiche des Fürsten Bis-
marck ist nunmehr bis zum April verschoben, weil das
Mausoleum bis zum 27. d. Mts. nicht fertig gestellt wer-
den kann.
— Der frühere Oberpräsident von Schlesien, von
Seydewitz, der von 1879—1881 Präsident des Reichs-
tags war, ist am 12. ds. im Alter von 80 Jahren ge-
storben.
Baden, ö. 6. Karlsruhe, 13. Nov. Oberbürger-
meister Dr. Gustav Schlusser in Lahr ist als
Ministerialrath in das Ministerium des Innern berufen
worden und hat, wie wir aus einer in Fettdruck erscheinen-
den Mittheilung der Lahrer Ztg. ersehe», sich entschlossen,
der Berufung Folge zu leisten. Er hat bereits dem

Stadtrath und der Stadtverordnetenversammlung Kenntniß
davon gegeben, daß er zu Anfang des nächsten Jahres
sein Amt niedcrlegen wird. In Dr. Schlusser gewinnt
das Ministerium des Innern einen sehr befähigten Beamten,
allerdings — was man dort sehr bedauern wird — auf
Kosten der Stadt Lahr, die er musterhaft verwaltet hat.
Schlusser ist 1860 in Wiesloch geboren. Bereits im
Alter von 20 Jahren wurde er Rechtspraktikant, 1884
wurde er nach seinem glänzend bestandenen zweiten Examen
Referendar, 1886 Amtmann in Offenburg; im gleichen
Jahre noch trat er als Hilfsarbeiter in das Ministerium
des Innern ein. 1887 wurde er Amtmann in Bruchsal
und im Jahre 1889 wählte ihn die Stadt Lahr zum
Oberbürgermeister. Er gehörte bis zum Jahre 1893 auch
dem badischen Landtag an, in dem er sich durch seine
Fähigkeiten und seine Energie ebenfalls eine angesehene
Position erworben hat.
W Mosbach, 13. November. Nachdem der
Landtagsabgeordnete für den diesseitigen Wahlbezirk, Herr
Weber aus Heidelberg, gestorben ist, hat die national-
liberale Partei auf heute Nachmittag '/,3 Uhr eine Ver-
sammlung im großen Saale des Gasthauses zur Krone
hier zur Vorstellung des neuen Kandidaten ausgeschrieben.
Der Saal war bis zum letzten Platze besetzt. Herr Notar
Joachim begrüßte die Erschienenen, gedachte der Verdienste
des verstorbenen Abgeordneten Weber bis zu dessen Tode,
worauf sich die Versammlung als Zeichen der Dankbarkeit
von den Sitzen erhob. Hierauf wurde Herr Landgerichts-
rath Obkircher als neuer Kandidat vorgestellt. Der-
selbe entwickelte in 1 ^stündiger Rede sein Programm,
reichen Beifall am Schluffe seiner Rede erntend. Der
Genannte genießt das Vertrauen der Bevölkerung und es
ist zu hoffen, daß er bei der demnächstigen Wahl als Ab-
geordneter gewählt wird.
Württemberg. Wie sein Vorgänger Dr. Linsenmann
stammt der neue Bischof Keppler aus gemischter Ehe.
Sein Vater, der Gerichtsnotar in Schorndorf gewesen, ge-
hörte der evangelischen Confession an.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben
dem Königlich Württembergischen Kammerherrn Kurt Frei-
herrn Seutter von Lötzen in Stuttgart das Komman-
deurkreuz zweiter Klasse und dem Königlich Württembergischen
Major Fritsch, Abtheilungs.Kommandeur im Feld-Actil-
lerie-Resiment König Karl (1. Wüctlb.) Nr. 13 das Ritter-
kreuz erster Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom Zähringer
Löwen verliehen.
— Mit Entschließung Gr. Generaldirektion der Staats-
eisenbahnen wurde Exveditionsassistent Johann Schilling
in Mühlhacker noch Heidelberg und Expeditionsassistent Philipp
Horn in Schaffhauien nach Mosbach versetzt-
Karlsruhe, 12. Nov. Der Groß her zog er-
hielt gestern, Freitag Abend, spät ein Telegramm des
Kaisers aus Beyrut, wo Allerhöchstderselbe Abends aus
Damaskus und Baalbek (Heliopolis) glücklich eingetroffen
ist und sich auf der „Hohenzollern" sofort einschiffte. Der
Kaiser spricht sich sehr befriedigt über den Besuch von
Baalbek aus und rühmt die Großartigkeit der Eindrücke
von den Ruinen des alten Heliopolis. Die Weiterreise
der Kaiserlichen Majestäten sollte heute früh erfolgen.
Ausland
Frankreich. Paris, 12. Nov. Die Agencc Havas
veröffentlicht unter Vorbehalt die folgende Meldung eines
Berichterstatters: Am letzten Freitag begab sich Frau
Dreyfus in das Kolonialmi nisteri nm, um die
Erlaubniß zu erbitten, ihrem Manne im Hinblick auf eine
Rückkehr nach Frankreich warme Kleidungsstücke senden zu

Nur frisch gewagt.
36) Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinckelberg.
(Fortsetzung.)
. -Das wird ja immer hübscher!" rief Franziska v. Stein,
»immer verworrener und verwickelter, ein reines Lustspiel
voll Jrrthümer uud Einbildungen. Ich soll Ihren Anblick
v'ckt lieben? Wie sollte ich denn dazu kommen? Um
jemanden nicht gern sehen zu wollen, müßte man ihn doch
Ml überhaupt kennen lernen, und dazu bin ich zu meinem
Uoßen Leidwesen bis heute noch gar nicht gekommen. Ihre
Voraussetzung ist falsch, grundfalsch, dafür hat sich aber die,
welche ich halte, aus das glänzendste bewährt!" — „Und diese
Ware?" — „Daß Sie, Herr Rittmeister, nicht um eines
Haares Breite weniger eitel und von sich eingenommen sind,
alle anderen Officiere, welche ich bisher kennen lernte. Sie bil-
sich ein, nachdem Sie kaum vierzehn Tage in Ihrem
Leuen Garnisonorte weilen, daß hier sich schon ein lunges
Mädchen befinden könnte, welches Abneigung gegen Sie em-
vnndet. Zur Abneigung, Herr Rittmeister, gehört aber, daß
Man dem betreffenden Gegenstände erst Aufmerksamkeit ge-
schenkt hat. und das, Herr Rittmeister, — o bitte, bitte, zür-
uen Sie mir deshalb nicht — ist bei mir noch nicht der Fall
gewesen. Aber ich freue mich, daß ich recht gehabt habe,
recht sehr freue ich mich darüber!" und bei diesen Worten
siatichte Franziska in die kleinen Hände, wie ein beim Spiele
überglückliches, übermüthiges Kind. „Mein Papa, der Herr
^ras^Herr v. Seckendorf, alle, alle schwärmten von Ihnen,
khe Sie kamen, alle sprachen von Ihnen als einem Muster
von vollendetem Mannescharakter, und ich erwiderte allen so-
fort, daß es solch ein Muster nicht gebe und daß Sie auch
schon Ihre Schwächen haben werden. Und richtig, so ist es
Nworden! Ach, das ist zu herrlich und ich könnte Ihnen
flanken dafürl" — Und hell hinaus ertönte Fränzchens kind-
liches Lachen.
Herr v. Rabenau, welcher erst finster dreingeschaut und
üroßes Verlangen gefühlt hatte, dem ungezogenen Kinde eine

schars verweisende Antwort zu geben, schaute freundlich
lächelnd zu dem ihn verhöhnenden Mädchen hinab, und als
sein Helles Lachen ertönte, fuhr es wie ein Blitz der Erinne-
rung durch sein Gedächtniß. „Dieses Lachen, dasselbe über-
müthig spülende Lachen", so rief er, „habe ich schon gehört,
meine Gnädigste, ich habe es gehört vor sechszehn Tagen, als
ich am dunklen Abend, bei schlechtem Wetter und mit einem
gestürzten Pferde auf der Landstraße lag. Dasselbe Lacken
verspottete mich auch damals, doch ich zürne deshalb nicht!
Das Räthsel ist gelöst, wenn ich auch noch nicht weiß, welch'
gütiges Geschick mir meine gute böse Fee entgegenführte, ich
freue mich, daß ich Ihnen noch danken kann für Ihre außer-
ordentliche Freundlichkeit, mir Ihren Wagen abzutreten. Ja
wahrlich, Baronesse, unsere Zusammentreffen sind gar ab-
sonderlicher Art. Es scheint fast, als liebten wir Beide das
Absonderliche. Deshalb zürne ich Ihnen auch nicht ob der
reizenden Strafpredigt, welche Sie nur gehalten haben. Hof-
fentlich lernen Sie mich noch besser und näher kennen und
ick Sie auch, obgleich ich Sie schon genau genug zu kennen
meine, und dann soflen Sie mir einmal sagen, ob Sie sich
in mir getäuscht haben oder nicht. Wenn Sie ohne mich zu
kennen und ohne mir bis jetzt, wie Sie sagen, große Auf-
merksamkeit geschenkt zu haben, schon die Untugend der Eitel-
keit bemerkt haben, da bin ick wirklich bgierig, was Sie spä-
ter an mir noch alles herausfinden werden. Doch suchen Sie
nur, meine Gnädigste, suchen Sie nur, ich finde es entzückend,
auf diese Weise Fehler kennen zu lernen, von denen man sich
selbst vollständig frei weiß. Auch muß ich Ihnen noch
sagen —" das Gespräch wurde unterbrochen, die Thüre öff-
nete sich, und der Oberst trat heraus. „Aber Fränzchen!"
rief er, „wo steckst Du denn so lange? — Ah der Herr Ritt-
meister noch hier?" — „Sie verzeihen, Herr Oberst," erwi-
derte dieser, „ich bat Ihr Fräulein Tochter nur um einen
Tanz für heute Abend. Also meine gnädigste Baronesse, ge-
ben Sie mir nun den ersten oder zweiten Walzer?" — „Wie
Sie selbst wünschen!" erwiderte die Gefragte. „Dann bitte
ich um den — zweiten!" Herr v. Rabenau verbeugte sich
vor dem Obersten und der jungen Dame und schritt an der

letzteren vorüber der Treppe zu. Als seine Sporen schon auf
den untersten Stufen klirrten, schaute der Oberst seiner Toch-
ter in die klaren Augen und sagte: „Das Engagiren für heute
Abend hat ja recht lange gedauert? Ich hätte mich an Dei-
ner Stelle mit einem Menschen, den ich nicht leiden mag,
nicht so lange abgegeben!"
„Das Hätte ick auch nicht gethan," lautete die Antwort
Franziskas, „wenn ich nicht die Gelegenheit, daß er mir zu-
fällig hier in den Weg trat, dazu benutzt hätte, ihm einmal
gründlich die Wahrheit zu sagen!" — „Die Wahrheit, liebes
Kind? Du hast ihm die Wahrheit gesagt? Ja welche Wahr-
heit denn? Was nennst Du denn Wahrheit? Doch ein an-
dermal mehr darüber, Fränzchen oder niemals mehr davon,
ganz wie Du willst. Jetzt spute Dich, Kind, die Zeit drängt,
sonst bekommen wir vor lauter Unmuth und Haß, welcher
Dich gegen den schönen und edlen Herrn v. Rabenau erfüllt,
vielleicht gar nichts mehr zu essen!"
Der Herr Oberst, welcher die Worte „Unmuth und Haß"
im Gegensätze zu „dem schönen und edlen Herrn v. Rabenau"
absichtlich hervorgeboben hatte, trat ins Zimmer zurück, und
Fränzchen beeilte sich, dem Befehle ihres Vaters Folge zu
geben. -
Schlag zwölf Uhr stand das Regiment wieder im vollen
Feiertagsglanze und diesmal alle Mann hoch zu Roß auf dem
Marktplatze. Noch einmal ritten die Sckwadronschefs ihre
Züge auf und ab, hier und dorthin noch ein Wort des Lobes,
des Tadels oder der Ermahnung hinwerfend, dann übernahm
in Abwesenheit des Herrn Obersten der älteste Schwadrons-
chef, der Herr Major Graf v. Reuthern, das Commando,
ließ die Züge schwenken, und unter den lustigen Klängen der
trefflichen Regimentsmusik zogen die blauen Jungens zum
Thore hinaus. Die Sonnenstrahlen spielten auf den Säbel-
scheiden, den Lanzenspitzen und den silbernen Fangschnüren
der Herren Officiere, die Lanzenfähnlein, flatterten gar lustig
im frischen Herbstwinde, und die kräftigen Pferde wieherten
vor Lust, daß ihre Reiter heute so ganz besonders schmuck
und prächtig auSsahen- Das Regiment zog zu seinem Exer-
cierplatze hinaus. (Fortsetzung folgt.)
 
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