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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0333

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Ä 229.

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g. Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.
Preis
Mit Familienblättern
. monatlich 50 Pf.
irei in's Haus gebracht.
'M die Post bezogen
kierteljährl. 1.25
^schließlich Zustellgebühr.
^Vhon-Anschluß Nr. 82.


Wes Klatt. Samias, den 1. Octaber


Jnsertionsgebühr
15 Pf. für dce Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- uns
Privatanzeigen vedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulm.
Telephon-Anschluß'Ar. 82.


Wit. Vic vcgv
^Zustellgebühr Mk. 1.65.

, Bestellungen
die Heidelberger Zeitung für das IV. Quartal werden
^während bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
^uten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
., angenommen.
i in's Haus
vierteljährlich,

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.:»>aiien, bet den Trägern in der S1
- Spedition, Untere Neckarstraße Nr. 21, .
«iit » r Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei
u Fracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vff
^^Zustellgebühr Mk. 1.65. __

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wenn ich sie auch oft ärgern mußte, wie beim
Kienberger. Unser Verhältniß beruhte ja nicht auf Liebe,






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»/r auf gegenseitiger Hochachtung. Einmal, als ich zum
°Urgg in Charlottenburg war, rückte sie mir sogar selbst
den Sessel heran. Kaiser Friedrich hielt überhaupt immer
cx^uf, auf meine Bequemlichkeit Rücksicht zu nehmen.
wurde freilich später anders."
zu basische Unmöglichkeit, stehend längere Vortrüge
st» Mlten, und nicht nur Aktenauszüge, sondern die voll-
"digen Akten vorzutragen, dürfte den ersten Grund zu
^ späteren Verstimmungen geliefert haben, die im März
V einen so vcrhängnißvollen Ausgang nahmen. Hier
- Ute auch einer der Gründe angedeutet sein, die zu der
w langdauernden Abwesenheit des großen Kanzlers von
Ulin^ führten.
-» "Ich blieb damals in Friedrichsruh, obwohl ich viel
Ler nach Berlin zurückwollte. Aber Majestät ließ
^. wissen, daß er sich freue, wenn ich mich ordentlich
^lie für die bevorstehende Parlamentscampagne und
sicher schrieb mir immer, auch zuletzt noch, cs gehe
üb meine Anwesenheit in Berlin sei durchaus
Erslüssig. Später habe ich ja gesehen, wie das ge-
Mint war."
Der Korrespondent schreibt dann weiter:
g, Selbst auf die Gefahr hin, prinzipiellen Duellgegnern
zu der Bemerkung zu geben, daß auch ich den
Todten verunglimpfe, möchte ich eine Bemerkung
unterdrücken, die nach meiner Ansicht ungemein
z, ?alteristisch ist und uns den geliebten Todten noch im
Greisenalter als den Mann des straffen Ehrge-
zeigt.
P.."Daß mir Caprivi nachsagte, ich verstände von der
und das auch nach dem Auslande amtlich
^heilte, war mir egal. Das konnte nur ihn blamiren.
lick^ er bei der Wiener Sache in meine gesellschaft-
Rechte eingriff — ich habe ihn zuerst fordern wollen
Ich k ? E auch schon einen Cartellträger ausgesucht,
etw ? " noch eine recht sichere Hand und hatte mich auch
»Nb s eingeschossen. Aber da überlegte ich mir die Sache
D--. fragte mich, was dann geschehen wird. Ich bin
don man wird die Geschichte vor ein Ehrengericht
Hera Generalen bringen, dann wird viel hin- und
getankt und zuletzt werden nichtssagende Erklärungen
Uuterl h""e keinen Zweck und so hab' ich's

tj Aussprüche Bismarcks.
Um die Einseitigkeit der Busch'schen sog. Enthüllungen
i ""chzuweisen, veröffentlichen die Leipziger Neuesten Nachr.
Anzahl von Aussprüchen, die Bismarck im Gespräch
s. ihren! Berliner Korrespondenten gemacht hat. Zum
l'! xs-'l stehen diese Aeußerungen im schroffen Widerspruche
, . u dx^ was Busch den Fürsten Bismarck sagen läßt. So
,iA .Me Bismarck über den Kaiser Friedrich zu dem Korre-
Indenten:
f »Man hat die Willenskraft des Kaisers Friedrich viel-
M unterschätzt. Man glaubte ihn abhängig von Schür-
! und Weibcrröcken. Das ist ganz falsch. Er hatte ein
Bewußtsein von seiner Souveränität, und die guten
.°Re, die von ihm eine starke Wendung nach links er-
nteten und in ihm eine besondere Schwäche für den
Nstitutionalismus witterten, hätten sich arg getäuscht,
..M er länger regiert hätte. Er war äußerlich verbind-
"1 Naber durchaus selbstherrlich. Ich hätte selbst gegen
Mberintriguen leicht mit ihm regiert. — Na, Kronprinzen
Mcrn ja immer ein bischen liberal, das ist nun mal so,
, stehen auch immer ein bischen in Opposition, weil sie
A wenig zu thun haben, wenn sie nicht ganz in den
"waschen aufgehen, aber das schleift sich ab. Kaiser
Mdrjch wäre eher ein Autokrat geworden als ein
^chter'scher."
. Auch von der Kaiserin Friedrich sprach der Fürst
"tchaus sympathisch:
„ »Sie ist eine kluge Frau, aber sie ist im Grunde stets
^Wanderin geblieben. Wenn sie von „unseren" Truppen,
„unserem" Botschafter spricht, so meinte sie stets die
'.Slischen Truppen und Lord Loftus oder wer gerade da
Ich wünschte, deutsche Prinzessinnen, die sich weg-
fheirathen, hätten auch was davon. Daß ich bei
.Ewer Verabschiedung sie um ihre Vermittelung bat —
?"Müt Thränen — ist natürlich Schwindel. Aber sonst
(Men wir recht gut miteinander, besonders in den letzten


Deutsches Reich.
Kais?-Ztg- Mill erfahren haben, daß der vom
e„tw? der Oeynhausener Rede angekündigte Gesetz-
svnd/r in einer Aenderung der Gewerbeordnung,
!>er/" spccialisirten Bestimmungen zum Schutz der
Sem > Hihen Freiheit auf dem Gebiete des all-
mernen Strafgesetzes bestehen werde.

— Der Kaiser hat einen Vierundvierzigender
in der Nominier Haide erlegt. Es ist ein Thier, wie es
seit 200 Jahren dort nicht mehr gesehen worden ist. Das
Geweih ist schaufelförmig.
— Eine vom Zentralverband deutscher Industrieller
nach Berlin einberufene Versammlung von Baumwoll-
spinnern und-Webern beschloß, die Wiederherstellung
der in dem Handelsverträge mit der Schweiz ermäßigten
Zölle für feine Garne zu verlangen.
— Das Militär-Wochenblatt meldet: Der Premier-
lieutenant im 1. Garderegiment, Frhr. v. d. Goltz, ist
ab 1. October zum Militär-Gouverneur des Kronprinzen,
Hauptmann Gontard von dem Kaiserin Augusta-Grena-
dierregimcnt zum Militärgouverneur des Prinzen Eitel
Friedrich, Premierlieutenant v. Rauch zum gemeinsamen
Gouverneur der Prinzen August Wilhelm und Oscar er-
nannt worden.
Baden. Im Wahlbezirk Mosbach ist die Landtags-
ersatzwahl für den verstorbenen Abgeordneten Weber an-
geordnet und Herr Geheime RegieruugSrath Pfister in
Heidelberg mit der Leitung derselben beauftragt worden.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog habendem
Königlich Preußischen Kammerherrn und Hofmarschall des Fürsten
von Hohenzollern Obersten z. D. v o n B r a nd i s das Kom-
mandeurkreuz erster Klasse und dem Königlich Preußischen Haupt-
mann s I. s. des Königin Augusta-Garde-Grenadier-Regimcnts
Nr. 4 Grafen von Spee, kommandirt zur Dienstleistung als
persönlicher Adjutant des Fürsten von Hohenzollern, das Ritter-
kreuz erster Klasse des Ordens vom Zubringer Löwen, sowie den
nachgenannten Fürstlich Hohenzollern'schen Hofbedtensteten in
Sigmaringen die folgenden Auszeichnungen verliehen: a. das
Ritterkreuz 2 Kl.des Ordens vom Zähringer Löwen: dem Hoffourier
Ernst Giese und dem Stallmeister Gustav Florian; b. das
Verdienstkreuz vom Zähringer Löwen: dem Schloßverwalter Mi-
chael Wagner; o. die kleine goldene Verdienstmedaille: dem
Kammerdiener Otto Schmidt und dem Küchenmeister Hermann
Meyer; ck. die silberne Verdienstmedaille: dem Hofjäger Wtlh.
Voß, dem Lakaien Wilhelm Preckel und den Kutschern Emil
Fröhlich und Johann Klaiber II.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Königlich Preußischen Major z. D. Lothar Maske in Rastalt
und dem Königlich Preußischen Major und Bataillons-Komman-
deur im Königs-Jnfanterie-Regiment Nr. 145 Christian Freiherrn
von Ompteda das Ritterkreuz erster Klasse des Ordens vom
Zähringer Löwen und den nachgenannten Königlich Bayrischen
Offizieren und Unteroffizieren die folgenden Auszeichnungen ver-
liehen, und zwar: V den Orden vom Zähringer Löwen: 1. das
Kommandeurkreuz 1. Klasse: dem Generalmajor Freiherrn von
und zu der Tann-Rathsamhausen, Kommandeur der
Königlich Bayrischen 10. Infanterie-Brigade; 2. das Komman-
deurkreuz 2. Klasse mit Eichenlaub: dem Obersten Krane, Kom-
mandeur des Königlich Bayer. 8. Jnfanterie-Regimenrs Pranckh;
3. das Ritterkreuz 1. Klasse mit Eichenlaub dem Oberstlieutenant
z. D. Alfred Döderlein, Landwehrbezirks-Kommandeur in
Landshut; 4. das Ritterkreuz 1. Klasse dem Major German
Meyer, Bataillonskoinmandeur im Königlich Bayerischen
8. Infanterieregiment Pranckh und dem Hauptmann und Kom-
pagniechef Friedrich Blanl in demselben Regiment; 5. das
Ritterkreuz 2. Klasse mit Eichenlaub dem Premierlieutenant Karl
Kleinhenz und dem Premierlieutenant und Regimentsadju-
tanten Hugo Hofmann in demselben Regiment; 8. die silberne
Verdienstmedaille dem Feldwebel und Zahlmeisteraspiranten
Philipp Bei siegel, den Feldwebeln Peter Martin, Karl
Stein el, Johann Funk und Hermann Ko ws ki und den
Vizefeldwebeln Theodor Schöppe und Georg Gebhardt in
demselben Regiment.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Königlich Preußischen Hauptmann Freiherrn v. Vincke, Kom-
pagniechef im Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4
das Ritterkreuz zweiter Klasse mit Eichenlaub des Ordes vom
Zähringer Löwen verliehen und den Finanzrath Dr. Friedrich
Nicolai beim Finanzministerium zum Ministerialrath
ernannt.
— Bei Einfahrt des von Hanau kommenden Güterzuges
5 351 auf Station Eberbach entgleisten am 29. September die
Lokomotive, der Tender und fünf Güterwagen. Personen wurden
nicht verletzt, auch der Materialschaden ist nur gering. Betriebs-
störungen wurden durch den Vorfall nicht verursacht. Wodurch
die Entgleisung hervorgerufen wurde, ist bis jetzt noch nicht mit
Bestimmtheit ermittelt.
Karlsruhe, 30. Sept. Morgen findet in Stockholm
die Feier der Konfirmation des ältesten Enkels des
Grobherzogs und der Großherzogin, des Prinzen Gustav
Adolf von Schweden und Norwegen, statt.
Ausland
Schweiz. Genf, 30. Septbr. Die jTessiner Polizei
verhaftete dieser Tage einen gewissen Ugo Ram bo n i, der
an der Ermordung der Kaiserin Elisabeth mit betheiligt
gewesen sein soll. Ramboni ist heute hier eingeliefert
worden.
Frankreich. Paris, 30. Sept. Der Gerichts-
vollzieher der drei Schriftsachverständigen im Dreyfus-
Prozesse, der schon am Samstag das Mobiliar im Erd-
geschosse in Zolas Wohnung beschlagnahmt hatte,
erschien heute wieder, um auch die Einrichtung des ersten
Stockwerkes mit Beschlag zu belegen. Er kam in Beglei-
tung eines Möbelhändlers, der als Sachverständiger thätig
war, und dreier Schreiber. Frau Zola war sehr bestürzt
über den Besuch und verwahrte sich heftig, aber vergeblich
gegen die Beschlagnahmung. Sie fragte den Gerichtsvoll-
zieher, wie weit er die Pfändung noch ausdehnen wolle,
die ganz- Wohnung Zolas sei über und über mit kostbaren
Gegenständen angefüllt. Dieser antwortete, er wolle alles
beschlagnahmen und werde weder Zolas Arbeitszimmer noch
das Schlafzimmer seiner Frau verschonen. Er gab darauf
den drei Schreibern Befehl, auf gestempeltem Papier den
Werth aller Gegenstände zu verzeichnen, wie er von dem
Möbelhändler als Sachverständigem angegeben würde. Die

Arbeit währte mehrere Stunden, alle Gegenstände des ersten
Stockes sind ausgezeichnet. Frau Zola wohnte in höchster
Aufregung dem ganzen Verfahren bei. Der Gerichtsvoll-
zieher, der von Zola öfter zu Rathe gezogen wird, bezeichnet
das Vorgehen seines Kollegen als gesetzwidrig. Er war
aber abwesend und kehrt erst heute Abend zurück. Am
11. Oktober soll der öffentliche Verkauf der bei Zola mit
Beschlag belegten Möbel stattfinden. Inzwischen hat jedoch
Octave Mirbeau den Behörden ein neues Angebot ohne
seinen früheren Vorbehalt gemacht, die Summe zu zahlen.
Er stützt sich dabei auf eine Bestimmung, wonach eine
Strafsumme von jeder dritten Person im Namen einer
anderen gezahlt werden kann.
— Neber die Art, wie man Schriftstücke in dem Pa-
pierkorb der deutschen Botschaft gefunden hat, soll Ester-
hazy sich in London folgendermaßen geäußert haben:
Nachdem das Bordereau von mir geschrieben worden war, wurde
es nothwendig, ihm das unerläßliche Ansehen eines echten Docu-
ments zu geben. Wie Sie wissen, sollte es aus der deutschen
Botschaft gestohlen worden sein. Oberst Schwartzkoppen jedoch
leugnete, es gesehen zu haben; ich glaube, er gab sein Ehrenwort
darauf. Was er sagte, war vollständig wahr, er hat das Bor-
dereau nie gesehen. Es war von einem Agenten unseres Nach-
richtenüureaus dem Portier der deutschen Botschaft übergeben, der
Spion in unseren Diensten ist. Der Portier gab es einem
anderen Agenten namens Genest, und von ihm wurde cs
dem Nachrichtenbnreau zurückgebracht und dort entsprechend be-
zeichnet und registrirt als auf üblichem Wege aus der deutschen
Botschaft erlangt. Somit erhielt es die offizielle Taufe. Nun
wurde ausschließlich auf die Evidenz des Borderau hin Dreyfus
vernrtheilt.
Ist diese Mittheilung richtig, dann bestätigt sie eine
Ansicht, die schon oft ausgesprochen wnrde, die nämlich,
daß im Falle Dreyfus gar kein Landesverrath verübt
worden ist, sondern nur eine große Schwindelei:
Um sich „Fanggelder" zu verschaffen, haben allerlei „Nicht-
gentlemen" den französischen Militärbehörden Dinge aus-
geliefert, von denen sie annahmen, daß dieselben für solche
Leute Interesse haben dürften, welche hinter anderer Leute
— angebliche oder wirkliche — Geheimnisse zu kommen
wünschten.
Asien. Peking, 30. Sept. Die Times meldet, am
28. d. M. seien sechs Anhänger der Reformpartei, darunter
ein Bruder Kang-Iu-Meys, ein Censor und ein Sohn des
Gouverneurs von Hupe wegen Verschwörung gegen die
Kaiserin-Wittwe hin gerichtet worden. In der Stadt
sei alles ruhig.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 1. October.
chs- Handlungsgehilfen-Versammlung. Die von der Orts-
gruppe Heidelberg des deutsch-nationalen Handlungs-
gehilf e n-V e r b an d e s auf gestern Abend im Saale der
Westendhalle dahier anberaumte öffentliche Versammlung war
sehr zahlreich besucht. Hr. Hogrefe eröffnete dieselbe um halb
10 Uhr mit einem Hoch auf Kaiser und Großherzog, worauf
Hr. v. Pein aus Hamburg einen Vortrag über das Thema
hielt: „Was haben die kaufmännischen Vereine bisher für die
Handlungsgehilfen gethan?" Der Redner suchte in seinem
längeren Vortrage darznthun, daß die Zwecke und Ziele der
älteren kaufmännischen Verbände in der heutigen Zeit nicht mehr
dazu führten, dem Stande der Handlungsgehilfen die ihm ge-
bührende soziale und wirthschaftliche Stellung zu erringen, bezw.
die zu behaupren, die er früher besessen. Damit man ihn, den
Redner, richtig verstehe, wolle er gleich zwei Vorurtheilen be-
gegnen: der von ihm vertretene deutsch-nationale Handlungs-
gehilfen-Verband bekämpfe erstens nicht die altbestehenden kauf-
männischen Verbände und zweitens sei nicht beabsichtigt, die
Handlungsgehilfenbewegung in ein gewisses politisches Fahr-
wasser zn leiten; Parteipolitiksei absolut ausgeschlossen. Der
Vortragende malte dann in düstern Farben ein Bild von der
heutigen Stellung der Handlungsgehilfen und suchte durch ver-
schiedene Beispiele eine allgemein gedrückte Lage der kaufm. Ge-
hilfen zu beweisen. Um eine Besserung herbeizuführen, empfahl
er eine bessere Regelung der Arbeitszeit und der Kündigungs-
frist, Errichtung von Schiedsgerichten, um Streitigkeiten Mischen
Prinzipalen und Gehilfen zu schlichten, bessere Regelung des
Lehrlingswesens, Regelung der Frauenarbeit rc. All diesen Be-
strebungen ständen die älteren kaufmännischen Ver-
bände, darunter hauptsächlich der im Jahre 1858 gegründete
Verband und der Leipziger Verband, kühl gegenüber. In diesen
Vereinen hätten die Prinzipale einen zu großen Einfluß und das
sei vom Uebel. Die Handlungsgehilfen müßten die Verbesserung
ihrer Lage selbst und zwar in ganz energischer Weise zu erreichen
suchen In allen Branchen des kaufm. Standes trete die kühle, nüch-
lerne Kapitalherrschaft zutage. Mit der Stellenvermittlung schaffe man
die durch die maßlose Lehrlingszüchterei hervorgerufene Stellenlosig-
keit nicht aus der Welt. Durch das neue Handelsgesetzbuch sei für
den Handlungsgehilfenstand gar nichts erreicht worden und die
älteren kaufm. Verbände hätten bei Aufstellung desselben ihre
Impotenz bewiesen; sie hätten es unterlassen, der Reichsregie-
rung die gedrückte Lage des kaufm. GehtlfenstandeS klar , zu
machen Der Redner geißelte dann die Aengftlichkett der kaufm.
Gehilfen und pries als einziges Mittel zur Verbesserung aller
Schäden den Beitritt zum deutschnationalen HandlnngSgehilfen-
verband und die Unterstützung der Bestrebungen deffew an.
Die Ausführungen des Redners wurden therls durch Widerspruch,
theils durch lebhafte B-ifallsbezeugungen unterbrochen; am
Schluffe wurde lebhaft applaudirt. Herr Karl Ueb erl e, der
Vorsitzende des hies. kfm. Vereins ergriff hierauf das Wort und wies in
geschickter Weise einige Ausfälle des Vorredners gegen dre älteren
kaufm Verbände zurück. Herr v. Pein habe behauptet, der deutsch-
nationale Haudlungsgehilfenverband treibe keine Parteipolitik:
durch einige Bemerkungen in seinen Ausführungen habe der
Redner sich selbst widerlegt und gezeigt, meß Geistes Kind er
sei; ferner habe Herr v. Pein bei seinen Ausfällen mit Bezug
auf die Wirksamkeit der älteren kaufm. Verbände einige unwahre
Behauptungen gegen besseres Wissen aufgestellt; auf alle Falle
habe er die Wirksamkeit des sog. 58er Verbandes, bei dem Herr
v Pein früher selbst Mitglied gewesen und infolge ehrengericht-
lichen Beschlusses ausgeschlossen worden sei, in wissentlich falscher
Weise geschildert. Herr Ueberlc, der vom Vorsitzenden zwei Mal
zur Ordnung gerufen wurde, forderte beim zweiten Ordnungsruf
die Mitglieder des kaufm. Vereins auf, mit ihm den Saal zu
verlassen, welcher Aufforderung die Mitglieder des Vereins Folge
 
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