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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0027

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Telephon-Anschluß Nr. 82.
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Telephon-Anschluß Nr. 82.

NannnstW, den 7. Juli

1898.

Namensaufschriften an Berkaufsläden und
Wirthfchaften.
(Schluß.)
Die Anbringung der Firma an Ladengeschäften und
Wirthfchaften ersetzt nicht in allen Fällen die neu vorge-
ichriebene Namensaufschrift. Wie seither, so werden auch
künftig unter der Geltung des neuen Handelsgesetzbuchs
noch viele Firmenbezeichnungen vorkommen, welche den
Familiennamen und mindestens einen ausgeschriebenen
Vornamen des Geschäftsinhabers nicht enthalten.*) Das
neue Gesetz schreibt nun vor, daß „Kaufleute, welche eine
Handelsfirma führen" und einen offenen Laden oder eine
Wirtschaft betreiben, an diesen jedenfalls eine Aufschrift
'hier Firma**) in deutlich lesbarer Schrift anzubringen
haben, daß sie außerdem aber noch die Namensaufschrift
dann anzubringen haben, wenn aus der Firma der Fa-
milienname des Geschäftsinhabers mit dem ausgeschriebenen
Vornamen nicht zu ersehen ist. Selbst wenn der Name
lammt Vorname des Geschäftsinhabers in der Firma ent-
halten ist, wird die Firmenaufschrift nicht immer genügen ;
die Firma eines Geschäfts kann Namen einer Mehrzahl
von Personen enthalten und zwar auch solcher Personen,
die dem Geschäft nicht oder nicht mehr angehören, ohne
daß letzteres aus dem Wortlaut der Firma ersichtlich ist.
In Fällen dieser Art wird der Absicht des Gesetzes, Jrr-
rhümer und Täuschungen zu verhüten, entsprechend zu ver-
langen sein, daß der Geschäftsinhaber als solcher durch
Aufschrift bezeichnet wird.
Kraft ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes finden
obige Vorschriften über die Firmen- und Namensaufschrif-
ten entsprechende Anwendung auf Ladengeschäfte und
Wirthschaften von offenen Handelsgesellschaften, von Kom-
manditgesellschaften und von Kommanditgesellschaften auf
Aktien; es müssen die Firma und außerdem, soweit nach
dem oben Ausgeführten erforderlich, auch die Namen (mit
mindestens je einem ausgeschriebenen Vornamen) der per-
sönlich haftenden Mitglieder angeschrieben werden. Sind
jedoch mehr als zwei Betheiligte vorhanden, deren Namen
demnach in der Aufschrift anzugeben wären, so genügt es,
Menn zwei derselben mit einem das Vorhandensein weiterer
Betheiligter andeutcnden Zusatz in der angegebenen Weise
in der Aufschrift benannt werden; der Polizeibehörde bleibt
aber Vorbehalten, im einzelnen Fall die Angaben der Namen
aller Belheiligter in der Aufschrift anzuordnen.
Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haf-
tung, sowie Genossenschaften unterliegen den Vorschriften
des § 15g. der Gewerbeordnung nicht; ihrer Verfassung
uach hätte bei ihnen die Anbringung von persönlichen
Namen der Aktionäre, Theilhaber oder Mitglieder wohl
keinen Zweck, könnte im Gegentheil vielleicht nur Jrrthümer

verursachen, aber auch die Anbringung der Firma an ihren
Ladengeschäften und Wirthschaften will der 8 15a der
Gewerbeordnung, wie aus seiner Fassung zu schließen sein
wird, nicht vorschreiben. Wird ein Ladengeschäft oder eine
Wirthschaft auf gemeinsame Rechnung mehrerer Personen
betrieben, ohne daß eine Gesellschaftsform des Handels-
rechts vorliegt, handelt es sich vielmehr um eine Gesell-
schaft des bürgerlichen Rechts, so werden die Namen
sämmtlicher Theilhaber in die Aufschrift aufzunehmen
sein.
Wenn das Gesetz in Kraft getreten ist, gewährt es
keine weitere Frist mehr zur Anbringung der vorgeschriebenen
Aufschriften und es kann sofort nach dem Inkrafttreten
Bestrafung (Geldstrafe bis zu 150 M. eventuell Haftstrafe
bis zu 4 Wochen) derjenigen eintreten, welche der Vor-
schrift nicht nachgekommen sind. Wenn ein Geschäft neu
begonnen oder auf einen andern Inhaber übergeht, muß
die Aufschrift sofort mit Beginn bezw. mit der Ueber-
nahme des Geschäftsbetriebs angebracht bezw. geändert
werden.
Wohl die Mehrzahl der bestehenden Aufschriften wird
den neuen gesetzlichen Anforderungen nicht genügen, sei es,
daß Name und Firma gar nicht angegeben sind, oder daß
die Aufschriften noch die Namen früherer Geschäftsinhaber
tragen oder daß sie keine oder nur abgekürzte Vornamen
enthalten. Den Anforderungen nicht genügende Aufschrif-
ten müssen bis zum 1. Januar 1900 abgeändert oder er-
gänzt sein. Die vorhandenen Geschäftsschilder werden oft
nicht so viel Raum bieten, daß ein ausgeschriebener Vor-
name beigefügt werden kann; in anderen Fällen würde die
Beifügung des letzteren die Erneuerung der vorhandenen
Aufschrift in ihrer ganzen Ausdehnung nothwendig machen,
wenn nicht das Schönheitsgefühl verletzt werden soll. In
solchen Fällen werden sich die Geschäftsleute manchmal
Kosten dadurch ersparen können, daß sie die vorhandene
Aufschrift (sofern diese nicht etwa überhaupt eine unrichtige
Person bezeichnet) einfach belassen und außerdem noch eine
weitere Aufschrift am Laden oder an der Wirthschaft in
einer den neuen Vorschriften entsprechenden Weise anbringen.
Wer aber schon aus anderen Gründen ein Geschäftsschild
oder eine Aufschrift neu anfertigen oder erneuern läßt,
wird in seinem eigenen Interesse zweckmäßiger Weise darauf
sehen, daß sie jetzt schon in einer den neuen Vorschriften
entsprechenden Weise (insbesondere Ausschreibung eines oder
mehrerer Vornamen) ausgeführt werden. Maler, Flaschner
und sonstige Personen, welche Schilder oder Geschäftsauf-
schriften anfertigen, können ihren Kunden spätere Auslagen
und manchen vielleicht auch Strafen ersparen, wenn sie
dieselben auf die neuen Vorschriften aufmerksam machen.
(Gewerbebl. a. Württemb.)

. ') Das neue Handelsgesetzbuch verlangt, daß in die Firma,
wweit es sich um Geschäfte handelt, die ohne Gesellschafter oder
nur mit einem stillen Theilhaber betrieben werden, außer dem
Familiennamen noch mindestens ein ausgeschriebener Vorname
ausgenommen wird; bestehende Firmen solcher Geschäfte dürfen
kedoch nach dem Inkrafttreten des neuen Handelsgesetzbuchs un-
verandert weiter geführt werden, wenn sie den seitherigen Vor-
ichriften entsprochen haben. Für Gesellschaftsfirmen führt das
ueue Handelsgesetzbuch einen Zwang zur Aufnahme von Vor-
namen nicht ein.
**) Maßgebend für den Wortlaut der Firmenaufschrift ist der
Eintrag im Handelsregister. „Kaufleute" sind Personen, die ein
Vandelsgewerbe (als Haupt- oder Nebengeschäft) betreiben; zum
Handelsgewerbe ist auch der gewerbsmäßige Wirthschaftsbetrieb
äst rechnen. Handwerker und Personen, deren Gewerbebetrieb
nicht über den Umfang des Kleingewerbes htnausgeht, sind nach
oem neuen Handelsgesetzbuch zur Rührung und Anmeldung einer
»rrma nicht verpflichtet und es soll für solche Betriebe auch Etn-
rrag einer Firma in das Handelsregister nicht erfolgen._

Deutsches Reich.
Berlin, 6. Juli.
— Der Kaiser ist heute früh in Odde angekommen.
Das Wetter ist ihm seit Sonntag Abend günstig gewesen.
— Staatssekretär v. Podbielskt hat sich von Wien
nach Pest und Bukarest begeben.
— Ueber den Prozeß gegen den Fürsten Bis-
marck, den Oberförster Lange, sein langjähriger Ge-
neralbevollmächtigter, angestrengt hat, wird aus Kiel
berichtet:
Das Oberlandesgericht verhandelte unter dem Vorsitz des
Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Beseler. Lange fordert be-
züglich seiner Pension Gleichstellung mit den Oberfö rstern
des Staates Preußen, da zwischen ihm und dem Fürsten
Bismarck eine dahingehende mündliche Abmachung im
Jahre 1877 erfolgt sei. Der Kläger beantragt, dem Fürsten

Ein Griff in's Leben.
Novelle von Reinh old O rtmann.
(Fortsetzung.)
Eva Leuthold sprach nur wenig, und nur, wenn eines der
Verden anderen geradezu das Wort an sie richtete. Der junge
Scaler aber, der seinen Blick kaum für eine Sekunde von
ihrem reizenden Gesichtchen verwandte, schien um so erregter
swseduldiger werden, je schweigsamer sie sich verhielt.
Mötzlich sprang er auf, und während eine heiße Röthe über
lern Gesicht hinflammte, sagte er:
„--Du hast mein neues Bild gesehen, Eva! — Ich gestehe
daß ich es Dir freiwillig nicht gezeigt haben würde,
7-^r da es Dir nun einmal ohne mein Zuthun bekannt ge-
svvsdcn ist, darfst Du mir auch Dein Urtheil nicht vorent-
hatten. Ich bitte Dich, es mir ganz offen auszusprechen."
_ Ähre Augen suchten den Boden, und ein paar Sekunden
verstrichen, ehe sie erwiderte.
-- "Mein Urtheil kann kaum einen Werth für Dich haben,
Herbert! Du weißt ja, wie wenig ich von diesen künstlerischen
Dingen verstehe."
"Was thut das? — Es ist ja keine fachmännische Kritik,
V ich von Dir verlange, sondern einzig eine Wiedergabe des
Umdrucks, den Du von dem Bilde empfangen. Und irgend
Men Eindruck muß es doch auf Dich gemacht haben. Ich
wurde es geradezu als eine Kränkung empfinden, wenn Du
vorauf beharren wolltest, ihn mir zu verschweigen."
d;°r"W,^.d es Dich nicht aber vielleicht auch kränken/ wenn
vieler Eindruck em anderer war, als Du es beabsichtigt
und erwartet hast?"
Ueberrascht blickte er auf; daß er etwas anderes als Lob
uns ihrem Munde vernehmen könnte, hatte er in der That
mum für möglich gehalten.
"N(M - gewiß nicht!", versicherte er. „Sage es nur rund
heraus! Das Bild hat Dir mitzfallen."

„Ja. Es hat mich traurig gemacht, und ich wünschte von
Herzen, daß Du es nicht gemalt hättest."
„Es ist eine Pfuscherei — das Werk eines unfähigen
Stümpers — nicht wahr?"
„Ich weiß nicht, worin seine Mängel bestehen, aber ich
habe freilich die Empfindung, daß es kein Meisterwerk ist,
daß es weit zurücksteht hinter all Deinen anderen Schöpfungen,

die ich kenne."
„Aber, Eva!" meinte die Professorin in vorwurfsvollem
Erstaunen. „Glaubst Du Dich wirklich berechtigt, ein so
hartes Urtheil zu fällen? Ich muß ja gestehen, daß ick das
Bild etwas grausig finde; aber gemalt ist es doch jedenfalls
sehr schön- Ich glaube, das Gesicht des Mannes, der sich da
so entsetzt in seinem Bette aufrichtet, wird mir fortan oft ge-
nug im Traume erscheinen."
Wallfried aber beachtete ihre wohlgemeinte Anerkennung
garnicht, und nur aus höflicher Rücksichtnahme wartete er,
bis sie ausgesprochen, ehe er sich wieder an Eva wandte-

„Was Du da sagst, stimmt vollständig mit meiner eigenen
Ansicht überein, und ich bin Dir von Herzen dankbar für
Deine Aufrichtigkeit. Ich habe mich eben in meiner Begabung
getäuscht, und ich werde niemals im Stande sein, etwas Großes
zu leisten."
Er hatte wohl die Absicht gehabt, das ganz leichthin zu
sagen; aber ohne daß er es wollte und wußte, war ein herz-
zerschneidender Klang von Verzweiflung in seiner Stimme.
Mit großen Schritten begann er in dem Atelier auf und
nieder zu geben und er setzte diese nervöse Wanderung auch
noch fort, als Eva nach einem kurzen Schweigen wieder das
Wort ergriff. Aber das, was sie sprach, mußte wohl eine
starke und überraschende Wirkung auf ihn üben, denn plötzlich
blieb er wie fcstgebannt vor ihr stehen und sah sie an, als
wollte er die Worte gleich einem köstlichen Labsal von ihren
Lippen trinken.

Und doch waren es nur schlichte und ungekünstelte Worte
— nicht blendend und geistreich, wie es die mit berechneter
Lässigkeit hingeworfenen Bemerkungen der Frau von Greiffen-

Bismarck über drei Punkte den Eid zuzu schieben. Erstens
habe Bismarck 1877 Lange zugesichert, „er solle in allem so ge-
halten werden, daß er in seinem Einkommen einem preußischen
Oberförster gleichstehe"; zweitens, nach der Anstellung Langes
als Oberförster in Friedrichsruh habe Bismarck gesagt, „es sei
viel, was Lange fordere, aber da er den Staatsdienst aufgebe,
sei seine Forderung berechtigt"; drittens habe Bismarck zu-
gesichert, daß die Pensiontrung Langes unter denjenigen Vor-
aussetzungen erfolgen solle, die für die preußischen Oberförster
maßgebend seien. Ueber diese Abmachungen liegen keinerlei
Schriftstücke vor. Das Gericht erkannte zum Schluß dahin, dem
Kläger stehe eine Pension von 4500 Mark vom 1. October 1897
zu. Wenn der Beklagte (Bismarck) erklärt, erstens, „es ist nicht
wahr, daß ich dem Kläger zugesagl habe, sein ganzes Einkommen
sei pensionsberechtigt," zweitens, „es ist nicht wahr, daß ich er-
klärt habe, er solle nicht schlechter gestellt sein als die preußischen
Oberförster," dann erfolgt die Abweisung der wetteren Ansprüche
Langes. Will Fürst Bismarck diese eidlichen Aussagen nicht
machen,, so sei er verpflichtet, die Pension des Lange um 481,50
Mark bezw. 256,50 Mk. zu erhöhen, je nachdem die Ablehnung
beider Eide oder eines Eides erfolgt. Der Vertreter des Für-
sten Bismarck erklärte, daß der Fürst bereit sei, den Eid zu
leisten, daß er dem Lange nicht zugesagt habe, das ganze Ein-
kommen sei pensionsberechtigt.
Baden. WegenZuwiderhan klung en gegen dieLan-
dessteuergesetze wurde im Jahr 1897 gegen 7032
Personen das Strafverfahren eingeleitet. Zur Erledigung
kamen (einschließlich der aus dem Vorjahre rückständigen
Prozesse) 6930 Fälle, von denen laut Karlsr. Ztg. 309
mit Freisprechung, 327 mit Vcrurtheilung zu Defraudations-
kosten im Gcsammtbetrage von 249 683 Mark 61 Pfg.
und 6264 mit Verurtheilung zu Ordnungsstrafen im Ge-
sammtbetrage von 24155 M. 20 Pf. endigten.
Freiburg, 6. Juli. In sonst gut unterrichteten Kreisen hält
man es für sicher, zum Nachfolger des soeben in Ruhestand ver-
setzten Landgerichlspräsidenten vaag werde Landgerichtsdirektor
Fieser in Karlsruhe ernannt werden. Ohne Zweifel würde
die Ernennung erst nach Vertagung der Stände erfolgen, da mit
der Beförderung der Mandatsverluft und die Nothwendigkeit einer
Neuwahl verbunden ist. Als weitere Frage würde sicn wohl er-
geben, ob nach seiner Versetzung aus Karlsruhe Landgerichts-
direktor Fieser in bisheriger Weise die Führerschaft der nat.-lib.
Partei beizubehallen oder sich mehr in die politische Muße zu-
rückzuziehen gedenkt.
L. 6. Karlsruhe, 6. Juli. Die Commission für
den Gesetzentwurf betr. die Besteuerung des Wander-
gewerbebetriebs kam zu dem Beschlüsse, die Annahme
des Entwurfs mit folgenden Aenderungen zu empfehlen:
Der Maximalsteuersatz soll für Betriebe von 300 auf
400 Mark erhöht werden; unter den Steuersatz von 30 Mark
darf nur in den Fällen des 8 3 Abs. 4 des Gesetzes herunter-
gegangen werden. Die nach diesem Gesetze Steuerpflichtigen sind,
insoweit sie der Wandergewerbesteuer unterliegen, von der Ver-
anlagung zur Gewerbe- und Einkommensteuer befreit. Den
Vorschriften über die Besteuerung der Wanderlager unterliegt auch
das Feilbieten eines Waarenlagcrs durch Auktionatoren an deren
Wohnort, gleichviel ob die Waaren für auswärtige oder im Ort
angesessene Auftraggeber oder auf eigene Rechnung .feilgeboten
werden. Als Wanderlager gilt nicht: Der Verkauf von gepfän-
deten Waaren durch Psändunzsbeamte (Gerichtsvollzieher), sofern
nicht die Form der Zwangsvollstreckung lediglich zur Umgehung
der Besteuerung nach diesem Gesetze gewählt worden ist. In
dem letzteren Falle ist sowohl der Gläubiger als der Schuldner
zur Anmeldung und richtigen Versteuerung des Betriebs ver-
pflichtet. Die zum Wandergewerbebetrieb mitgeführten Gegenstände
können, soweit es zur Sicherheit der Steuer, der Strafe und der
Kosten erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden.
L.6. Karlsruhe, 6. Juli. Am nächsten Samstag
soll im Landtag die Novelle zum Elementarunter-
richtsgesetz zur Verhandlung gelangen. In der Com-
mission erklärte sich der Staatsminister bereit, daß Lehrer
mit 30 Dienstjahren ohne Rücksicht auf ihre bisherigen
Gehaltsverhältnisse den Höchstgehalt von 2000 Mark be-
ziehen sollen; solche mit 27 Dienstjahren erhalten 1900
Mark und diejenigen mit 24 Dienstjahren 1800 Mark.
Auf weitergehende Zugeständnisse will sich die Regierung
unter keinen Umständen einlassen. Unter diesen Umständen
nahm die Kommission den Vorschlag der Regierung an.
yagen zu sein pflegten, sondern einzig der natürliche Ausdruck
eines warmen und gesunden Empfindens. Sie sagte ihm,
daß er ihrer (Überzeugung nach nicht den geringsten Anlaß
habe, an seiner Begabung zu zweifeln und daran, daß es ihm
beschicken sein werde, die höchsten künstlerischen Ziele zu er-
reichen. Nur die Richtung, die er da mit seinem neuen
Bilde eigeschlagen habe, bedeute für ihn nicht den rechten
Weg.
„Nach meiner Vorstellung," sagte sie, „soll jedes wahre
Kunstwerk nur ein Spiegelbild jener Welt sein, die in des
Künstlers Seele lebt. Und es braucht ihn wahrlich wenig
zu kümmern, wenn diese seine innere Welt eine ganz andere
ist als die Welt, die ihn greifbar umgiebt. Das Schöne ist
immer wahr, auch wenn es sich in die Form eines Vorganges
kleidet, der sich nie und nirgends zugelragen. Deine Darstel-
lungen aus einem märchenhaften goldenen Zeitalter sind echte
Kunstwerke gewesen, weil sie nur wiedergeben, was als volle
Wirklichkeit in Deiner Seele lebte. Von dem Vorgang aber,
den Du hier zu schildern versucht hast, weiß Deine Seele
nichts. Du hast die Arbeit des Photographen übernehmen
wollen, der mit mechanischer Kunstfertigkeit ein Stück brutalen
Lebens auf seiner Platte festhält. Und an der mechanischen
Kunstfertigkeit fehlt es Dir gewiß nicht. Deine Mutter mag
wohl recht haben, wenn sie saat, daß Dein Bild sehr schön
gemalt sei. Du selbst aber weißt viel besser als ich, daß die
Kunstfertigkeit nicht den Künstler macht. Und wenn auch alle
Welt es als ein Meisterstück bewundern würde, Du selbst
könntest Dich doch nimmermehr von einem Werke befriedigt
fühlen, das Du nicht aus innerem Herzensdrange, sondern
aus irgend welchen Verstandsgründen geschaffen hast."
Sie hielt erschrocken inne, denn Herbert Wallfried hatte
sich zu ihr niedergebeugt und hatte ihre beiden Hände er-
griffen, um sie zu küssen, nicht heiß und feurig wie ein leiden-
schaftlicher Liebhaber, sondern ehrfurchtsvoll und beinahe
demüthig, wie ein Beschenkter die Segen spendenden Hände
seines Wohlthäters küssen mag.
(Fortsetzung folgt.)
 
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