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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0357

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>. 234.

Kkiks, den 7. Wider

18S8.

Vom sozialdemokratischen Parteitag.
. Auf dem sozialdemokratischen Parteitage zu Stuttgart
'"eßen am Mittwoch die Temperamente noch einmal heftig
Wammen. Eine höchst aufgeregte Rede hielt der Genosse
s?chönlank, indem er sich gegen den Abgeordneten Heine
Merlin) wandte, der gelegentlich einmal erklärt hatte, man
^erde der Regierung Kanonen bewilligen können, wenn sich
^bcgen erweiterte Volksrechte eintauschen ließen.
».Endlich, so rief Schönlank aus, haben wir Klarheit über die
Ovation. Ein klägliches Fiasko erleidet die Ausgleichspolitik
Aade in dieser Zeit durch die Brutalität der Thatsachen.
Mionen gegen Volksrechte! Die Regierung wird gern bereit
zu geben, aber sobald wir davon Gebrauch machen, werden
.^ Kanonen aus uns losgehen. Die deutsche Bourgeoisie hat
Atulirt in ihren liberalen Traditionen, hat sich geeinigt, im
Militarismus und Marinismus die schamlosesten Anforderungen
stellen, bekämpft das allgemeine Wahlrecht als Krebsschaden,
Wachsen hat man es uns bereits genommen, die deutsche Po-
Z"k, geführt von einem Posadowsky, inspirirt von
König von Saarabien, da haben wir alle Ursache, zu sorgen,
wir eine geschlossene, einheitliche, rücksichtslose Taktik befol-
die alte revolutionäre proletarische Taktik, den Kampf bis
Messer mit allen Mitteln, den Kampf gegen persönliches
"?glvient, gegen eine Politik der überseeischen Abenteuer, gegen
System der Romantik, gegen verstiegene Phantasie vom
E-^Kahrerthum jenseits des Meeres, sei es in Kiautschou, sei
ft w Jerusalem, welche eine neue Zeitperiode, eine neue Aera
wr Deutschland heraufführen will, die mit eiserner Faust zer-
iMettern will die Volksrechte, da gilt es geschlossen zu stehen wie
. n Mann. (Redner spricht mit hochgradiger Erregung, die Ver-
Mmlung verharrt in eisigem Schweigen.) Weg mit den viei-
.Mgsverschiedenheiten. Wir danken dem Kaiser für das Oeyn-
Uuser Wort. Es hat wie ein Blitzstrahl den letzten Rest von
Fusionen zum Teufel gefegt, vom sozialen Königthum dieses
§°benzollernfürsten. Die bürgerliche Klasse lechzt nach Blut,
,, Etr v. d. Recke wünscht in seinem Erlasse, daß der Säbel haut
L, dw Flinte schießt. Ich sage also: gegen die Politik des
Staatsstreiches, der Hungerzölle. Man giert nach einem neuen
^.Walistengesetz. Zeigen wir offen unsere Ziele, setzen wir eine
^llrue gegen die eiserne Politik der Regierung, um mindestens
.oriaufig zu verhüten, daß nicht noch mehr Thorheiten und Ver-
."chen von der Reaktion gegen das arbeitende Volk begangen
r ^den. Zur politischen Knechtung soll die wirthschaftliche Ent-
Mtung kommen, setzen wir an Stelle der heutigen verrotteten
g,"hältnisse neue Zustände nur durch den Klaffenkampf. (Einige
soffen klatschen in die Hände.)
Die blutrünstige Rede des heftigen Doktors machte,
schon bemerkt, auf die Versammlung nur wenig Ein-
duck. Genosse Peus, ein ehemaliger Theologe, meinte,
? komme ihm vor, als befinde er sich in einer Volksver-
'u-nmlung.
.. .^aben wir Veranlassung, uns so ungeheuer zu erregen? (Sehr
Das war nicht ein Ausdruck unseres Machtgefühls, son-
h su der Angst. (Sehr wahr! und Beifall.) Wir haben aber
H keinen Grund, so zu thun, als wäre man gegen uns mäch-
als man thatsächlich ist. (Sehr richtig!) Man sagt, die
hMonen werden auf uns schießen. So leicht schießt sich mit
. anonen nicht. (Gelächter.) Denken Sie doch an die Erregung
Einzelne Thaten des Militarismus im Volk. Die Leute,
>chießen wollten, könnten doch sehr, sehr böse Erfahrungen
lein m. (Nufe: Na! na!) Wir brauchen nicht so ängstlich zu
U- Wir bieten uns den Kanonen nicht dar, dann kommen wir
d Men nicht in Konflikt. Nach Schönlank müßten wir ja
diu» könne morgen schon losgeheu. Sieht denn das nicht
vaii wolle man angesichts des Umstandes, daß wir nicht
j. die erwarteten Erfolge gehabt haben, die Massen vorwärts
NjUugen? Mit Millionen Köpfen gehts nicht so schnell. Große
3m, khuns nicht. Der kapitalistische Staat ist vielleicht in zehn
k dren ein ganz anderer. Mit dem Denken, das uns Marx und
UUs gelehrt haben, allein ists nicht gcthan.
. Dr. Schönlank gab aber nicht klein bei und nannte,
die theologische Vergangenheit von Peus anspielend,
lstn Rede einen „Unfug im Tone eines Nachmittags-
? bdigers vorgetragen", wie denn überhaupt in erfrischen-
Offenherzigkeiten der Genossen gegen einander auch auf
sstm Parteitage wieder das Menschenmögliche geleistet
>rd. Schönlank will das Volk nicht kalmirt, sondern
^'llepestscht haben, mußte sich aber dafür von einem
^Mzer Genossin sagen lassen, daß eine Partei übel be-

rathen sei, wenn sie gegenüber einer nervösen Regierungs-
politik gleichfalls nervös werde. Eine rabiate Taktik nütze
nur den Gegnern der Sozialdemokratie und werde selbst
bürgerliche Gegner der „Zuchthausvorlage" zu deren Gun-
sten umstimmen.
Die Verhandlungen des Parteitages lassen erkennen,
daß es den intelligenten Genossen nachgerade lang-
weilig ist, nichts als das Elend der gegenwärtigen
und das Paradies der zukünftigen sozialistischen Ge-
sellschaftsordnung in die Welt hinaus zu rufen.
In Gedanken und in Träumen läßt sich sehr leicht eine
Welt vernichten und eine neue ausbauen. Aber wenn man
lange genug geschwärmt und geträumt hat, dann kommt
man doch wieder zur Wirklichkeit zurück und merkt, daß
diese nur durch geduldige strenge Arbeit, nicht aber durch
kühne Träumereien umgestaltct werden kann. In diesem
Stadium der Erkenntniß scheint sich gegenwärtig ein Theil
der führenden Genossen, namentlich der älteren, zu befin-
den. Die Frage der Betheiligung an den preußischen
Landtagswahlen wurde in der Weise erledigt, daß man
den einzelnen Wahlkreisen die Entscheidung überließ. Kom-
promisse wurden unter Umständen gestattet. Man wollte
dieselben nicht wieder verbieten, da man für diesen Fall
ähnliche Scenen befürchtete, wie sie sich auf dem Ham-
burger Parteitag abspielten.
Gestern beschäftigte sich der Parteitag u. A. mit der
Zollpolitik und auch hier wurden Urtheile vorgetragen, die
durch ruhiges und sachliches Abwägen Vortheilhaft von
dem blöden Geschrei, das die Sozialdemokraten früher in
dieser Frage anstimmten, abstach. Der Referent, Genosse
Schippel, empfahl eine Resolution, die im Hauptsatz wie
folgt lautet:
Das Interesse der deutschen Arbeiterklasse erfordert auch für
die Zukunft nicht nur die möglichste Sicherstellung unserer Aus-
fuhr durch umfassende vertragsmäßige Bindung der Auslands-
zölle, sondern auch die weitere Ermäßigung uud schließliche Auf-
hebung aller unserer Lebensmittelzölle, welche gerade die ärmsten
Schichten der Bevölkerung am schwersten bedrücken und in der
Erhöhung ihrer Lebenshaltung hemmen.
Soweit wie Kautsky, der in einer Gegenresolution die Partei
unter allen Umständen und für alle Zeit gegen den Schutzzoll
festlegen will, geht Schippel nicht. Die Kautsky'sche Behauptung,
daß die deutsche Industrie weit genug entwickelt ist, um den
Zollschutz entbehren zu können, hält er nicht absolut erwiesen.
In der Partei, so sagt er, hat man vielfach die unklare Idee,
als sei der Freihandel so eine Art von Völkerverbrüderung.
Dem ist nicht so. Die historische Entwicklung lehrt auch, daß
nicht Bismarck uns die Schutzzölle „bescheert" hat, sondern daß
andere Staaten schutzzöllnerisch vorausgingen. Amerika, Ruß-
land, Italien, Frankreich, Oesterreich, die Schweiz, die ver-
schiedensten Staatsgebiete griffen zu Schutzzöllen. Der Schutz-
zoll ist nicht immer reaktionär, der Freihandel nicht immer
liberal. Zu Zeiten des Zollvereins waren die Freihändler nicht
nur Feinde der Industrie und Bourgeoisie, sondern auch der
Arbeiter, die ihnen durch die höheren industriellen Löhne aus-
gespannt wurden. Der Schutzzoll hat somit revolutionirend ge-
wirkt uud Marx irrt, wenn er ihn ein für alle Male konservativ
und den Freihandel revolutionär nennt. Wo die Industrie sich
erst noch entwickeln muß, da werden die fortschrittlichen Arbeiter
immer Schntzzöllner sein. Wo sie sich stark genug fühlen, alle
anderen Industrien niederzurennen, sind die Arbeiter freihänd-
lerisch. So international dürfen wir nicht sein,
daß wir deshalb an einen internationalen Freihandel glauben
müssen. Das wäre eine Phrase, die sich nicht in eine Aktion
umsetzen ließe. Der Klassenstandpunkt läßt in dieser Beziehung
das Arbeiterinteresse zusammenfallen mit
dem Interesse derganzen Industrie, die das
treibende Element in der bürgerlichen Gesellschaft ist. Die
amerikanischen Arbeiter, die australischen mit ihrem hoch ent-
wickelten Arbeiterschutz sind zum größten Theil überzeugte Schutz-
zöllner. Koutsky hält Deutschland reif für den Freihandel.
Persönlich will ich das nicht bestreiten, aber den Parteitag
möchte ich darauf nicht festnageln lassen. Wir können unseren
Markt noch nicht ganz frei eröffnen. Wir sind dem Wettbewerb
anderer Industrien noch nicht gewachsen. Unsere Seestädte sind
freihändlerisch, weil die Kaufleute stets zur Handelsfreiheit

neigen. Aber unsere Industriellen denken noch gar nicht daran,
vom Schutzzoll abzulassen. Die kleinen Mittelstandslcute, die
mit jedem Pfennig haushalten müssen, die freisinnigen Spieß-
bürger und Philister, das sind reine Konsumenten, das sind
Freihändler. Die Arbeiter wünschen aber als Endziel die Ent-
wickelung ihrer Industrie, sie sind Mitglieder des Produktions-
organismus. Dem gegenüber kommt der kleine Preisaufschlag
nicht in Betracht.
Wenn man solche vernünftige Worte hört, dann darf
man die Hoffnung noch nicht aufgeben, daß es auch in
der Sozialdemokratie einst Heller Tag werden wird.

Deutsches Reich
— Der Kaiser nahm am Mittwoch Abend im
Marmorpalais den Vortrag des Reichskanzlers Fürsten
Hohenlohe entgegen, der zur Abcndtafel geladen wurde.
Der Kaiser beauftragte denPrinzen Leopoldmit seiner
Vertretung bei den Beisetzungsfeierlichkeiten in Kopen-
hagen.
— Der Kaiser hat, wie die Elbinger Zeitung
meldet, das Anerbieten des Landraths a. D. und Ritter-
gutsbesitzers Birkner, er möge die ihm testamentarisch
vermachte Herrschaft Cadinen im Landkreise Elbing schon bei
Lebzeiten Birkners in Besitz nehmen, angenommen. Ueber
diese etwa 7000 Morgen große Besitzung wird folgendes
mitgctheilt:
Cadinen zwischen Elbing und dem Stäbchen Tolkemit ge-
legen, gehört zu deu schönsten Besitzungen Westpreußens. Das
stattliche Schloß lehnt sich mit seinem Parke gegen einen bewal-
deten Höhenrücken, den die Ruine eines alten Klosters krönt.
Der Garten, dessen Anlagen als Sehenswürdigkeit der Provinz
gelten, wird durch uralte Alleen in den Forst übergeleitet; ein
steiler, von Lebensbäumen umrahmter Pfad führt zu der höchsten
Erhebung, auf der das Familien-Mausoleum errichtet ist. Jen-
seits der Chaussee erstrecken sich die Felder und Wiesen bis an
das Frische Haff heran, welches die Grenze des Gutes bildet und
einen regen Schiffsverkehr ermöglicht. Von Wäldern eingefaßt,
an den königlichen Forst grenzend, steht die Jagd des Gutes auf
besonders hoher Stufe; durch lange Pflege, durch Anlage von
Fasanerieen, von Schutzgattern, Futterstellen und dergleichen ist
der Wildstand ein ganz hervorragender. Cadinen befindet sich
seit Generationen im Besitze der Familie Birkner, die am Ende
des vorigen und zu Beginn des jetzigen Jahrhunderts zu den
reichsten Alteingesessenen der Provinz zählte. Die Continental-
fperre zur Zeit Napoleons jedoch schädigte auch hier den Wohl-
stand und das Besitzthum. Cadinen ist der Rest eines fast fürst-
lichen Vermögens geblieben. Der jetzige Besitzer Arthur Julius
Birkner (geboren 28 August 1837) übernahm das Gut nach dem
Tode seines unvermählt gebliebenen Bruders. Er war lange
Zeit Landrath des Kreises, ist Rittmeister a. D. uud gehörte
während der letzten Jahre dem preußischen Landtage als Abge-
ordneter an. Landrath Birkner ist mit einer Elbinger Dame
vermählt; die Ehe ist jedoch kinderlos.
— Die Nationalzeitung meldet, daß infolge eines der
Londoner Polizei zugegangenen anonymen Briefes bei An-
kunft der Kaiserin Friedrich, in deren Begleitung
sich die Prinzessin Victoria und deren Gemahl Prinz Adolf
zu Schaumburg-Lippe befanden, auf englischem Boden an
der Bahnstation in London und bei ihrer Abreise nach
Balmoral außerordentliche Vorsichtsmaßregeln getroffen
waren. Die Polizei hatte es zum großen Verdruß des
zahlreichen Publikums, das die Kaiserin zu sehen wünschte,
in der letzten Minute noch für gerathen erachtet, die Ein-
fahrt der Wagen zur Station Euston durch ein anderes
Portal, als ursprünglich bezeichnet, erfolgen zu lassen.
— Wie verlautet, soll der Reichstag Mitte nächsten
MonatS einberufen werden. Ein bestimmter Tag ist noch
nicht festgesetzt, doch gilt der 15. November als wahr-
scheinlich.
— lieber die P er s ona l re form i m inne r n Post-
dienste wird Folgendes bekannt. Die Annahme von
Postgehülfen erfolgt künftig nur in beschränktem Maße.
Die Bewerber, welche im Besitz des einjährig-freiwilligen
Zeugnisses sein müssen, legen nach vier Jahren die Secre-

Nnr frisch gewagt.
Eine heitere Garnisvngeschichte von Hugo Dinkelberg.
(Fortsetzung.)
rwn "s Bürgermeisterstöchtcrlein ^stand es, allen Frage-
fg "EN die erbetene Antwort mit einer ausgesuchten Zuvor-
y>,ssj"ENyeit und Liebenswürdigkeit, aber auch mit einem ge-
zii selbstbewußten Stolze und vornehmer Herablassung
st-"Eben; denn ihre Nachrichten verdankte sie ja dem innigen
ztuNschastlichen Verhältnisse, welches ihrer Meinung nach
Ä^En'hx und der Tochter des Herren Obersten, der jungen
diNubsse p. Stein, bestand. Und auf diese Freundschaft
sie !'Eb Fräulein Aurora Feuerstahl umsomehr ein, als
stelsk °EM gegenwärtigen Kreise die einzige Dame war,
die m dem Hause des Herrn Obersten verkehrte, wie sie,
wg^uchter des Herrn Bürgermeisters, überhaupt die einzige
E^che nicht nur zu der dieser Kaffeegesellschaft zweiter
Hs-HE- sondern auch zu erster Klasse gehörte, die von den
stj,,'Erdamen und einigen reichen oder adligen Gutsbesitzer-
dorr.,» ""s der Nachbarschaft gebildet wurde. Ob dieser Be-
Zweit- Ä kalt Fräulein Aurora auch als die Erste in diesem !
Ihch 'En Kreist. Zwar wenig in demselben beliebt und als
sst ^uch eingebildet und hvchmülhig verschrieen, konnte man
lei« , "lcht gut entbehren; denn das Bürgermeisterstöchler-
kab -«""le Jeden und Jede und wußte stets Alles. Stets
Kaff/? etwas Neues und Interessantes, wenn Aurora im
tillnnt- ^cknen, und im Erzählen — hinter ihrem Rücken
??? es Schwadroniren — war sie Meisterin, sie
-..stets die ganze Gesellschaft, und wenn sie sprach,
^urne "ch leine andere Dame zu bemühen. Was Fräulein
drstt-n-er > He, war zwar in den meisten Fällen nur zum
SierdV Eheste wahr, aber es war pikant uud wußte dieNeu-
"c>Ld°^e> Verehelichen Damen zu reizen. „Ja," fuhr jetzt,
berubin! n. d'E einzelnen Fragerinnen einigermaßen wieder
Chitin - ""E, Fräulein Feuerstahl in der allgemeinen Er-
ics kn» '"Et, auch noch etwas anderes, etwas Hochinteressan-
mnn ich Ihnen erzählen. Sie wissen ja olle," — und

bei diesen Worten legte sich das braungelockie Köpfchen, das
heißt die an demselben befestigten und sorgsam gerollten
langen braunen Schmachtlocken nach hinten hinüber, und um
die Stumvfnast, deren untere Seite nunmehr vertikal auf der
schmalen Oberlippe stand, spielte ein vornehmes Lächeln —
„Sie wissen ja alle, daß ich das Vergnügen habe, zu der Ge-
sellschaft zu gehören, welche allwöchentlich von den Frauen
unserer Herren Offiziere und der Gräfin v. Angern, der
Freifrau v. Seeden u. s. w. abgehalten wird. Die letzte Zu-
sammenkunft fand vorgestern bei der Frau Gräfin V. Reuthern,
der Gattin des Herrn Majors, start. Bekanntlich ist der
Herr Graf v. Reuthern ein prächtiger, liebenswürdiger Herr,
der es nie unterläßt, uns zu begrüßen, wenn wir bei seiner
Frau Gemahlin sind. Es scheint mir nun, daß der Herr
Graf mich unter den Damen der Gesellschaft ganz besondes
gern hat; denn fast immer unterhält er sich mit mir am
meisten und augenscheinlich am liebsten, wir necken uns dann
recht tüchtig, und" — „Was sich neckt, das liebt sich," trom-
petete die Stimme der Frau Lteucr-Sekretärin dazwischen.
„Gewiß", erwiderte Aurora mit einem Anflug von Empfind-
Ilchkeit, „gewiß haben wir uns gern, warum sollten wir das
auch nicht! Natürlich in Ehren, Frau Steuer-Sekretärin!"
— „Natürlich, natürlich!" bestätigte der ganze Damenchor
mir der verschiedenartigsten Betonung der Bestätigung, „aber
doch weiter, weiter, Fräulein, Sie wollten uns doch etwas
Hochinteressantes mtttheilen!" — .Geduld, Geduld, meine
Damen, eS kommt ja gleich! Aber zuerst geben Sie mir die
feierlichste Versicherung, daß Sie, was ich Ihnen mittheilen
werde, streng für sich behalten und nirgends und niemals
weitererzählen werden. Der Herr Graf Reuthern hat mir
das kleine Geschichtchen unter dem Siegel der größten Ver-
schwiegenheit erzählt und mir unsere Freundschaft gekündigt,
wenn ich nur ein Wörtlein weitererzähle. Allo, meine Damen,
ich gebe Ihnen ein großes Zeichen meines Vertrauens und
ich würde, falls Sie dasselbe mißbrauchen würden, niemals
wieder diesen Kreis betreten! Geloben Sie unverbrüchliche
Verschwiegenheit?" — und wie aus einem Munde ertönte
das Gelübde-

Fräulein Aurora wrnkte nun die entfernt sitzenden Damen
näher zu sich heran, der Tisch wurde gerückt, die Stühle
theilweise verlassen, und der ganze Flor von Frauen und
Jungfrauen bildete einen enggeschlossenen Kreis um die auf-
recht stehende Erzählerin. Nachdem diele die Frau Wirthin
durch ein stummes Zeichen noch ersucht hatte, nachzusehen,
oh die Thür auch gut verschlossen sei und von außen Nie-
mand an derselben stehe und horche, begann sie die Enthüllung
ihres Geheimnisses. „Der Herr Graf v. Reuthern theilie mir
also mit, daß Er, der schöne Rittmeister, welchen wir heute
Abend erwarten, nicht etwa des günstigeren Avancements
nach hier versetzt worden, sondern daß diese Verletzung auf
seinen ausdrücklichen Wunsch hin erfolgt sei- Der vorgesetzten
Dienstbehörde habe Ec für diesen Wunsch nur einen Schein-
vorwand angegeben, der wahre Grund aber sei, daß Er für
eine hiesige Dame eine unbesiegbare Leidenschalt gefaßt, und
daß Er geschworen habe, sich das Herz dieser Dame zu er-
obern, sie zu heirathen." — „Eine hiesige Dame? welche, welche
denn?" erscholl es von allen Leiten- — „Ja, welche Dame
es ist," erwiderte Fräulein Aurora mit schalkhaftem Lächeln,
„das konnte und wollte mir der Herr Graf trotz allen
Bittens nicht verrathen. Der kleine Roman, so bemerkte
er weiter, gewänne dadurch noch ganz bedeutend an Interesse,
daß Er, der neue Rittmeister, die auserkorene Dame seines
Herzens noch nie gesehen, daß er sich nur in ein Bild der
Dame verliebt hat!" — „Nur in ein Bild? — Oh, Sie
scherzen, Fräulein? — Das ist nicht möglich!" riefen mehrere
aus der Zahl der andächtigen Zuhörerinnen. „Warum nicht
möglich?" so fragte jetzt die Frau Amtmännin, indem sie sich,
was bei ihrem außergewöhnlichen Körperbau etwas langsam
vor sich ging, von ihrem Suchst erhob, „warum nicht mög-
lich?" wiederholte sie mit verstärkter Stimme, „ich selbst
kann Ihnen beweisen, daß so etwas sehr gut möglich ist.
Mein Mann hat sich ebenfalls nur in ein Bild verliebt. Als
er dasselbe sah, hatie auch die Liebe bei ihm Wurzel ge-
schlagen. „Diese oder Keine" hat er damals sofort zu seinen
Eltern gesagt. Es sind dies allerdings schon zwanzig Jahre
her-" — (FoltsetzungZfotgt,)
 
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